Seit Montag streiken in Griechenland die Beschäftigten der Kommunen gegen Pläne der Regierung, auf Geheiß der EU weitere Entlassungen im öffentlichen Dienst vorzunehmen. In Athen, Thessaloniki, Attika und weiteren Städten halten kommunal beschäftigte Polizisten sowie Gemeindearbeiter Gebäude der Stadtverwaltung besetzt.
Am Montag und Dienstag zogen tausende Menschen vor das Gebäude des Innenministeriums auf dem Klathmonos Platz in Athen, um gegen die Entlassungspläne der Regierung zu demonstrieren. Am Mittwoch beschlossen die Beschäftigten Berichten zufolge, ihren Ausstand die gesamte Woche über fortzusetzen. Für den 16. Juli ist ein eintägiger Generalstreik angekündigt.
Die Regierung aus konservativer Nea Dimokratia (ND) und sozialdemokratischer PASOK hat vor, bis Ende des Monats 4.200 Staatsbedienstete in eine Transfergesellschaft zu überführen. Dort beziehen sie acht Monate lang 75 Prozent ihres Gehalts und werden anschließend in die Arbeitslosigkeit entlassen, wenn sie in dieser Zeit keinen alternativen Job im öffentlichen Dienst finden. Bis Ende September sollen insgesamt 12.500 Arbeiter in diese Arbeitsreserve ausgelagert werden.
Unter ihnen sind mindestens 2.200 Sicherheitskräfte für die Schulhöfe sowie 3.500 kommunale Polizisten. Die Regierung hat angekündigt, zumindest einige der Polizisten wieder in die zentralen Sicherheitsorgane einzugliedern, um sie etwa im Rahmen der Aktion „Xenios Zeus“ gegen Flüchtlinge ohne Papiere einzusetzen. Auch 1.500 Lehrer sind betroffen, was die katastrophale Lage des griechischen Bildungssystems weiter verschlechtern wird.
Bis Ende des Jahres will die Regierung zudem 4.000 Arbeiter direkt auf die Straße setzen. Etwa 2.000 Arbeitsplätze wurden bereits im vergangenen Monat durch die Schließung des staatlichen Rundfunksenders ERT und dessen Ablösung durch einen kleineren Nachfolger vernichtet.
All diese Maßnahmen sind der Regierung von der Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission diktiert worden. Am Montag veröffentlichte die Troika dann ihren Bericht über die Fortschritte des Landes bei der Umsetzung der Sparvorgaben, auf dessen Grundlage die EU-Finanzminister am selben Abend über die Auszahlung weiterer Hilfskredit-Tranchen entschieden.
Der Troika-Bericht zeigt, dass die griechische Regierung mit ihrem brutalen Sparkurs die Vorgaben der EU sogar übertroffen hat. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres betrug das Haushaltsdefizit trotz wachsender Zinsen und Kreditzahlungen statt der geplanten 7,1 lediglich 3,8 Milliarden Euro. Griechenland erwirtschaftet längst einen Primärüberschuss, wäre also ohne die Zinslast gar nicht mehr auf frische Kredite angewiesen. Um aber die Gläubiger auszahlen zu können, benötigt das Land weiterhin Hilfskredite der EU und des IWF.
Um den Druck zu erhöhen und die griechische Regierung engmaschiger kontrollieren zu können, beschlossen die EU-Finanzminister, die fällige Tranche von etwa acht Milliarden Euro in kleinere Posten zu unterteilen und deren Auszahlung von der exakten Umsetzung der Entlassungspläne abhängig zu machen. Seit die Demokratische Linke (DIMAR) im Juni die Koalition verlassen hat, verfügt die Regierung nur noch über eine hauchdünne eigene Mehrheit.
Eigentlich hätte die Regierung schon bis Ende Juli 12.500 Arbeiter in die Reserve schicken müssen, um die Vereinbarungen mit der EU einzuhalten. Die erste Tranche von 2,5 Milliarden Euro, die benötigt werden, um im August fällige Kredite zu begleichen, soll nur ausgezahlt werden, wenn das griechische Parlament bis zum 19. Juli entsprechende Gesetze auf den Weg bringt. „Bis Mitte Juli müssen die notwendigen Gesetzgebungsschritte getan sein“, erklärte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble am Dienstag in Brüssel.
Weitere Tranchen sollen im August (1,8 Milliarden Euro) und im Oktober (2,5 Milliarden Euro) ausgezahlt werden, sofern die Regierung die Entlassungen tatsächlich in die Tat umgesetzt hat. Zur Überwachung dieser Maßnahmen hat die Troika bereits Vertreter in alle wichtigen Ministerien entsandt.
Zudem verpflichtete die EU Griechenland zur Privatisierungen von Staatsbetrieben im Wert von 1,6 Milliarden Euro. Angesichts der miesen Wirtschaftsentwicklung bedeutet dies nichts anderes als das Verramschen öffentlichen Eigentums. Die zu erzielende Summe wurde nach dem Scheitern der Übernahme des griechischen Versorgers Depa durch die russische Gazprom um eine Milliarde Euro reduziert.
Die Vorhaben der Regierung werden die soziale Katastrophe im Land noch einmal vertiefen. Die Rezession dauert bereits seit 19. Quartalen an. Seit 2009 ist die Wirtschaftsleistung um ein Drittel zurückgegangen – ein Wirtschaftszusammenbruch, der seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Westeuropa beispiellos ist. Für dieses Jahr sehen Experten einen weiteren Rückgang der Wirtschaftsleistung um bis zu fünf Prozent voraus. Die Arbeitslosenzahlen werden voraussichtlich auf 27,8 Prozent steigen. Sie lagen zuletzt bei 27 Prozent.
Um in dieser Situation die neuen sozialen Angriffe durchsetzen zu können, greift die Regierung zu immer aggressiveren Methoden. In diesem Jahr hat sie bereits drei Mal streikende Arbeiter unter Kriegsrecht gestellt und unter Androhung von Haftstrafen zurück zur Arbeit gezwungen.
Am Montag griffen Polizisten eine friedliche Demonstration von Studenten an der Athener Universität an, die sich gegen die Schließung von vier Hochschulen wandte. Nachdem die Demonstranten eine Sitzung der Universitätsleitung gestört und einen Raum besetzt hatten, setzte die Polizei Tränengas ein und verhaftete 20 bis 30 Studierende.
Der Überfall auf die Studenten hat symbolische Bedeutung. Bis 2011 war es der Polizei untersagt, Universitätsgelände zu betreten. Das entsprechende Gesetz war nach der Militärdiktatur erlassen worden, um Szenen wie 1973 zu verhindern, als die Obristen einen Aufstand von Studenten blutig niederschlagen ließen. Im August 2011 kippte die damalige PASOK-Regierung das Gesetz und ermöglichte so Polizeiüberfälle wie den vom Sonntag. Mit den sozialen Angriffen kehren auch die Methoden der Junta zurück.
Doch das wichtigste Instrument der herrschenden Elite, um die Arbeiter unter Kontrolle zu halten, sind die Gewerkschaften. Sie haben bei dem Verbot von Streiks mit der Regierung zusammengearbeitet und versuchen die Opposition der Arbeiter in harmlose Kanäle zu lenken.
Der sogenannte Generalstreik, den die beiden großen Gewerkschaftsverbände ADEDY und GSEE für den 16. Juli angekündigt haben, dient eben diesem Zweck. Solche Streiks haben die Gewerkschaften in den letzten Jahren zu Dutzenden organisiert. Sie sind eng mit Unternehmen und Regierung abgesprochen und sollen die Wut der Arbeiter ins Leere laufen lassen.