Der Rücktritt von Rebekah Brooks, ihre Verhaftung am Wochenende, sowie der Rücktritt des Scotland-Yard-Chefs Paul Stephenson und der eines weiteren ranghohen Beamten der Polizeibehörde John Yates sind nur das jüngste Anzeichen für die wachsende Krise, in der Rupert Murdochs Medienimperium News Corporation und das gesamte britische politische Establishment stecken.
Brooks trat als Vorstandsvorsitzende von News International UK zurück, dem Verlag, in dem die mittlerweile eingestellte News of the World erschien, in deren Redaktion sie früher Mitglied war. Aber die erhoffte Schadensbegrenzung wird klein sein. Brooks soll am Dienstag zusammen mit Murdoch und seinem Sohn James vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss erscheinen, um zu dem Telefonabhörskandal bei News of the World auszusagen.
Im Vorfeld des Untersuchungsausschusses hat Murdoch sein Schweigen über den Skandal durch ein Interview mit dem Wall Street Journal, das zu seinem Medienimperium gehört, gebrochen. Seine Bemerkungen waren vor allem ein Angriff auf den Ex-Premierminister Gordon Brown – eine Reaktion auf dessen belastende Rede im Parlament am 13. Juli. Murdoch sagte, die Aussagen einiger Parlamentsmitglieder seien “nichts als Lügen”.
Brown wurde von vielen Journalisten und Politikern Heuchelei vorgeworfen. Diese beriefen sich auf seine langjährigen Verbindungen mit Murdoch und taten seine Rede als Erguss eines Beleidigten ab, da News International im Jahr 2009 dazu überging, statt Labour die Konservativen zu unterstützen. Aber Antipathie gegenüber Brown, der einer der Architekten von New Labour und ein williger Handlanger der Wirtschaft war, darf nicht davon ablenken, dass diese Kampagne darauf abzielt, das, was er ans Licht gebracht hat, wieder zu vergraben, indem der Überbringer schlechter Nachrichten getötet wird.
Brown hatte News International beschuldigt, „in oft ganz großem Stil illegal zu handeln, schlimmstenfalls sogar mithilfe von Verbindungen zu Großbritanniens krimineller Unterwelt.“
Murdochs Medien „steckten mit Mitgliedern des kriminellen Unterwelt“ „unter einer Decke“ und agierten als ein „Geflecht aus Medien und Verbrechen“.
Er kritisierte, dass Assistant Commissioner [dritthöchster Rang von Scotland Yard] John Yates im August 2009 „nur acht Stunden brauchte – das ist weniger Zeit als er mit den Leuten, gegen die er eigentlich ermitteln sollte, beim Essen zusammensaß – um eine weitere polizeiliche Ermittlungen abzulehnen.“
Nachdem er den Bericht eines Ausschusses gesehen hatte, der darauf hindeutete, dass in großem Ausmaß Telefone angezapft wurden, bat Brown den Kabinettssekretär der Regierung, Gus O’Donnell um die Zustimmung zu gerichtlichen Ermittlungen. Allerdings, so schildert er „war die Polizei dagegen, ebenso das Innenministerium und der Verwaltungsdienst; auch der Kulturausschuss hat sich dagegen gestellt.“
Laut Brown hatte O’Donnell angemerkt, dass der Ausschuss nicht glaube, dass die illegalen Tätigkeiten noch weiterhin praktiziert würden, und Ermittlungen nicht die Vorgabe erfüllen würden, eine dringende öffentliche Angelegenheit darzustellen. Er sagte außerdem, dass zuviel Zeit verstrichen sei und Beweismittel vernichtet sein könnten; dass es auch keine Beweise für systematisches Versagen der Polizei gab; dass alle Entscheidungen bereits von der Staatsanwaltschaft überprüft wurde, und dass ein Vorgehen gegen News of the World so kurz vor der Wahl als politisch motiviert gelten könne.
Laut dem Cabinet Office [Unterstützungsorgan des Parlaments] gab es „nicht nur keine Möglichkeit für Ermittlungen der Justiz, sondern auch keine für Ermittlungen ohne die Justiz, oder eine Mitteilung an die Independent Police Complaints Commission [Kontrollbehörde für die Polizei]; nicht einmal für die Forderung an die Polizei, die Ermittlungen wieder aufzunehmen“, fasste es Brown zusammen.
Er beklagte sich, dass Andy Hayman, der Leiter der ersten polizeilichen Ermittlungen, „dessen nächster Job bei News International war“, nichts weiter tat, „und auch sein Nachfolger Yates nichts unternahm“, obwohl er im Besitz von „großen, aber ungeprüften Archiven war, die kriminelle Handlungen in großem Ausmaß offenlegten“.
Brown sagte weiter, er habe mit dem Stellvertretenden Premierminister Nick Clegg gesprochen nachdem er im Mai 2010 sein Amt abgebeben hatte, und „ihm persönlich unseren Vorschlag für eine Untersuchungskommission ausgehändigt.“ Er „schrieb an den Kabinettssekretär, und wies darauf hin, dass seine früherere Empfehlung, keine Ermittlungen anzustellen, durch die neuen Beweise hinfällig geworden sei.“
Über Brooks sagte er “Bereits im Winter 2002 trafen sich hohe Beamte von Scotland Yard mit der heutigen Vorstandschefin von News International und informierten sie über schwerwiegendes Fehlverhalten des Personals der Zeitung, und darüber, dass Kriminelle in deren Auftrag Spionage betreiben.“
Über James Murdoch schrieb er: “Die Entscheidung des Vorsitzenden von News International, einigen Opfern Geldsummen von etwa 500.000 Pfund zu zahlen ohne den Vorstand darüber zu informieren, kann nun als Zahlung von Schweigegeld angesehen werden… Das muss nun vom Parlament und der Polizei untersucht werden.“
Es verwundert kaum, dass Browns Aussagen von anonymen “ehemaligen Mitgliedern” seines Kabinetts in Frage gestellt wurden. Das Cabinet Office veröffentlichte sogar das Memorandum, aus dem Brown zitierte, was als Gegenangriff beschrieben wurde. Aber, wie der Telegraph feststellte, „stimmte das siebenseitige Infoblatt, das das Cabinet Office heute veröffentlichte, mit der Zusammenfassung seines Inhalts für Mitglieder des Parlaments durch Mr. Browns Rede überein.“
O’Donnells Verteidigung wurde im Wesentlichen darauf beschränkt, einzugestehen, dass „die Entscheidung, ob eine öffentliche Untersuchung angestellt werden soll, und welcher Art sie sein soll, immer einem Minister obliegt.“
Aber Browns politische Fehlgriffe lenken nicht im geringsten davon ab, was er über die Rolle von Anderen sagt, insbesondere über die zitierten Beispiele für seine früheren Beziehungen zu Murdoch und Brooks. Er war vielleicht Murdochs Geschöpf, aber inzwischen hat er sich gegen seinen ehemaligen Meister gewandt und versucht, ihm zu schaden.
In den vergangenen zwei Jahren sei Brown, so wird berichtet, hinter den Kulissen damit beschäftigt gewesen, die Verbrechen von News International zu enthüllen. Am 14. Juli schrieb Robert Winnett im Telegraph, er habe „unter Labour-Parlamentsmitgliedern heimlich eine Kampagne organisiert – oder zumindest unterstützt – um den Abhörskandal an die Öffentlichkeit zu bringen… Diese Kampagne wurde angeführt von zwei ehemaligen Labour-Ministern: Tom Watson und Chris Bryant. Die beiden sind auch Schlüsselfiguren im sogenannten Balti-Haus-Komplott, durch das Tony Blair gezwungen wurde, den Zeitpunkt seines Rücktritts bekanntzugeben.“
Patrick Wintour vom Guardian zeigt sich am 11. Juli noch besser informiert. Er merkt an, dass Brown zwei Monate, bevor Murdochs Boulevardblatt Sun begonnen hatte, die Konservativen zu unterstützen, anfing „nach Enthüllungen des Guardian über Abhöraktionen und zunehmende Beweise, dass News International etwas vertuscht, sich für ein Ermittlungsverfahren zu engagieren. Er diskutierte mindestens zwei Wochen lang mit Innenminister Alan Johnson. Brown und [Labour-Politiker] Lord Mandelson diskutierten mit Alan Rusbridger, dem Chefredakteur des Guardian, um ein besseres Bild von dem Skandal zu bekommen.“
Wintour fährt fort, “Nach der Wahl befasste sich Brown auch weiterhin mit den Abhöroperationen und forderte immer wieder Ermittlungen. Er schoss förmlich mit E-Mails um sich und verfolgte interessiert den Verlauf einer Ermittlung der New York Times in dem Skandal, deren Ergebnis im September 2010 endlich veröffentlicht wurde. Es war etwa zu dieser Zeit, dass Brown sich privat an die Metropolitan Police wandte und fragte, ob sein Telefon abgehört wurde.
Der Fraktionskampf zwischen Blair und Brown, in dem Murdoch fest auf der Seite von Blair stand, spielt immer noch eine Rolle in den Bemühungen, den Skandal ans Licht zu bringen. Ein Bericht der Daily Mail vom 10. Juli beschreibt, wie „Freunde von Brown“ und „gut informierte Quellen“ Blair beschuldigten, er habe die Labour-Parlamentarier beeinflusst, die die Kampagne geführt haben, damit sie diese einstellen.“
Angeblich wollte Blair, „dass Brown seinen Verbündeten Tom Watson dazu bringt, News International in Ruhe zu lassen, aber Brown weigerte sich.”
Die Mail fasst einige der „belastenden Anschuldigungen gegen die Chefin von News International Rebekah Brooks und deren Vorsitzenden James Murdoch“ zusammen, die Watson unter dem Rechtsschutz des Parlaments machte. Darunter diejenige, Brooks habe Blairs PArteigängerng und ehemalige Ministerin Tessa Jowell „angebettelt, ihr zu helfen, diesen ‚Wahnsinnigen, Tom Watson, aufzuhalten‘ und auch ihren Freund Blair um Hilfe gebeten.“
Watson hatte mehrfach behauptet, er sei indirekt von News International bedroht worden, und seine Mülltonnen seien durchsucht worden. Ein anderer Verbündeter von Brown, Chris Bryant, sagte, die Mitarbeiter von News International würden sich „wie Gangster verhalten. Sie gehen mit einer Kombination aus Gefälligkeit und Einschüchterung vor.“
Auch wenn hinter Browns Einmsichung Eigeninteressen stehen mögen, droht sein Vorgehen, die Bemühungen aller großen Parteien zu vereiteln, nach einem zahnlosen Ermittlungsverfahren wieder zur Tagesordnung zurückzukehren.
Deshalb kommentierte die Financial Times bezeichnenderweise: „Brown kam auch unter Beschuss von seinen eigenen Parlamentsmitgliedern, die davor warnten, dass er in seinen wütenden Ausbrüchen die Stimmung im Unterhaus falsch einschätze … Ed Milibands Fraktion behauptete, Browns ‚rückwärtsgewandte Rede‘ stehe im Kontrast zu der eher auf Konsens ausgerichteten, vorwärtsschauenden Rede, die der Labour-Chef zum Thema zukünftiger Medienregulierung hielt.“
Ähnlich sah es auch Quintin Letts, der in der Daily Mail schrieb: „Mit seiner seltsamen Begabung, Gold in Schlamm zu verwandeln, brachte Brown den Ärger zurück in eine Kammer, die nur kurz zuvor noch sonnig und resolut war… Ed Miliband hatte gerade eine ruhige, von Kooperation zeugende Rede gehalten, durch die er Lob vom Parlamentsvorsitzenden erhalten hatte. In den vorhergehenden Sitzungen des Unterhauses hatten Cameron und Labour-Abgeordnete scheinbar eine Position der Reife und Übereinstimmung erzielt, wie das Problem Murdoch angegangen werden muss.“
Die herrschende Klasse hat eine ganz andere Vorstellung davon, wie das “Problem Murdoch” angegangen werden muss als die Arbeiterklasse. Und es liegt in der Verantwortung der arbeitenden Menschen, die zerstörerischen, gesellschaftsfeindlichen Aktivitäten von Murdoch und seinesgleichen zu beenden. Sie können sich nicht darauf verlassen, dass jemand anderes es für sie tut, am wenigsten auf den wieder aufgetauchten Brown. Dieser handelt mehr aus persönlichem Groll als aus echter politischer Gegnerschaft gegenüber den sozialen Kräften, die Murdoch repräsentiert.
Was jetzt notwendig ist, ist die aktive, unabhängige Einmischung der Arbeiterklasse ins politische Leben. Nur dadurch kann der Würgegriff von Oligarchen wie Murdoch und ihren Lakaien im Parlament ein für allemal gelöst werden.