Klasse# nicht Rasse oder Geschlecht spaltet die Gesellschaft wirklich

Die Nominierung Sonia Sotomayors als Präsident Obamas erste Kandidatin für den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten wurde vom Weißen Haus zu einem völlig durchgestylten und stereotypen Medienevent gestaltet. Solche Zeremonien sind zu einem unverzichtbaren Bestandteil der Art und Weise geworden, wie Amerika heute regiert wird. Je weniger das politische System in der Lage ist, auf die Bedürfnisse und Wünsche der arbeitenden Bevölkerung zu reagieren, desto mehr muss es zumindest den Anschein erwecken. Biographische Details treten an die Stelle von Politik.

Wie immer bei solchen Gelegenheiten wurde bei der Verkündung der Nominierung unverhohlen auf die Tränendrüsen gedrückt. In den Fußstapfen von Präsident Obama, der seinen eigenen Wahlkampf auf eine ergreifende persönliche "Erzählung" stützte, wurde Sotomayors Beförderung als Triumph über alle möglichen Widrigkeiten präsentiert. Es wurde auf die niedere Herkunft der zukünftigen obersten Richterin verwiesen, ihre hart arbeitenden eingewanderten Eltern, ihre Kindheit in armen Verhältnissen in einem Wohngebiet in der Bronx, der Tod ihres Vaters, als sie erst neun Jahre war, und selbst ihr Kampf gegen Kindheitsdiabetes wurden erwähnt.

Zweifellos hat Richterin Sotomayor es in ihrem Leben nicht leicht gehabt und ganz sicher ist sie eisenhart. Aber bei allem Tribut, der dem Triumph der Richterin Sotomayor gezollt wird, sollte man nicht vergessen zu fragen, was mit den Hunderttausenden Bewohnern der Süd-Bronx ist, die sie hinter sich gelassen hat.

Noch ein weiteres Element von Sotomayors Nominierung verdient Beachtung. Die Berichterstattung der Medien und die politischen Kommentatoren, liberale wie konservative, Freund und Feind, konzentrieren sich auf die Tatsache, dass sie die erste hispanische Person und erst die dritte Frau sei, die einen Sitz im höchsten Gericht der USA einnehme. Befürworter und Gegner waren gemeinsam der Meinung, dass Sotomayors Geschlecht und ihr ethnischer Hintergrund von entscheidender Bedeutung für die Bedeutung ihrer Nominierung sei und ihren wahrscheinlichen Kurs im Gericht bestimmen werde.

In dieser Flut von Kommentaren geht die wichtigste gesellschaftliche Kategorie in der amerikanischen Gesellschaft völlig verloren: die Kategorie der Klasse. Sotomayor wird an das Oberste Gericht nicht als Vertreterin der hispanischen Bevölkerung oder von Frauen oder ganz allgemein der gesellschaftlich Benachteiligten gehen, sondern als Vertreterin einer bestimmten gesellschaftlichen Klasse an der Spitze der amerikanischen Gesellschaft: der Finanzaristokratie, deren Interessen sie und alle anderen Bundesrichter und der gesamte kapitalistische Staatsapparat treu vertreten.

Nur eine Publikation des bürgerlichen "Mainstream" befasste sich mit dieser kritischen Frage: das Wall Street Journal. Dessen Leitartikel sind eine wichtige Stimme der Ultrarechten. Das Journal verurteilte Sotomayors Nominierung mit scharfen Worten. Aber auf seinen Nachrichtenseiten untersuchte es auch ihre Bilanz als gut bezahlte Wirtschaftsanwältin und Bundesrichterin in Fragen, die von direktem Interesse für die Wirtschaft sind, wie dem Vertragsrecht, Arbeitslosigkeit und Eigentumsrecht.

Die Zeitung zitierte mehrere Wall Street-Anwälte, die Sotomayor als eine sichere Wahl für die Wirtschaftsinteressen bezeichneten. "Die Wirtschaft hat keinen Grund sich Sorgen zu machen", sagte ein Anwalt. Barry Ostrager, Partner bei Simpson Thatcher LLP, die einen Geschäftszweig von J.P. Morgan Chase in einem Prozess um betrügerische Preisgestaltung bei Börsengängen vertraten, begründete das mit Sotomayors Rolle in einem Verfahren vor einem Appellationsgericht, in dem sie ein Massenklagerecht ablehnte. "Das Urteil zeigte, dass sie in Wertpapierfällen juristischer Mainstream ist", sagte er dem Journal.

Die amerikanische herrschende Klasse unterdrückt jede öffentliche Diskussion der Klassenfrage konsequenter, als jede andere. Seit dem Ende der 1940er Jahre war die antikommunistische Hexenjagd Senator Joseph McCarthys die Speerspitze des Versuchs, jede öffentliche Diskussion von Sozialismus, Marxismus oder der Klassenspaltung Amerikas praktisch zu ächten.

Auf die sozialen Eruptionen der 1960er Jahre - die Bürgerrechtskämpfe und Ghettoaufstände, die Massenbewegung gegen den Vietnamkrieg und großen Kämpfe der Arbeiterbewegung - reagierte die amerikanische Bourgeoisie, indem sie Identitätspolitik anwandte, um jede Opposition der Massen gegen ihre Politik zu spalten, Verwirrung zu stiften und das erneute Auftreten der Arbeiterklasse als unabhängige gesellschaftliche Kraft zu blockieren.

Schwarzer Nationalismus, "Chicano"-Nationalismus, Frauenbefreiung und Schwulen- und Lesbenbefreiung kamen auf, um nur die am meisten propagierten Formen von Identitätspolitik zu nennen. In jedem Fall wurden dabei tatsächliche gesellschaftliche Probleme bedeutender Teile der amerikanischen Bevölkerung von ihren wirklichen sozioökonomischen Ursachen getrennt - d.h. von der Spaltung der Gesellschaft in eine Handvoll kapitalistischer Besitzer der Produktionsmittel und der großen Mehrheit der Bevölkerung, die ihre Arbeitskraft verkaufen muss, um leben zu können.

Die Demokratische Partei wurde zum wichtigsten Instrument der Förderung von Politik nach Rasse und Geschlecht. Sie rekrutierte eine Schicht von schwarzen, weiblichen und hispanischen Politikern, die mithilfe populistischer Demagogie Rasse und Geschlecht benutzten, um sie gegen eine Orientierung auf die Interessen der unterdrückten Masse der amerikanischen Gesellschaft einzusetzen. Aber auch republikanische Regierungen haben diese Methode zu nutzen gewusst.

In den vergangenen zwölf Jahren saßen unter zwei Demokratischen Präsidenten und einem Republikanischen nacheinander eine weiße Frau, ein schwarzer Mann, eine schwarze Frau und eine weiße Frau im Außenministerium. Diese "Vielfalt" hat nicht die geringste progressive Bedeutung. Sie hat die amerikanische Außenpolitik nicht demokratisiert oder um ein Iota empfänglicher für die Interessen der Unterdrückten gemacht, weder international, noch in den Vereinigten Staaten. Madeleine Albright, Colin Powell, Condoleezza Rice und Hillary Clinton sind nicht Vertreter von "Schwarzen" oder "Frauen", sondern der räuberischsten imperialistischen herrschenden Klasse auf dem Planeten.

Barack Obama ist der Höhepunkt dieses Prozesses. Er wurde als der erste afroamerikanische Präsident gefeiert, aber ist verantwortlich für die größte Übereignung von Mitteln an die Milliardäre und Wall Street Spekulanten in der Geschichte. Die Restrukturierung der Autoindustrie, mit ständig neuen Forderungen nach Arbeitsplatzabbau, Lohn- und Sozialleistungskürzungen, benutzt er für den größten Angriff auf die Arbeiterklasse seit der Zerschlagung des Fluglotsenstreiks 1981 durch die Reagan-Regierung, die den Startschuss für landesweite Lohnsenkungen und die Zerschlagung von Gewerkschaften bildete. Damit zeigt Obama, dass für ihn nicht die Farbe seiner Haut oder seine soziale Herkunft die entscheidenden politischen Faktoren sind, sondern die Klasse, der er dient.

Die politische Entwicklung der amerikanischen Arbeiterklasse erfordert zuallererst eine offene Diskussion der Klassenrealität der amerikanischen Gesellschaft. Kein Land der Welt ist so tief und unheilbar nach ökonomischen Gesichtspunkten gespalten, wie die Vereinigten Staaten. Hier besitzt das oberste Prozent der Bevölkerung 40 Prozent des Reichtums und monopolisiert zwanzig Prozent des Einkommens. Jede politische Analyse politischer Probleme der Arbeiterklasse, die diese Klassenspaltung nicht berücksichtigt, ist ein Betrug und politisch lächerlich.