Laut den aktuellen Zahlen des deutschen Statistischen Bundesamtes und von Eurostat ist die Jugendarbeitslosigkeit in Europa in den vergangenen zweieinhalb Jahren um volle 25 Prozent gestiegen. Sie ist damit auf dem höchsten Stand seit Beginn der statistischen Erhebungen.
Vor dem Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers und dem darauf folgenden Finanzzusammenbruch Im Frühjahr 2008 lag die Jugendarbeitslosigkeit bei durchschnittlich fünfzehn Prozent. Laut den jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind es jetzt über 20 Prozent.
Insgesamt suchen in den 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union 20,5 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 15 und 24 Jahren Arbeit. Gleichzeitig verdecken diese Zahlen große Unterschiede bei den Arbeitslosenquoten der einzelnen europäischen Staaten.
In Spanien, wo die sozialistische Regierung von Jose Luis Zapatero auf Geheiß der Banken und des IWF eine Reihe drastischer Sparprogramme durchgeführt hat, hat sich die Jugendarbeitslosigkeit seit 2008 auf 46 Prozent verdoppelt. An zweiter Stelle von den EU-Staaten liegt Griechenland, das als erstes Land Finanzhilfen der Europäischen Union erhielt und Sparmaßnahmen durchführte. Hier liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei 40 Prozent. Den dritten Platz belegt Italien mit 28 Prozent, gefolgt von Portugal und Irland mit je 27 Prozent und Frankreich mit 23 Prozent.
In Großbritannien, wo die Jugendlichen in mehreren der größten Städte Unruhen und Proteste veranstalteten, liegt die Arbeitslosenquote bei etwa 20 Prozent. Laut einem kürzlich veröffentlichten Bericht des britischen Office of National Statistics ist die Arbeitslosigkeit unter Menschen zwischen sechzehn und 24 Jahren stetig angestiegen, von vierzehn Prozent im ersten Quartal 2008 auf 20 Prozent im ersten Quartal 2011 – ein Anstieg von 40 Prozent in nur drei Jahren.
Laut aktuellen Statistiken hat Deutschland, die größte Wirtschaftsmacht Europas, eine der niedrigsten Jugendarbeitslosigkeitsquoten (9,1 Prozent), aber diese Zahlen sind irreführend. Deutschland hat, hauptsächlich durch die „Reformen“ der rot-grünen Koalition (1998 – 2005) einen der größten Niedriglohnsektor Europas.
In 2010 waren mindestens 7,84 Millionen Arbeiter in Deutschland in sogenannten „atypischen Beschäftigungsverhältnissen“ angestellt – d.h. Zeitarbeit, befristete Arbeit und Teilzeitarbeit für weniger als 20 Stunden pro Woche. Viele dieser Arbeiter verdienten im Monat weniger als 400 Euro. Jüngste Zahlen zeigen, dass die Lohnniveaus dieser Arbeiter in den vergangenen Jahren sogar gesunken sind, wodurch sie zu den Erwerbsarmen, oder „working poor“ gerechnet werden.
Das Statistische Bundesamt stellt fest, dass fast 40 Prozent der jungen Deutschen, die eine Arbeit finden, in solche prekären Arbeitsverhältnisse geraten. Diese sind schlecht bezahlt und ausschließlich befristet. Es ist schwer, genaue Zahlen zu Unterbeschäftigung in Deutschland zu bekommen, aber die Lage der jungen Menschen im Land ist die gleiche wie in ganz Europa – d.h. die offiziellen Statistiken zur Jugendarbeitslosigkeit würden noch weiter anschwellen, wenn auch die Millionen von Unterbeschäftigten mit einbezogen würden.
Aufgrund der zunehmenden Langzeitarbeitslosigkeit großer Teile der europäischen Jugend, die auch viele gut ausgebildete mit akademischen Qualifikationen trifft, die keine Arbeit finden, sprechen einige Kommentatoren von einer „verlorenen Generation“.
Die sozialen Probleme, mit denen sich die jungen Menschen konfrontiert sehen, werden ergänzt durch die Sozialkürzungen und Sparmaßnahmen, die in ganz Europa durchgeführt werden. Alle diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Tresore der Banken wieder zu füllen und die Portfolios der Elite der europäischen Kapitalisten zu vergrößern, und die Jugend wird am härtesten davon getroffen.
Es ist kein Zufall, dass Tottenham, der Londoner Vorort, in dem am letzten Wochenende die Proteste und Unruhen begannen, die höchste Arbeitslosenquote in London und die zehnthöchste in Großbritannien hat. Südlich von Tottenham, im Stadtteil Haringey, wurden die Etats für Jugendeinrichtungen dieses Jahr um 75 Prozent gekürzt. Diese Kürzungen sind Teil eines Maßnahmenpakets, das das Haushaltsdefizit des Stadtteils senken soll, wie es von David Camerons konservativer Regierung gefordert wird.
Die Schließung von Jugendeinrichtungen, unter anderem Büchereien und Sportvereinen, sowie die Zusammenstreichung von Sozialleistungen wie Erziehungsgeld und Zuschüssen zur Miete bedeuten, dass arbeitslose Jugendliche zu einem Leben in Armut verurteilt sind und ihnen keine Gelegenheit gegeben wird, ihre Freizeit für kreative Dinge zu verwenden. Solche Zustände herrschen nicht nur in London und Großbritannien. Sie existieren in ganz Europa und wurden von Regierungen aller politischen Strömungen herbeigeführt – von konservativen genauso wie von sozialdemokratischen oder „sozialistischen“ und Grünen.
In Großbritannien versuchten führende Politiker, die Boulevardpresse und auch die „Qualitätspresse“ sofort, die Aufmerksamkeit von ihren eigenen kriminellen Aktivitäten abzulenken, indem sie die protestierenden Jugendlichen als „Halbstarke“ und Randalierer verunglimpften. Allerdings ist für große Teile der europäischen Presse der Zusammenhang zwischen dem, was in Großbritannien passiert und dem völligen Fehlen einer Perspektive für Millionen von jungen Menschen im modernen Europa offensichtlich.
Zwei Kommentare aus der deutschsprachigen Presse zeigen, dass Teile der Medien besorgt sind, dass die systematische Zerstörung von Arbeitsplätzen und sozialer Sicherheit für die Jugend nicht nur zu Gewalt, sondern auch zu revolutionären Situationen führen könnte.
Am Donnerstag wies das Nachrichtenmagazin Der Spiegel, darauf hin, dass am 12. August der Internationale Tag der Jugend ist, und stellte fest: „Der 12. August sollte ein Tag des Feierns und der Freude sein - der internationale Tag der Jugend. Doch gibt es etwas zu feiern? Wohl kaum.“
Weiter heißt es: „Die Zahlen sind so erschreckend, weil sie der europäischen Schuldenkrise ein Gesicht geben. Sie zeigen, dass die Krise der Euro-Staaten nicht nur ein Problem für die Finanzminister der Pleiteländer ist, sondern fatale Auswirkungen auf die Bevölkerung hat. Und wie so oft trifft es die Jugend zuerst.“
Der Artikel richtet seine Aufmerksamkeit dann auf die hunderttausenden Jugendlichen, die in Athen und Madrid auf die Straße gingen und zieht einen Vergleich mit den jüngsten Protesten in Großbritannien, und kommt zu dem Schluss: „In London, so scheint es in diesen Tagen, gibt es für diese Generation der Hoffnungslosen kein Halten mehr.“
Die Wiener Zeitung Der Standard schreibt: „Regierungen schütten mit einer Hand Milliarden auf die Märkte, um den innewohnenden Teufel Dow Jones zufriedenzustellen. Mit der anderen Hand kürzen sie Sozialleistungen. Dass eine solche Politik in Ländern wie Spanien, Griechenland und Großbritannien, wo die Jugendarbeitslosigkeit jeweils 44, 38 und 20 Prozent beträgt, als purer Zynismus aufgefasst wird, versteht die winzige Elite nicht. Sie diskutieren bei einer Tasse Tee über die Unterschiede zwischen frustrierten Demonstranten und Tieren und machen sich nur um die Lage auf den Finanzmärkten sorgen.
Wie es in dem Artikel weiter heißt, liegt die Lösung nicht in „mehr Polizei und hohlen Phrasen, sondern darin, zu handeln, und zwar schnell.“ Allerdings schließt er mit der Warnung: „Aber es ist nicht sicher, dass die Generation, die auf den Straßen demonstriert, das noch erleben wird.“