USA drohen Iran und Hisbollah wegen Unterstützung Syriens

Das Weiße Haus gab am Donnerstag seine bisher bedrohlichste Stellungnahme heraus: Es verurteilte den Iran und die libanesische schiitische Miliz Hisbollah als „Partner der Tyrannei“, weil sie das syrische Assad-Regime unterstützen.

Vergangene Woche gewannen die syrischen Regierungstruppen die Schlacht um die strategisch wichtige Stadt Kusair nahe der libanesischen Grenze. Der Kampf um Kusair, eine Stadt auf der Landbrücke, die Damaskus mit der Mittelmeerküste verbindet, hatte seit dem 19. Mai getobt. Die Stadt ist die Heimat von Assads Glaubenssekte, den Alawiten, und der Schlüssel für den Erhalt der Nachschublinien in den Libanon.

In der Schlacht kämpften Mitglieder der libanesischen schiitischen Hisbollah-Miliz auf Seiten von Assad gegen zahlreiche sunnitische Gruppen wie die Al Nusra-Front, die mit Al Qaida verbündet ist, und andere ausländische Kämpfer aus den sunnitischen Staaten der Region.

Der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, verurteilte den „Angriff des Assad-Regimes auf Kusair (…) aufs Heftigste“ und fügte hinzu: „Es ist klar, dass das Regime allein nicht in der Lage ist, einen Ort wie Kusair der Kontrolle durch die Opposition zu entreißen, deshalb sind sie von der Hisbollah und dem Iran abhängig, die für sie diese Arbeit erledigen müssen.“

Der Führer des Obersten Militärrates der Freien Syrischen Armee (FSA), General Salim Idris, sagte in einem Interview mit der BBC nach der Räumung von Kusair, die Hisbollah-Kämpfer würden in Syrien „einfallen“. „Wenn sie so weitermachen, und die libanesischen Behörden sie nicht daran hindern, nach Syrien zu kommen, denke ich, dürfen wir die Hisbollah-Kämpfer auch auf [libanesischem] Staatsgebiet bekämpfen.“

Am Mittwochabend machte er seine Drohung wahr: Ein Dutzend aus Syrien abgefeuerte Raketen schlugen in und um die libanesische Stadt Baalbek ein und verletzten mehrere Menschen. Wie die nationale Nachrichtenagentur des Libanon meldete, schlugen elf Raketen an mehreren Stellen ein, auch im Stadtzentrum.

In einem weiteren Versuch, den Krieg zur Eskalation zu bringen, besetzten Oppositionskämpfer den von Syrien kontrollierten Teil des Grenzübergangs Kuneitra zu den Golanhöhen an der israelischen Grenze. Österreich kündigte an, es werde seine 380 Soldaten aus der tausendköpfigen UN-Truppe zurückziehen, die den Waffenstillstand zwischen Syrien und Israel überwacht. Tel Aviv hat das Grenzgebiet zur militärischen Sperrzone erklärt, die Hauptverbindungsstraße geschlossen und Bauern evakuiert. Die syrische Armee konnte das Grenzgebiet zurückerobern, allerdings waren vorher drei Granatwerfergeschosse auf israelischem Gebiet gelandet.

Im Lauf der Woche kam es auch zu Spannungen zwischen den USA und ihren Verbündeten. In den letzten Tagen gab es Anschuldigungen vonseiten Frankreichs und Großbritanniens, das Assad-Regime habe Chemiewaffen eingesetzt. Damit soll offensichtlich ein Vorwand für verschärfte Militäraggressionen geschaffen werden.

Der französische Außenminister Laurent Fabius erklärte am Dienstag in Paris, er habe dem Chef eines UN-Untersuchungsausschusses zum Thema Chemiewaffen in Syrien Analysen von Kampfstoffen übergeben. „Diese Analysen zeigen die Existenz von Sarin-Gas“, behauptete er. „Angesichts dieser Beweise ist sich Frankreich sicher, dass in Syrien mehrfach und in lokalisierter Weise Sarin-Gas eingesetzt worden ist.“

Präsident François Hollande schloss sich Fabius später an und erklärte: „Wir haben Beweise, und wir drängen die internationale Staatengemeinschaft zum Handeln.“

Beide betonten, Frankreich würde nicht einseitig handeln, sondern sich mit Washington absprechen. Sie befürchten, die Friedensverhandlungen, die in Genf geplant sind, könnten allzu offen als Farce entlarvt werden, da die Obama-Regierung so viel Wert darauf legt, den Widerstand Russlands gegen den Sturz seines wichtigsten Verbündeten im Nahen Osten zu neutralisieren.

Fabius erklärte, „unbestreitbar“ sei „eine Linie überschritten“ worden, und Frankreich und seine Verbündeten müssten sich entscheiden, „wie sie reagieren sollen, möglicherweise auch mit Gewalt (...). Aber gleichzeitig dürfen wir eine mögliche friedliche Lösung nicht verhindern.“

Die Konferenz wird nicht, wie geplant, in diesem Monat stattfinden, sondern, wenn überhaupt, im Juli.

Die Aussagen der französischen Regierung sollten die vorsichtigeren Äußerungen einer UN-Untersuchungskommission zum Thema Menschenrechtsverletzungen verstärken, die sich auf „glaubhafte Beweise“ berief, dass in Syrien im März und April Chemiewaffen eingesetzt worden seien, ohne einen Schuldigen zu nennen.

Das britische Außenministerium erklärte auch, Körperflüssigkeiten, die von den Opfern eines oder mehrerer Angriffe in Syrien genommen worden seien, hätten laut Wissenschaftlern des Labors Porton Down Spuren von Sarin enthalten.

Angesichts der zahlreichen Lügen, mit denen die Kriege auf dem Balkan und im Irak gerechtfertigt werden, gibt es allen Grund, sämtliche Behauptungen Frankreichs und Großbritanniens kritisch zu hinterfragen, – vor allem, da diese Behauptungen ohne Beweise gemacht und von keiner unabhängigen Seite bestätigt werden.

Ein Teil der Blutproben, auf die sich die französische Regierung bezieht, wurden von Le Monde-Journalisten aus Syrien geschmuggelt; sie hatten sie angeblich von lokalen Ärzten erhalten. Keine Einzelheiten wurden darüber bekannt, wie Frankreich die übrigen Proben in die Hände bekommen hat. In einem Fall hatte Fabius behauptet, der Einsatz von Sarin sei direkt den Regierungskräften zuzuschreiben, und es gebe keinen Zweifel, dass es „das Regime und seine Komplizen“ waren.

Ein Sprecher Großbritanniens war sich nicht ganz so sicher und erklärte, es gäbe keine hundertprozentige Sicherheit, dass das Assad-Regime Chemiewaffen eingesetzt habe. Das britische Außenministerium wollte nicht einmal bestätigen, wo und wann die Proben eingesammelt worden waren. Der britische UN-Botschafter Mark Lyall Grant sagte nur, sie enthielten Beweise, dass verschiedene Kampfstoffe eingesetzt worden seien, „teilweise auch Sarin, teilweise nicht“.

Ake Sellstrom, der Vorsitzende der UN-Untersuchungskommission, erklärte in einer Stellungnahme: „Die Gültigkeit der Informationen ist unsicher, da in der Kontrollkette der gesammelten Daten überzeugende Beweise fehlen.“

Wie es weitergeht, wird letzten Endes nicht in Paris oder London, sondern in Washington entschieden.

Präsident Barack Obama hatte gewarnt, durch den Einsatz von Chemiewaffen würde eine „rote Linie überschritten“, aber es ist noch nicht klar, wie weit er in Syrien gehen wird, und wie schnell.

Nachdem Verteidigungsminister Chuck Hagel am Dienstag mit den Nato-Verteidigungsministern in Brüssel über die Behauptungen von Frankreich und Großbritannien diskutiert hatte, erklärte er in der Presse, er habe noch keine Beweise gesehen. Die Rolle der Nato werde auch weiterhin darin bestehen, Mitgliedern der Allianz, wie der Türkei, Schutz zu bieten. „Abgesehen davon haben wir uns nicht weiter über Kriegspläne gegen Syrien ausgetauscht“, erklärte er.

In der amerikanischen Bevölkerung gibt es für einen Krieg gegen Syrien keinen Rückhalt, und es steht viel auf dem Spiel, wenn die Lage für die herrschende Klasse ungünstig verläuft. Deshalb hat es die Obama-Regierung bisher vorgezogen, durch lokale Mittelsmänner zu handeln. Dies sind die FSA und die regionalen Unterstützer der USA, die Türkei und die Golfstaaten (Saudi-Arabien und Katar). Obama will Assad als Verbündeten des Iran eliminieren, ohne Russland übermäßig zu provozieren, und er versucht, ein Nachfolgerregime zu finden, das für Moskau akzeptabel ist.

Außerdem fürchtet er in letzter Zeit, dass der Konflikt schnell außer Kontrolle geraten und die Nachbarstaaten Libanon, Irak und sogar Israel mit einbeziehen könnte. Über die Art und Weise, wie man reagieren solle, gibt es interne Streitigkeiten. Republikaner wie Senator John McCain und die ehemalige Außenministerin Condoleezza Rice üben Druck auf Obama aus, er müsse seine Drohungen über eine „rote Linie“ wahrmachen.

Der russische Präsident Wladimir Putin erklärte am Dienstag, Moskau habe bisher die starken S300-Boden-Luft-Raketensysteme noch nicht an Damaskus geliefert, die er zuvor als „stabilisierenden Faktor“ bezeichnet hatte, der ausländische Interventionen in Syrien abschrecken werde.

Nach den Gesprächen mit EU-Staatsoberhäuptern in Jekaterinburg am Dienstag erklärte Putin, der Vertrag, der vor mehreren Jahren unterzeichnet worden war, sei noch nicht umgesetzt worden, denn: „Wir wollen das Gleichgewicht in der Region nicht stören.“

Er warnte jedoch: „Alle Versuche, die Lage gewaltsam durch eine direkte Militäraktion zu beeinflussen, werden unweigerlich scheitern und hohe menschliche Verluste fordern.“

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