EU und USA bereiten Kriegseinsatz in Mali vor

Während die Presse die EU für die Verleihung des Friedens-Nobelpreises feierte, leiteten deren Spitzendiplomaten in der vergangenen Woche konkrete Schritte zu einem weiteren imperialistischen Kriegseinsatz in Afrika ein. Chefdiplomatin Catherine Ashton wurde beauftragt, binnen 30 Tagen ein Konzept für eine „Mali-Mission“ vorzulegen.

Nach Aussagen von EU-Diplomaten sieht eine solche Mission die Entsendung von 150 EU-Militärexperten vor, die über einen Zeitraum von vier bis sechs Monaten malische und afrikanische Truppen trainieren sollen. Als Vorbild gilt die EUTM (European Training Mission) für Somalia, die seit Mai 2010 Soldaten der somalischen Armee in Uganda ausbildet. Eine endgültige Entscheidung über die Art des militärischen Engagements der EU soll am 19. November fallen.

Am 12. Oktober hatte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einem internationalen Militäreinsatz in Mali zugestimmt und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon beauftragt, mit der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) und der Afrikanischen Union (AU) bis Ende November Pläne mit Angaben zu Personal, Kosten und Einsätzen für eine Militärintervention vorzulegen.

Die eigentliche Leitung der Intervention liegt aber weder bei der UNO noch bei der EU, sondern bei der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich. Die Pariser Regierung hat die Resolution des UN-Sicherheitsrats ausgearbeitet, die grünes Licht für den Militäreinsatz gab. Sie entwickelt hektische diplomatische Aktivitäten, um afrikanische Regierungen zur Unterstützung des Einsatzes und zur Bereitstellung von Truppen zu gewinnen. Französische Generäle arbeiten auch die militärischen Einsatzpläne aus. Sie drängen zur Eile, damit der Einsatz rechtzeitig vor Beginn der Regenzeit Ende März 2013 beginnen kann.

Frankreich hat dabei die volle Rückendeckung der USA, die Berichten zufolge Drohnen für den Einsatz bereitstellen wollen. Auch die deutsche Regierung hat bereits ihre Beteiligung zugesagt. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte am Montag vor Bundeswehrsoldaten ihre grundsätzliche Bereitschaft, sich an einer „Ausbildungs- und Unterstützungsmission in Mali“ zu beteiligen.

In Paris trafen diese Woche hochrangige Offiziere und Diplomaten Frankreichs und der USA zusammen, um über „Sicherheitsfragen in der Sahel-Zone“ zu beraten. Nach den Gesprächen gab ein Sprecher des französischen Verteidigungsministeriums bekannt, dass Frankreich sich eine aktive Beteiligung der EU an der logistischen und planerischen Gestaltung der Militärintervention nach dem Vorbild der EU-geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias wünsche.

Während Frankreich, die USA und die EU Ziel und Zweck des Militäreinsatzes bestimmen, sollen die Truppen dafür vorwiegend aus afrikanischen Ländern kommen. Laut bisherigen Plänen wird die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) rund 3.000 Soldaten für den Einsatz stellen. Die EU und die USA sind für die Ausbildung, die Finanzierung, die Lieferung von Waffen und die militärische Planung zuständig. Auf diese Weise soll dem Einsatz „ein afrikanisches Gesicht verliehen“ werden, wie EU-Diplomaten es vergangene Woche formulierten. Gleichzeitig werden mögliche Verluste so weitgehend auf afrikanische Soldaten beschränkt.

Offizieller Vorwand für die Kriegsvorbereitungen ist die Machtübernahme durch Islamisten im Norden Malis. „Wenn der Norden Malis völlig zerfällt, wenn dort ein zweites Somalia entsteht, ein rechtsfreier, staatsfreier Raum, werden dort Terroristen ihren sicheren Hafen haben“, sagte der deutsche Außenminister Westerwelle nach einem Treffen mit seinem französischen Amtskollegen Fabius.

Dass islamistische Kräfte den Norden Malis – ein Gebiet von der Größe Frankreichs – in den vergangenen Monaten unter ihre Kontrolle bringen konnten, ist eine Folge des Libyenkriegs. Unter der Herrschaft Gaddafis gehörte Libyen zu den wichtigsten Investoren in dem bettelarmen Land. Gaddafi vermittelte außerdem im Konflikt zwischen der Zentralregierung und den Tuaregs, die im kargen Norden des Landes für Autonomie kämpften, und bot vielen von ihnen Arbeit in Libyen.

Nach seinem gewaltsamen Sturz strömten zahlreiche Tuaregs ins Land zurück, die teilweise schwer bewaffnet waren. Sie wurden von Islamisten begleitet, die die Nato in Libyen im Kampf gegen Gaddafi unterstützt hatte. Der langjährige Präsident Amadou Toumani Touré verlor die Kontrolle und wurde Ende März in einem Militärputsch entmachtet. Anführer des Putsches war der in den USA ausgebildete Hauptmann Amadou Sanogo, der enge Beziehungen zu amerikanischen Geheimdiensten unterhalten soll.

Sozialer Hintergrund des Putsches war die mangelnde Bewaffnung der Regierungssoldaten, die gegen die Tuaregs kämpfen mussten, die seit Jahren herrschende Misswirtschaft und Korruption der heimischen Bourgeoisie sowie der Verkauf von Ackerflächen und Baumwollfirmen an Ausländer, der unter Bauern und der studentischen Jugend auf erheblichen Widerstand stieß.

Im politischen Chaos nach dem Putsch gelang es den aus dem Libyenkrieg zurückkehrenden Tuareg-Rebellen zusammen mit verbündeten Islamisten, weite Teile des Nordens unter ihre Kontrolle zu bringen. Anschließend vertrieben die Islamisten von Ansar Dine, Mujajo und kleineren Gruppen, denen Verbindungen zum nordafrikanischen Ableger der Terrornetzwerks al-Qaida (Aqmi) und finanzielle Unterstützung durch Kuwait nachgesagt werden, die Tuareg-Rebellen aus den meisten großen Städten und übernahmen die alleinige Herrschaft.

Medienberichten zufolge sind nach dem Kriegs-Beschluss des UN-Sicherheitsrats Hunderte Dschihadisten in den Städten Timbuktu und Gao im Norden Malis eingetroffen. Die radikal-islamistischen Krieger stammen teilweise aus dem Sudan und aus dem von Marokko beanspruchten Gebiet Westsahara und wollen den Norden Malis gegen eine geplante Offensive malischer und internationaler Truppen verteidigen. Auch aus Algerien, Ägypten, Pakistan und dem Jemen sollen islamistische Kräfte nach Nordmali unterwegs sein. In der malischen Hauptstadt Bamako fanden erste Demonstrationen gegen eine ausländische Intervention in dem Konflikt statt.

Einige Militärexperten rechnen deshalb damit, dass sich der Einsatz in Mali ähnlich wie in Afghanistan zu einem langen Krieg auswächst. Es sei eine Illusion zu glauben, man könne in Mali unbewaffnet Soldaten ausbilden, sagte der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat der Leipziger Volkszeitung. „Das Risiko, dass daraus ein bewaffneter Konflikt wird, ist sehr groß.“

Während das Leid der Zivilbevölkerung – dreihunderttausend Menschen befinden sich auf der Flucht, viereinhalb Millionen Menschen sind wegen einer schweren Dürre von Hunger bedroht, mehr als eine halbe Million Kinder sind unterernährt – ins Unermessliche wächst, entwickelt sich in Mali vor den Augen der Weltöffentlichkeit ein weiterer gefährlicher internationaler Brandherd, dessen Bedeutung weit über die Region hinausgeht.

Die Haltung von UN und EU wird von einer Gemengelage an verschiedensten Interessen bestimmt. Allen westlichen Staaten gemeinsam ist die Angst, dass die Machtübernahme durch Radikal-Islamisten zu einem Signal für Aufstände in anderen Regionen werden könnte. Aus diesem Grund werden die imperialistischen Mächte alles daran setzen, ein westlich orientiertes Marionettenregime zu installieren.

Das ehemalige Kolonialland Frankreich will darüber hinaus vor allem seinen Einfluss in Westafrika nach seiner Militärintervention an der Elfenbeinküste weiter ausbauen. Die USA, die vermutlich hinter dem gescheiterten Putsch standen, sind geostrategisch an einem Stützpunkt im westlichen Herzen Afrikas genauso interessiert wie an einer Zurückdrängung des chinesischen Einflusses in der Region. Deutschland will seinen wieder gewonnenen Großmachtstatus unter Beweis stellen und Frankreich und den USA auf keinen Fall das Feld überlassen.

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