Die italienischen Kommunalwahlen vom vergangenen Sonntag und Montag waren durch eine niedrige Wahlbeteiligung und starke Verluste der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) des Komikers Beppe Grillo geprägt.
In den 563 Städten, in denen gewählt wurde, gingen nur 62,4 Prozent der Wahlberechtigten zur Urne – 15 Prozent weniger als 2008. Die Fünf-Sterne-Bewegung, die bei den Parlamentswahlen im Februar mit 25 Prozent der Stimmen stärkste Partei geworden war, verlor rund die Hälfte ihres Stimmenanteils.
Die Kommunalwahlen sind zwar nicht unbedingt mit nationalen Wahlen vergleichbar, da die Grillo-Bewegung keine ausgebaute Parteistruktur hat und in vielen Kommunen nicht präsent ist. Doch auch in Großstädten, in denen sie gut vertreten ist, verlor sie deutlich an Unterstützung.
So erhielten die Grillini in der Hauptstadt Rom nur noch 12,8 der Stimmen, etwa halb so viele wie im Februar. In ihren Hochburgen im Norden des Landes kamen sie nur auf acht bis neun Prozent, obwohl der Aufstieg des M5S ursprünglich in der Kommunalpolitik begonnen hatte. So stellt es in der Stadt Parma den Bürgermeister und ist auch im Regionalparlament von Sizilien stark vertreten.
Einige Gewinne konnte die Demokratische Partei (PD) von Ministerpräsident Enrico Letta verzeichnen. Sie führt in den elf Städten, in denen am 9. und 10. Juni Stichwahlen stattfinden. In der Hauptstadt Rom liegt der demokratische Kandidat Ignazio Marino (42,7 Prozent) deutlich vor dem Amtsinhaber Gianni Alemanno (30,2 Prozent), einem früheren Faschisten, der der konservativen Partei Volk der Freiheit (PdL) des früheren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi angehört. Im Norden gewannen die Demokraten einige Kommunen von der rechten Lega Nord. In nationalen Umfragen liegen sie allerdings hinter der PdL Berlusconis zurück.
Die Fünf-Sterne-Bewegung verdankte ihren Erfolg bei den Parlamentswahlen der Empörung über die Sparpolitik der Europäischen Union, die die Technokratenregierung von Mario Monti mit Unterstützung der Demokraten und anfangs auch der PdL durchgesetzt hatte. Aufgrund des politischen Bankrotts der italienischen „Linken“ gelang es Grillo, mit heftigen Angriffen auf die korrupte Politikerkaste Zehntausende auf öffentlichen Plätzen zu versammeln und für die Wahl seiner Bewegung zu gewinnen.
Nach der Wahl wurde aber schnell deutlich, dass Grillo keine Antwort auf die soziale Krise hat, selbst harte Sparmaßnahmen befürwortet und ein rechtes bürgerliches Programm vertritt. An seinem autoritären Führungsstil entzündeten sich zudem scharfe innerparteiliche Konflikte, bei denen es nicht um programmatische, sondern um organisatorische Fragen ging. Als Grillo, selbst ein Einkommensmillionär, den 163 Abgeordneten des M5S vorschreiben wollte, dass sie von ihren Abgeordnetenbezügen von über 10.000 Euro nur 2.500 Euro für sich behalten dürfen, gab es einen Aufstand.
Auch über die Frage, ob die M5S-Abgeordneten eine von den Demokraten geführte Regierung unterstützen, gab es heftige Konflikte. Hier setzte sich Grillo mit seiner ablehnenden Haltung durch, und die Demokraten bildeten schließlich eine Große Koalition mit Berlusconis PdL. Politische Beobachter gehen davon aus, dass die Niederlage bei den Kommunalwahlen die Konflikte innerhalb des M5S verschärfen werden.
Grillo selbst reagierte auf seinem Blog mit einer heftigen Wählerbeschimpfung auf die Stimmenverluste seiner Bewegung. Wie schon nach der Parlamentswahl griff er Beschäftigte des öffentlichen Sektors und Rentner an, denen er vorwarf, sie unterstützten aus Selbstsucht korrupte Parteien.
Es sei falsch, die Medien für die Stimmenverluste des M5S verantwortlich zu machen, schrieb Grillo. Die Wähler seien gut informiert gewesen. „Die Leute wussten, wofür sie stimmten, … sie sind voll verantwortlich für die Wahl, die sie getroffen haben.“ 500.000 Leute, die von Politik leben, 4 Millionen Leute, die durch ein öffentliches Gehalt abgesichert sind, sowie 19 Millionen Rentner seien daran interessiert, den Status quo zu erhalten. „Sie haben für sich selbst gestimmt und erst danach für das Land.“
Ihnen stellt Grillo „Freiberufler, Arbeitslose, ‚prekäre Arbeiter’, kleine und mittlere Unternehmer und Studenten“ entgegen, die hart von der Krise betroffen seien. Die beiden Gruppen, die er „Italien A“ und „Italien B“ nennt, seien wie siamesische Zwillinge miteinander verbunden. „Italien A kann nicht ohne die Steuern von Italien B leben, wobei letzteres daran zugrunde geht.“
Es handelt sich um den offensichtlichen Versuch, die Arbeiterklasse zu spalten und Arbeitslose, Selbständige und Kleinunternehmer gegen Beschäftigte des öffentlichen Diensts und Rentner aufzuwiegeln, um Steuersenkungen und massive Sparmaßnahmen durchzusetzen.
Das erklärt, weshalb sich die Stimmen für Grillos Bewegung halbiert haben und zahlreiche Wähler den Urnen ferngeblieben sind. Viele, die bei den Parlamentswahlen für Grillo gestimmt hatten, mussten feststellen, dass er keine Antwort auf die soziale Krise hat, die sich als Folge der Sparpolitik der Regierung Monti massiv verschärft hat.
Neuen Zahlen der italienischen Statistikbehörde Istat zufolge lebten im vergangenen Jahr rund 8,6 Millionen Italiener unterhalb der Armutsgrenze; das sind 14 Prozent der Bevölkerung und doppelt so viele wie vor zwei Jahren. Die Kaufkraft der italienischen Verbraucher fiel allein im vergangenen Jahr aufgrund der kräftigen Steuererhöhungen um 4,8 Prozent.
40 Prozent der Jugendlichen finden keine Stelle. Jeder fünfte Italiener kann seine Wohnung nicht ausreichend heizen, für jeden sechsten ist Fleisch ein Luxusgut, mehr als die Hälfte kann sich keinen Urlaub leisten. Für dieses Jahr sagt Istat einen Wirtschaftsrückgang von 1,4 Prozent und einen Anstieg der Arbeitslosenquote von 10,7 auf 12,3 Prozent voraus.
Aufgrund der Verschärfung der Krise ist die politische Lage zunehmend instabil. Die Zustimmung zur neuen Regierung, einer großen Koalition unter dem Demokraten Enrico Letta, ist innerhalb von zwei Wochen von 43 auf 34 Prozent gesunken. Die beiden Regierungsparteien, Lettas Demokraten und Berlusconis PdL, sind untereinander und in sich tief zerstritten.