Amerikanischer Geheimdienst gibt zu:

Waffenlieferungen für Syrien gehen an Al Qaida

Sprecher der amerikanischen Geheimdienste geben zu, dass der Großteil der Waffen, der für den Sturz von Bashar al-Assad nach Syrien geliefert wird, in die Hände von Al Qaida und ähnlichen islamistischen Milizen gelangt.

Am Montag erschien in der New York Times ein Leitartikel, der die wachsende Anzahl von Berichten aus der Region bestätigt, dass dschihadistische Elemente eine zunehmend wichtigere Rolle in dem sektiererischen Bürgerkrieg in Syrien spielen.

„Laut amerikanischen und nahöstlichen Diplomaten gehen die meisten der Waffen, die im Auftrag von Saudi-Arabien und Katar an syrische gegen die Regierung von Bashar al-Assad kämpfende Rebellengruppen geliefert werden, an radikale Dschihadisten und nicht an die säkulare Opposition, die der Westen unterstützen will,“ meldet die Times.

In dem Artikel äußert sich das wachsende Unbehagen in herrschenden Kreisen der USA über die Strategie der Obama-Regierung in Syrien und, allgemeiner, im Nahen Osten, und er facht die außenpolitische Krise an, mit der sich der demokratische Präsident nur drei Wochen vor der Wahl konfrontiert sieht.

In der verzerrten öffentlichen Debatte zwischen Demokraten und Republikanern geht es in dieser Krise um den Anschlag auf das amerikanische Konsulat und ein geheimes CIA-Hauptquartier in der ostlibyschen Stadt Bengasi am 11. September dieses Jahres, bei dem der amerikanische Botschafter J. Christopher Stevens und drei weitere Amerikaner ums Leben kamen.

Die Republikaner führen eine zunehmend aggressive öffentliche Kampagne, in der sie der Obama-Regierung vorwerfen, das amerikanische Personal nicht besser geschützt zu haben. Sie werfen dem Weißen Haus außerdem vor, die Hintergründe des Vorfalls zu verheimlichen versucht zu haben – die Regierung hatte erst von einer spontanen Demonstration gegen ein islamfeindliches Video gesprochen, später hatte sie den Vorfall als Terroranschlag klassifiziert.

Am Sonntag konzentrierten sich Republikaner in Fernsehinterviews darauf, diese Linie zu propagieren, während Demokraten erklärten, es handele sich um eine politische Hetzkampagne und die anfängliche Darstellung hätte auf den damals vorhandenen Informationen beruht.

Der republikanische Senator Lindsey Graham erklärte in der NBC-Nachrichtensendung „Face the Nation“, die Darstellung des tödlichen Anschlags in Bengasi als spontane Demonstration sei politisch motiviert. Obama versuche im Wahlkampf, zu behaupten „Al Qaida sei besiegt – und wenn er zugeben würde, dass unsere Botschaft von Al Qaida-Terroristen angegriffen wurde, würde diese Behauptung unglaubwürdig werden.“

Es geht hier jedoch um mehr als um die „Darstellung“ im Wahlkampf. Die Ereignisse in Bengasi haben die ganze amerikanische Politik in Libyen und Syrien durcheinandergebracht und ihrer Außenpolitik in der Region einen schweren Schlag versetzt.

Die Kämpfer, die das amerikanische Konsulat und den CIA-Vorposten in Bengasi angriffen, waren nicht nur Al Qaida-Mitglieder, sondern die gleichen Kräfte, die Washington und seine Verbündeten bewaffnet, ausgebildet und mit immenser Luftunterstützung bedacht hatten, als sie Krieg für einen Regimewechsel führten, der mit der brutalen Ermordung des libyschen Staatschefs Muammar Gaddafi vor einem Jahr endete.

Botschafter Stevens, der zu Beginn dieses siebenmonatigen Krieges nach Bengasi geschickt worden war, war ein wichtiger Mann in diesem zynischen Bündnis aus US-Imperialismus und Kräften und Personen, die Washington zuvor als „Terroristen“ gebrandmarkt hatte und entführen, in Guantanamo einsperren und foltern ließ.

Die Beziehung zwischen Washington und diesen Kräften ähnelt dem Bündnis mit den Mudschaheddin und AL Qaida in den 1980ern, als die CIA in Afghanistan den Krieg schürte, um die Regierung zu stürzen, die sich auf die Seite von Moskau geschlagen hatte, und um die Sowjetarmee zu schwächen.

Genau wie in Afghanistan ist dies in Libyen für den US-Imperialismus nach hinten losgegangen. Die USA unterstützten die islamistischen Milizen mit Nato-Luftangriffen auf der Jagd nach Gaddafi; als dieses Ziel erreicht war, versuchte Washington, sie zurückzudrängen und vertraute Mitarbeiter der CIA und der großen Ölkonzerne als Regierung des Landes einzusetzen. Die islamistischen Kräfte fürchteten, bei der Verteilung der Beute außen vor zu bleiben und schlugen zurück, unter anderem mit der Ermordung von Stevens.

Die Obama-Regierung kann diese Wende der Dinge nicht öffentlich erklären, ohne den sogenannten „Krieg gegen den Terror“, der mehr als zehn Jahre lang das ideologische Kernstück der amerikanischen Außenpolitik war, als Betrug zu entlarven – genauso wie die angeblichen „humanitären“ und „demokratischen“ Motive für die amerikanische Intervention in Libyen.

Außerdem setzt sie dieselben Kräfte bei ihrem Regimewechsel in Syrien ein, der seinerseits darauf abzielt, den Iran zu schwächen und einen amerikanisch-israelischen Krieg gegen das Land vorzubereiten. Und wie der Artikel in der Times andeutet, wird dies noch spektakulärer nach hinten losgehen.

Die Times zitiert einen anonymen amerikanischen Sprecher, der mit den Erkenntnissen des Geheimdienstes vertraut ist: „Die Widerstandsgruppen, die die todbringendste Hilfe bekommen, sind genau die, die sie eigentlich nicht bekommen sollten.“

Der Artikel weist auf die Rolle der sunnitischen Monarchien in Katar und Saudi-Arabien hin, die Waffen an radikale Islamisten liefern, um ihre eigenen religiös-sektiererischen Vorhaben in der Region zu verfolgen, mit denen sie den Einfluss des schiitisch dominierten Iran untergraben wollen.

Er schreibt die Unfähigkeit der CIA an der türkisch-syrischen Grenze, die Gruppen, die Waffen erhalten, politisch zu prüfen, einem „Mangel an guten Informationen über viele Persönlichkeiten und Fraktionen der Rebellen“ zu.

Der Artikel kann jedoch nicht erklären, welche „säkularen Widerstandsgruppen“ in Syrien überhaupt existieren, die die USA bewaffnen wollen. Die Führung des Syrischen Nationalrates und der Freien Syrischen Armee, die sich in der Türkei aufhält, hat wenig Einfluss und ist in Syrien größtenteils diskreditiert.

In einem Bericht der International Crisis Group (ICG) vom 12. Oktober mit dem Titel „Vorsichtiger Dschihad – Syriens fundamentalistische Opposition“ wird angedeutet, dass die sogenannte säkulare Opposition gar nicht existiert. Darin heißt es: „Die Präsenz einer starken salafistischen Strömung unter den Rebellen ist unleugbar geworden“, außerdem eine „Neigung zu immer radikaleren und konfessionellen Diskursen und brutalen Taktiken.“

Er beruft sich auf die immer größere Rolle, die Gruppen wie Jabhat al-Nusra (Unterstützungsfront) und Kata’ib Ahrar al-Sham (Die Freien Männer der syrischen Bataillone) spielen; „beide bedienen sich eindeutig der Sprache des Dschihad und fordern, das Regime durch einen islamistischen Staat auf salafistischen Prinzipien zu ersetzen.“

Zuletzt macht er für den wachsenden Einfluss dieser Elemente „den Mangel an gemäßigter, effektiver geistiger und politischer Führung“ verantwortlich – während gemäßigtere sunnitische Elemente gegen die sogenannten „Rebellen“ waren.

„Vor allem das Fehlen einer selbstbewussten, pragmatischen Führung und das Abgleiten in teilweise zutiefst sektiererische Gewalt hat den radikaleren Kräften unweigerlich in die Hände gespielt“, erklärt der Bericht des ICG.

Elemente des herrschenden amerikanischen Establishments berufen sich zunehmend auf den wachsenden Einfluss islamistischer Milizen in Syrien, um eine direkte amerikanische Militärintervention zu fordern. Ein Vertreter dieser Ansicht ist Jackson Diehl, der Chefredakteur für Außenpolitik bei der Washington Post und prominenter Befürworter des Irakkrieges von 2003. Am 14. Oktober beschrieb Diehl die Lage in Syrien als „wachsendes strategisches Desaster“, das man Obamas „selbstzerstörerischer Vorsicht bei der Anwendung amerikanischer Militärmacht“ anlasten müsse.

„Da er sich auf seinen Wahlkampfslogan ‚Die Flut des Krieges [im Nahen Osten] geht zurück’ fixiert,“ schreibt Diehl, „behauptet Obama, eine Intervention würde den Konflikt nur verschlimmern – und dann sieht er zu, wie er sich auf die Nato-Verbündeten [die Türkei] ausdehnt und hunderte von Al Qaida-Kämpfern anzieht.“

Diehl kritisiert Romney und die Republikaner dafür, sich auf den Terroranschlag von Bengasi zu konzentrieren und erklärt, das sei leichter als „kriegsmüden Amerikaner“ dafür zu gewinnen, sich mit einem weiteren Angriffskrieg anzufreunden. Dennoch, deutet er an, wird solch ein Krieg nach der Wahl auf der Tagesordnung stehen, egal wer im Weißen Haus sitzt.

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