Seit Wochen kämpfen italienische Lastwagenfahrer gegen hohe Benzinpreise und den Sparkurs der Regierung. Das führt jetzt zum Produktionsstopp in mehreren Fiat-Werken. Die Lastwagenfahrer protestieren schon seit Ende Januar, als die Sparmaßnahmen der Mario-Monti-Regierung zu massiven Benzinpreiserhöhungen führten. Italien hat mittlerweile die höchsten Benzinpreise von ganz Europa.
Der jüngste Streik began vor drei Wochen.
Am 16. März gab das Fiat-Management bekannt, infolge eines Streiks von LKW-Fahrern müssten mehrere Werke geschlossen werden. „Gestern führte der Streik zur Schließung des Werks Melfi, und heute hat er die Schließung zweier weiterer Werke bewirkt“, heißt es in einer Presseerklärung von Fiat. „Gleichzeitig sind zwei Werke wegen technischer Umrüstung geschlossen, was bedeutet, dass zurzeit fünf unserer Betriebsstätten geschlossen sind.“
Vier der betroffenen Werke, darunter auch Melfi, befinden sich in Süditalien, das fünfte in Turin. Im Fiat-Werk in Pomigliano d’Arco bei Neapel werden Heckklappen für die neue Panda-Version gebaut, die sich zurzeit am besten verkauft. In diesem Werk setzte das Management mit tatkräftiger Unterstützung der Gewerkschaften erst vor kurzem massive Konzessionen durch. Für das Zugeständnis größerer „Flexibilität“ hatte Fiat einen Teil seiner Produktion aus Polen zurück nach Italien geholt.
Fiat behauptet, der Streik habe schon zum Verlust von etwa 20.000 Einheiten geführt, und warnte, es werde “sehr schwierig sein, die Verluste dieses Jahr noch aufzuholen”. Der Autoriese erklärte, die durch den Brummistreik verursachten Schäden würden seinen Marktanteil in Italien und im Ausland um 0,6 Prozentpunkte reduzieren. Fiat und Chrysler hatten im Februar einen Marktanteil von 7,2 Prozent, das ist weniger als einen Monat zuvor (7,8 Prozent im Januar), aber mehr als ein Jahr zuvor (6,9 Prozent im Februar 2011).
Der Konzern will mit seinen Drohungen die Monti-Regierung unter Druck setzen, damit sie gegen die Lastwagenfahrer vorgehe. „Der bisher schon leidgeprüfte italienische Automobilsektor wird erneut gestraft“, heißt es in dem Schreiben von Fiat. „Es ist sehr wichtig, dass die Situation rasch gelöst wird.“
Die Autogewerkschaften beteiligen sich bedenkenlos an der Kampagne gegen die Brummifahrer. Associated Press zitiert den Kommentar von Giuseppe Terracciano, Chef von Fim-Cisl (Metallarbeiter im christlichen Gewerkschaftsverband) in Neapel: „Der Markt ist heute schon dramatisch, und wenn wir keine Wagen bauen, werden die Arbeiter die Konsequenzen spüren und nicht bezahlt werden.“
Bei den Protesten Ende Januar hatten LKW-Fahrer ihre Maschinen auf der Autobahn geparkt und in ganz Italien mindestens sechzig größere Blockaden verursacht. Sie reagierten damit auf die Preissteigerungen bei Benzin um 8,2 Cent pro Liter und bei Diesel um 11,2 Cent pro Liter.
Ende Februar, als der jüngste LKW-Fahrer-Streik begann, betrug die Preissteigerung bei bleifreiem Benzin knapp fünf Prozent im Monat.
Der italienische Pressedienst ANSA berichtete am 13. März, Benzinpreise stünden auf einem Allzeithoch: „Autofahrer müssen an der Tankstelle bis zu 1,96 Euro pro Liter bezahlen.“ Der Bauernverband Coldiretti betonte, dass ein voller Benzintank in Italien im Durchschnitt schon mehr als 91 Euro koste, neunzehn Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Auch der Dieselpreis beträgt mittlerweile fast zwei Euro pro Liter.
ANSA schrieb: “Konsumenten zahlen jetzt für einen Liter Benzin mehr als für ein Kilo Orangen, ein Kilo Pasta oder einen Liter Frischmilch. (…) Die italienische Wirtschaft reagiert auf Benzinpreiserhöhungen besonders empfindlich, da 88 Prozent des kommerziellen Transports über die Straße erfolgen.“
Der Verband der Tankstellenpächter wies kürzlich darauf hin, dass Italien in der Frage der Benzinpreise noch vor einem Jahr an zehnter Stelle der EU-Länder war. Seinen Schienenverkehr hat Italien gemessen am europäischen Standard stark vernachlässigt.
Zur Zeit der Januarstreiks schrieb die World Socialist Web Site: „Trasporto Unito, die Gewerkschaft der LKW-Fahrer, war vom Ausmaß der spontanen Streiks überwältigt, die sich rasch auf ganz Italien ausbreiteten. Ihr Generalsekretär Maurizio Longi sagte: „Die massive Teilnahme am nationalen Ausstand, die unsre Erwartungen übersteigt, zeigt wie tief die aktuelle Krise ist. Die Unzufriedenheit in den Betrieben ist real und spürbar; die Familien der Lastwagenfahrer kämpfen ums Überleben.“
Das Fiat-Management versucht, die Krise und besonders den LKW-Streik zu nutzen, um von der Regierung und den Autogewerkschaften noch größere Zugeständnisse zu erpressen. Fiat-Vorstandschef Sergio Marchionne droht immer wieder, die Fiat-Werke in Italien zu schließen, wenn der Konzern „global nicht wettbewerbsfähig“ sei, d.h. wenn die Löhne und Zulagen der Arbeiter nicht radikal gekürzt würden. BBC berichtete: „Er [Marchionne] spricht jedoch auch über die Möglichkeit, die ganze Produktion in die USA und nach Kanada zu verlagern, wo Fiats Bündnispartner Chrysler in seinen Fabriken viel freie Kapazitäten hat.“
ANSA schrieb: „In Italien geht besonders in Gewerkschaftskreisen die Sorge um, dass Fiat seinen zwanzig Milliarden Euro schweren Investitionsplan für das Land überdenken und das Werk Pomigliano bei Neapel und sogar das historische Mirafiori in Turin schließen könnte.“
Bisher hat Marchionne davon gesprochen, dass Fiat seine italienischen Werke dazu nutzen könnte, die wachsende Nachfrage nach Chrysler-Produkten in den USA zu befriedigen. Solche Exporte wären jedoch nach Marchionne nur machbar, wenn die italienischen Produktionskosten gesenkt würden. Das verlangt sicherzustellen, dass die Werke „voll ausgelastet und flexibel genutzt“ würden. Andernfalls, so drohte er: „werden wir uns aus zweien unserer fünf operierenden Standorte zurückziehen müssen“.
Am Freitag traf sich Marchionne an der Seite des Fiat-Vorsitzenden John Elkann mit Premierminister Monti. Er wiederholte öffentlich, er werde weiter in die italienische Autoproduktion investieren, jedoch nur unter der Bedingung, dass die Arbeitsflexibilität größer werde. Bei diesem Treffen war der Lastwagenstreik ohne Zweifel ebenfalls ein Thema, wie auch die Frage, wie er beendet werden könne.