Perspektive

Das amerikanische Militär und die Philippinen

Präsident Barack Obama erklärte letzte Woche in einer kurzen Stellungnahme zu den Auswirkungen des Taifun Haiyan auf den Philippinen, sie seien eine „herzerschütternde Mahnung daran, wie empfindlich das Leben ist.“

Als Chef einer Regierung, die zahlreichen verarmten Völkern, vom Irak über Afghanistan und Pakistan, Libyen, den Jemen bis hin zu Syrien Tod und Zerstörung gebracht hat, hat es der amerikanische Präsident kaum nötig darauf zu warten, dass der Einbruch der Naturgewalten über die philippinische Bevölkerung ihn daran erinnert.

Das amerikanische Militär, das wichtigste Instrument für diese Massaker, wird jetzt als der unverzichtbare gute Samariter auf den Philippinen dargestellt. In den Angriffskriegen, die Washington in den letzten zwölf Jahren geführt hat, kamen hundertmal mehr Menschen ums Leben als durch den Taifun Haiyan.

Etwa 50 amerikanische Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge und 13.000 amerikanische Seeleute, Piloten und Marines wurden für die Hilfsaktion eingesetzt, geführt von der Marinekampfgruppe des atomgetriebenen Superflugzeugträgers USS George Washington, außerdem ist die 3. Marine Expeditionary Brigade daran beteiligt.

Lt. General John Wissler vom Marine Corps, der Befehlshaber der amerikanischen Militäroperationen auf den Philippinen, erklärte am Montag: „Wir werden dort sein, solange wir gebraucht werden – nicht länger als nötig.“

Die Bevölkerung der Philippinen hat aufgrund der tragischen Geschichte ihres Landes und seiner aktuellen geostrategischen Position allen Grund, solchen Versprechen gegenüber extrem skeptisch zu sein.

Es gibt vielleicht kein besseres Beispiel dafür, wie das US-Militär die Gastfreundschaft eines Landes überbeansprucht als die Philippinen. Ende des 19. Jahrhunderts waren es die Philippinen, an denen sich der US-Imperialismus zum ersten Mal die Zähne gewetzt hatte und durch militärische Eroberungen und brutale Unterdrückung zu einer Kolonialmacht wurde.

Ein Vertreter des Außenministeriums sprach am Dienstag in einer Aussage über die Hilfsaktionen vor dem amerikanischen Senat von den „engen historischen Beziehungen“ zwischen den beiden Ländern. Allerdings wollten weder Regierungsvertreter noch die Medien im Detail auf diese Beziehungen eingehen, denn sie würden nur ein historisches Verbrechen entlarven.

Das US-Militär tauchte am 1. Mai 1898 zum ersten Mal in Form eines Marinegeschwaders auf den Philippinen auf, das unter dem Kommando von Commodore George Dewey in den Hafen von Manila einlief und innerhalb weniger Stunden die gesamte Pazifikflotte Spaniens zerstörte, das das Land zuvor 300 Jahre lang als Kolonie regiert hatte.

An Bord von Deweys Kriegsschiff kehrte auch Emilio Aguinaldo aus dem Exil zurück, der Führer einer nationalistischen Bewegung, die seit drei Jahren vor dem Eintreffen der amerikanischen Armada gegen die spanischen Kolonialherren gekämpft hatte. Die amerikanischen Truppen konnten Manila nur einnehmen, weil es vom Land her von diesen Unabhängigkeitskämpfern umzingelt war. Washington gab sich nur so lange als Verbündeter und Befreier der Philippen aus, bis es die Kontrolle über das Territorium gesichert hatte, das es als Absatzmarkt, Quelle für billige Arbeitskräfte und Rohstoffe und Machtbasis im Pazifik brauchte, vor allem gegen China.

Dann ging es brutal gegen die Filipinos vor und unterzeichnete einen Vertrag mit Spanien, das zwanzig Millionen Dollar für ein Land erhielt, das es nicht mehr kontrollierte. Die Filipinos blieben von diesen Verhandlungen ausgeschlossen. Sie hatten eine unabhängige Republik ausgerufen, die erste, die in Asien als Ergebnis einer antikolonialen Rebellion entstand.

Daraufhin errichteten die USA ein blutiges Kolonialregime und kämpften mehr als zehn Jahre Aufständische nieder. Dabei kamen mindestens mehrere hunderttausend Filipinos ums Leben. Im Jahr 1901 erklärte General Franklin Bell, der Befehlshaber der US-Truppen auf Luzon, der Inselgruppe, zu der Manila und etwa die Hälfte der Bevölkerung des Landes gehörte, der New York Times, dass alleine dort mindestens 600.000 Menschen durch Militäroperationen oder Krankheiten ums Leben gekommen waren.

Ein anderer amerikanischer General formulierte es so: „Es ist vielleicht nötig, die Hälfte aller Filipinos zu töten, damit die andere Hälfte von ihnen in eine höhere Entwicklungsstufe aufsteigen kann als es ihnen ihr aktueller, halbbarbarischer Zustand erlaubt.“

Mark Twain, der bekannteste und leidenschaftlichste Kritiker des amerikanischen Kriegs auf den Philippinen, widersetzte sich der Forderung nach Unterstützung der Truppen und verurteilte das US-Militär für Massaker, bei denen „nicht einmal die Säuglinge überlebten, um nach ihren toten Müttern zu schreien.“ Der berühmte amerikanische Autor bezeichnete die amerikanischen Besatzungstruppen als „christliche Schlächter“ und „uniformierte Mörder.“

Der Philippinenfeldzug gehörte zu den ersten Anti-Terror-Operationen, die das US-Militär durchführte, und er erfand alle Grausamkeiten, die sich später in Vietnam, Afghanistan und dem Irak wiederholen sollten – von Massakern über Folter bis hin zu Konzentrationslagern.

Die amerikanische Kolonialherrschaft dauerte bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Danach unterstützte Washington eine Reihe von halbkolonialen Regierungen, darunter die verhasste Diktatur von Ferdinand Marcos, der das Land zwanzig Jahre lang regierte. Bis 1991 unterhielt das Pentagon die riesige Marinebasis Subic Bay und die Clark Air Force Base, die beide eine wichtige Rolle im Korea- und Vietnamkrieg spielten.

Das ist angesichts des Schicksals der Philippinen nach dem Taifun Haiyan nicht nur Geschichte. Die weitverbreitete Armut, soziale Ungleichheit, die ungenügenden Wohnhäuser und die Korruptheit der Regierung - das Erbe kolonialer und neokolonialer Unterdrückung ist für die Todesopfer und die Zerstörung mindestens genauso verantwortlich wie die rohen Kräfte der Natur.

Auch sind die Interessen der USA auf den Philippinen nichts aus einer vergangenen Zeit. Die Nachrichtenagentur Reuters schrieb am Mittwoch: „Während amerikanische Schiffe Nahrung, Wasser und Medizin liefern, machen sie auch gutes Wetter, das es den USA erleichtern könnte, ihre oft umstrittene Militärpräsenz in einem der strategisch wichtigsten Länder Südostasiens zu verstärken.“

Wenn das amerikanische Militär das erste Mal als Instrument einer aufstrebenden kapitalistischen Macht auf die Philippinen kam, die sich neue Märkte in Asien sichern wollte, so kehrt es jetzt als Speerspitze einer untergehenden kapitalistischen Macht zurück, die entschlossen ist, einen aufstrebenden Rivalen in der Region und der Welt einzukreisen und einzudämmen: China.

Die Philippinen sind für die „Schwerpunktverlagerung auf Asien“ der Obama-Regierung von hoher strategischer Bedeutung. Nachdem ihre Regierung 1992 die riesigen amerikanischen Militärbasen geschlossen hatte, hat sie amerikanischen Spezialkräften wieder erlaubt, ins Land zurückzukehren, um gemeinsame Operationen und Manöver mit den eigenen Streitkräften durchzuführen. Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres sind 72 amerikanische Kriegsschiffe und U-Boote in Subic Bay eingetroffen. Parallel dazu verhandeln die USA weiter um Stationierungsrechte für Schiffe, Flugzeuge, Nachschub und Truppen.

Der Bau einer Marinebasis in der Oyster Bay auf der Inselprovinz Palawan geht weiter. Verantwortliche beschreiben die Anlange als eine kleinere Subic-Basis, und es ist von Plänen die Rede, dort amerikanische Kriegsschiffe und Marines zu stationieren. Die Provinz liegt auf der westlichsten Insel des Landes, nahe den Spratly-Inseln, um die sich China und Manila einen provokanten Territorialstreit liefern, der von den USA geschürt wird.

Daher ist die „humanitäre“ Operation des US-Militärs auf den Philippinen untrennbar mit Kriegsplänen verbunden, die das Land in einen weltweiten Krieg ziehen könnten

Trotz der räuberischen Berechnungen der herrschenden Klasse der USA hat die Masse der arbeitenden amerikanischen Bevölkerung echte Gefühle der Anteilnahme und Solidarität mit den Arbeitern auf den Philippinen. Die starken Verbindungen drücken sich am deutlichsten darin aus, dass in den Vereinigten Staaten etwa vier Millionen philippinischstämmige Staatsbürger leben.

Die Katastrophe, die der Taifun Haiyan ausgelöst hat, zeigt nur noch deutlicher, dass ein gemeinsamer Kampf notwendig ist, um Armut und Ungleichheit in beiden Ländern, zusammen mit dem kapitalistischen Profitsystem zu beseitigen, das sie hervorgebracht hat.

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