Die Medienhetze gegen Griechenland

Seit die griechische Bevölkerung sich in Kundgebungen, Streiks und Demonstrationen gegen das von der Europäischen Union diktierte Sparprogramm zur Wehr setzt, nimmt die nationalistische Hetze in den deutschen und internationalen Medien zusehends heftigere Formen an.

Der Tenor ist immer gleichlautend: Schuld an der griechischen Finanzkrise trage vor allem die Bevölkerung. Sie sei träge, faul und auf den eigenen Vorteil bedacht. Sie lebe seit Jahren über ihre Verhältnisse, unterstütze den staatlichen Schlendrian und versuche, nach möglichst wenigen Arbeitsjahren den frühzeitigen Ruhestand zu erreichen.

An führender Stelle dieser Demagogie steht - wie so oft, wenn es um Gossenjournalismus geht - die Bild -Zeitung des Springerkonzerns. Zur Begrüßung des griechischen Ministerpräsidenten Papandreou in Berlin veröffentlichte die Bild -Redaktion am Freitag einen arroganten Hetzbrief. Unter der Überschrift "Lieber Herr Ministerpräsident" schrieb das Blatt: "Wenn Sie diese Zeilen lesen, haben Sie ein Land betreten, das ganz anders ist als das Ihre ist. Sie sind in Deutschland."

Im Gegensatz zu Griechenland würden die Menschen hier nicht faulenzen, sondern arbeiten, "bis 67 Jahre". Hier müsse "niemand tausend Euro Schmiergeld zahlen, damit er rechtzeitig ein Bett im Krankenhaus kriegt". Auch "Pensionen für Generalstöchter, die leider keinen Ehemann finden", würden hier nicht bezahlt. Deutschland habe zwar auch hohe Schulden, könne sie aber begleichen, "weil wir morgens ziemlich früh aufstehen und den ganzen Tag arbeiten".

Am liebsten würde man den Bild -Redakteuren, die mit ihren demagogischen Zeilen mehr als das Zehnfache eines Arbeiters in Griechenland oder Deutschland verdienen, einen geharnischten Brief zurück schreiben. Die Argumente liegen auf der Hand, und die Liste der "deutschen Tugenden", auf die die Redakteure stolz sind, ließe sich um einiges verlängern.

Durch die Hartz-Gesetze wurde das allgemeine Lohnniveau in Deutschland drastisch gesenkt. Menschen werden gezwungen, für weit unter 5 Euro die Stunde zu arbeiten. Im Gesundheitswesen wird gerade die Zwei-Klassenmedizin eingeführt, die Geringverdienern den Weg zu hochwertiger medizinischer Versorgung vollständig versperrt. Und was üppige Pensionen angeht, so zahlt Deutschland zwar nicht für Generalstöchter, denn es gab hierzulande keine Militärdiktatur, doch die Versorgung der Nazischergen und anderer Kriegsverbrecher wurde mit großer Sorgfalt und mit großem Aufwand betrieben. Die Witwe von Roland Freisler, dem Präsidenten des NS-Volksgerichtshofs, der in den letzten Kriegstagen durch einen Bombenangriff ums Leben kam, bezog bis zu ihrem Tod im Jahre 1997 eine großzügige Staatsrente. Diese Beispiele ließen sich noch um einiges fortsetzen.

Die Medienhetze gegen die griechischen Arbeiter dient dazu, die europäische Bevölkerung gegeneinander auszuspielen und aufzuhetzen, um einen gemeinsamen Kampf aller europäischen Arbeiter gegen die Finanzdiktatur der EU und der hinter ihr stehenden Regierungen zu verhindern. Genau das fürchten die europäische und internationale Finanzoligarchie und ihre Schreiberlinge in den Redaktionsstuben.

Es ist daher wichtig einige Dinge klar und deutlich auszusprechen.

Die Ursache der Krise liegt nicht in Griechenland, sondern in den europäischen und internationalen Finanzzentren. Verantwortlich für die finanzielle Misere sind nicht die griechischen Arbeiter oder die arbeitende Bevölkerung eines anderen Landes, sondern eine reiche Elite von Profiteuren, die sich durch riskante und teilweise kriminelle Spekulationen hemmungslos bereichert haben.

Als vor einem Jahr das internationale Finanzsystem vor dem Zusammenbruch stand, verlangten die Bankiers, nun müsse der Staat eingreifen und die Verluste übernehmen. Sie diktierten den Regierungen in allen Industriestaaten so genannte Banken-Rettungs-Pakete, mit denen den Banken Hunderte von Milliarden Euro und Dollar zur Verfügung gestellt wurden, um die Schulden abzudecken und die Spekulationen fortzusetzen. Weitere Milliarden an Steuergeldern wurden eingesetzt, um einen unmittelbaren wirtschaftlichen Kollaps zu verhindern.

Es war von Anfang an klar, dass die Banken-Rettungs- und Konjunkturprogramme zu einem drastischen Anstieg der Staatsverschuldung führen würden. Und es war ebenso klar, dass diese Gelder durch rigorose Sparmaßnahmen aus der arbeitenden Bevölkerung herausgepresst werden sollten. In Deutschland wurde dazu eigens eine so genannte "Schuldenbremse" in der Verfassung verankert.

Das Finanzdiktat, mit dem die Brüsseler EU-Institutionen die griechische Regierung zwingen, massive Lohnsenkungen, Abbau von Sozialstandards und die Erhöhung der Massensteuern durchzusetzen, ist der erste Schritt, um die Last der Finanzkrise der europäischen Bevölkerung aufzuzwingen.

Mit anderen Worten: Die griechische Krise hat keine nationalen Ursachen, sondern ergibt sich aus der Klassenspaltung der Gesellschaft in Europa und weltweit. Die herrschende Elite in Griechenland ist Teil der europäischen und internationalen Finanzoligarchie. Sie ist tief in die internationale Spekulation involviert, verdient Milliarden und steht hinter der Papandreou-Regierung, deren Angriffe auf die Bevölkerung sie in vollem Umfang unterstützt.

Ein Beispiel ist die Latsis-Familie. Gestützt auf große Gewinne aus dem Reederei-Geschäft mit Container-Schiffen, baute sie vor zwanzig Jahren die griechische Eurobank auf und erhielt vor fünf Jahren für den Ausbau ihrer Bankgeschäfte 10,3 Millionen Euro Staatshilfe, die von der EU-Kommission genehmigt wurde. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso ist eng mit Latsis befreundet. Das geschätzte Vermögen von Firmenchef Spiros Latsis beträgt 6,7 Milliarden Euro.

In den Medien wird oft über die angeblich zu niedrige Produktivität der griechischen Wirtschaft geschrieben. Dabei wird unterschlagen, dass vor allem seit der Einführung des Euro 2001 die europäischen Banken und Großkonzerne in Griechenland den Ton angeben. Die Lebensmittelpreise werden von deutschen und französischen Agrar-Konzernen bestimmt und liegen über dem europäischen Durchschnitt, obwohl das Durchschnittseinkommen weit unter dem europäischen Niveau liegt.

Korruption und Schmiergeldzahlungen wurden von westlichen Konzernen genutzt, um ihren Einfluss durchzusetzen. Der deutsche Siemens-Konzern hat nicht weniger als sieben Werke in Griechenland. Im Zuge der Siemens-Schmiergeld-Affäre wurde bekannt, dass das Unternehmen für den Europawahlkampf im Jahr 1999 eine Million D-Mark an PASOK bezahlt hat, um deren Industriepolitik und die damit verbundenen Privatisierungen und Firmenübernahmen zu unterstützen.

Trotz heftiger Widerstände von Seiten der Arbeiter übernahm die deutsche Telekom das ehemals staatlichen Telekommunikationsunternehmen OTE und macht seitdem auf dem griechischen Kommunikationsmarkt märchenhafte Gewinne. Bei einem Umsatz von 6,3 Milliarden Euro erwirtschaftete das Unternehmen 2007 einen Reingewinn von 663 Millionen Euro.

Arbeiter in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und allen anderen europäischen Ländern müssen das EU-Spardiktat auf Griechenland als das sehen, was es ist: der Auftakt zu einem Angriff auf den Lebensstandard und die sozialen Errungenschaften aller Arbeiter.

Es ist daher notwendig die nationale Hetze entschieden zurückzuweisen. Es gibt keine nationale Lösung für die Krise, mit der Arbeiter in Griechenland, Spanien, Portugal und auf der ganzen Welt konfrontiert sind. Die europäische Arbeiterklasse muss eine neue Führung und neue Massenorganisationen aufbauen, die für ein sozialistisches und internationales Programm kämpfen.

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