Misstrauensvotum gegen die griechische Regierung scheitert

Ein von der größten Oppositionspartei SYRIZA angestrengtes Misstrauensvotum gegen die griechische Regierung scheiterte am Sonntag deutlich. Das Ergebnis stärkt die Regierung angesichts heftiger sozialer Konflikte, die im ganzen Land aufbrechen.

Die Koalition der Radikalen Linken (SYRIZA) hatte das Misstrauensvotum nach dem Polizeieinsatz gegen protestierende Beschäftigte des ehemaligen staatlichen Fernsehsenders ERT am Freitag beantragt. Nach einer Debatte stimmte das Parlament in der Nacht zum Montag darüber ab.

Die Regierungskoalition aus konservativer Nea Dimokratia (ND) und sozialdemokratischer PASOK erhielt die Stimmen von 153 der 294 anwesenden Abgeordneten. 17 Abgeordnete enthielten sich, davon 14 von der Demokratischen Linken (DIMAR), einer Abspaltung von SYRIZA, die bis Juni dieses Jahres noch Teil der Regierung war.

124 Abgeordnete stimmten für den Misstrauensantrag, neben der SYRIZA-Fraktion die Abgeordneten der rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen (ANEL), der Kommunistischen Partei (KKE) und der faschistischen Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte). Mit der PASOK-Abgeordneten Theodora Tzakri stimmte auch ein Mitglied des Regierungslagers für den Antrag. Sie wurde umgehend aus ihrer Fraktion ausgeschlossen.

„Die Regierung ist gestärkt (aus dem Votum) herausgekommen“, sagte Ministerpräsident Andonis Samaras (ND) nach der Abstimmung im griechischen Fernsehen. In den nächsten sechs Monaten dürfen nun keine weiteren Misstrauensanträge gestellt werden.

Dieses Ergebnis kommt nicht überraschend. Die Regierung verfügt über eine klare Mehrheit von 155 Sitzen, und DIMAR hatte schon im Vorfeld angekündigt, sich im Falle eines Misstrauensvotums zu enthalten. Um die nötigen 151 Stimmen für Neuwahlen zu erhalten, hätte SYRIZA folglich die Stimmen von mindestens 20 Abgeordneten der Regierungsfraktionen benötigt.

Angesichts dieser eindeutigen Lage hat SYRIZA das Misstrauensvotum nicht eingebracht, um die Regierung zu stürzen. Da sie wusste, dass es scheitern würde, nutzte sie dieses parlamentarische Manöver, um die Arbeiterklasse zu verwirren, einer unabhängigen Mobilisierung entgegenzuwirken und sich selbst als Stabilitätsfaktor zu inszenieren. So stützte sie letztendlich die Regierungspolitik.

Zwischen SYRIZA und der Regierung bestehen keine grundlegenden Differenzen. Vertreter der Partei haben immer wieder betont, dass sie das Kürzungsdiktat der EU nicht ablehnen, sondern lediglich neu verhandeln wollen. Erst am Montag hatte SYRIZA-Chef Alexis Tsipras auf einem Forum der University of Texas diesen Standpunkt bestätigt und erklärt, dass eine SYRIZA-Regierung unter keinen Umständen aus der EU austreten werde.

Während der Debatte über das Misstrauensvotum gab sich Tsipras betont staatstragend und empfahl seine Partei als Stütze der Sparpolitik. Er verband eine begrenzte Kritik an der Regierung mit Zusicherungen an die EU und beteuerte die Bereitschaft SYRIZAs, mit den Kreditgebern zu verhandeln. Seine Partei wolle mit dem Misstrauensvotum „die Wirtschaftskatastrophe und die Abwertung der Demokratie“ abwenden, sagte er und warf der Regierung vor, sie habe die „Gesellschaft zersetzt“.

Die Regierung habe mit der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) „niemals über bessere Bedingungen für die Hilfskredite verhandelt. Sie hat sich vielmehr unterwürfig für schärfere Maßnahmen entschieden, ohne den Kreditgebern Alternativen vorzuschlagen oder die humanitäre Krise anzusprechen“, erklärte Tsipras. Die Regierung müsse „neue Gesetze verabschieden, die Wachstum schaffen.“

„Wachstumsorientierung“ ist ein Schlüsselwort bei den derzeitigen Verhandlungen mit der Troika. Diese verlangt, dass die Regierung den Sozialversicherungsbeitrag der Unternehmen reduziert, und begründet das damit, dass so Wachstum am Arbeitsmarkt erzeugt werden könne. Die Folge wären weitere Leistungskürzungen bei Renten- und Krankenversicherung.

Tsipras verbindet seine Pro-EU-Politik in wachsendem Maße mit nationalistischen Untertönen. Samaras stehe „unter ausländischer Kontrolle“, erklärte er in der Parlamentsdebatte. Schon auf dem Parteitag im Juli hatte Tsipras die „Patrioten aller Parteien“ aufgefordert, Mitglied bei SYRIZA zu werden. Im Frühjahr hatte SYRIZA eine gemeinsame Front mit den nationalistischen ANEL gebildet, um die zypriotischen Banken mit Hilfsmitteln der EU zu retten.

Das Ziel einer derartigen Rhetorik besteht darin, kleinbürgerliche Schichten für das EU-Programm der Sozialkürzungen und gegen die sozialen Interessen der Arbeiter zu mobilisieren. Zu einer von SYRIZA ausgerufenen „Massenkundgebung“ kamen am Sonntagabend nur wenige tausend Menschen auf den Syntagma-Platz. Mehrheitlich handelte es sich dabei um Gewerkschaftsbürokraten und Vertreter wohlhabender Mittelschichten.

SYRIZA reagiert mit ihren Manövern auf die rasche Verschärfung der sozialen Konflikte in Griechenland. In allen Bereichen des öffentlichen Dienstes wehren sich die Beschäftigten gegen die Massenentlassungen der Regierung. An einem Generalstreik am letzten Mittwoch beteiligten sich hunderttausende Arbeiter. Seither geht die Regierung mit zunehmender Brutalität gegen sie vor.

Die Räumung des Gebäudes des Fernsehsenders ERT, die als Anlass für das Misstrauensvotum diente, kennzeichnete eine weitere Eskalation der Gewalt gegen Streiks und Proteste. Nur einen Tag danach erklärte am Freitag ein Gericht den Streik der Universitätsbeschäftigten für illegal. Diese kämpfen seit über zwei Monaten gegen umfassende Entlassungspläne der Regierung.

Am Montag entschieden die Betroffenen, den Streik dennoch fortzusetzen. Bei den U-Bahnfahrern und Seeleuten hatte eine derartige Entscheidung zur Folge, dass die Regierung die Arbeiter unter Kriegsrecht stellte und zur Zwangsarbeit verpflichtete. Noch in dieser Woche könnte der Konflikt mit der Regierung ähnlich eskalieren.

Das Vorgehen gegen die Mitarbeiter des ERT und die Universitätsbeschäftigten ist eng mit den Vertretern der Troika abgesprochen, die sich seit letzter Woche wieder in Athen aufhalten und mit der Regierung darüber beraten, wie die vereinbarten Entlassungen und Kürzungen gegen den Widerstand der Arbeiter durchgesetzt werden können. Ansonsten droht die Troika damit, die nächste Tranche an Hilfskrediten über eine Milliarde Euro auszusetzen.

Diskutiert werden außerdem neue soziale Angriffe für das Jahr 2014. Finanzminister Giannis Stournaras hat bereits bekanntgegeben, er habe weitere Kürzungsposten von zusammen 2,2 Milliarden Euro ausgemacht, nannte aber keine Details. Die nächste Gesprächsrunde ist für den heutigen Dienstag angesetzt.

Unter diesen Bedingungen setzt SYRIZA alles daran, die EU und die Troika gegen den Widerstand der Arbeiter zu verteidigen. Sie schürt die Illusion, dass die sozialen Angriffe nur das Ergebnis einer schlechten Verhandlungsstrategie seien und wirbt für neue Kreditvereinbarungen. Tatsächlich sind Arbeiter nicht nur in Griechenland, sondern in ganz Europa mit einer rücksichtslosen Finanzelite konfrontiert, die zu allem bereit ist, um ihre Macht und ihre Privilegien zu verteidigen. SYRIZA ist Teil davon.

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