Am Dienstag war der vierte Streiktag der Vorfeldlotsen am Frankfurter Flughafen. Der Streik zeigt Auswirkungen und beeinträchtigt den Betrieb des größten deutschen Flughafens erheblich. Allein am Freitag fielen 301 Flüge aus. Doch die Fraport-Geschäftsführung mauert. Sie ist entschlossen die Streikenden in die Knie zu zwingen und ein Exempel zu statuieren.
Die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF), die die 200 streikenden Vorfeldlotsen vertritt, kündigte an, den Arbeitskampf bis zum Ende der Woche auszudehnen. Daraufhin ließ die Unternehmensleitung mitteilen, sie sei auf einen „langen Streik“ vorbereitet.
Das Handelsblatt lobte am Dienstag Fraport-Chef Stefan Schulte als Hardliner, der als CDU-Mitglied enge Verbindung zur konservativen hessischen Landesregierung habe und gleichzeitig eng mit Verdi zusammenarbeite. Seine Devise laute „hart bleiben“, schreibt das Wirtschaftsblatt und konkretisiert: „Kein Kompromissangebot, kein Entgegenkommen, nicht mal ein Hauch von Verständnis.“
Das provokative Verhalten der Fraport AG ist nicht nur mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi abgesprochen, sonder von ihr vorgeschlagen und ausgearbeitet worden. Verdi ist die größte Gewerkschaft unter den knapp 20.000 Beschäftigten des Flughafenbetreibers und erhebt einen Alleinvertretungsanspruch.
Vor drei Jahren unterschrieb Verdi einen so genannten „Zukunftsvertrag“ mit Fraport, der den Beschäftigten Sparmaßnahmen von 24 Millionen Euro aufzwang. Verdi will unter allen Bedingungen verhindern, dass die Vorfeldlotsen und ihre relativ kleine Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) höhere Löhne und verbesserte Arbeitsbedingungen durchsetzen. Denn dann kann Verdi sein Niedriglohndiktat kaum aufrecht erhalten.
Einer der Haupt-Scharfmacher im Fraport-Vorstand ist Arbeitsdirektor Herbert Mai. Er war jahrzehntelang Gewerkschaftsfunktionär der ÖTV (Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr – eine Vorläuferorganisation von Verdi) und von 1995 bis 2000 ihr Vorsitzender. Nachdem er bei einer Abstimmung auf dem Gewerkschaftstag unterlegen war, wechselte er ins Unternehmerlager und wurde Vorstandsmitglied der Fraport AG. Dort bezieht er ein Jahresgehalt von über einer Million Euro. Im Geschäftsbericht 2010 gibt das Unternehmen die Vergütung von Mai mit 970.600 Euro an. Dazu kommen noch Vorzugaktien im Wert von 57.285 Euro.
Im Magazin Focus attackiert Mai die Streikenden mit den Worten: „Was die GdF fordert, ist eine völlig inakzeptable Erhöhung der Gehälter. Darauf können wir nicht eingehen, weil es gegenüber den andern 20.000 Beschäftigten nicht vertretbar ist.“
Genau so argumentiert Verdi-Sekretär Gerold Schaub. Er wirft der GdF vor, sie gefährde nachhaltig den Betriebsfrieden. Eine kleine Minderheit von 200 Leuten versuche sich „auf Kosten anderer zu bereichern“. Schaub verlangt vom Fraport-Vorstand, „sein bereits überhöhtes Angebot“ an die GdF zurückzunehmen. Genau das hatten auch Verdi-Betriebsräte in einen Flugblatt gefordert. Auch Verdi-Sekretär Schaub bekommt neben seinem üppigen Gewerkschaftsgehalt viel Geld von Fraport. Als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender erhielt er 2010 (laut Geschäftsbericht) 31.450 Euro.
Nicht anders die Betriebsratsvorsitzende Claudia Amier. Auch sie greift im Gespräch mit der Financial Times Deutschland wortgleich mit dem Arbeitgeber Fraport und Arbeitsdirektor Herbert Mai die Streikenden an. „Eine kleine Gruppe von Beschäftigten nutzt ihre Monopolstellung aus, um Entgelte zu erzielen, die weit über jedes Maß hinausgehen und völlig unverhältnismäßig sind“, erklärte sie.
Man kann das Vorgehen von Verdi und ihrer Betriebsräte am Flughafen nur als offenen Streikbruch bezeichnen. Der Konzernbetriebsratsvorsitzende Edgar Stejskal hetzte im Fernsehen gegen die Streikenden: sie verhielten sich unsolidarisch mit den übrigen Fraport-Beschäftigten und stellten vollständig unrealistische und überhöhte Lohnforderungen, die auf Kosten der großen Mehrheit der Beschäftigten gingen, so der Betriebsrat, der als Aufsichtsratsmitglied auch 28.750 Euro einsteckt.
In Wirklichkeit sind die Forderungen der Streikenden in vollem Umfang berechtigt. Die Beschäftigten der Bodenverkehrskontrolle üben eine höchst verantwortungsvolle, schwierige und nervenaufreibende Tätigkeit aus. Die Anforderungen an die Vorfeldlotsen, die den rollenden Flugmaschinenverkehr kontrollieren, sind in Frankfurt besonders komplex und anspruchsvoll. Sie sind hier, – anders als an vielen andern Flughäfen –, nicht der Deutschen Flugsicherung DFS, sondern der Fraport AG selbst unterstellt.
Fraport hat die Vorfeldlotsen gezielt zum Streik provoziert, um ihnen eine Niederlage beizubringen und so die Kontrolle durch Verdi zu festigen. Dies zeigt ein Blick auf den Hintergrund und die Vorgeschichte des Streiks.
Die Lotsen und Kontrolleure am Flughafen Frankfurt verlangen seit längerem, mit ihren Kollegen in München oder Berlin finanziell gleichgestellt zu werden. Außerdem umfasst ihr angestrebtes Tarifabkommen eine Laufzeit von vier Jahren.
Ihre aktuellen Forderungen sind das Ergebnis einer Schlichtung, wobei der Schlichter, der ehemalige Hamburger CDU-Bürgermeister Ole von Beust, von der Fraport AG selbst ausgewählt wurde. Der Schlichter hat die Forderungen in seinem Schlichterspruch als berechtigt anerkannt. Der jetzige Streik hat das Ziel, diesen Spruch durchzusetzen. Es war die Fraport AG, welche den Schlichterspruch verwarf und den Streik damit provozierte.
Fraport hat sich offensichtlich intensiv auf den Streik vorbereitet und Techniker sowie andere Mitarbeiter, vorwiegend aus dem mittleren Management, in Crash-Kursen für die Streikbrechertätigkeit ausgebildet, selbst auf das Risiko folgenreicher Unfälle auf dem Rollfeld hin. Die Fraport AG verkündet täglich, sie sei in der Lage, einen großen Teil der Flüge auch ohne das Rollfeldpersonal abzuwickeln. Für den Fall, dass es dennoch zu größeren Wartezeiten kommt, sind generalstabsmäßig hunderte Feldbetten für Passagiere bereitgestellt worden.
Dass die Fraport-Geschäftsführung gemeinsam mit Verdi die Streikenden in die Knie zwingen und ein Exempel statuieren will, um die so genannten „Spartengewerkschaften“ zu zerschlagen, macht auch die Stellungnahme von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt deutlich. Er stimmte in die Stimmungsmache gegen den Streik der Vorfeldbeschäftigten ein und forderte von der Regierung schleunigst eine gesetzliche Regelung für die Entmachtung der Spartengewerkschaften.
Hundt kritisierte die Haltung der Frankfurter Streikenden scharf. „Die Vorfeldlotsen missbrauchen die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom Sommer 2010, mit der das Gericht den Grundsatz der Tarifeinheit aufgegeben hat“, sagte Hundt der Bild am Sonntag.
Er warf der relativ kleinen Berufsgruppe der Flugfeldbeschäftigten Erpressung vor, um „egoistisch Lohnerhöhungen von sage und schreibe 50 bis 70 Prozent“ zu erreichen. „Wenn der Gesetzgeber nicht bald handelt und die Tarifeinheit wiederherstellt, drohen Nachahmer“, sagte Hundt.
Vor anderthalb Jahren hatte er gemeinsam mit DGB-Chef Sommer einen Vorstoß unternommen, um die Kontrolle der DGB-Gewerkschaften zu festigen und das Prinzip „Ein Betrieb, eine Gewerkschaft“ gesetzlich zu verankern. Das Bundesarbeitsgericht entschied damals anders. Damit erhielten kleinere Gewerkschaften und Berufsverbände wie der Ärzteverband Marburger Bund, die Pilotenvereinigung Cockpit, die Lokführergewerkschaft GdL oder die Fluglotsengewerkschaft GdF größeren Spielraum.
Das soll nun rückgängig gemacht werden, um die Kontrolle der DGB-Gewerkschaften zu festigen. Es ist daher sehr wichtig, den Streik der Vorfeldlotsen am Frankfurter Flughafen mit allen Kräften zu unterstützen.