Der afghanische Sicherheitsrat (NSC) unter Vorsitz von Präsident Hamid Karzai hat amerikanische Special Forces aufgefordert, die Provinzen Wardak und Logar innerhalb von zwei Wochen zu verlassen. Dem NSC lagen Berichte vor, nach denen amerikanische Truppen afghanische Zivilisten gefoltert und ermordet hatten.
Die afghanische Regierung ist selbst ein Marionettenregime der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten. Umso mehr stellt ihre Erklärung eine vernichtende Anklage an die Besatzung Afghanistans durch USA und Nato dar. Diese geht nun schon in ihr dreizehntes Jahr.
In der Erklärung heißt es: “Nach gründlicher Diskussion ist klar, dass bewaffnete Personen, die als Mitglieder der in der Provinz Wardak stationierten Special Forces identifiziert wurden, unschuldige Menschen eingeschüchtert, belästigt, gefoltert und sogar ermordet haben. Zum Beispiel verschwanden bei einer Operation dieser verdächtigen Truppeneinheit vor kurzem neun Menschen in dieser Provinz. Bei einem weiteren Zwischenfall wurde ein Student in der Nacht aus seinem Haus entführt. Seine gefolterte Leiche wurde zwei Tage später mit durchgeschnittener Kehle unter einer Brücke gefunden. (…) Solche Taten rufen in der örtlichen Bevölkerung Zorn und Hass hervor.“
Anderen Berichten zufolge wurde die Leiche des Studenten, der bei der erwähnten Militäroperation entführt worden war, mit abgeschnittenen Fingern und abgeschnittenem Kopf aufgefunden.
Die Erklärung des NSC wirft auch Licht auf die Kleptokratie, die sich unter der Verantwortung der USA in Afghanistan ausbreitet, wo offizielle Vertreter, welche die Unterstützung der USA genießen, regelmäßig hochwertiges Land stehlen. Der NSC versprach: „Wir werden einen ordnungsgemäßen Plan erstellen, in dem die Frage der Landnahme geregelt wird, und der vorsieht, dass Landstücke, die einflussreiche Personen sich unter Amtsmissbrauch illegal angeeignet haben, zurückgegeben werden.“
Gleichzeitig versprach der NSC in seiner Erklärung, Kabul werde weiter über „die militärische Präsenz verhandeln, die einige Länder über 2014 hinaus in Afghanistan wünschen“.
Auf einer Pressekonferenz in Kabul erklärte der Sprecher des afghanischen Präsidenten, Aimal Faizi, zu dem NSC-Dokument: “Präsident Karzai hat das Verteidigungsministerium angewiesen, die amerikanischen Special Forces innerhalb von zwei Wochen aus den Privinzen Wardak und Logar zu verweisen. Die US Special Forces und von ihnen geschaffene illegale bewaffnete Gruppen sorgen für Unsicherheit und Instabilität. Sie belästigen Einwohner dieser Provinzen. (…) Wir haben viele Beschwerden in dieser Richtung erhalten.“
Faizi fügte hinzu, dass amerikanische Operationen in diesen Provinzen die Feindschaft gegen die afghanische Regierung schüren. Das sei für das Karzai-Regime eine wichtige Frage. Die Provinzen Wardak und Logar, direkt südwestlich und südöstlich an Kabul grenzend, sind wichtige militärische Einfalltore für die Talibankräfte bei ihren Angriffen auf das Marionettenregime in Kabul.
Vertreter der US-Besatzung in Afghanistan wurden von der Erklärung des NSC und der Pressekonferenz Faizis offenbar kalt erwischt. Sie lehnten einen Kommentar zu der Angelegenheit ab: „Das ist eine wichtige Frage, die wir ausführlich mit unseren afghanischen Partnern diskutieren wollen. Aber bevor wir nicht die Gelegenheit hatten, diese Frage mit hohen Vertretern der Islamischen Republik Afghanistan zu besprechen, sehen wir uns zu keinen weiteren Stellungnahmen in der Lage.“
US-Vertreter erklärten, die Gräueltaten, die Faizi genannt habe, könnten auch von Afghanen begangen worden sein, die mit US-Kräften zusammenarbeiten.
Die Erklärung des afghanischen NSC lüftet ein wenig den Lügenschleier, hinter dem die bürgerliche Presse die Realität im besetzten Afghanistan verbirgt. Das Karzai-Regime gibt zu, dass amerikanische und Nato-Soldaten zutiefst verhasst sind, weil sie die afghanische Zivilbevölkerung foltern, töten und terrorisieren.
Der Krieg in Afghanistan ist ein brutaler imperialistischer Eroberungskrieg. Er wurde aufgrund der zynischen Behauptung begonnen, dass die USA das Land nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 besetzen müssten, um al-Qaida weltweit bekämpfen zu können. Die imperialistischen Interessen hinter der Besatzung wurden vor der Öffentlichkeit verheimlicht. Sie zielten darauf ab, in Zentralasien einen Fuß in die Tür zu bekommen und Hand an die dortigen Rohstoffe zu legen, die auf einen Wert von einer Billion Dollar geschätzt werden.
Fast zwölf Jahre später ist der “Krieg gegen den Terror” als Lüge entlarvt, die als Vorwand für eine enorme Ausweitung der Kriege der USA und der Nato weltweit diente. Washington hat al-Qaida in seinen Kriegen in Libyen und Syrien als Hilfstruppen eingesetzt, so zum Beispiel die Al Nusra Front in Syrien. Gleichzeitig behauptet es, in andere Länder wie Mali und Niger einfallen zu müssen, um al-Qaida zu bekämpfen.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
In den zwölf Besatzungsjahren haben die USA und ihre Verbündeten immer wieder Gräueltaten begangen. Diese reichen von dem Massenmord an Kriegsgefangenen, die zu Beginn des Krieges in der Festung Kala-i-Janghi gegen CIA-Verhöre rebelliert hatten, über die routinemäßigen Folterungen auf dem Luftwaffenstützpunkt Bagram bis hin zu regelmäßigen Luftangriffen auf die afghanische Bevölkerung.
Dazu gehören auch Luftschläge mittels unbemannter Drohnen, die ausgeweitet wurden, der Krieg in Amerika und Europa immer stärker abgelehnt wurde. Freigegebenen amerikanischen Militärstatistiken zufolge wurden von 2009 bis Anfang November 2012 allein in Afghanistan ca. 1.160 Drohnenangriffe geflogen, denen Tausende Afghanen zum Opfer fielen. Die amerikanische Regierung machte sich nicht die Mühe, die Zahl der getöteten Afghanen zu zählen, was sie übrigens auch bei Bodenoperationen oder bemannten Luftangriffen nicht tut.
Heute kommen diese Fragen auf, weil sich das Karzai-Regime mit den Auswirkungen der Verringerung der amerikanischen und der Nato-Truppen in 2014 konfrontiert sieht. Von der afghanischen Bevölkerung verachtet, ist Karzai auf den Schutz durch die 100.000 Nato-Soldaten im Land angewiesen. Besorgt fragt er sich, wie er eine spürbare Verringerung dieser Truppen überleben solle.
Karzai versucht sich dadurch zu retten, dass er einige in Afghanistan besonders verhasste Aspekte der US-Politik kritisiert. Um sich der Zivilbevölkerung als Freund anzudienen, wendet er sich gegen die ständigen Luftangriffe und nächtlichen Razzien in Wohngebieten durch Special Forces. Vergangene Woche verurteilte Karzai einen Luftangriff der Nato, bei dem neun Zivilisten umkamen. Dabei nahm er in Kauf, dass die Beziehungen zu den US-Besatzungsbehörden darunter leiden könnten.
In Afghanistan wurde die blutige Bilanz der Special Forces entlarvt, die mit Razzien und Luftangriffen die Bevölkerung terrorisieren. Dies beleuchtet auch den kriminellen Charakter der Operation im Niger, die am Freitag bekannt gegeben wurde. Die USA senden Truppen und Drohnen in den Niger, angeblich um al-Qaida zu bekämpfen. Das Land liegt strategisch am Verlauf wichtiger Pipelines der großen nigerianischen Ölindustrie und verfügt selbst über die weltgrößten Uranbergwerke. Frankreich hat Ende letzten Jahres mit Unterstützung der USA das Nachbarland Mali erobert.
Es wird nicht lange dauern, bis diese Truppen – genau wie in Afghanistan – auch in Afrika die Gegner imperialistischer US-Intervention verfolgen werden. Dann wird es auch dort zu Folter und Mord an Zivilisten kommen.