Im tschechischen Pardubice hat der Elektronikhersteller Foxconn Ausbeutungsverhältnisse wie in China eingeführt.
Das Foxconn-Werk hat sich in der tschechischen 90.000-Einwohner-Stadt, einem Industriezentrum, im Jahr 2000 angesiedelt. Hier lässt der taiwanesische Konzern, berüchtigt für seine Ausbeutung von Arbeitern in China, vor allem für Hewlett Packard (HP) Computer per Hand zusammenbauen.
Der Monatslohn an den Montagelinien von bis zu 500 Euro ist für Tschechien gering, ist aber immer noch dreimal so hoch wie in chinesischen Foxconn-Werken. Die Konzernleitung hatte sich dennoch entschieden, sich erstmals auf europäischem Gebiet zu betätigen, da der europäische Markt von Tschechien aus schneller bedient werden kann als von China. Mit der Eröffnung des Werkes in Pardubice, nur wenige Autostunden von der deutschen Grenze entfernt, hielten jedoch auch die Arbeitsverhältnisse, wie man sie bisher nur aus China kannte, Einzug auf europäischem Boden.
In dem Werk schuften über 4.000 Arbeiter, die meisten aus Vietnam, Bulgarien und der Mongolei sowie einige Hundert aus Tschechien. Zwölf-Stunden-Schichten sind die Regel. Die Arbeitsbedingungen erinnern an die Frühzeit und Rechtlosigkeit der Industriellen Revolution.
Es herrscht extremer Leistungsdruck, die Arbeiter haben nur kurze Pausen, die sie beim Gang durch die riesigen Werkshallen zu ihren Spinden bereits aufgebracht haben. Dazu kommt noch eine strenge Überwachung bestimmter Arbeitsvorschriften durch so genannte Gruppenleiter. Sie verbieten den Arbeitern das Reden und Trinken während der Arbeitszeit.
Den oben genannten Lohn, mit dem sie kaum ihre Grundbedürfnisse stillen können, erhalten die Arbeiter nur, wenn sie die Normen für Produktionszahlen oder Sauberkeit am Arbeitsplatz einhalten, was dann mit einem „Bonus“ vergütet wird. Verstößt jemand an der Montagelinie gegen eine Vorschrift, wird gleich die ganze, aus mehreren Arbeitern bestehende Linie dafür bestraft und kann ihren Bonus verlieren. Dabei kann kaum ein Arbeiter alle Normen erfüllen. Die meisten können ihnen gerade so weit entsprechen, dass sie einen Stundenlohn von 3,50 Euro erhalten.
Am schlimmsten sind die Bedingungen der ausländischen Arbeitskräfte. Sie werden von Leiharbeitsfirmen zu weniger als der Hälfte des Lohns, der tschechischen Arbeitern zusteht, an Foxconn vermittelt. Die Leiharbeitsfirmen stecken die Arbeiter in überfüllte Hotels im mangelhaften Zustand und erwarten von ihnen durchgängige Arbeitsbereitschaft, um den höchstmöglichen Profit aus ihnen herauszupressen.
Die Leiharbeiter müssen sich verpflichten, dauernd für etwaige Arbeitseinsätze erreichbar zu sein. Wochenenden oder Feiertage sind so für diese Arbeiter oft Arbeitstage. Laut dem Computermagazin c’t, das ein Reporterteam nach Pardubice geschickt und die Zustände aufgedeckt hat, rühmen sich die Fabrikbesitzer, so die gleiche Produktivität aus den Arbeitern herausholen zu können, wie sie sonst nur in China möglich sei.
Von den Gewerkschaften haben die Arbeiter bei Foxconn nichts zu erwarten. Ein vietnamesischer Arbeiter, dem c‘t das Gewerkschaftsemblem vorzeigte, äußerte den Verdacht, dass es für die Gruppenleiter stünde, die die Arbeitsnormen überwachen.
Obwohl lediglich 250 tschechische Arbeiter Mitglied in der tschechischen Metallarbeitergewerkschaft sind, hat die Foxconn-Konzernleitung dem Betriebsfunktionär der Gewerkschaft ein eigenes Büro und eine Assistenz von der Werksleitung gestellt. Seine Fahrtkosten zu einem anderen Foxconn-Werk im wenige Kilometer entfernten Kutna Hora übernimmt sie auch. Gegenüber der Presse verteidigt der Gewerkschaftsfunktionär die Arbeitsbedingungen im Werk und redet sie schön.
Als infolge der internationalen Wirtschaftskrise 2008 der Absatz für Computer einbrach, wurden 3.500 von ehemals 8.000 Beschäftigten entlassen. Die tschechische Metallarbeiter-Gewerkschaft drängte bei den Verhandlungen mit dem Konzern darauf, die ausländischen Leiharbeiter zu feuern. Der Konzern war dazu bereit. Alle Entlassenen waren ausnahmslos ausländische Leiharbeiter.
Dank der Leihfirmen, deren Handeln durch tschechische Gesetze gedeckt ist, und der Gewerkschaft wurde die Belegschaft lautlos und ohne Streik halbiert. Denn die Leihfirmen beriefen sich auf die von den Arbeitern unterzeichneten Verträge, nach denen sie bei lauer Auftragslage fristlos gekündigt werden dürfen. Der tschechische Staat sorgte für die Abschiebung der Entlassenen.
Die Verbleibenden sehen sich nun einer höheren Produktionsdichte ausgesetzt. Sie müssen sechs Tage die Woche in Tag- und Nachtschichten schuften oder eben gar nicht. Wenn die Auftragslage keine komplette Auslastung ermöglicht, können die Leiharbeiter in die billigen Unterkünfte abgeschoben werden – ohne Lohn, teilweise wochenlang. In Zeiten mit hoher Auslastung, berichten Arbeiter, brechen Kollegen unter der Last der harten Anstrengung und eintönigen Arbeiten ohnmächtig zusammen.
Als acht bulgarische Leiharbeiter sich 2010 über ausgelassene Lohnzahlungen öffentlich beschweren wollten, drohte ihnen Foxconn mit Entlassung – und zwar aller bulgarischen Arbeiter. Drei von ihnen sprachen trotzdem mit der Presse. Darauf schaltete sich ein hoher Foxconn-Manager ein, fünf bulgarische Arbeiter wurden wieder eingestellt, die Arbeiter der Leihfirma sozialversichert und der verantwortliche Manager in Pardubice von seinem Posten abberufen.
Diese Taktik des Konzerns, solange mit Drohungen zu arbeiten, wie es geht, erinnert an die Arbeitskämpfe in den chinesischen Foxconn-Werken, in denen etwa 1,1 Millionen Arbeiter beschäftigt sind. Die riesigen Fabriken – in Zhengzhou sind fast 200.000 und in Shenzhen 400.000 Arbeiter beschäftigt – stellen die neuesten Elektronikprodukte wie das iPhone von Apple her.
Immer wieder haben Arbeiter in China wegen der unmenschlichen Arbeitsbedingungen Selbstmord begangen. Als Reaktion installierte die Werksleitung Netze und Maschendrahtzäune auf den Fabrikdächern, um den Suizid von Angestellten zu verhindern. Bei einem Arbeitskampf in Shenzhen im letzten Jahr, bei dem Hunderte Beschäftigte mit Selbstmord drohten, gestand der Foxconn-Konzern schließlich geringfügig höhere Gehälter zu.
Aufgrund der gestiegenen Löhne an diesem Standort verlagerte Foxconn seine Produktion in Orte mit geringeren Produktionskosten. Darüber hinaus kürzte Foxconn die Bonuszahlungen durch Erhöhung der Normen. Einem höheren Grundgehalt standen jetzt niedrigere Bonuszahlungen gegenüber. Foxconn rechtfertigte sich öffentlich mit der Begründung, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen gefährdeten die sowieso schon geringe Gewinnmarge von zwei bis drei Prozent.
Daraufhin erwirkte Foxconn bei seinen Großabnehmern – unter ihnen der Apple-Konzern, der mit Umsatzrenditen von etwa 20 Prozent operiert – höhere Ankaufspreise. Die Großabnehmer schlugen diese höheren Einkaufs- auf die Endverkaufspreise auf. Die wahren Profiteure, diejenigen, die am meisten an der Ausbeutung in den Werken von Zhengzhou, Shenzhen und Pardubice verdienen, sind Konzerne wie Apple oder HP. Sie stehen am Ende der Verwertungskette.