Die griechische Koalitionsregierung unter Führung von Nea Dimokratia trifft sich heute mit Vertretern der Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und internationalem Währungsfonds (IWF).
Die leitende Direktorin des IWF, Christine Lagarde, nutzte den Anlass für eine strenge Ermahnung an Athen, das Sparprogramm fortzusetzen. Am Dienstag erklärte sie in einem Interview mit CNBC: „Ich bin überhaupt nicht in der Stimmung für Verhandlungen.“
Die griechische Regierung will Zahlen vorlegen, die das soziale Elend belegen, das der jahrelange Sparkurs verursacht hat, um damit für die Neuverhandlung der Schulden des Landes zu werben. Mit Blick darauf fügte sie hinzu: „Ich bin sehr gespannt darauf, zu sehen, was in den letzten paar Monaten getan wurde, um das Programm einzuhalten.“
Obwohl die Mehrheit bei der Wahl am 17. Juni gegen die Parteien gestimmt hat, die das Memorandum mit der Troika über drastische Rückzahlungsbedingungen für die Staatsschulden unterschrieben haben, beabsichtigt die Koalition aus ND, der sozialdemokratischen PASOK und der Demokratischen Linken, der Forderung nach weiteren drastischen Kürzungen nachzukommen. Ihr Gerede von einem Aufschub von zwei Jahren für die Rückzahlung der 350 Milliarden Euro Schulden ist heiße Luft. Lagarde hat klargestellt, dass solche Kompromisse nicht zur Debatte stehen.
Da die Bevölkerung den Sparkurs von ND ablehnt, die Stimmen für PASOK drastisch zurückgegangen und SYRIZA (die Koalition der radikalen Linken) mit einem Wahlkampf gegen die Kürzungen zur zweitstärksten Kraft wurde, sah sich die Koalition zu dem Versprechen gezwungen, bestimmte geplante Kürzungen, wie die Senkung des Mindestlohns um 22 Prozent, nicht umzusetzen.
Innerhalb von wenigen Tagen waren sie durch die aggressive Reaktion der Troika gezwungen, dieses Versprechen zurückzunehmen. Premierminister und ND-Chef Antonis Samaras antwortete mit einem Brief an die EU-Führung, in dem er bekräftigte, seine Regierung akzeptiere „das Anpassungsprogramm und ist seinen Zielen, Absichten und seiner Politik vollkommen verpflichtet.“
Lagardes Kommentare sind eine gute Ergänzung zu denen, die sie wenige Wochen vor der Wahl machte. Damals betonte sie, dass es keine Alternative zu der massiven sozialen Verelendung gäbe, die in Griechenland umgesetzt wird. Als sie vom Guardian gefragt wurde, ob sie damit den Griechen nicht im Grunde sage: „Ihr habt es hier schön gehabt, aber jetzt ist Zahltag“, antwortete sie: „Das stimmt.“
Vor dem Besuch der führenden Vertreter der Troika haben ihre technischen Teams mit Vertretern der Ministerien zusammengearbeitet, um den genauen Zustand von Griechenlands Finanzen zu erarbeiten. Laut der rechten Tageszeitung Kathemerini werden sie „jeden Fortschritt bei der Umsetzung der vereinbarten Reformen notieren, dann eine Prüfung machen, die von den Gläubigern bei der Rückkehr nach Athen als Grundlage für Verhandlungen dienen wird...“
Die Troika geht vor wie ein Insolvenzverwalter. Sie treibt im Auftrag der weltweiten Banken Schulden ein, indem sie Besitz verkauft und Kürzungen fordert. Und die griechische Arbeiterklasse muss dafür zahlen.
Seit Beginn der weltweiten Krise im Jahr 2007 befindet sich die griechische Wirtschaft in der Rezession und die Forderungen der Troika haben diese noch verschlimmert. Nach fünf Jahren Rückgang wird die Wirtschaft dieses Jahr um fast sieben Prozent schrumpfen. Regierungssprecher Simos Kedikoglou sagte am Dienstag: „Wir werden [den Vertretern der Troika] verblüffende Informationen vorlegen. Die Rezession und die Arbeitslosigkeit sind alarmierend, und sie werden zeigen, dass die derzeitige Politik zu keinem Ergebnis führt.“
Aber obwohl die Regierung vor dem Ergebnis dieser Politik warnt, stellt sie klar, dass sie weitere Maßnahmen umsetzen wird, unter anderem die Zusammenlegung von etwa 60 staatlich unterstützten Organisationen, von denen viele für wichtige soziale und kulturelle Dienstleistungen verantwortlich sind. Um die räuberischen Forderungen der Banken und der europäischen Konzerne umzusetzen, plant sie einen Notverkauf von ganzen Branchen der griechischen Wirtschaft an Privatunternehmen. Die Financial Times berichtete von Plänen „zur Beschleunigung der Privatisierung und anderer Strukturmaßnahmen, mit denen die internationalen Geldgeber überzeugt werden sollen, dass es der Regierung mit ihren schnellen Wirtschaftsreformen ernst ist.“
Die FT berief sich auf einen Beamten des Finanzministeriums, der erklärte: „Wir wollen besonderen Wert auf Verkäufe legen, um die Botschaft auszusenden, dass sich Griechenland ändert. Das bedeutet möglicherweise den Verkauf eines Filetstücks wie [des Elektrounternehmens] PPC.“
Sechs geplante Privatisierungen, die wegen der Wahlen im Mai und Juni nicht durchgeführt werden konnten, werden wieder aufgenommen, und außerdem die Privatisierung des staatlichen Schienennetzes und der Agricultural Bank of Greece, erklärte der Vertreter.
Diese Woche erschienen Zahlen, die das fast unvorstellbare Ausmaß der sozialen Konterrevolution zeigen, die gegen die griechische Bevölkerung geführt wird. Millionen leben bereits in Verzweiflung und Armut und eine Million mehr wird bald ihre mickrige Arbeitslosenunterstützung von 360 Euro pro Monat verlieren. Das Institut für Arbeit, das mit dem wichtigsten Gewerkschaftsverband zusammenarbeitet, veröffentlichte Statistiken, die zeigen, dass im nächsten Monat nur 165.000 von den mehr als eine Million arbeitslosen Griechen noch Arbeitslosenunterstützung erhalten werden, da auf Anordnung der Troika die Bezugsdauer von zwei Jahren auf ein Jahr verkürzt wurde.
Giorgios Romanias, ein Berater des Instituts, machte die Vorhersage, dass die Arbeitslosenquote bis Ende des Jahres bei fast 30 Prozent liegen werde. Das Institut hatte zuvor eine Steigerung auf 1,48 Millionen vorhergesagt. Laut Zahlen der offiziellen Agentur ASE waren im Juni 1,8 Millionen Griechen arbeitslos gemeldet – in einem Land mit 11,3 Millionen Einwohnern. Laut Statistiken, die der wissenschaftliche Leiter des Instituts, Professor Savas Robolis, zur Verfügung gestellt hat, ist das Nettoeinkommen der griechischen Arbeitnehmer seit 2009 um 50 Prozent gesunken.
Die Arbeitskosten für Arbeitgeber sind drastisch gesunken. Robolis erklärte, die durchschnittlichen Arbeitskosten seien in den letzten zwei Jahren um acht Prozent gesenkt worden. Gemäß den Bedingungen des Memorandums werden sie bis 2014 nochmals um fünfzehn Prozent gesenkt werden. Lagardes Beharren darauf, dass es keinen Verhandlungsspielraum bei dem Memorandum gebe, lässt die Luft aus den Behauptungen der wichtigsten griechischen Parteien heraus – auch von SYRIZA – dass es möglich sei, mit der Troika zu verhandeln. SYRIZAs wesentlicher Streitpunkt gegenüber ND und PASOK war das Argument, dass angesichts der zunehmenden Krise in der Eurozone und den Rettungspaketen für die spanischen und italienischen Banken eine aggressivere Haltung im Namen der Bourgeoisie bei den Verhandlungen möglich sei, ohne Griechenlands Stellung in der EU und dem Euro zu riskieren.
SYRIZA-Chef Alexis Tsipras wurde diese Woche bei einer Konferenz in Athen, die vom britischen Magazin Economist gesponsert wurde, als „Ehrengast und wichtiger Redner“ vorgestellt. Vor einem Publikum, von dem jeder mehr als 1200 Euro Eintritt gezahlt hatte (deutlich mehr als ein griechischer Arbeiter im Durchschnitt im Monat verdient) forderte Tsipras wieder die Neuverhandlung der Schulden – die ND-Koalition kritisierte er nur dafür, dass sie „vor Europa eingeknickt ist, bevor sie überhaupt angefangen hat zu verhandeln.“
Die griechische Finanzelite hätte sich gefreut, wenn sie von Tsipras selbst gehört hätte, dass SYRIZA die Politik verfolgt, ihnen Milliarden Euro aus dem Europäischen Finanzstabilitätsfonds durch eine direkte Rekapitalisierung zur Verfügung zu stellen.
Obwohl die Konferenz unter dem Titel „16. Runder Tisch mit der griechischen Regierung“ lief, sprach Tsipras. Dies ist ein weiter Beweis dafür, dass SYRIZAs Selbstdarstellung als entschiedener Verteidiger des griechischen Kapitalismus und politische Kraft zur Ruhigstellung des sozialen Widerstandes der Massen beim Zielpublikum angekommen ist.
Am Mittwoch stellte SYRIZA sein Schattenkabinett vor und erklärte, es werde „handfeste, kämpferische und verantwortungsbewusste Opposition machen, mit strenger Kontrolle und auch eigenen Vorschlägen.“ Sie richtete ein Komitee ein, das sich „ausschließlich mit Fragen der Umsetzung des Memorandums befassen soll, das Griechenland und seine Gläubiger für Strukturreformen unterzeichnet haben“, meldete Kathemerini.