Am 18. Februar hat die pakistanische Regierung die operative Kontrolle über ihren strategisch gelegenen Tiefseehafen Gwadar in der Provinz Belutschistan an China übergeben. Indien, ein Rivale Pakistans und Chinas, hat Bedenken gegen den Deal geäußert und unterstreicht damit die zunehmend komplexen geopolitischen Rivalitäten, die die Obama-Regierung mit ihrer Politik der “Schwerpunktverlagerung auf Asien“ (pivot to Asia) schürt.
Gwadar liegt am Arabischen Meer, nur 180 Seemeilen (330 Kilometer) von der Straße von Hormuz entfernt, durch die ein Drittel der weltweiten Rohöltransporte passiert. Es ist ausgesprochen günstig gelegen, um von dort die vom Persischen Golf durch die Straße von Hormuz kommende Schifffahrt zu überwachen. Und es bietet den Zugriff auf die günstigen Transportwege auf dem Festland und den Nahost Handel über Pakistan nach West China und Zentralasien.
Der pakistanische Präsident Asif Ali Zardari, mehrere Minister und der chinesische Botschafter Liu Jian nahmen an der Zeremonie teil, auf der die Vereinbarung unterzeichnet wurde, den Hafen an die staatliche China Overseas Port Holding Company zu übertragen. Der bisherige Betreiber, die Port of Singapore Authority (PSA), hatte sich zurückgezogen, nachdem Islamabad sich geweigert hatte, der PSA große Landstriche rund um den Hafen für ihre Entwicklungsarbeit zur Verfügung zu stellen.
Nachdem Pakistan am 6. Februar seine Entscheidung bekannt gegeben hatte, den Hafen an China zu übergeben, brachte der indische Verteidigungsminister A.K. Antony auf einer Pressekonferenz “ernste Bedenken” zum Ausdruck. Er offenbarte den Unmut seiner Regierung über den Deal. “Kurz gesagt, wir haben damit ein Problem”, sagte Antony.
Der indische Außenminister Salman Khurshid sagte, dass Indien wegen des Abkommens nicht “überreagieren” werde. Jedoch deutete Khurshid an, worum es geht: “In der gesamten Region herrscht ein empfindliches Gleichgewicht und ich denke, keiner von uns sollte etwas tun, was dieses Gleichgewicht ins Wanken bringt.”
Der Sprecher des pakistanischen Außenministeriums Moazzaam Ali Khan wiegelte Indiens Bedenken ab und sagte kein “anderes Land sollte sich wegen [dieser Vereinbarung] sorgen.” Er wies Antonys Reaktion als “unbegründet” zurück.
Ähnlich äußerte sich der chinesische Botschafter Jian und sagte, das bilaterale Abkommen sei “im wirtschaftlichen Interesse der chinesischen und pakistanischen Bevölkerung”. Die pakistanische Tageszeitung The Nation berichtet, dass Jian den Gedanken als “völlig abwegig [abtat], China werde diesen Hafen für militärische Zwecke nutzen.”
Allerdings ist Neu-Delhi Chinas Präsenz im Indischen Ozean gegenüber misstrauisch und sieht dessen Beziehungen zu Pakistan als eine Bedrohung für die strategischen und wirtschaftlichen Interessen Indiens an. Diese Rivalität hat sich verschärft, weil Washington Indiens Anspruch auf Weltmachtstatus unterstützt. Das gehört zu der Strategie der USA, China entgegenzutreten, und seine Hegemonie in Asien zu verteidigen.
Die USA äußerten sich nicht zu der Übergabe des Hafens. Die New York Times allerdings brachte die schon lange existierende Besorgnis der amerikanischen Elite bezüglich Chinas und des Hafens von Gwadar zum Ausdruck und schrieb: “Einige amerikanische Strategen bezeichneten ihn es als das westlichste Glied der ‘Perlenschnur’. Das ist eine Reihe von China-freundlichen Häfen, die sich vom chinesischen Festland bis zum Persischen Golf erstrecken und letztendlich die Expansion der chinesischen Marine in der Region erleichtern könnte.”
Ähnlich schrieben indische Medien und Analysten, dass die Ausdehnung chinesischer Hafenstützpunkte einschließlich Chittagong in Bangladesch und Hambantota in Sri Lanka zusammen mit Gwadar Teil eines chinesischen Plans sei “Indien einzukreisen”.
Die USA haben Indien in dem globalen Kontrollsystem der Atommächte das besondere Privileg zuerkannt, Atommacht und gleichzeitig Nichtunterzeichner des Atomwaffensperrvertrags zu sein. Dieser Luxus wurde Washingtons langjährigem Verbündetem, Pakistan, verweigert.
Die amerikanische “Fokussierung” stellt Pakistan vor ein geo-politisches Dilemma: es ist seit Mitte der 1960er Jahre von den USA und China abhängig. Auf die Stärkung der Beziehungen seines Erzrivalen Indien mit den USA reagierte Pakistan mit der Stärkung seiner Beziehungen zu China. Andererseits durchkreuzen solche Schritte Islamabads Beziehungen zu Washington, auf die sich die pakistanische Bourgeoisie traditionell bei der Absicherung ihrer Klassenherrschaft verlässt.
Die von der pakistanischen Volkspartei geführte Regierung unterzeichnet das Gwadar Abkommen mit China, obwohl sich Pakistans ehemaliger Militärdiktator Pervez Musharraf im Jahr 2007 für die PSA entschieden hatte, um Washington nicht zu verärgern. Musharraf tat dies, obwohl China fünfundsiebzig Prozent der Baukosten in Höhe von zweihundertfünfzig Millionen Dollar übernehmen wollte.
Kurz nach der Ermordung Osama Bin Ladens in der pakistanischen Stadt Abbottabad bei einem Kommandounternehmen der USA bot Pakistan China im Mai 2011 den Hafen an. Der damalige Verteidigungsminister Ahmad Mukhtar bot den Chinesen außerdem die Errichtung eines Marinestützpunkts in Gwadar an. Die Chinesen sollen das Angebot allerdings abgelehnt haben.
Die zunehmende globale amerikanische Rivalität mit China hat sich in den Spannungen zwischen Pakistan und Indien verfangen und intensiviert sie. Der “umfassende Friedensdialog” zwischen ihnen ist seit November 2008 praktisch zum Stillstand gekommen. Im vergangenen Monat kam es zu tödlichen Auseinandersetzungen an der Demarkationslinie in der umstrittenen Region Kaschmir.
Für China bietet das Hafenabkommen immense potenzielle Vorteile. Lin Boqiang, Direktor des Energy Economics Research Center an der Universität Xiamen, erklärte: “Ich glaube, China wird den Hafen mit der berühmten 'chinesischen Geschwindigkeit' erbauen, um den strategischen Wert des Hafens schnell zu verwirklichen.” Gwadar bietet eine kürzere Verbindung zum westlichen China über die vor kurzem erweiterte Karakorum Schnellstraße in Gilgit-Baltistan im nördlichen Pakistan und eine alternative Route zu dem unsicheren Seeweg durch die Straße von Malakka.
Sechzig Prozent der chinesischen Ölimporte kommen aus dem Persischen Golf und achtzig Prozent aller Ölimporte müssen vor dem Erreichen des chinesischen Festlands die Straße von Malakka passieren, was China als den weltweit größten Energieverbraucher der erheblichen Gefahr einer Seeblockade der Straße von Malakka durch die USA aussetzt.
Der Konkurrenzkampf Chinas und Indiens um die Sicherung der Energieversorgungsrouten führt zu einem Wettrüsten um den Ausbau ihrer jeweiligen “Hochseemarine”. Die USA unterstützen die Ausdehnung der indischen Seemacht in den Indischen Ozean und ermutigen Indien, sich in der Region durchzusetzen.
Indien hat sich den USA angeschlossen, die die chinesischen Interessen im Südchinesischen Meer unter dem Deckmantel der “Freiheit der Seefahrt” zu durchkreuzen suchen. Der indische Marine Chef Admiral DK Joshi warnte letzten Dezember, wenn die “Interessen des Landes auf dem Spiel [stehen], werden wir gezwungen sein, einzugreifen. Und darauf sind wir vorbereitet.” Er bezog Sich dabei auf den chinesischen Widerstand gegen die gemeinsame Öl-Exploration Indiens mit Vietnam im Südchinesischen Meer.
Später wurde versucht, die Bedeutung der Bemerkung herunterzuspielen, aber sie unterstreicht die äußerst angespannte militärische Situation, die sich in Asien aufbaut. Diese Spannungen werden durch die tiefen inneren Konflikte in Pakistan noch verschärft.
Gwadar liegt in der politisch instabilen Provinz Belutschistan, die über eine schlechte Infrastruktur verfügt. Separatistische nationalistische Gruppen befinden sich im Aufstand. Diese Gruppen kämpfen gegen das pakistanische Militär und fordern Autonomie. Einige haben Washington um Unterstützung gebeten und sich gegen den chinesischen Ausbau des Hafens in Gwadar gestellt.
Die USA haben Pakistans Antrag, die belutschischen Aufständischen auf die Liste terroristischer Organisationen zu setzen, abgelehnt. Teile des amerikanischen politischen Establishments fassen sogar die Möglichkeit der Unterstützung einer “belutschischen Selbstbestimmung” ins Auge, um Islamabad zu warnen, sich nicht zu eng an Peking zu binden.