Ein wichtiger Aspekt der Spionageoperationen, die seit letztem Monat von dem Whistleblower und ehemaligen Mitarbeiter der National Security Agency (NSA) Edward Snowden enthüllt wurden, ist die Zusammenarbeit der Telekommunikations- und Technologieriesen mit der Obama-Regierung und den amerikanischen Geheimdiensten bei der systematischen Verletzung demokratischer Rechte.
Ein wichtiges Element in dieser Verbindung aus Konzernen und Geheimdiensten wurde letzte Woche in Artikeln enthüllt, die sich mit den intimen Beziehungen des Softwareriesen Microsoft mit der NSA und dem FBI befassten.
Laut Snowden hat Microsoft mit der NSA bei der Entwicklung eines Verfahrens zusammengearbeitet, mit dem sich seine eigenen Verschlüsselungsmechanismen umgehen lassen, und das der NSA ungehinderten Zugang zu dem E-Mail-Service Outlook.com genehmigt, der Hotmail, Messenger und weitere weit verbreitete Programme umfasst. Die Firma hat auch mit dem FBI und der NSA zusammengearbeitet, um ihnen Zugang zu SkyDrive zu verschaffen, einem Filehosting-Dienst, der von etwa 250 Millionen Menschen benutzt wird.
Im Jahr 2011 kaufte Microsoft das Chat- und Videotelefoniesystem Skype, das aktuell von 800 Millionen Menschen verwendet wird. Skype hatte zwar bereits begonnen, mit amerikanischen Geheimdiensten zusammenzuarbeiten, allerdings rühmte sich die NSA damit, dass sich die Zahl der kontrollierten Anrufe neun Monate nach der Übernahme durch Microsoft bereits verdreifacht hatte.
Die Beziehungen der US-Regierung zu Microsoft sind wichtig in ihrem Bestreben, Datenbanken mit enormen Mengen von Informationen zu sammeln. Microsoft ist der größte Softwarehersteller der Welt, geführt von Bill Gates, dem zweitreichsten Menschen der Welt. Microsofts Betriebssystem Windows wird auf fast 90 Prozent aller Computer eingesetzt, die mit dem Internet verbunden sind. Angesichts der jüngsten Enthüllungen ist davon auszugehen, dass das meiste, was auf Microsoft-Computern getan wird, möglicherweise von der Regierung überwacht wird.
Microsoft ist bei weitem nicht das einzige Unternehmen, das heimlich und hinter dem Rücken seiner Kunden in massivem Umfang Informationen an den Staat weitergibt.
Snowdens erste Enthüllung betraf eine Anordnung des Foreign Intelligence Surveillance Court, der das Telekommunikationsunternehmen Verizon aufforderte, die Telefondaten seiner Millionen Kunden zu übergeben. Dies ist Teil eines Programms, das im Jahr 2006 begonnen und unter Obama fortgesetzt wurde, um „Metadaten“ von allen großen Telefongesellschaften zu sammeln, unter anderem von AT&T und Spring. Der Staat besitzt damit detaillierte Informationen darüber, wer wen, wann und von wo aus angerufen hat und kann die sozialen und politischen Beziehungen von fast jedem Einwohner der USA feststellen.
Das Ausspionieren von Skype-Nutzern ist Teil des Programms Prism, das im Jahr 2007 startete. Durch dieses Programm hat die NSA direkten Zugang zu den Servern amerikanischer Internetunternehmen, darunter Microsoft, Yahoo, Google, Facebook, AOL, YouTube und Apple.
Prism selbst ist nur ein Teil eines noch umfassenderen Programms, in dessen Rahmen die NSA direkt das „Rückgrat des Internets“ anzapft – d.h. die Glasfaserkabel, durch die der Großteil der Telekommunikation und Internetkommunikation passiert. Diese Kabel werden von Großkonzernen verwaltet und kontrolliert, darunter den gleichen Telekommunikationsgiganten, die Daten über Telefongespräche weitergeben, sowie Unternehmen wie 3Communications und CenturyLink. Auf diese Weise kann die NSA einen Großteil des Internetverkehrs der Welt in Echtzeit überwachen und dauerhaft lagern.
Bloomberg News meldete letzten Monat, dass „Tausende von Technologie-, Finanz- und Industrieunternehmen eng mit den nationalen Geheimdiensten zusammenarbeiten, sensible Informationen liefern und im Gegenzug unter anderem Zugang zu vertraulichen Informationen erhalten.“ Im Gegenzug für ihre geheime Kollaboration mit der Regierung erhalten die Unternehmen oft Dokumente, die ihnen Immunität für ihre Handlungen garantieren.
Die Programme, von denen Bloomberg berichtet, sind vielseitig und weitreichend. Unter anderem erklärt sich Microsoft bereit, die NSA über Fehler in seinen Betriebssystemen zu informieren, bevor sie öffentlich gemacht werden – damit hat die Agentur die Möglichkeit, diese Information auszunutzen, um Computer in den USA und im Ausland zu infiltrieren. Der Hersteller von Internet-Sicherheitssoftware McAfee ist eine Tochtergesellschaft von Intel und arbeitet ebenfalls regelmäßig mit Geheimdiensten zusammen.
Konzerne und Geheimdienste arbeiten sogar im Weltmaßstab zusammen. Am Wochenende berichteten australische Zeitungen über eine Partnerschaft zwischen amerikanischen Geheimdiensten und Telstra, dem größten australischen Telekommunikationsunternehmen, das der US-Regierung Daten übermittelt. Telstra kontrolliert den Großteil des Internetverkehrs in Australien und verwaltet den überwiegenden Teil der Telekommunikation aus Asien.
Anfang des Monats schrieb Glenn Greenwald, der Journalist, der mit Snowden zusammengearbeitet hatte, in der brasilianischen Zeitung O Globo über ein Programm namens FAIRVIEW, das Milliarden von Kommunikationen zwischen einfachen Brasilianern gesammelt hat. Auch hier waren Telekommunikationsunternehmen direkt beteiligt. Laut Greenwald hatte die NSA mit einem großen amerikanischen Telekommunikationsunternehmen zusammengearbeitet... und dieses amerikanische Unternehmen arbeitet seinerseits mit den Telefongesellschaften anderer Länder zusammen.“ Die Telekommunikationsunternehmen stellen ihre Daten also einem amerikanischen Unternehmen zur Verfügung, das sie an die NSA weitergibt.
In einigen Fällen geht die intime Beziehung zwischen Geheimdiensten und Telekommunikationsunternehmen sogar so weit, dass Personen direkt von einer Seite auf die andere wechseln. So war beispielsweise der aktuelle Sicherheitschef von Verizon Michael Mason, vorher Chef des Criminal, Cyber, Response and Services Branch des FBI. Bei AT&T wird die Position von Edward Amoroso eingenommen, der in den 1980ern an Präsident Reagans Strategic Defense Initiative (SDI) beteiligt war – dem Projekt, das einen Raketenabwehrschild über den Vereinigten Staaten aufbauen sollte.
US-Präsident Dwight D. Eisenhower warnte 1961 in seiner Abschiedsrede vor dem „militärisch-industriellen Komplex“, den er als „Verbindung aus einem immensen militärischen Establishment und einer einflussreichen Rüstungsindustrie“ bezeichnete. Durch dieses wachsende Geflecht drohe eine „katastrophale Zunahme fehlgeleiteter Kräfte“, die „unsere Freiheiten oder unsere demokratischen Prozesse gefährden.“
50 Jahre später ist die Integration zwischen dem Militär- und Geheimdienstapparat und den Großkonzernen viel weiter fortgeschritten als alles, was sich Eisenhower vorzustellen gewagt hätte. Das Militär hat nicht nur engste Beziehungen mit privaten Waffenproduzenten, sondern der Staat hat auch im Auftrag der herrschenden Klasse ein Netzwerk von Beziehungen zu Großkonzernen aufgebaut, um die Bevölkerung auszuspionieren.
Wie die World Socialist Web Site mehrfach betont hat, sind demokratische Rechte nicht mit der fortgesetzten Herrschaft der Wirtschafts- und Finanzelite und dem kapitalistischen System vereinbar. Die herrschende Klasse Amerikas führt international eine Politik des Kriegs und der sozialen Konterrevolution durch. Der Aufbau eines Polizeistaatsapparates richtet sich vor allem gegen die Arbeiterklasse und wird gegen sozialen und politischen Widerstand gegen diese Politik eingesetzt werden.
Die Enthüllung des geheimdienstlich-industriellen Komplexes zeigt, dass die Verteidigung demokratischer Rechte untrennbar mit dem Kampf für die Demokratisierung der Wirtschaft und den Sozialismus verbunden ist. Wichtige soziale Infrastruktur, zu der auch Telekommunikationsnetzwerke gehören, müssen den Privatunternehmen aus der Hand genommen und unter demokratische Kontrolle der Arbeiterklasse gestellt werden. Konzerne wie Microsoft, Apple, Verizon und AT&T und ihre internationalen Konkurrenten müssen in Unternehmen in öffentlicher Hand umgewandelt werden und nach den Maßstäben sozialer Bedürfnisse operieren anstatt nach denen privaten Profitstrebens.