Gegen die Europäische Union, für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!

Gemeinsamer Aufruf der PSG und der SEP zur Europawahl 2014

Die Partei für Soziale Gleichheit (Deutschland) und die Socialist Equality Party (Großbritannien) beteiligen sich an der Europawahl im Mai 2014. Wir verfolgen das Ziel, die arbeitende Bevölkerung in ganz Europa im Kampf für eine sozialistische Gesellschaft zu vereinen, die auf dem Grundsatz der sozialen Gleichheit statt auf der Bereicherung einiger Weniger auf Kosten der großen Mehrheit beruht.

Der Widerstand gegen die Spardiktate der Europäischen Union, den Angriff auf demokratische Rechte und imperialistische Kriege nimmt überall zu. Was fehlt, ist eine Partei, die die Dinge beim Namen nennt, der herrschenden Klasse den Kampf ansagt und der wachsenden Opposition eine klare sozialistische und internationale Orientierung gibt. Im Mittelpunkt unseres Wahlkampfs steht der Aufbau solcher Parteien, von Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale in ganz Europa.

Wir wollen eine politische und soziale Massenbewegung der europäischen Arbeiterklasse gegen das Kapital, seine Parteien und seine Regierungen entwickeln. Wir treten nicht für die Reform des Kapitalismus ein, sondern kämpfen für seinen Sturz. Wir lehnen die Europäische Union und ihre undemokratischen Institutionen, einschließlich des Europäischen Parlaments, ab. Wir wenden uns gegen jede Form von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Nationalismus, ebenso gegen den Separatismus in Katalonien, Norditalien, Belgien und Schottland, der die Arbeiter zu einem Zeitpunkt spaltet, an dem ein vereinter Kampf gegen den gemeinsamen Feind entscheidend ist.

Unser Ziel sind Vereinigte Sozialistische Staaten von Europa. Nur die Errichtung einer Arbeiterregierung in jedem Land und die Vereinigung Europas auf sozialistischer Grundlage kann den Rückfall des Kontinents in Nationalismus und Krieg verhindern und die Voraussetzungen dafür schaffen, seine reichhaltigen Ressourcen und Produktivkräfte im Interesse der gesamten Gesellschaft zu nutzen und weiterzuentwickeln.

Die Krise des Weltkapitalismus

Die Europawahl 2014 findet inmitten der tiefsten Krise der kapitalistischen Gesellschaft seit dem Vorabend des Zweiten Weltkriegs statt.

Technik, Produktion und Handel haben in den vergangenen Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht. Das Internet, moderne Verkehrsmittel und die grenzüberschreitende Produktion haben die Weltwirtschaft eng verflochten und ihre Leistungsfähigkeit erhöht. Aber diese Errungenschaften dienen nicht der Hebung des Lebensstandards und des kulturellen Niveaus der Menschheit, sondern der Bereicherung einer kleinen Minderheit. Die Kontrolle über die komplexe Weltwirtschaft, von der das Leben von Milliarden Menschen abhängt, liegt in den Händen privater Konzerne, die sie ihren kurzsichtigen Profitinteressen unterordnen.

Die Vorherrschaft einer raffgierigen Finanzoligarchie über alle Bereiche der Wirtschaft verleiht der Krise des modernen Kapitalismus einen besonders bösartigen Charakter. Im Herbst 2008 trieben Investmentbanken und Hedgefonds das Weltfinanzsystem mit kriminellen Spekulationsgeschäften an den Rand des Ruins. Die Regierungen pumpten daraufhin Milliarden in den Finanzsektor. Allein in Europa erhielten die maroden Banken laut Angaben der EU 1,6 Billionen Euro. In Wirklichkeit waren es weit mehr. Allein die britischen Banken kassierten 1,1 Billionen Pfund.

Den Preis dafür zahlen die Arbeiter Europas. Diese Gelder werden nun durch Kürzungen bei den Sozialausgaben und im öffentlichen Sektor wieder zurückgeholt. Das Spardiktat der Troika aus Europäischer Union, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank stürzt Millionen in Armut und garantiert die uneingeschränkte Herrschaft der Banken und großen Konzerne.

Diese Politik der gezielten, massenhaften Verarmung bestätigt den reaktionären Charakter der Europäischen Union. Sie verkörpert nicht die Einheit der europäischen Völker, sondern die Diktatur der mächtigsten Wirtschafts- und Finanzinteressen über Europa. Sie bildet den Rahmen, in dem die europäischen Mächte ihre Angriffe auf die Arbeiterklasse organisieren, ihre Konflikte austragen und ihre Kriege in Afrika, dem Nahen Osten und Zentralasien planen. Vor allem Deutschland nutzt den Euro, um seine wirtschaftliche Übermacht in Europa zu stärken und den anderen Ländern einen zerstörerischen Sparkurs zu diktieren. Die EU erzeugt so selbst jene zentrifugalen Kräfte, die sie angeblich überwinden will.

Portugal, Irland, Spanien und Griechenland zeigen, welche Zukunft die EU für die Arbeiter Europas plant. In Griechenland haben die Spardiktate aus Brüssel die Durchschnittslöhne um 40 Prozent gesenkt, jeden dritten Erwachsene und jeden zweiten Jugendlichen zur Arbeitslosigkeit verdammt und Bildung, Gesundheitsversorgung und Infrastruktur zerschlagen. Hunderttausende Griechen verfügen inzwischen weder über ein Einkommen noch über eine Krankenversicherung und erhalten auch keine staatliche Unterstützung.

Kein europäisches Land bleibt von ähnlichen Maßnahmen verschont. „Haushaltskonsolidierung“ und „Arbeitsmarktreform“ sind zu Schlagwörtern für nicht endende Angriffe auf die Rechte und Errungenschaften der arbeitenden Bevölkerung geworden. Als Folge der Sparprogramme wird bald jeder dritte Einwohner Europas, insgesamt 145 Millionen Menschen, in Armut und wirtschaftlicher Unsicherheit leben.

Trotz enormer technologischer Fortschritte hat der Kapitalismus der Jugend nichts zu bieten als Arbeitslosigkeit, Armut und Krieg. Jeder vierte Jugendliche in der EU ist arbeitslos, in Griechenland und Spanien sogar mehr als jeder zweite. Wer noch Arbeit hat, erhält meist nur einen Hungerlohn oder wird zu unbezahlten Praktika gezwungen. Schulen, Universitäten und Ausbildungsstätten werden privatisiert, geschlossen oder kaputt gespart.

In Griechenland, Irland, Italien, Portugal, Spanien und Großbritannien ist die soziale Ungleichheit besonders stark ausgeprägt. Jede zweite Familie ist unmittelbar von Arbeitslosigkeit oder Teilzeitarbeit betroffen.

Aber auch in Deutschland arbeitet schon jetzt jeder dritte Beschäftigte in prekären Verhältnissen, vor allem junge Leute finden kaum mehr einen regulären Arbeitsplatz. Über 6 Millionen Menschen beziehen Hartz IV, darunter eine halbe Million Rentner. „Die sozialen und regionalen Fliehkräfte, gemessen an der Einkommensspreizung, nehmen seit 2006 in Deutschland dramatisch zu“, heißt es in einem jüngst erschienenen Bericht. Das wird unter der Großen Koalition von SPD und Union noch schlimmer werden.

In Frankreich haben die Steuererhöhungen, Rentenkürzungen und Sparmaßnahmen der sozialistischen Regierung zur Folge, dass sie zur unpopulärsten Regierung seit dem Zweiten Weltkrieg geworden ist.

Das Schicksal von Immigranten und Flüchtlingen unterstreicht die reaktionäre Rolle der EU. Seit 1990 sind 25.000 Menschen beim Versuch ums Leben gekommen, Europa über das Mittelmeer zu erreichen. Allein Anfang Oktober 2013 starben vor der italienischen Insel Lampedusa an einem Tag mehr als doppelt so viele Menschen wie an der Berliner Mauer in den 28 Jahren ihres Bestehens. Erreichen Flüchtlinge europäischen Boden, werden sie aller Rechte beraubt, in Lager gesperrt oder wie Sklaven ausgebeutet. Ähnliches gilt für innereuropäische Migranten, die vor den Folgen der EU-Sparpolitik fliehen. Sie arbeiten zu Hungerlöhnen oder werden, wie Roma aus Rumänien, zum Opfer staatlich geförderter rassistischer Kampagnen.

Die Parteien des Establishments reagieren auf den wachsenden Widerstand gegen diese Politik, indem sie den Sicherheits- und Überwachungsapparat aufrüsten, demokratische Rechte abbauen und ultrarechte Parteien fördern. Dank dem mutigen Handeln von Julian Assange, Bradley Manning und Edward Snowden ist die europäische Bevölkerung inzwischen über brutale Kriegsverbrechen informiert und weiß, dass ein riesiger Überwachungsapparat im Leben jedes Individuums herumschnüffelt. Dieser Apparat dient nicht dem Kampf gegen den „Terrorismus“, sondern der Unterdrückung jeder politischen und sozialen Opposition.

2014 jährt sich zum hundertsten Mal der Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Er war der Auftakt zu dreißig Jahren Barbarei, in deren Verlauf rund 100 Millionen Menschen auf den Schlachtfeldern und im Bombenhagel zweier Weltkriege, in Bürgerkriegen und in den Vernichtungslagern der Nazis einen gewaltsamen Tod fanden.

Ein Jahrhundert später ist keines der damaligen Probleme gelöst. Wachsende internationale Spannungen, Konflikte über Handels- und Währungsfragen sowie das aggressive imperialistische Vorgehen im Nahen Osten, gegen Russland und China vergiften das internationale Klima und verleihen den internationalen Beziehungen einen äußerst brüchigen, sprunghaften und explosiven Charakter.

Die USA setzen ihre gewaltige Militärmaschinerie ein, um ihren wirtschaftlichen Niedergang wettzumachen und die explosiven sozialen Spannungen im Innern nach außen zu lenken. Nach den Kriegen in Afghanistan, Irak und Libyen konzentrieren sie sich jetzt auch auf China, um ihre Weltherrschaft zu sichern.

Auch die europäischen Mächte werfen sich wieder in den Kampf um Einflussgebiete, Märkte und Ressourcen. Großbritannien war schon seit dem Irakkrieg der engste Verbündete der USA. Frankreich stürzt sich auf seine alten Kolonien in Afrika und dem Nahen Osten. Und Deutschland, das nach den Verbrechen der Nazis militärische Abstinenz üben musste, drängt nach Osteuropa und in die ehemalige Sowjetunion. Unter diesen Umständen genügt bald wieder ein kleiner Funke – wie 1914 das Attentat von Sarajewo –, um ausgehend von einem regionalen Konflikt einen Weltbrand zu entfachen.

Der Aufbau einer neuen Arbeiterpartei

Die reaktionäre Politik der herrschenden Klasse löst allenthalben Empörung und Opposition aus. Aber dieser Widerstand findet keinen bewussten politischen Ausdruck.

Alle Parteien, die einst vorgaben, den Kapitalismus im Interesse der Arbeiter zu reformieren, sind zu rücksichtslosen Befürwortern von Sozialabbau und Militarismus geworden. In vielen europäischen Ländern standen oder stehen sozialdemokratische Politiker an der Spitze von Regierungen, die den Arbeitern den Krieg erklärt haben. Sie werden deshalb verachtet und gehasst.

Dasselbe gilt für die Grünen, die sich einst als „Alternative“ bezeichnet hatten und sich heute nur noch in Fragen des Lebensstils von liberalen Wirtschaftsparteien unterscheiden.

Die Gewerkschaften sind keine Arbeiterorganisationen mehr, sondern abgehobene bürokratische Apparate. Ihre Funktionäre werden fürstlich dafür bezahlt, dass sie die Arbeiter einschüchtern und unterdrücken. Jede Entlassung, Lohnsenkung und Betriebsschließung trägt heute ihre Unterschrift. Wo sie Proteste und Streiks nicht völlig verhindern können, sorgen sie dafür, dass sie ins Leere laufen. So gab es in Griechenland insgesamt 35 Generalstreiks gegen die Sparmaßnahmen, doch die Gewerkschaften haben sichergestellt, dass sie wirkungslos verpufften.

Eine besonders üble Rolle spielen Parteien wie Die Linke in Deutschland, der Front de gauche in Frankreich und Syriza in Griechenland. Sie dreschen linke Phrasen, um die Arbeiterklasse zu täuschen, während sie gleichzeitig den Kapitalismus und die EU verteidigen. Wo sie selbst Regierungsverantwortung tragen, greifen sie die Arbeiterklasse ebenso rücksichtslos an wie alle anderen bürgerlichen Parteien. Die Linke hat das in mehreren Landesregierungen und zahlreichen Kommunen bewiesen. Der Vorsitzende von Syriza, Alexis Tsipras, ist eigens nach Washington gereist, um den Führern des Weltimperialismus zu versichern, dass sie von einer Syriza-Regierung nichts zu befürchten hätten.

Innerhalb und im Umfeld dieser Parteien tummeln sich zahlreiche pseudolinke Organisationen, die sich bemühen, ihnen ein fortschrittliches Deckmäntelchen umzuhängen. Diese Gruppen, zu denen in Deutschland die SAV und Marx21, in Großbritannien die Socialist Workers Party, die Socialist Party und Left Unity und in Frankreich die Neue Antikapitalistische Partei (NPA) zählen, vertreten wohlhabende Mittelschichten und nicht die arbeitende Bevölkerung. Sie betrachten die Krise als Chance, ihre eigene Karriere voranzubringen und lukrative Posten in der Regierung, im Staatsapparat und innerhalb der Gewerkschaftsbürokratie zu erhalten. Sie lehnen eine revolutionäre Perspektive strikt ab, arbeiten eng mit den Sicherheitsorganen zusammen und spielen in vielen Ländern eine Schlüsselrolle beim Angriff auf die Arbeiterklasse.

Umfragen sagen rechtsextremen, chauvinistischen Parteien, wie dem französischen Front National und der britischen United Kingdom Independence Party, erhebliche Stimmengewinne bei der Europawahl voraus. Diese Parteien nutzen den Umstand, dass angeblich „linke“ Parteien die EU sklavisch verteidigen, um die Empörung über die EU in rechte Kanäle zu lenken.

Die Ereignisse in Ägypten beinhalten in dieser Hinsicht wichtige Lehren. Dort haben revolutionäre Massenaufstände erst den Diktator Hosni Mubarak und später das Regime der Muslimbrüder zu Fall gebracht. Trotzdem konnte die Militärjunta zurück an die Macht gelangen, weil sich die Revolutionären Sozialisten (RS), eine international vernetzte pseudolinke Organisation, dem Aufbau einer revolutionären Arbeiterpartei entgegenstellten und sich mit den reaktionärsten Kräften verbündeten.

Eine neue Arbeiterpartei kann nur gegen diese korrupten bürgerlichen Parteien und ihre pseudolinken Anhängsel aufgebaut werden. Die PSG und die SEP unterscheiden sich in jeder Hinsicht von ihnen. Unsere Stärke sind unser Programm, unsere Prinzipien und unsere ungebrochene Tradition. Wir stehen in der Kontinuität der großen revolutionären Marxisten – von Marx und Engels, Lenin, Trotzki und Rosa Luxemburg. Unsere internationale Bewegung, die Vierte Internationale, wurzelt im Kampf der trotzkistischen Linken Opposition gegen den Stalinismus.

Der Stalinismus war nicht der legitime Erbe der russischen Oktoberrevolution von 1917, in der die Arbeiterklasse die Staatsmacht eroberte, sondern ihr Totengräber. Stalin vertrat die Interessen einer privilegierten Bürokratie, die die Arbeiterdemokratie unterdrückte, die Führer der Oktoberrevolution ermordete und für die größten internationalen Niederlagen der Arbeiterklasse verantwortlich war. Ihren Höhepunkt erreichte die stalinistische Konterrevolution 1991 mit der Auflösung der Sowjetunion, der Wiedereinführung kapitalistischer Verhältnisse und der Errichtung der Herrschaft einer kriminellen Oligarchie.

Die Arbeiter Osteuropas und der ehemaligen Sowjetunion haben dafür einen hohen Preis bezahlt. Sie leben in bitterer Armut, werden von europäischen Konzernen zu Niedrigstlöhnen ausgebeutet und, wie Arbeiter aus Bulgarien und Rumänien, zum Sündenbock für die sozialen Übel gestempelt, für die der Kapitalismus verantwortlich ist.

Die Angriffe des Stalinismus auf die marxistische Führung, die sozialistische Kultur und das politische Bewusstsein der Arbeiterklasse haben maßgeblich dazu beigetragen, dass sich die Bourgeoisie hemmungslos auf Kosten der Allgemeinheit bereichern konnte, ohne Massenaufstände auszulösen. Doch der Widerstand wächst, und viele, vor allem auch junge Arbeiter suchen nach einer neuen Perspektive und Führung.

Sie werden sie im Internationalen Komitee der Vierten Internationale finden, der trotzkistischen Weltbewegung. Das IKVI verkörpert die historische Tradition der Linken Opposition und der Vierte Internationale, die die Errungenschaften, das Programm und die Perspektive der sozialistischen Weltrevolution gegen den Stalinismus verteidigt haben. Es kämpft für die Erneuerung des sozialistischen Internationalismus und den Aufbau neuer, wirklich sozialistischer Parteien, von Sektionen des IKVI in ganz Europa.

Wir appellieren an alle, die mit diesem Manifest übereinstimmen, den Wahlkampf der PSG und der SEP praktisch und finanziell zu unterstützen. Wählt unsere Kandidaten, nehmt Kontakt zur PSG und SEP auf und werdet Mitglied!

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