Der Fäulnisprozess im Zentrum des globalen Finanzsystems schreitet unaufhaltsam voran. Diese Schlussfolgerung ergibt sich aus dem am Sonntag veröffentlichten Jahresbericht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Die BIZ, manchmal ‚Zentralbank der Banker‘ genannt, war eine der wenigen Institutionen, die auf die gefährlichen Ungleichgewichte im globalen Finanzsystem hinwies, bevor sie im September 2008 zum Zusammenbruch von Lehmann Brothers führten.
Drei Jahre später zeigt ihr Jahresbericht deutlich, dass sich eine weitere Finanzkrise zusammenbraut. Eine der größten Gefahren resultiert aus der massiven Unterstützung, die die Zentralbanken den Banken durch ultra-niedrige Zinsen und Interventionen in die Schuldenmärkte geleistet haben
Im dritten aufeinanderfolgenden Jahr “extrem entgegenkommender Finanzbedingungen” gepaart mit „an Null grenzenden Zinsraten stehen die wichtigsten fortgeschrittenen Wirtschaften vor dem Risiko des Wiederauflebens von Verzerrungen, die eigentlich bekämpft werden sollten.“ Das Ausmaß dieser Intervention zeigt sich darin, dass die Bilanzen der Zentralbank „auf ein nie dagewesenes Maß angewachsen sind“.
Als Reaktion auf die Finanzkrise haben die amerikanische Federal Reserve und die Bank von England ihre Aktiva von 8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) auf etwa 20 Prozent erhöht, während sie im Eurosystem von 13 Prozent auf über 20 Prozent des BIP angestiegen sind. Diese massiven Rettungsgelder haben neue Probleme geschaffen. „Die Bilanzpolitik der Zentralbanken hat die globale Wirtschaft durch eine sehr schwierige Krise hindurch unterstützt. Die Bilanzen sind jetzt jedoch weitaus größeren Risiken ausgesetzt – nämlich dem Risiko der Zinssätze, der Wechselkurse und dem Kreditrisiko – die alle zu finanziellen Verlusten führen könnten.”
In anderen Worten: Durch die Rettung der Großbanken sind die Zentralbanken selbst in die Krise hineingezogen worden. Gleichzeitig sind die Banken, die Hedgefonds und die Finanzinstitute nach ihrer Rettung wieder höchst aktiv und spielen dasselbe Spiel, das die Krise von 2007 – 2008 ausgelöst hat. Die BIZ verweist auf das, was sie “eine neue Welle finanzieller Innovation” nennt – in Wahrheit höchst dubiose und in einigen Fällen unverblümt kriminelle Finanzmanipulationen. Sie warnt davor, „dass das Aufkommen neuer Produkte mit Risiken, die noch nicht durch den Stress der Märkte getestet wurden, an die Zeit vor der Finanzkrise erinnert.“
Der BIZ-Bericht warnt auch vor dem, was er “politischen Wirtschaftsdruck” nennt. Zentralbanken werden dafür kritisiert, dass sie „einige Bereiche der Wirtschaft anderen gegenüber bevorzugen“ und „dass einige Finanzinstitutionen besser als andere behandelt werden.“ Das ist eine recht höfliche Art, auf die Wut der Bürger darüber zu verweisen, dass beispielsweise die Banken in den USA Milliarden von Dollar erhalten haben, während Hausbesitzer - die Opfer ihrer Politik - leer ausgingen und dass es eine sehr enge Beziehung zwischen der Großbank Goldmann Sachs und dem US-Finanzministerium gibt.
Die BIZ schließt sich den Stimmen an, die umfassende Maßnahmen zur Senkung der Staatsschulden in den großen Industrienationen fordern. Würde eins der großen Länder in die Schuldenkrise hineingezogen, hätte das katastrophale Folgen. “Wir sollten hier keinen Fehler machen: Die Marktturbulenzen im Gefolge der Haushaltskrisen in Griechenland, Irland und Portugal würden verblassen angesichts der Verwüstung, die ein Vertrauensverlust von Investoren in die Zahlungsfähigkeit einer größeren Wirtschaft anrichten würde“, heißt es in dem Bericht.
Eine Vertrauenskrise in eine große Volkswirtschaft würde eher plötzlich als allmählich auftreten, denn “entweder man genießt das Vertrauen der Märkte oder man tut es nicht.” Deshalb ist es wahrscheinlicher, dass ein Vertrauensverlust in die Fähigkeit eines Souveräns, für seine Schulden aufzukommen, durch eine plötzliche Stimmungsänderung charakterisiert wird als durch einen langsamen Prozess. Der Bericht warnte davor, dass die „derzeitige Fähigkeit der Vereinigten Staaten, ihr Defizit problemlos zu finanzieren“ nicht als selbstverständlich hingenommen werden sollte. Die Beispiele kleinerer Länder aus der Vergangenheit legten nahe, dass das Vertrauen der Märkte sich schnell verflüchtigen und „plötzliche und kostspielige Anpassungen erzwingen“ könnten.
Die BIZ forderte die Regierungen auf, “schnell und glaubhaft zu handeln”, um die Verschuldungsniveaus zu senken. Aber dies bedeutet keine Rückkehr zu der Situation vor der Krise. Sogenannte „strukturelle Aufgaben“ müssen erledigt werden. „In vielen Ländern… bedeutet (dies), der Tatsache ins Auge zu sehen, dass es wegen des steigenden Alters der Bevölkerung zu kostspielig wird, gegebene Versprechen auf Rentenzahlungen und Sozialleistungen einzuhalten.“
Im Klartext: Große Teile der sozialen Wohlfahrtsmaßnahmen, die in der Nachkriegszeit eingeführt wurden, müssen eliminiert werden, um die Schulden zu bezahlen, die die Regierungen durch die Rettung der Banken angehäuft haben. Die BIZ betont, eine Rückkehr zum “Vorkrisen-Status“ werde aus zwei Gründen „nicht ausreichen“: Die Steuerschätzungen vor der Krise waren wegen der Steuereinnahmen durch die Preis-Hausse bei Vermögenswerten “zu rosig”. Außerdem müssen Überschüsse zurückgehalten werden, um „Polster zu schaffen, die in Zukunft zur Stabilisierung der Wirtschaft“ eingesetzt werden können.
In anderen Worten: Die Arbeiterklasse soll nicht nur für die Krisen der Vergangenheit, sondern auch noch für die der Zukunft aufkommen. Der BIZ-Bericht widerlegt die oft vorgebrachte Behauptung, die fortgeschrittenen kapitalistischen Wirtschaften hätten zwar mit größeren Problemen zu kämpfen, das rapide Wachstum der sogenannten „emerging markets“ werde aber eine neue Grundlage für den Aufschwung der Weltwirtschaft als Ganzes sorgen.
Diese Länder stehen derzeit vor wachsenden Problemen, weil ultra-billige Kredite in den großen kapitalistischen Wirtschaften – vor allem das „quantitative Erleichterungs-Programm“ der Federal Reserve – die Preise für Nahrungsmittel und andere Rohstoffe angehoben und eine ganze Reihe neuer Preisblasen geschaffen haben.
“Die Wirtschaften der aufstrebenden Märkte”, so der Bericht, “haben es geschafft, den schlimmsten Auswirkungen der Krise zu entgehen, aber viele von ihnen riskieren jetzt den Aufbau von Ungleichgewichten, die denen ähneln, die zur letzten großen Krise geführt haben. Zum Beispiel klettern die Immobilienpreise in einer Reihe aufstrebender Wirtschaften in schwindelerregendem Maß und die Verschuldung des Privatsektors schnellt ebenfalls in die Höhe.“ Während der Bericht keine Namen nennt, passt diese Beschreibung am besten auf China, das beim Wachstum der Weltwirtschaft eine Schlüsselrolle spielt.
Der BIZ-Bericht macht deutlich, dass die Arbeiterklasse vor einem gewaltigen Zusammenbruch der kapitalistischen Weltwirtschaft steht, der sie vor entscheidende politische Herausforderungen stellt. Die Vertreter des globalen Kapitals haben ein Programm, um auf den Zusammenbruch zu antworten: Keine „Erholung“, denn die ist unmöglich, sondern eine Konterrevolution, um die sozialen Bedingungen auf das Niveau der 1930er Jahre zurückzuschrauben.
Die Arbeiterklasse muss ihre eigene Perspektive entwickeln, die nicht weniger durchdacht sein darf und nicht weniger schonungslos ausgeführt werden muss. Durch die Organisation des größtmöglichen Widerstands gegen das Programm des Finanzkapitals muss sie den Kampf um die Macht und zur Errichtung von Arbeiterregierungen aufnehmen, um die sozialistische Umgestaltung der Wirtschaft zu organisieren.