Vor 90 Jahren: SPD stimmt für Kriegskredite

Der 4. August 1914 und seine Folgen

Am heutigen Mittwoch jährt sich zum neunzigsten Mal das wohl verhängnisvollste Datum in der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie. Am 4. August 1914 genehmigte die SPD-Fraktion im Reichstag die Kriegskredite für den Ersten Weltkrieg. Mit den berühmt-berüchtigten Worten ihres Vorsitzenden Hugo Haase, "wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich", stellte sich die SPD in der bisher blutigsten Massenschlächterei der Weltgeschichte hinter Kaiser Wilhelm II und seine Regierung.

Die Zustimmung zu den Kriegskrediten bedeutete einen beispiellosen Verrat an den eigenen Grundsätzen und Prinzipien. "Noch nie, seit es eine Geschichte der Klassenkämpfe, seit es politische Parteien gibt, hat es eine Partei gegeben, die in dieser Weise, nach fünfzigjährigem unaufhörlichem Wachstum, nachdem sie sich eine Machtstellung ersten Ranges erobert, nachdem sie Millionen um sich geschart hatte, sich binnen vierundzwanzig Stunden so gänzlich als politischer Faktor in blauen Dunst aufgelöst hatte wie die deutsche Sozialdemokratie," charakterisierte Rosa Luxemburg das Ereignis. Und sie zog den Schluss: "Am 4. August 1914 hat die deutsche Sozialdemokratie politisch abgedankt, und gleichzeitig ist die sozialistische Internationale zusammengebrochen."

Über vier Jahrzehnte lang hatte die SPD die Arbeiter im Sinne der internationalen Solidarität und der Feindschaft gegen den Imperialismus erzogen. Noch im November 1912 hatte sie eine führend Rolle auf dem Internationalen Sozialisten-Kongress in Basel gespielt, der die europäischen Arbeiter nachdrücklich zum Widerstand gegen den Krieg aufrief.

Im abschließenden, von allen großen sozialistischen Parteien Europas unterzeichneten Manifest hieß es: "Der Kongress... fordert die Arbeiter aller Länder auf, dem kapitalistischen Imperialismus die Kraft der internationalen Solidarität des Proletariats entgegenzustellen." Das Manifest drohte den "herrschenden Klassen aller Staaten" im Kriegsfall mit revolutionären Konsequenzen und warnte sie: "Es wäre Wahnwitz, wenn die Regierungen nicht begreifen würden, dass schon der bloße Gedanke der Ungeheuerlichkeit eines Weltkrieges die Entrüstung und Empörung der Arbeiterklasse hervorrufen muss. Die Proletarier empfinden es als ein Verbrechen, aufeinander zu schießen zum Vorteile des Profits der Kapitalisten, des Ehrgeizes der Dynastien oder zu höherer Ehre diplomatischer Geheimverträge."

Das Bekenntnis zur "Vaterlandsverteidigung" war eine radikale Abkehr von diesen Grundsätzen. Übertragen auf die Internationale bedeutete es, dass die Arbeiter jedes Landes nun verpflichtet waren, zur Verteidigung des eigenen "Vaterlandes" die Arbeiter der gegnerischen "Vaterländer" abzuschlachten. Es bedeutete das Todesurteil für die Sozialistische Internationale.

Das Bekenntnis zur Vaterlandsverteidigung hatte zur Folge, dass die SPD ins Lager des deutschen Imperialismus überwechselte und jede Opposition gegen den Krieg unterdrückte. Mit der Zustimmung zu den Kriegskrediten ging das Bekenntnis zum Burgfrieden einher - zur Einstellung des Klassenkampfs in all seinen Formen, solange "das Vaterland in Gefahr" war. Reichskanzler Bethmann Hollweg konnte nach Haases Rede mit Befriedigung und unter dem jubelnden Beifall der Rechten verkünden, dass nun das ganze deutsche Volk, "einig bis auf den letzten Mann", hinter Armee und Flotte stehe. Die sozialdemokratische Parteiorganisation und Parteipresse stellten sich in den Dienst der Kriegspropaganda und betrieben eine geifernde, chauvinistische Hetze.

Die SPD hatte sich aus einer Gegnerin der herrschenden Ordnung in eine ihrer Stützen verwandelt. Nur vier Jahre später sollte sie die Verantwortung dafür übernehmen, aus den Trümmern des Wilhelminischen Reichs zu retten, was sich retten ließ - die Militärkaste, mit der sie sich gegen die revolutionären Arbeiter verbündete; die marodierenden Freikorps, aus denen später Hitlers SA hervorging; der Obrigkeitsstaat mit seiner Beamten- und Justizbürokratie; der junkerliche Grundbesitz; und das kapitalistische Privateigentum der großen Industriebarone, Banken und Trusts. Alle demokratiefeindlichen Kräfte und Institutionen, über die später so mancher sozialdemokratischer Historiker seufzend schreiben sollte, verdankten der SPD ihr Überleben. Sie deckte sie mit dem Mantel der Weimarer Verfassung zu, unter dem sie unbehelligt fortlebten, bis sie in den dreißiger Jahren zum Nationalsozialismus überliefen.

Die historischen Folgen des Verrats

Die SPD hätte 1914 die Genehmigung der Kriegkredite durch den Reichstag nicht abwenden können, selbst wenn sie geschlossen dagegen gestimmt hätte. Es ist auch fraglich, ob ein Aufruf zum offenen Widerstand den Krieg hätte verhindern oder zumindest verzögern können. Die Kriegsbegeisterung hatte im Sommer 1914 breite Bevölkerungsschichten erfasst, auch wenn "von einem verbreiteten ‚Hurrapatriotismus' unter sozialdemokratischen Arbeitern" nicht viel zu spüren war, wie der Historiker Heinrich August Winkler anmerkt.

Dies war aber nicht die entscheidende Frage. Viel wichtiger als die kurzfristigen waren die langfristigen Auswirkungen des sozialdemokratischen Verrats. Eine mutige Stellungnahme gegen den Krieg hätte die SPD vielleicht vorübergehend isoliert und staatlichen Repressionsmaßnahmen ausgesetzt, aber ihre moralische und politische Autorität wäre ungeheuer gewachsen. Hätte sie den Krieg als das bezeichnet, was er war - ein imperialistischer Raubkrieg, für den Deutschland die Hauptverantwortung trug -, anstatt ihn als Verteidigung des Vaterlands zu beschönigen, sie hätte die politischen Voraussetzungen für eine mächtige sozialistische Bewegung geschaffen, die nicht nur den Krieg selbst, sondern die ganze reaktionäre Gesellschaftsstruktur, aus der er erwachsen war, hinweggefegt hätte.

Die anfängliche Kriegsbegeisterung der Massen konnte nur von kurzer Dauer sein. Der Krieg selbst tat alles, um sie zu zerstören. Das sinnlose Gemetzel an den erstarrten Fronten, die Not und das Elend im Hinterland untergruben den nationalistischen Taumel und die Träume vom schnellen Sieg. Bereits ein Jahr nach Kriegsausbruch schrieb Leo Trotzki, der die Stimmung der europäischen Massen aufmerksam beobachtete: "Wenn die sozialistischen Parteien, auch wenn sie nicht in der Lage waren, den Krieg zu verhindern oder in seiner ersten Phase die Regierenden zur Verantwortung zu ziehen, von Anfang an jegliche Verantwortung für das weltweite Völkergemetzel abgelehnt hätten... - wie groß wäre jetzt die Autorität des internationalen Sozialismus, zu dem die Massen, betrogen vom Militarismus und niedergedrückt von Trauer und wachsender Not, immer stärker ihre Blicke wenden würden wie zu einem wahren Hirten der Völker!... Und jenes Befreiungsprogramm, das jetzt einzelne Sektionen der zerschlagenen Internationale am Ende des Stabstrosses durch den blutigen Schmutz ziehen, würde zur machtvollen Realität bei der internationalen Offensive des sozialistischen Proletariats gegen alle Kräfte der alten Gesellschaft."

Der Verrat der Sozialdemokratie zog nicht nur den Krieg unnötig in die Länge. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass auch das restliche 20. Jahrhundert völlig anders verlaufen wäre, hätte die Sozialdemokratie am 4. August nicht kapituliert. Wäre in Deutschland nach dem Krieg eine gesunde, lebendige Demokratie auf sozialistischer Grundlage entstanden anstatt jenes Zwitterwesen namens Weimarer Republik, in dem die Kräfte der Reaktion unter einem fadenscheinigen demokratischen Deckmantel munter gediehen, hätten Hitlers braune Horden keine Chance gehabt, jemals an die Macht zu gelangen.

Die Folgen des Verrats der SPD blieben nicht auf Deutschland beschränkt. Auch die stalinistische Degeneration der Sowjetunion lässt sich nur in diesem Zusammenhang verstehen.

Die russischen Marxisten, strikte Kriegsgegner und Internationalisten, taten 1917 das, was die deutschen Sozialdemokraten versäumten. Sie begnügten sich nicht damit, den Thron des Zaren hinwegzufegen, sondern beseitigten auch die gesellschaftlichen Strukturen, auf die er sich gestützt hatte. Sie errichteten den ersten Arbeiterstaat der Weltgeschichte. Das war eine Tat von beispielhaftem Mut und Kühnheit, die aber im nationalen Rahmen keinen Bestand haben konnte. Die führenden Bolschewiki rechneten fest mit internationaler Unterstützung. Für sie war die Oktoberrevolution lediglich der erste Schritt auf dem Weg zur sozialistischen Weltrevolution. Die Revolution im Westen und vor allem in Deutschland würde ihnen helfen, die ererbte wirtschaftliche und kulturelle Rückständigkeit zu überwinden.

Aber die Revolution in Deutschland wurde von der SPD abgewürgt. Die Sowjetunion blieb isoliert und auf dem Boden der Isolation und Rückständigkeit wucherte das bürokratische Krebsgeschwür, das Stalin auf seinen Schild heben, die politische Macht an sich reißen und schließlich im Großen Terror der dreißiger Jahre eine ganze revolutionäre Generation liquidieren sollte. Der Stalinismus bemächtigte sich auch der Kommunistischen Internationale und zwang ihren Sektionen einen Kurs auf, der weitere Niederlagen des internationalen Proletariats nach sich zog. Die katastrophalste ereignete sich 1933 in Deutschland, wo die von Stalin inspirierte Politik der KPD die Arbeiterklasse spaltete und lähmte, so dass Hitler kampflos die Macht ergreifen konnte.

Die SPD verweist seither regelmäßig auf die Verbrechen des Stalinismus, um ihre eigene Politik zu rechtfertigen. Sie unterschlägt dabei den ursächlichen Zusammenhang zwischen ihrer eigenen Politik und der Entstehung des Stalinismus. Selbst seine theoretischen Werkzeuge hat sich der Stalinismus bei der SPD entliehen. Die Theorie vom "Aufbau des Sozialismus in einem Land", die Kernthese des Stalinschen Denkens, stammt vom rechten deutschen Sozialdemokraten Georg von Vollmar. Vollmar betrachtete den Nationalstaat als Grundlage für den Aufbau des Sozialismus. Auf ihn konnte sich die Reichtagsfraktion am 4. August berufen, als sie sich für die "Verteidigung des Vaterlands" aussprach.

Die Ursachen des Verrats

Der Begriff "Verrat" ist angebracht, um das Verhalten der SPD am 4. August zu beschreiben. Mit der Zustimmung zu den Kriegskrediten verriet sie alles, wofür sie bisher eingetreten war. Es wäre jedoch falsch, diesen Begriff rein subjektiv zu interpretieren. Die Entartung einer Partei, die auf eine jahrzehntelange Geschichte zurückblickte und Millionen Mitglieder und Wähler zählte, kann nicht allein aus dem Verhalten einzelner Führer erklärt werden, sondern muss tiefe objektive Ursachen haben.

Der Erste Weltkrieg signalisierte das Ende einer ganzen Epoche, in der sich die wirtschaftliche Entwicklung und mit ihr die Entwicklung der Arbeiterbewegung vorwiegend im nationalen Rahmen vollzogen hatte. Leo Trotzki verfasste 1914 eine scharfsinnige Analyse des Zusammenbruchs der Zweiten Internationale, "Der Krieg und die Internationale". Er sah den objektiven Sinn des Krieges "in der Zertrümmerung der gegenwärtigen national-wirtschaftlichen Zentren im Namen der Weltwirtschaft".

"Der Krieg von 1914 verkündet die Zertrümmerung der nationalen Staaten," schrieb er. "Die sozialistischen Parteien der nun abgeschlossenen Epoche waren nationale Parteien. Mit allen Verzweigungen ihrer Organisationen, ihrer Tätigkeit und Psychologie waren sie mit den nationalen Staaten zusammengewachsen, und entgegen den feierlichen Beteuerungen ihrer Kongresse erhoben sie sich zur Verteidigung der konservativen staatlichen Gebilde, als der auf nationalem Boden großgewachsene Imperialismus mit dem Schwerte die überlebten nationalen Schlagbäume umzureißen begann. In ihrem historischen Zusammenbruch ziehen die nationalen Staaten die nationalen sozialistischen Parteien mit."

Das traf in der einen oder anderen Form auf sämtliche Sektionen der Zweiten Internationale zu. In Deutschland trat der Gegensatz zwischen der offiziellen, revolutionären Rhetorik und der Kapitulation vor dem nationalen Interesse der herrschenden Klasse besonders krass hervor, weil die SPD stets im orthodoxen Gewand des Marxismus aufgetreten war.

"Theoretisch marschierte die Bewegung des deutschen Proletariats unter der Fahne des Marxismus," kommentierte Trotzki. "Doch in seiner Abhängigkeit von den Bedingungen der Epoche wurde der Marxismus für das deutsche Proletariat nicht zur algebraischen Formel der Revolution, wie er es in der Epoche seiner Schöpfung war, sondern zur theoretischen Methode der Anpassung an den mit dem preußischen Helm bekrönten nationalkapitalistischen Staat.... Die gesamte Tätigkeit der deutschen Sozialdemokratie war auf die Erweckung der rückständigen Arbeiterschichten mittels eines planmäßigen Kampfes für ihre unmittelbaren Bedürfnisse gerichtet - auf Anhäufung der Kräfte, Erhöhung der Mitgliederzahl, Füllung der Kassen, auf Entwicklung der Presse, Eroberung aller sich bietenden Positionen, ihre Ausnützung, Erweiterung und Vertiefung. Das war die große geschichtliche Arbeit der Erweckung und Erziehung der bisher ‚unhistorischen' Klasse.... Diese ganze vielseitige Tätigkeit von unermesslicher historischer Bedeutung war praktisch durch und durch erfüllt vom Geiste des Possibilismus. In viereinhalb Jahrzehnten hat die Geschichte dem deutschen Proletariat nicht eine einzige Gelegenheit geboten, mit stürmischem Vorstoß ein Hindernis zu stürzen, in revolutionärem Anlauf irgendeine feindliche Position zu erobern."

"Der Marxismus", fährt Trotzki fort "war natürlich nicht etwas Zufälliges oder Bedeutungsloses in der deutschen Arbeiterbewegung. Aber es wäre völlig unbegründet, aus der offiziellen marxistischen Ideologie der Partei auf Ihren sozialrevolutionären Charakter zu schließen. Die Ideologie ist ein wichtiger Faktor der Politik, aber nicht ein bestimmender; ihre Rolle ist eine politisch dienende.... Die Tatsache, dass die in ihren Tendenzen revolutionäre Klasse gezwungen war, jahrzehntelang sich dem monarchischen Polizeistaat anzupassen, der auf der mächtigen kapitalistischen Entwicklung ruhte, wobei in dieser Anpassung sich eine Millionenorganisation bildete, und die die gesamte Bewegung leitende Arbeiterbürokratie erzogen wurde - diese Tatsache hört nicht auf zu existieren und verliert nicht ihre schwerwiegende Bedeutung dadurch, dass der Marxismus den sozialrevolutionären Charakter der künftigen Entwicklung vorweggenommen hat. Nur ein naiver Ideologismus konnte diese Vorausnahme der politischen Wirklichkeit der deutschen Arbeiterbewegung gleichstellen."

Die offenen Revisionisten, die für eine Absage an die soziale Revolution eintraten, befanden sich auf den Kongressen der SPD zwar stets in der Minderheit. Aber die "kritische Widerlegung des Revisionismus als einer Theorie bedeutete durchaus nicht seine taktische und psychologische Überwindung. Der Parlamentarier, Gewerkschaftler und Genossenschaftler fuhren fort zu leben und zu wirken in der Atmosphäre allseitigen Possibilismus, praktischer Spezialisierung und nationaler Beschränktheit."

Diese Elemente gaben den Ton an, als die SPD 1914 mit dem Ausbruch des Weltkriegs konfrontiert wurde. Der Krieg offenbarte gleichzeitig den politischen Bankrott ihrer reformistischen Perspektive. Hatten sie früher den friedlichen Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus mittels Reformen gepredigt, so verteidigten sie nun die Interessen des deutschen Kapitalismus mit Waffengewalt.

Lehren für heute

Die Lehren vom 4. August 1914 sind wichtig zum Verständnis der SPD von heute.

Das Tempo und das Ausmaß, mit dem diese Partei seit der Regierungsübernahme vor sechs Jahren nach rechts geht, hat viele überrascht. Zwar hätte kaum jemand erhofft, dass sie einen sozialistischen Kurs einschlägt, doch zumindest etwas mehr Rücksicht auf sozial Schwache und demokratische Grundsätze waren allgemein erwartet worden. Stattdessen hat sie mit der Agenda 2010 die Axt an soziale Errungenschaften gelegt, die bis in die Bismarck-Ära zurückgehen, das Asylrecht faktisch abgeschafft und durch die Verwandlung der Bundeswehr in eine internationale Eingreiftruppe dem Militarismus Vorschub geleistet.

Zieht man die Lehren aus der Geschichte der SPD, so kann dieser Rechtsruck nicht verwundern. Nach dem Ersten Weltkrieg hatten ihr viele Arbeiter den Rücken zugewandt und sich der KPD angeschlossen. Erst die katastrophale Politik des Stalinismus verlangsamte ihren Niedergang. Der Kalte Krieg und der wirtschaftliche Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg verhalfen ihr schließlich zu einem neuen Aufstieg. Die reformistische Perspektive, die 1914 so kläglich gescheitert war, schien nun eine gewisse Berechtigung zu haben. Der Lebensstandard der Arbeiterklasse stieg, ohne dass der Kapitalismus in Frage gestellt wurde. Die SPD gebärdete sich als Partei des sozialen und demokratischen Fortschritts, während sie sich gleichzeitig programmatisch endgültig vom Klassenkampf und vom Marxismus verabschiedete.

Die Globalisierung der Wirtschaft, der Zusammenbruch der Sowjetunion und das aggressive Auftreten des amerikanischen Imperialismus haben der sozialdemokratischen Reformpolitik den Boden entzogen. Die Welt bewegt sich wieder auf ähnlich heftige Eruptionen zu, wie zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts - und die SPD reagiert entsprechend. Unfähig, die Klassengegensätze länger zu versöhnen, stellt sie sich uneingeschränkt auf die Seite der Reichen und Mächtigen. Die Agenda 2010 ist dabei nur ein Vorgeschmack.

Versuche, dem sozialdemokratischen Reformprogramm der siebziger Jahre neues Leben einzuhauchen, indem man die SPD unter Druck setzt oder eine neue reformistische Partei gründet, sind unter diesen Umständen lachhaft. Sie können nur in eine Sackgasse führen. Um die demokratischen und sozialen Rechte der Bevölkerung zu verteidigen, ist ein Programm nötig, dass sich grundlegend von dem der SPD unterscheidet und von der veränderten Weltlage ausgeht. In seinem Mittelpunkt müssen der internationale Zusammenschluss der Arbeiterklasse und die Reorganisation des Wirtschaftslebens auf sozialistischer Grundlage stehen.

Siehe auch:
140 Jahre SPD
(24. Mai 2003)
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