Krieg soll wieder populär gemacht werden

Vor knapp drei Wochen fand das Berliner Forum Sicherheitspolitik Impulse 21 statt, eine Initiative des Verteidigungsministeriums, auf dem seit 2003 hohe Militärs und Politiker über Fragen der äußeren und inneren Sicherheit, über die NATO, ihr Verhältnis zur EU und die Aufgaben der Bundeswehr diskutieren.

War es früher eher eine Veranstaltung, wo neben Militärs politische Fachleute auftraten wie der ehemalige Verteidigungsminister Rühe (CDU), Verteidigungsminister Struck (SPD) oder auch Günther Beckstein (CSU), ehemals Innenminister von Bayern, meldete sich 2006 erstmals Kanzlerin Angela Merkel zu Wort, um über "Ziele und Interessen deutscher Sicherheitspolitik" zu referieren. Auf der jüngsten Konferenz sprach nun der oberste Repräsentant der Bundesrepublik Horst Köhler.

In seiner Rede machte der Bundespräsident unmissverständlich klar, dass die herrschenden Kreise in Deutschland entschlossen sind, 63 Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs wieder Krieg zu führen. Der einzige Haken dabei: Die Bevölkerung zeigt dafür kein Verständnis.

In Zukunft soll nun weniger Streit darüber stattfinden, ob Armeeeinsätze humanitären oder "friedenserhaltenden" Charakter tragen. "Was nötig ist", so Köhler, "das muss politisch überzeugend vermittelt und durchgesetzt werden, auch und zuerst bei der heimischen Bevölkerung, denn mit deren Akzeptanz steht und fällt in Demokratien militärisches Engagement im Ausland." Gemeint ist eine Erhöhung des Militärbudget für modernere Kriegstechnik, "Fragen (...), denen wir nicht ausweichen sollten." Es sollte "nicht passieren, dass wir gute Ziele mit unzureichenden Mitteln verfolgen."

Auch sei es, so Köhler, nicht ausreichend, allein auf die Bündnisverpflichtung gegenüber der NATO hinzuweisen. "Bündnistreue allein reicht als Argument noch nicht, wo die Bürgerinnen und Bürger mit Recht überzeugende Gründe für schwierigste militärische Interventionen verlangen." Solche Gründe zu benennen, könne laut Köhler die "Einsicht in interessenpolitische Notwendigkeiten stärken". Dies setze aber voraus, "dass wir unsere Interessen überzeugend definieren, für sie werben und sie dann entschieden verfolgen".

Köhler kritisiert, die "auswärtigen Bedingungen für unsere Freiheit und unseren Wohlstand" seien der Bevölkerung nicht ausreichend bewusst, sodass die Bereitschaft fehle, "diese Faktoren zu stabilisieren und zu pflegen". Er plädierte für mehr "Bildung" in dieser Richtung.

Weil aber die Folterbilder aus Guantanamo, die Terrormethoden der amerikanischen Besatzungstruppen im Irak und die wiederholten Militärattacken auf die Zivilbevölkerung in Afghanistan einer deutschen Kriegsbegeisterung abträglich sind, sprach Köhler in Richtung NATO von der Notwendigkeit einer Rückbesinnung auf die "Wertegemeinschaft" des Militärbündnisses.

Dann stellte der ehemalige IWF-Chef die Frage in den Raum: "Was sind uns unsere Werte wert?"

Um der ablehnenden Haltung in der Bevölkerung entgegenzutreten, sollen die deutsche Großmachtpolitik und ihre geostrategischen und militärischen Interessen einer höheren ideellen Weihe unterzogen werden. Mit altbewährten Parolen, wie 'Verteidigung der Menschenrechte', 'Erhalt des Friedens', oder, in Köhlers eigenen Worten, Opposition gegen die "Weltmärkte für Drogen und für illegal erbeutete Rohstoffe", gegen den "Zerfall staatlicher Ordnungen" oder gegen den "Mangel an Chancen für Generationen junger Leute", werden sich vielleicht einige Pazifisten auch in Zukunft beruhigen lassen.

Allerdings sind Köhlers humanitäre Phrasen zur Durchsetzung "interessenpolitischer Notwendigkeiten" wenig originell und erinnern an die Propaganda über die "zivilisatorische Mission", mit der das Wilhelminische Kaiserreich vor dem Ersten Weltkrieg seine Kolonialpolitik rechtfertigte.

Als im ersten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts der blutige deutsche Kolonialkrieg im damaligen Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia) auf Ablehnung in der deutschen Bevölkerung stieß, schwenkte die Regierung auf eine "gemäßigte" Kolonialpolitik ein. Die Gräueltaten des Kolonialismus wurden hinter einem Wortschwall über die humanitäre und zivilisierende Funktion der deutschen Besatzung verborgen. Auch führende Sozialdemokraten, wie Eduard Bernstein, verbreiteten damals diese Propaganda und referierten über eine "sozialistische Kolonialpolitik".

In jüngeren Zeiten übernahmen die Grünen und ihr Außenminister Joschka Fischer die Führung in Sachen humanitärer Begründung deutscher Kriegspolitik. Im Frühjahr 1999 begründete die rot-grüne Bundesregierung ihre Beteiligung am Nato-Krieg gegen Serbien mit der Notwendigkeit, einen "Völkermord" an Kosovaren zu verhindern. Als die Kritik in der Bevölkerung nicht verstummen wollte, steigerte Fischer seine Demagogie und behauptete, das Verhalten des serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic sei nur mit dem "menschenverachtenden Verhalten von Adolf Hitler" vergleichbar. Vor Journalisten erklärte Fischer damals, das Vorgehen der serbischen Milizen gegenüber den erschöpften und ausgezehrten Flüchtlingen erinnere ihn an die schlimmsten Bilder vom Niederbrennen des Warschauer Ghettos.

Seitdem werden alle Kriegseinsätze in Afghanistan und anderswo mit humanitär-zivilen Aufgaben begründet. Bei dem Konzept einer "vernetzten Sicherheit" geht es angeblich um eine Verbindung von Diplomatie, ziviler Aufbauhilfe, Polizei und uniformierten Helfern, die das Kriegshandwerk zwar beherrschen, aber nur davon Gebrauch machen würden, wenn man nicht anders die Lage stabilisieren könne. Letzteres wird auch für den inneren Einsatz Deutschlands immer stärker in Erwägung gezogen. Die Anschläge in Bombay wurden vom Forum, auf dem Köhler sprach, sofort aufgegriffen: Wenn hier solche Anschläge stattfänden, sei die Polizei völlig überfordert.

Folgendes erwartet der höchste Repräsentant der deutschen Politik von der Bevölkerung:

Keine Armee der Welt könne sich nur auf moderne Waffen stützen, sie brauche auch die "Unterstützung durch die Mitbürger" und "Anteilnahme an ihrem gefährlichen Dienst".

Unter dem Beifall der versammelten Militärs und Politiker rief Köhler: "Was wir brauchen, ist Aufmerksamkeit, Solidarität und Dankbarkeit für unsere Soldatinnen und Soldaten. Und wir sollten die in Ehren halten, die im Kampf gegen Terror und Gewalt fallen und die ihr Leben und ihre Gesundheit aufs Spiel setzen für die Gemeinschaft der Deutschen und eine bessere und sichere Welt."

Köhlers Worten wurde durch die parallel zur Konferenz stattfindende Grundsteinlegung eines zentralen Berliner Ehrenmals für gefallene Soldaten Nachdruck verliehen, das im Sommer eingeweiht werden soll. Eine wachsende Anzahl gefallener Soldaten, der Begriff "gefallen" wird erst seit kurzem wieder offiziell benutzt, ist also bereits fest eingeplant.

Wie wichtig die Propaganda besonders in Kriegsfragen eingeschätzt wird, macht auch die Tatsache deutlich, dass neben dem Verteidigungsministerium der Berliner Tagesspiegel Veranstalter des Forums war.

Hintergrund der offenen ideologischen Kriegsvorbereitungen sind die rasanten Veränderungen, Brüche und Zuspitzungen in der internationalen Wirtschaft und Politik, die sowohl die außen- und innenpolitischen Spannungen außerordentlich verschärfen.

In den Jahren seit dem Ende der DDR und dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde die Bundeswehr von einer Nato-Einheit zur Territorialverteidigung "gegen den Kommunismus" in eine hoch moderne Interventionsarmee im Interesse neuer deutscher Großmachtpolitik umgerüstet. Inzwischen ist die notwendige "Neuorientierung der Bundeswehr von der Territorialverteidigung zur Armee im Einsatz (...) insgesamt gelungen", stellte Köhler befriedigt fest.

Die einfache Bevölkerung, die lernen soll, "Schmerzen auszuhalten", war vom Forum ausgeschlossen. Zugelassen war eine Auswahl akkreditierte Journalisten. Um eventuelle Überraschungen auszuschließen, wurde die Moderation einem Redaktionsleiter des staatlichen Zweiten Deutschen Fernsehens übertragen. Und wie ein Schüler, der sich einer Prüfung unterzieht, durfte Tagesspiegel -Chef Stephan-Andreas Castorff am Rednerpult die Diskussion zusammenfassen. Deutlicher hätte man die Unterwürfigkeit der Medien kaum zum Ausdruck bringen können.

Bezeichnenderweise wird das neue Denkmal auf dem Gelände des Verteidigungsministeriums errichtet. Anders als die Grünen, die für Bundestagsnähe plädierten, besitzt die Regierung soviel Vorausblick, um zu sehen, dass das eherne Kriegerdenkmal zum Ausgangspunkt öffentlicher Proteste gegen den Krieg werden könnte. Ganz in der Nähe, auf dem Potsdamer Platz, hielt Karl Liebknecht 1916 seine berühmte Rede gegen den Ersten Weltkrieg. Die ernüchternden, einschneidenden Kriegserfahrungen vieler junger Soldaten und ihrer Familien wurden zum mächtigen Impuls für die Revolution 1918.

Loading