Jahrestag der Anschläge vom 11. September: Terror hat als Vorwand ausgedient

Am Dienstag, dem elften Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September gab es weniger offizielle Gedenkfeiern, denn die Versuche, die Tragödie als Vorwand für Washingtons endlose Kriege auszunutzen, werden immer erfolgloser.

In New York City, wo beim Einsturz der Twin Towers über 2700 Menschen starben, hielt kein Politiker eine Rede. Die Zeremonie bestand darin, dass Familienmitglieder die lange Liste der Todesopfer ablasen und dem Verlust von Eltern, Kindern, Geschwistern und Ehepartnern gedachten.

In Washington verbreiteten Präsident Barack Obama und Verteidigungsminister Leon Panetta vor dem Pentagon, wo 125 Menschen starben, banale und heuchlerische Reden. Obama betrauerte die Opfer der Anschläge und erklärte: „Durch ihr Opfer haben sie geholfen, uns zu dem Amerika zu machen, das wir heute sind – ein Amerika, das noch stärker geworden ist.“

Inwiefern ist Amerika stärker? An einer anderen Stelle seiner Rede erklärte Obama, in den Geschichtsbüchern werde einst zu lesen sein, der 11. September werde ein Land hinterlassen, das „sicherer“ und „fester vereinigt ist als jemals zuvor.“

Das Amerika, das er meint, kann nur in hohler Rhetorik heraufbeschworen werden, die nichts mit dem echten Land zu tun hat. Dieses steckt in einer tiefen Krise, Dutzende Millionen Menschen finden keine Arbeit und die Kluft zwischen der Finanzoligarchie, die er repräsentiert, und der arbeitenden Bevölkerung, die die große Mehrheit der Bevölkerung ausmacht, war nie breiter.

Was die Geschichtsbücher angeht, so wird es ihre erste Aufgabe sein, die Ereignisse des 11. September selbst zu erklären, die nach mehr als zehn Jahren immer noch ungeklärt sind. Für das schwerste Versagen der Geheimdienste in der Geschichte der USA wurde kein einziges Mitglied der Geheimdienste und der Militärapparate der Bush- und Clinton-Regierung zur Verantwortung gezogen.

Laut der offiziellen Geschichte konnten neunzehn arabischstämmige Al-Qaida-Mitglieder in die USA eindringen, mehrere Monate dort verbringen – einige durchliefen gründliche Ausbildungen als Piloten – ohne dass auch nur einer in Washingtons riesigem Geheimdienstapparat irgendetwas davon merkte, was sie vorhatten. Das ist eine höchst unwahrscheinliche Erklärung und die Tatsache, dass viele dieser Personen unter Beobachtung standen und die Bush-Regierung mehrere Warnungen erhielt, widerspricht dieser Erklärung.

Obamas Behauptung, das „Opfer“, das die Toten des 11. September gebracht hätten, habe Amerika „noch stärker“ gemacht, hatte etwas seltsames an sich. „Opfer“ deutet darauf hin, dass die Toten – oder jemand anderes – bewusst Leben hingegeben haben, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Die Wortwahl des Präsidenten hat vermutlich mehr ausgedrückt als er selbst wollte.

Keiner von den Menschen, die am Morgen des 11. September 2001 im World Trade Center und im Pentagon zur Arbeit erschienen, wusste dass er sterben würde, auch nicht, dass ihr Tod als Rechtfertigung für ein Jahrzehnt von Kriegen benutzt werden sollte, die das Leben von über einer Million Irakern, hunderttausenden Afghanen und 6600 US-Soldaten forderten.

Aber die obersten Führungskräfte der US-Regierung, des Militärs und der Geheimdienste nutzten die Anschläge sofort aus, um militärische Eroberungspläne umzusetzen. Sie nutzten den 11. September aus, um Angriffskriege zu rechtfertigen, mit denen der wirtschaftliche Niedergang des amerikanischen Kapitalismus durch die Errichtung der amerikanischen Hegemonie über die energiereichen Regionen des Persischen Golfes und Zentralasiens ausgeglichen werden sollte.

Die immer wiederkehrende Behauptung, diese Kriege würden geführt, um Al-Qaida zu besiegen, hat nie einer Überprüfung stand gehalten. Die USA sind im Irak einmarschiert, um das Regime von Saddam Hussein zu stürzen – einem Gegner von Al-Qaida –, nachdem sie Lügen über „Massenvernichtungswaffen“ und nichtexistente Beziehungen zu Terroristen verbreiteten. In Afghanistan verdreifachte Obama die amerikanischen Besatzungstruppen, obwohl amerikanische Militär- und Geheimdienstoffiziere bestätigten, dass Al-Qaida kaum im Land präsent war.

Die Berufung auf den 11. September als Rechtfertigung für die Verbrechen der letzten zehn Jahre – und die kommenden Verbrechen – ist zunehmend fadenscheinig geworden. Die amerikanische Bevölkerung hat Kriege erlebt, die auf Lügen basieren, sowie gnadenlose Angriffe auf demokratische Rechte. Trotz der endlosen Versuche, sie mit der angeblich allgegenwärtigen Gefahr des Terrorismus in Angst zu halten, lebt die Mehrheit der Bevölkerung in der viel größeren Angst vor dem wirtschaftlichen und sozialen Terror der amerikanischen Finanz- und Wirtschaftselite.

Heute ist der Vorwand, die weltweiten Aktivitäten des amerikanischen Militarismus sollten Al-Qaida besiegen, besonders absurd. In dem Krieg für Regimewechsel gegen Libyen im letzten Jahr und im momentanen Bürgerkrieg in Syrien hat Washington Kräfte finanzieren, ausbilden und bewaffnen lassen, die Al-Qaida angehören. Die USA arbeiten mit diesen Elementen zusammen, um säkulare arabische Regierungen zu stürzen und den Weg für einen noch blutigeren Krieg gegen den Iran freizumachen. Diese Abenteuer schließen den Kreis für den US-Imperialismus. Die Beziehungen zwischen der CIA und Al-Qaida leben wieder auf, als diese Organisation in den 1980ern geschaffen wurde, um gegen das prosowjetische Regime in Afghanistan zu kämpfen.

Die Aussagen von Verteidigungsminister Panetta vom Dienstag, mit denen er Krieg und Militarismus ungehemmt glorifizierte, sind Ausdruck dieser Wende. Der 11. September dient als Allzweck-Rechtfertigung für Krieg gegen jeden und überall.

Er erklärte, der 11. September habe „zu einer festen Entschlossenheit inspiriert, uns zu wehren und unsere Lebensart zu verteidigen.“ Er versprach, dass die USA ihre Militäroperationen im Jemen, in Somalia und Nordafrika fortsetzen würden und erklärte weiter: „Wir werden unsere Feinde auch weiterhin verfolgen und bekämpfen, wo immer sie hinflüchten, wo immer sie sich verstecken, wo immer sie versuchen Zuflucht zu finden – wir werden nie aufhören, bis wir Amerika sicher gemacht haben.“

Vor fast vier Jahren gewann Obama die Wahl aufgrund der Antikriegsstimmung und des Abscheus der Bevölkerung gegenüber den Verbrechen der Bush-Regierung. Heute erklärt er, die Kriege und Verbrechen seines Vorgängers hätten Amerika stärker gemacht und fester vereinigt und verspricht, selbst noch schrecklichere Kriege zu führen.

Amerika steht vor einer Wahl, in der es keine Möglichkeit hat, seine tief sitzende Ablehnung gegenüber dem Militarismus auszudrücken. Die Gefahr neuer Militärinterventionen und schließlich eines weiteren Weltkrieges erwächst nicht nur aus der reaktionären Politik der Demokraten und Republikaner. Sie ist das unausweichliche Ergebnis der schwersten Krise des Kapitalismus seit der Großen Depression in den 1930ern.

Ein erfolgreicher Kampf gegen diese Bedrohung erfordert die unabhängige politische Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen ihre Ursache, das kapitalistische Profitsystem. Für diese Perspektive kämpfen die Socialist Equality Party und ihre Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftskandidaten Jerry White und Phyllis Scherrer.

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