Nur eine Woche nachdem die griechische Regierung neue Sozialkürzungen in Höhe von 11,5 Milliarden Euro angekündigt hat, machten am Wochenende 4.500 Polizisten mit kugelsicheren Westen und Schäferhunden in den Straßen Athens Jagd auf ausländisch aussehende Menschen. Sie nahmen 6.000 Personen in Gewahrsam. Davon wurden verschiedenen Berichten zufolge 1.400 bis 2.000 inhaftiert und sollen nun in ihre Herkunftsländer deportiert werden.
Laut Augenzeugenberichten, die die englische Zeitung Guardian veröffentlichte, gingen die Einsatzkräfte mit äußerster Brutalität vor. Polizisten sollen jede fremd aussehende Person aufgegriffen und in fensterlose Busse gepfercht haben. Nach mehreren Stunden durchsuchten die Beamten die Betroffenen schließlich und kontrollierten erst anschließend ihre Papiere. Wer eine Aufenthaltserlaubnis vorweisen konnte, wurde entlassen, alle übrigen wurden in Polizeistationen und ein Verwahrungslager bei Athen gebracht. 88 Pakistani wurden gleich am Sonntag abgeschoben.
Andere Berichte sprechen von erniedrigenden Szenen, bei denen die Opfer stundenlang auf der Straße knien mussten. Zudem soll es zu Gewalt gegen Inhaftierte gekommen sein.
Der Vertreter der UN-Flüchtlingskommission (UNHCR) in Athen, Petros Mastakas, machte darauf aufmerksam, dass die Aktion die Rechte von Migranten missachte. „Für Asylsuchende ist es sehr schwierig, praktisch unmöglich, einen Asyl-Antrag zu stellen. Wir befürchten, dass sich unter den Inhaftierten Menschen befinden, die einen Asyl-Antrag stellen wollen, dies aber nicht können“, sagte er.
Die Operation „Xenios Zeus“, wie die Massendeportation genannt wird, ist Teil einer umfassenden Kampagne gegen Flüchtlinge. Bereits seit April hat es immer wieder Großrazzien gegeben, die zu Verhaftungen und Abschiebungen geführt haben. Allein im Juli wurden 819 Menschen aus Griechenland abgeschoben.
Die Regierung plant, bis Ende des Jahres acht Deportationslager zu errichten, in denen bis zu 10.000 Menschen interniert werden. Solche Lager und umfassende Massenverhaftungen hat es in Griechenland zuletzt unter der Obristen-Diktatur von1967 bis 1974 gegeben. Damals wurden tausende Arbeiter und rebellische Jugendliche festgenommen, gefoltert und in Konzentrationslager auf den Inseln Gyaros und Leros verfrachtet.
Die Regierung aus konservativer Nea Dimokratia (ND), sozialdemokratischer PASOK und Demokratischer Linken (DIMAR) hat keinen Zweifel daran gelassen, dass „Xenios Zeus“ von dem gleichen menschenverachtenden Geist beseelt ist.
Für den verantwortlichen Minister für Bürgerschutz, Nikos Dendias (ND), sind die schutzsuchenden Flüchtlinge schlimmer als die deutschen Truppen, die das Land während des Zweiten Weltkriegs erobert hatten. Er bezeichnete sie gegenüber dem Privatsender Skai-TV als „Besatzer“, die das Land in ein „Migranten-Ghetto“ verwandelten. „Wir verlieren das Land“, sagte er. „Was hier stattfindet ist die größte Invasion, die Griechenland jemals erlebt hat.“
Diese Formulierungen könnten wortwörtlich von einem Vertreter der faschistischen Partei Chrysi Avgi (Goldene Dämmerung) stammen, die bei den letzten Wahlen knapp sieben Prozent der Stimmen erhielt und damit erstmals im griechischen Parlament vertreten ist.
Chrysi Avgi, deren Mitglieder sich mit dem Hitlergruß begrüßen und ein abgewandeltes Hakenkreuz als Symbol verwenden, spielt bei der Hatz auf Migranten eine zentrale Rolle. Meldungen über brutale Überfällen auf Migranten durch Mitglieder oder Anhänger der Partei mehren sich. Ein Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch vom Juli legt den Verdacht nahe, dass es sich dabei um halbstaatliche Aktivitäten handelt, die gezielt gefördert werden.
Zwischen den Sicherheitskräften und Chrysi Avgi gibt es enge Beziehungen. Der griechischen Zeitung To Vima zufolge haben mehr als die Hälfte aller Polizisten die faschistische Partei gewählt. Kürzlich erhielt ein Mitglied von Chrysi Avgi bei der Wahl des stellvertretenden Parlamentssprechers 41 Abgeordnetenstimmen. Da die Partei selbst nur über 18 Sitze verfügt, haben also mindestens 23 Parlamentarier anderer Parteien den Faschisten unterstützt.
Der Bericht von Human Rights Watch hält fest, dass Polizisten häufig wegschauen, wenn sie mit Beweisen für Gewalt konfrontiert sind, und sogar tatenlos dabeistehen, wenn Migranten angegriffen werden. Ferner würden illegale Migranten „routinemäßig entmutigt, offiziell Anzeige zu erstatten“. Die Polizei habe einigen Opfern erklärt, „dass sie eine Gebühr für eine Anzeige zahlen müssten“.
Die Organisation Expel Racism hat hunderte Berichte erhalten, laut denen Menschen verprügelt wurden, während die Polizei daneben stand. Das erklärte der Anti-Rassismus-Aktivist Thanassis Kourkoulas laut der New York Times. Er hat auch über Anklagen gegen Polizisten berichtet, die Migranten auf Polizeiwachen zusammengeschlagen oder Anwohnern, die sich über Migranten beschwerten, die Telefonnummer von Chrysi Avgi gegeben haben.
Die Operation „Xenios Zeus“ hat die Rückendeckung der Europäischen Union. Schon seit Jahren kritisierte die EU die mangelnden Grenzkontrollen Griechenlands. Ein erheblicher Teil der illegalen Einwanderer kommt über die türkisch-griechische Grenze in die EU.
Bereits im Jahr 2003 hatte die EU die Dublin-II-Verordnung verabschiedet. Seither darf ein Flüchtling, der ohne gültiges Visum in die EU eingereist ist, nur noch in dem Land einen Asylantrag stellen, das er als erstes betreten hat. Griechenland ist dadurch nicht nur verpflichtet, die Außengrenze abzuschotten, sondern auch zu verhindern, das Asylsuchende in andere EU-Länder weiterreisen. Im Rahmen dieser Verordnung wurden wiederholt Migranten aus Deutschland nach Griechenland abgeschoben.
Laut euractiv.com hat die EU-Kommission auch die Massenverhaftung von Migranten begrüßt. „Die Kommission hat die griechische Regierung seit Monaten ermutigt, die Grenzverwaltung zu verbessern und die Kontrollen zu beschleunigen“, sagte ein Sprecher.
Die Operation „Xenios Zeus“ richtet sich aber nicht nur gegen Flüchtlinge, sondern gegen die gesamte griechische und europäische Arbeiterklasse. Der Terror gegen Immigranten dient dazu, die Arbeiterklasse einzuschüchtern und zu spalten, den Staatsapparat zu stärken und faschistische Kräfte zu fördern, um so die gewaltsame Unterdrückung jedes Widerstands gegen das Spardiktat der EU vorzubereiten.
Die Sparmaßnahmen der EU stoßen in Griechenland und anderen europäischen Ländern auf den wachsenden Widerstand der Arbeiterklasse. Gewerkschaften und pseudolinke Parteien sind immer weniger in der Lage, diese Wut in harmlose Kanäle zu lenken. Um den Kahlschlag trotzdem fortsetzen zu können, sind die herrschenden Eliten in wachsendem Maße auf die offene Unterdrückung der Arbeiter angewiesen.
Mit der Hetze auf Migranten wird der Staatsapparat auf umfassendere Angriffe gegen die Arbeiter vorbereitet. Bereits vor einigen Wochen wurde der Streik von Stahlarbeitern in einem Werk bei Athen mit Polizeigewalt beendet. Am Sonntag griff die Polizei eine Demonstration gegen den Bau einer Goldmine in Halkidiki mit Gummigeschossen und Tränengas an.
Zudem hat die Regierung in den letzten Wochen wichtige Teile der Militärführung ausgetauscht, um sich der Loyalität der Truppe zu versichern. Seit Jahren finden schon Manöver der Armee statt, die die Soldaten auf die Niederschlagung von Aufständen vorbereiten.
Die griechischen und europäischen Arbeiter müssen die Migranten gegen die Angriffe der Regierung und der Polizei verteidigen. Das ist ein untrennbarer Bestandteil des Kampfs gegen die Sparmaßnahmen, die die Lebensgrundlage breiter Bevölkerungsschichten zerstören.
Dieser Kampf erfordert eine internationale, sozialistische Perspektive. Nur wenn sich die europäischen Arbeiter zusammenschließen, für den Aufbau von Arbeiterregierungen und für Vereinigte Sozialistische Staaten von Europa kämpfen, können sie der sozialen Konterrevolution Einhalt gebieten.
Dazu müssen sie von den Gewerkschaften und politischen Parteien brechen, die – wie die Koalition der Alternativen Linken (SYRIZA) und die Kommunistische Partei (KKE) in Griechenland – auf der Seite des Staates stehen.
SYRIZA hat ihre staatstragende Rolle angesichts des Terrors gegen die Immigranten erneut unter Beweis gestellt. Sie hat „Xenios Zeus“ zwar in Worten kritisiert, gleichzeitig aber gefordert, dass die Polizei aufgestockt und besser ausgestattet werden müsse.