Perspektive

Ein Papst des „schmutzigen Kriegs“

Schon seit mehr als einer Woche überschwemmen die Medien die Öffentlichkeit mit einer Flutwelle euphorischer Banalitäten über die Wahl des neuen Papstes der römisch-katholischen Kirche.

Die Tatsache, dass die Dogmen und Rituale dieser Institution derart in der Öffentlichkeit zelebriert werden, ist vollkommen undemokratisch. Die katholische Kirche wird seit Jahrhunderten mit Unterdrückung und Rückständigkeit in Verbindung gebracht. An dem Medienjubel zeigt sich, wie weit das politische Establishment schon nach rechts gerückt ist, und wie stark es die Prinzipien zurückweist, die in der amerikanischen Verfassung festgeschrieben sind und zu denen auch die Trennung von Kirche und Staat gehört.

Was für ein himmelweiter Unterschied zu den politischen Idealen der Männer, die dieses Dokument damals entworfen haben! Thomas Jefferson war zu Recht der Meinung, ein Priester sei „in jedem Land und zu jeder Zeit ein Feind der Freiheit“. Er „verbündet sich stets mit dem Despoten und entschuldigt dessen Verfehlungen, wenn dieser dafür die seinen entschuldigt“.

Nichts könnte Jeffersons Ansicht, deutlicher bestätigen, – wie auch den reaktionären Charakter der liebedienerischen Medienberichterstattung –, als die Identität des neuen Papstes, der offiziell als Vorbild an „Demut“ und „Erneuerung“ gepriesen wird.

Der neue Papst ist nicht nur ein weiterer erbitterter Gegner des Marxismus, der Aufklärung und jeder Art von menschlichem Fortschritt. Er ist auch ein Mann, der tief und direkt in eins der größten Verbrechen seit dem Zweiten Weltkrieg verstrickt ist: den „schmutzigen Krieg“ in Argentinien.

Inmitten all des Pomps und der Zeremonien sah sich der Vatikan-Sprecher am Freitag gezwungen, ein Wort zur Vergangenheit des neuen Papstes Franziskus zu sagen, der mit bürgerlichem Namen Jorge Bergoglio heißt und bisher Erzbischof von Buenos Aires war. Der Sprecher bezeichnete die Vorwürfe, die gegen den neuen Papst erhoben werden, als das Werk „kirchenfeindlicher, linker Elemente“.

Dass „linke Elemente“ die Mittäterschaft des Kirchenoberhauptes an dem „schmutzigen Krieg“ der argentinischen Militärjunta von 1976 bis 1983 kritisieren, ist kaum überraschend. Schließlich stellten Menschen mit linksgerichteten Anschauungen einen Großteil der etwa 30.000 verschwundenen und ermordeten Arbeiter, Studenten, Intellektuellen und Bauern, sowie der Zehntausenden, die eingesperrt und gefoltert wurden.

Dennoch kommen einige besonders scharfe Kritiker Bergoglios aus der katholischen Kirche selbst. Mehrere Priester und Laien beschuldigen ihn, er habe sie eigenhändig den Folterknechten übergeben, als er an der „Säuberung“ der Kirche von den Linken mitwirkte. Einer von ihnen, ein Jesuitenpriester namens Orlando Yorio wurde zusammen mit einem zweiten Priester entführt, nachdem er die Anordnung von Bergoglio, dem damaligen Oberhaupt des Jesuitenordens in Argentinien, ignoriert hatte, seine Arbeit in den Slums von Buenos Aires einzustellen.

Während des ersten Prozesses gegen die Führer der Militärjunta im Jahr 1985 erklärte Yorio: „Ich bin mir sicher, dass er selbst der Marine die Liste mit unseren Namen übergeben hat.“ Die beiden wurden in die Mechanikerschule der Marine (ESMA) gebracht, ein berüchtigtes Folterzentrum. Dort wurden sie mehr als fünf Monate gefangen gehalten und danach unter Drogen gesetzt und in einem Vorort von Buenos Aires ausgesetzt.

Bergoglio war der richtige Mann, die politischen Massenmorde der Junta zu unterstützen. Anfang der 1970er Jahre stand er mit der rechten peronistischen Guardia de Hierro (Eiserne Garde) in Verbindung. Deren Kader, wie auch ein Teil der peronistischen Gewerkschaftsbürokratie, beteiligten sich an den Todesschwadronen der Antikommunistischen Allianz Argentiniens. Diese bereiteten der Militärjunta mit einer Vernichtungskampagne gegen linke Gegner den Weg an die Macht. Admiral Emilio Massera, der Oberbefehlshaber der Marine und führende Ideologe der Junta, setzte diese Elemente ebenfalls ein, vor allem um den persönlichen Besitz der „Verschwundenen“ beiseite zu schaffen.

Yorio, der im Jahr 2000 starb, warf Bergoglio bis zuletzt vor, er habe „mit Admiral Massera gesprochen und ihm gesagt, ich sei der Anführer der Guerillas“.

Die Junta sah in jedem noch so geringfügigen Widerstand gegen die bestehende soziale Ordnung „Terrorismus“, selbst wenn jemand bloß Mitleid für die Unterdrückten zeigte. Francisco Jalics, der zweite entführte Priester, schrieb in einem Buch, Bergoglio habe ihnen versprochen, er würde dem Militär sagen, dass sie keine Terroristen seien. Er schrieb: „Aus mehreren Aussagen eines Funktionärs und dreißig Dokumenten, in die ich später Einsicht bekam, konnten wir zweifelsfrei beweisen, dass dieser Mann sein Versprechen nicht nur nicht eingehalten, sondern im Gegenteil vor dem Militär eine falsche Denunziation abgegeben hatte.“

Bergoglio weigerte sich, im ersten Prozess gegen die Junta und in den darauffolgenden Verfahren auszusagen, zu denen er vorgeladen wurde. Erst im Jahr 2010 stellte er sich der Befragung. Die Anwälte der Opfer erklärten, er sei „ausgewichen“ und habe „gelogen“.

Bergoglio behauptete, er habe erst nach dem Ende der Militärdiktatur erfahren, dass die Kinder von entführten Müttern gestohlen, schwangere Entführte bis zur Entbindung festgehalten und danach ermordet wurden und die Kinder an Familien von Angehörigen des Militärs oder der Polizei verschenkt wurden. Personen, die ihn um Hilfe baten, ihre vermissten Verwandten zu finden, überführten ihn jedoch hierbei der Lüge.

Die Zusammenarbeit mit der Junta war nicht nur ein persönlicher Fehler Bergoglios, sondern darin zeigte sich die Politik der Kirchenhierarchie, welche die Ziele und Methoden des Militärs unterstützte. Der argentinische Journalist Horacia Verbitsky entlarvte Bergoglios Versuch, mit einem selbst geschriebenen Buch seine systematische Komplizenschaft zu verschleiern. Bergoglio hatte darin kompromittierende Teile aus einem Memorandum unterschlagen, das bei einem Treffen zwischen der Kirchenführung und der Junta im November 1976, acht Monate nach dem Militärputsch, angefertigt worden war.

Die aus dem Buch entfernte Passage enthält das Versprechen der Kirche, sie werde „das Vorgehen der Regierung in keinster Weise kritisieren“, weil „deren Scheitern höchstwahrscheinlich zum Marxismus führen würde“. Dem sogenannten „Proceso“ (Vorgang), durch den eine Terrorherrschaft gegen die arbeitende Bevölkerung Argentiniens errichtet wurde, gelobte die katholische Kirche „Einverständnis, Gehorsam und Akzeptanz“.

Die Kirche beschränkte ihre Unterstützung nicht auf Worte. In den Haft- und Folterzentren der Junta wurden Priester eingesetzt, deren Aufgabe es nicht etwa war, denen zu helfen, die gefoltert und ermordet wurden, sondern den Folterern und Mördern dabei zu helfen, Gewissensbisse zu bewältigen. Sie führten biblische Parabeln wie „Spreu vom Weizen trennen“ im Munde und erklärten den Verantwortlichen für die „Todesflüge“ (bei denen politische Gefangene unter Drogen gesetzt, nackt ausgezogen, in ein Flugzeug geschleppt und ins Meer geworfen wurden), dass sie „Gottes Werk“ täten. Andere nahmen an den Folterungen teil und versuchten, den Gefangenen im Rahmen der Beichte Informationen zu entlocken, die den Folterern helfen konnten.

Diese Kollaboration wurde im Vatikan von höchster Stelle unterstützt. Im Jahr 1981, kurz vor dem Falklandkrieg, flog Papst Johannes Paul II. nach Buenos Aires, trat mit der Junta auf und küsste deren damaligen Führer General Leopoldo Galtieri, ohne ein Wort über die Zehntausenden zu verlieren, die entführt, gefoltert und ermordet worden waren.

Jefferson schreibt, die Kirche stehe immer auf Seiten des Despoten. Das war auch der Fall, als sie Francos Herrschaft in Spanien unterstützte, am Holocaust der Nazis in Europa mitwirkte und den Vereinigten Staaten half, den Vietnamkrieg zu führen.

Und doch ist die Ernennung einer Figur wie Bergoglio zum Papst besonders alarmierend. Sie muss, wie auch die Begeisterung der Medien und der herrschenden Kreise, als scharfe Warnung verstanden werden. Sie heißt damit nicht nur die schrecklichen Verbrechen in Argentinien vor dreißig Jahren gut, sondern beweist, dass auch heute wieder über ähnliche Methoden nachgedacht wird, um den Kapitalismus gegen die wachsenden Klassenkämpfe und die Gefahr einer sozialen Revolution zu verteidigen.

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