Perspektive

Evo Morales zur Landung gezwungen:

Internationales Gangstertum und die Jagd auf Snowden

Dienstagnacht wurde das Flugzeug von Präsident Evo Morales zur Landung gezwungen, weil es angeblich Edward Snowden an Bord hatte, um ihm in Bolivien Asyl zu gewähren. Dies ist imperialistische Gesetzlosigkeit, ohne Beispiel seit den 1930er Jahren.

Frankreich, Portugal und Spanien verweigerten dem Flugzeug Überflugrechte durch ihren Luftraum und zogen die Erlaubnis zurück, die sie drei Stunden vorher, beim Start des Flugzeugs, gegeben hatten. Das Flugzeug war wegen Treibstoffknappheit gezwungen, in Wien zu landen.

In La Paz versammelten sich Hunderte Demonstranten vor der französischen Botschaft, warfen mit Steinen, verbrannten die französische Flagge und riefen. „Heuchlerisches Frankreich!“ Wie um diese Aussage zu bestätigen, behauptete der sozialistische französische Präsident François Hollande am Mittwoch, das Ganze sei ein Missverständnis gewesen, und wenn er gewusst hätte, dass Morales an Bord war, dann hätte das Flugzeug kein Problem gehabt.

Das Leben von Morales und anderer hoher bolivianischer Vertreter, die von einem Gipfel Gas-exportierender Länder in Moskau in die Heimat zurückkehrten, wurde unmittelbarer in Gefahr gebracht. Der frühere NSA-Beschäftigte selbst sitzt seit elf Tagen in Moskau im Transitbereich eines Flughafens fest. Bisher ist kein Land bereit, ihn aufzunehmen. Der bolivianische Präsident wurde in Wien praktisch bis zum nächsten Morgen in Geiselhaft gehalten, bis die europäischen Länder das Flugverbot aufhoben.

Diese Methoden laufen auf Staatsterrorismus und Luftpiraterie hinaus. Auch wenn die Tat konkret von europäischen Regierungen begangen wurde, gibt es keinerlei Zweifel, dass ihr wirklicher Betreiber die Obama-Regierung in Washington war. Sie betreibt eine gnadenlose ungesetzliche Menschenjagd auf Snowden, weil er die geheimen und verfassungswidrigen Ausspähprogramme der NSA gegen Millionen Menschen in den USA und weltweit publik gemacht hat.

Morales berichtete, dass der spanische Botschafter in Österreich zum Flughafen gekommen sei und ihm gesagt habe, er werde ihn informieren, ob sein Flugzeug am Morgen über Spanien zum Auftanken auf die Kanarischen Inseln fliegen dürfe, sobald sich Madrid mit „Freunden“ beraten habe. Es besteht kein Zweifel, dass diese „Freunde“ im amerikanischen Außenministerium und in der Zentrale der CIA in Langley, Virginia, sitzen.

Das Vorgehen der europäischen Regierungspolitiker ist beispiellos. Von Snowden erst wenige Tage vorher veröffentlichte geheime Dateien hatten enthüllt, dass Washington diese Regierungen, ihre diplomatischen Missionen und die Europäische Union selbst systematisch ausspioniert. Die französische Regierung hatte daraufhin erklärt, dass diese Enthüllungen einen europäisch-amerikanischen Freihandelsvertrag und praktisch jede Zusammenarbeit unmöglich machten.

Aber diese gleichen Regierungen handelten bei Washingtons Attentat zur Entführung des bolivianischen Präsidenten als willige Komplizen. Sie handelten aufgrund des unbegründeten Verdachts, dass er sein souveränes Recht ausübe, Snowden Asyl zu gewähren. Die Basis für diesen Verdacht war offenbar Morales’ Äußerung in Moskau, dass Bolivien bereit sei, „all jene aufzunehmen, die Spionage publik machen“, und dass er ernsthaft darüber nachdenke, Snowdens Asylgesuch stattzugeben.

Dass Snowden Anrecht auf Asyl hat, steht außer Frage. Wenn er den amerikanischen Behörden in die Hände fällt, hat er allen Grund, Folter, Haft ohne Prozess oder Tod zu fürchten. Das alles praktiziert Washington straflos unter dem Vorwand seines „globalen Kriegs gegen den Terror“.

Die Snowden-Affäre hat alle Ansprüche des US-Imperialismus, für “Menschenrechte” und Demokratie zu kämpfen, widerlegt. Sie ernten weltweit nur noch kollektive Verachtung und Wut. Gelegentlich schützt Washington rechte Dissidenten, wenn sie in ihren eigenen Ländern das Geschäft der US-Interessen betreiben, aber sobald es um jemanden geht, der sich seinen Interessen widersetzt, dann ist die Antwort Gewalt.

Die erzwungene Landung von Morales’ Flugzeugs hat Barack Obama einmal mehr der Lüge überführt. Es ist gerade einmal eine Woche her, dass der amerikanische Präsident zynisch die Befürchtung abtat, er werde „Kampfflugzeuge mobilisieren“, um Snowden zu fangen. Aber genau das hätte er getan, hätten Washingtons Nato-Verbündete es abgelehnt, entsprechend seiner gesetzeswidrigen Forderung Morales’ Flugzeug abzufangen.

Die Medien fahren fort, die Lügen der Regierung zu verbreiten. Die CNN-Moderatoren nannten den Zwischenfall mit Morales’ Flugzeug am Mittwoch „bizarr“, was darauf hindeutet, dass man ihnen noch keinen offiziellen Vorwand zur Rechtfertigung dieses eklatanten globalen Verbrechens genannt hatte. Wäre das Flugzeug des bolivianischen Präsidenten ins Meer gestürzt, hätten sie ihn zweifellos für seinen eigenen Tod verantwortlich gemacht.

Die amerikanische Regierung beweist sich in der Snowden-Affäre immer offener als Gangsterregime, das bereit ist, den Ex-NSA-Beschäftigten Snowden und auch jeden anderen daran zu hindern, ihre Verbrechen weiter zu entlarven. Obama ist nichts weiter als der Frontmann des Pentagon und des riesigen Geheimdienstapparats, der seine Regierung beherrscht.

Auf der Weltbühne verlässt sich diese Regierung zunehmend auf Militarismus uns Aggression und springt mit Ländern wie Bolivien in einer Weise um, wie Hitler in den 1930er und 1940er Jahren mit kleinen Ländern umsprang.

Hier bewahrheitet sich wieder die alte Erkenntnis, dass Außenpolitik die Fortsetzung der Innenpolitik ist. Im Inland bastelt die US-Regierung an der Infrastruktur einer Polizeistaatsdiktatur. Das machen die Schnüffeloperationen der NSA im Inland deutlich, die Snowden enthüllt hat.

Davon zeugen sowohl Snowdens Fall, wie auch das Kriegsgerichtsverfahren gegen Bradley Manning. Dieser hatte der Whistleblower-Organisation WikiLeaks Geheimdokumente zum Afghanistan- und zum Irakkrieg sowie vertrauliche Depeschen des State Departments zukommen lassen.

Am Montag fassten die Militärstaatsanwälte die Anklageschrift gegen Manning zusammen und argumentierten, er habe „den Feind unterstützt“, weil das Material, dass er publik gemacht habe, von al-Qaida gelesen und erneut veröffentlicht worden sei. Das trifft z.B. auf das „Collateral Murder“ Video zu, das den Mord an irakischen Zivilisten durch einen amerikanischen Kampfhubschrauber zeigt.

Nach dieser Logik könnte jedermann – Journalisten, Demonstranten und auch die World Socialist Web Site – der es wagt, amerikanische Kriegsverbrechen oder andere Verbrechen der amerikanischen Regierung gegen die Bevölkerung zu entlarven, als Verräter und Spion wegen „Unterstützung des Feindes“ angeklagt oder als „Kontakt“ von al-Qaida eingestuft und auf eine Todesliste gesetzt werden.

Das mutige Handeln von Edward Snowden hat ihm breite Unterstützung von Menschen in aller Welt und auch in den USA eingebracht. Heute lesen sich die berühmten Worte von Abraham Lincoln von vor fast 150 Jahren – „of the people, by the people and for the people“ ([Regierung] des Volkes, durch das Volk und für das Volk) – wie eine Anklage gegen die amtierende Regierung. Sie arbeitet im Namen und im Interesse des Militär- und Geheimnisapparats und steht im Sold der Banken, Konzerne und der Finanzoligarchie.

Nicht nur in den USA, auch in Westeuropa hassen die reichen, herrschenden Schichten Snowden, weil er die kriminelle Verschwörung der Gangsteregimes gegen die demokratischen Rechte der Bevölkerung entlarvt hat.

Letzten Endes häng die Verteidigung Snowdens entscheidend vom politischen Eingreifen und der Unterstützung der Arbeiterklasse ab.

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