Perspektive

Washingtons „Menschenrechts“-Betrug

“Ich bin fest überzeugt, dass wir uns auf der richtigen Seite der Geschichte befinden, denn wir richten uns nach den Erwartungen, die die Menschen an Freiheit, Demokratie und weltumspannende Menschenrechte stellen“, erklärte US-Außenministerin Hillary Clinton kürzlich in einem Interview der Zeitschrift Economist. Sie beschrieb Washingtons Rolle in der Welt mit den Worten, dass „wir aufrecht für diese universellen Werte stehen, die mit amerikanischen Werten übereinstimmen.“

Die Vorstellung, die Rolle der USA in der Welt bestehe darin, die Freiheit zu fördern und „amerikanische Werte“ zu exportieren, die in Wahrheit „universelle“ Werte darstellen, ist nicht neu. Sie geht zurück auf den Beginn des amerikanischen Imperialismus und den spanisch-amerikanischen Krieg am Ende des 19. Jahrhunderts. Damals wie heute hat sie als ideologischer Deckmantel zur Führung von Eroberungskriegen, Militärputschen und genereller Unterdrückung im Interesse des US-Finanzkapitals gedient.

Der russische Revolutionär Leo Trotzki beobachtete 1924 scharf: „Die USA sind immer damit beschäftigt, irgendjemanden zu befreien. Das ist ihr Beruf.“

Vergangene Woche hat sich die Obama-Regierung auf “Menschenrechte” als Vorwand zum Schüren eines Bürgerkrieges in Syrien berufen. Das zielt auf einen Regimewechsel ab, der als Grundlage für Kriegsvorbereitungen gegen Iran und für die Verschärfung der militärischen Spannungen mit Nordkorea und China dienen soll.

Dass die USA sich als Verfechter von Menschenrechten gebärden, ist nichts als Betrug. Ihre vorgebliche Entrüstung angesichts der Verletzungen von Freiheit und Demokratie in diesem oder jenem Land sind nichts als Heuchelei.

Werfen wir einen Blick auf Syrien. Washington versucht, Assad zu stürzen, in Damaskus ein den USA ergebenes anti-iranisches Regime zu etablieren und arbeitet dabei eng mit der Türkei zusammen. Nach einem Bericht in der New York Times vom Montag koordinieren beide Regierungen die Bereitstellung von „nicht tödlicher“ Hilfe für bewaffnete „Rebellen“-Gruppen, die eine Reihe terroristischer Angriffe in dem Land unternommen haben.

Während sie sich selbst als Verteidigerin von Menschenrechten in Syrien aufspielt, ist die Türkei in einen blutigen Feldzug zur Unterdrückung türkischer Kurden verwickelt, einer Minderheit, die mehr als zwanzig Prozent der Bevölkerung ausmacht. Türkische Kämpfflugzeuge haben wiederholt vermutete Lager der kurdischen Separatistengruppe PKK bombardiert und dabei regelmäßig Zivilisten getötet.

Vergangene Woche wurden Massendemonstrationen zur Feier des kurdischen Neujahrsfestes brutal von der Polizei niedergeschlagen. Dabei wurden Wasserwerfer, Tränengas und Schlagstöcke eingesetzt. Vierzigtausend Menschen haben in diesem Konflikt seit 1984 ihr Leben gelassen, aber Washington hat bisher keine besondere Anteilnahme am Schicksal der Kurden gezeigt.

Der andere Hauptverbündete der USA bei ihrem Kreuzzug für Menschenrechte in Syrien ist Saudi-Arabien, das Organisationen wie der Freien Syrischen Armee und dem Syrischen Nationalrat zusammen mit Katar Geld und Waffen zur Verfügung stellt.

Während sie die Unterdrückung in Syrien verteufelt, beteiligt sich die absolutistische Monarchie Saudi-Arabiens, ein äußerst wichtiger Verbündeter der USA und der weltweit größte Produzent von Erdöl, an einem gnadenlosen Feldzug, um Unruhen in seiner hauptsächlich schiitischen östlichen Region niederzuschlagen. Der saudische Mufti, Kopf des mächtigen religiösen Establishments, hat vor kurzem eine Fatwa (muslimisches Rechtsgutachten) erlassen, das das Köpfen von jedem vorsieht, der sich gegen das Regime auflehnt. Zuvor hatte er vorgeschlagen, schiitische Rebellen kreuzigen zu lassen.

Im benachbarten Bahrain, dem Heimathafen der Fünften Flotte der USA, unterstützt das saudische Regime mit Rückendeckung durch Washington noch immer die gewaltsame Unterdrückung einer Massenbewegung, die die diktatorische sunnitische Monarchie infrage stellt, die die schiitische Mehrheit des Landes scharf bevormundet und diskriminiert. Man muss nicht erwähnen, dass „amerikanische Werte“ hier nicht zur Anwendung kommen.

Während die ägyptische Junta ihre brutalen Angriffe auf Regimegegner fortsetzt, berufen sich die USA auf nationale Sicherheitsinteressen, um Kongressvorschriften über Militärhilfe zu umgehen. Diese verlangen, dass Ägypten in Richtung Fortschritt und Demokratie vorankommt.

Verstanden wird darunter die Freigabe von 1,3 Milliarden US-Dollar an US-Hilfen für den repressiven Apparat des Landes. Regierungsbeamte geben offen zu, dass die Profite von Konzernen wie General Dynamics und Lockheed Martin, in deren Kassen die Hilfe letztendlich fließt, „universelle Werte“ locker übertrumpfen.

Wäre diese Verpflichtung zur Beachtung der Menschenrechte in der Tat universell, dann müsste man doch erwarten, dass sie zumindest in der Nachbarschaft des eigenen Landes einen machtvollen Ausdruck finden würde. Doch der Fall Honduras liefert einen vielsagenden Hinweis darauf, wie sehr Washington grundlegende Rechte selbst in der Region verachtet, die sie seit langem als „ihren Hinterhof“ betrachtet.

Nachdem sie dem Militärputsch, der 2009 die gewählte Regierung von Präsident Manuel Zelaya stürzte, stillschweigend unterstützte, stellt sich die Obama-Regierung gegenüber den andauernden Morden, der Folter, illegalen Verhaftungen und gewaltsamen Übergriffe gegen arme Bauern, Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und Arbeitern gegenüber taub.

Zu Beginn dieses Monats wurde Vizepräsident Joe Biden nach Tegucigalpa geschickt, um der Regierung von Präsident Porfirio Lobos, der durch eine illegitime Wahl unter Aufsicht des Putschregimes an die Macht gekommen ist, die weitere Unterstützung durch die USA zuzusichern. Washington hat seine Ausgaben für Militärverträge mit Honduras und seine Militärhilfe für das Land drastisch aufgestockt. In Honduras befindet sich der größte Stützpunkt in der Region.

Genauso wenig gelten die angeblich universellen amerikanischen Werte, die zur Rechtfertigung von Kriegen und für die Destabilisierung im Ausland angewandt werden, im Inland. Die Obama-Regierung nimmt für sich das Recht in Anspruch, US-Bürger ohne Gerichtsverhandlung auf unbestimmte Zeit in Militärlager zu sperren und sie sogar umzubringen, sofern der Präsident sie für „terrorverdächtig“ hält.

Die Überwachung von Bürgern ist erheblich intensiviert worden und das ungesetzliche Gefangenenlager von Guantanamo Bay ist immer noch offen. Wie die Occupy-Wall-Street-Demonstrationen gezeigt haben, wird öffentlichem Widerstand gegen die Herrschaft der Finanzoligarchie mit Polizeigewalt begegnet.

Der ewigen Angriffe zum Thema “Menschenrechte” aus Washington überdrüssig, hat China seine eigene alljährliche Menschenrechtskritik an den Vereinigten Staaten veröffentlicht und nicht nur auf seine 2,3 Millionen Gefängnisinsassen hingewiesen, sondern auch auf tägliche Polizeimorde und Brutalität und die Verweigerung elementarer sozialer und wirtschaftlicher Rechte wie Arbeit, Unterkunft und Gesundheitsversorgung für Millionen amerikanischer Bürger.

“Die Vereinigten Staaten ignorieren ihr eigenes ernstes Menschenrechtsproblem, vertreten aber die sogenannte „Menschenrechtsdiplomatie“, um Menschenrechte als politisches Instrument zur Diffamierung anderer Nationen und zur Durchsetzung ihrer eigenen strategischen Interessen einzusetzen“, heißt es im jüngsten Bericht aus Beijing.

“Diese Fakten entlarven die Heuchelei durch die Anwendung von zweierlei Maßstäben bei Menschenrechten. Es ist eine bösartige Vorgehensweise, die eigene Vorherrschaft unter dem Vorwand von Menschenrechten zu betreiben.“

Die krasse Ausbeutung von “Menschenrechten”, um die Interessen des US-Imperialismus zu verhüllen, erinnert stark an Adolf Hitlers Behauptungen in den dreißiger Jahren, als er sagte, er handle, um die Ausplünderung deutscher Volksgruppen zu stoppen, oder an Mussolini, der behauptete, in Äthiopien einen Krieg gegen ein „Regime von Wilden“ zu führen.

Heute wie damals zielt die heuchlerische und selektive Berufung auf Menschenrechte nicht auf die Aufrechterhaltung wahrer Rechte und die Wahrung der Interessen der arbeitenden Bevölkerung in Syrien, Iran und anderswo auf diesem Planeten ab, sondern dient der Vorbereitung neuer Kriege, die das Leben und das Wohlergehen von Millionen von Menschen bedrohen.

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