Finanzkapital und griechische Schuldenkrise

Es war der schlimmste Crash des Weltkapitalismus seit dem Schwarzen Freitag 1929 - und doch ist seither keine einzige ernsthafte Maßnahme ergriffen worden, um die Machenschaften der verantwortlichen Banken und Finanzinstitute einzudämmen.

Lucas Zeise schrieb kürzlich in einem Aufsatz für die Financial Times : "Zwei Jahre sind seit dem Ausbruch der Immobilien- und dann der Finanzkrise vergangen, aber bei der Regulierung der Banken und des Finanzsektors hat es noch keinen Fortschritt gegeben. Schlimmer noch, nicht einmal ein Anfang ist gemacht worden. Diese Diagnose trifft gleichermaßen auf die USA und die Europäische Union zu, und sie stimmt auch im Bereich internationaler Regulierung."

Das Versagen der Regierungen in aller Welt, die Finanzmärkte zu regulieren, zeigt, wie sehr die großen Banken inzwischen den Kurs der Regierungspolitik diktieren.

Einer Analyse der Bank von England zufolge kam es in den USA, Großbritannien und in der Eurozone zu staatlichen Hilfeleistungen über insgesamt vierzehn Billionen Dollar. Das entspricht ungefähr einem Viertel des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Wie in den Vereinigten Staaten haben die Regierungen in aller Welt erklärt, diese beispiellosen Maßnahmen seien unvermeidlich gewesen, weil die Großbanken "zu groß zum Scheitern" seien. Dieser Bailout hat die wirtschaftliche und politische Macht der führenden Spieler in der Finanzwirtschaft noch gestärkt.

Großbanken können sich wieder ins Kasino begeben und sich darauf verlassen, dass ihre Verluste auch in Zukunft wieder von der Regierung übernommen werden. Das verleitet sie dazu, erneut mit höchstem Risiko zu spekulieren.

Auf der Grundlage von fast null Prozent Basiszinsen können sich die Finanzhäuser praktisch umsonst Geld leihen und ihren Kunden in der Wirtschaft fünf oder sechs Prozent Zinsen für Kredite in Rechnung stellen. Damit verdienen sie prächtig und erlauben sich wieder hohe Boni, die in einigen Fällen höher sind als vor dem Ausbruch der Krise 2008.

Die Großzügigkeit der Regierungen hat die Banken zu spekulativen Investitionen in allen möglichen Bereichen ermutigt. Der Handel mit hochspekulativen Derivatpapieren, den so genannten Credit Default Swaps (CDS), boomt. Diese Papiere spielten eine Schlüsselrolle beim Bankrott von Lehman Brothers, Bear Sterns und der American Internationale Group (AIG).

Credit Default Swaps sind eine Art Versicherung, die es Banken und Hedge Fonds ermöglicht, darauf zu wetten, dass eine Firma oder sogar ein Land zahlungsunfähig wird. Der Handel mit CDS, der keiner Regulierung unterliegt, bringt es mit sich, dass CDS-Spekulanten ein Interesse daran haben, Firmen oder Länder in den Bankrott zu treiben. Ein Analyst drückte es so aus: "Es ist so, als ob man eine Feuerversicherung auf das Haus seines Nachbarn abschließen würde - man schafft den Anreiz, das Haus niederzubrennen."

Im Zusammenhang mit der Finanzkrise Griechenlands rückt die Rolle des CDS-Handels ins Rampenlicht. Die hohe Staatsverschuldung Griechenlands zieht die CDS-Händler an wie ein Kadaver die Aasgeier. Wie die Depository Trust and Clearing Corporation bestätigt, hat der Handel mit Credit Default Swaps im Zusammenhang mit Griechenland im vergangenen Jahr stark zugenommen.

Die Gesamtversicherungssumme für griechische Schulden ist im Februar auf 85 Mrd. Dollar gestiegen. Vor einem Jahr betrug die Summe 38 Mrd. Dollar. Die Zunahme des Handels führt automatisch zu einer Verteuerung der Versicherung griechischer Schulden. Die Kosten für die Versicherung griechischer Anleihen haben sich von Anfang Januar bis Ende Februar fast verdoppelt. Das verschlimmert natürlich die Haushaltsprobleme des Landes und lässt das Gespenst des Staatsbankrotts erscheinen - und die Aussicht auf einen Jackpot für CDS-Spekulanten.

Die CDS-Spekulanten beschränken sich in ihren Unternehmungen nicht auf Griechenland. In den vergangenen Wochen haben sie sich zunehmend der Europäischen Währung zugewandt. Damit nehmen sie vorweg, dass ein Kollaps Griechenlands auch zu einem Zusammenbruch des Euro führen könnte. In der letzten Woche haben sie auch ihre Einsätze gegen das britische Pfund erhöht. Die Verschuldung Großbritanniens ist nämlich noch höher als die Griechenlands.

Die Liste der wichtigsten Händler von Derivaten und CDS wird von den US-Banken, JPMorgan Chase, Citibank, Bank of America und Goldman Sachs angeführt. Wie die amerikanische Bankenaufsichtsbehörte Office of the Comptroller of the Currency (OCC) schreibt, hielten amerikanische Banken am Ende des dritten Quartals 2009 Kreditderivate im Nennwert von 13 Billionen Dollar.

Aber nicht nur amerikanische Banken sind auf diesem Markt tätig. Mehrere der größten europäischen Banken, darunter Credit Suisse, UBS, Société Générale, BNP Paribas SA, und die Deutsche Bank gehören zu den größten Käufern von CDS-Papieren. Ihre Aktivitäten auf dem Derivatemarkt widerspiegeln ihr Engagement in der griechischen Wirtschaft. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich berichtet, dass französische Banken griechische Schuldscheine im Wert von 75,4 Mrd. Dollar halten, gefolgt von schweizerischen Instituten mit 64 Mrd. Dollar und deutschen Banken mit 43,2 Mrd. Dollar.

Die durch und durch parasitäre Beziehung, die zwischen dem internationalen Finanzkapital und den Regierungen der Welt besteht, verleitet zu außerordentlich ausbeuterischen und gefährlichen Formen der Spekulation. Sie wurde von einem Finanzanalysten mit folgenden Worten zusammengefasst: "Wären die Miesen der Konzerne nicht implizit vom Steuerzahler gedeckt, dann würde so manches Management sehr vorsichtig daran gehen, sich den nächsten Milliardenschwung an Swaps in die Bücher zu holen. Sie würden sich misstrauisch umschauen und sagen: ’Das wird langsam gefährlich’."

Oder, wie es ein ehemaliger Chefökonom des Internationalen Währungsfonds ausdrückte: "Goldman Sachs ist inzwischen der weltweit größte Hedge Fond mit der vollen Deckung der amerikanischen Regierung."

Aus dieser immer stärkeren Kontrolle der internationalen Banken über das wirtschaftliche und politische Leben müssen wichtige Lehren gezogen werden.

Die politische Macht der Banken ist parallel zu ihrer wirtschaftlichen Macht angewachsen. Diese Tendenz hat sich in den letzten Jahrzehnten sowohl unter sozialdemokratischen, wie unter konservativen Regierungen durchgesetzt.

Wenige Regierungen waren in den USA bisher derart von Bankern und Finanzleuten durchsetzt wie die Obama-Regierung. Der Demokratische Präsident Bill Clinton kassierte zu seiner Zeit das Glass-Steagall-Gesetz aus den 1930er Jahren. Damit stieß er die Tore für die ausufernden Spekulationsgeschäfte der Geschäftsbanken wieder auf.

In Europa hat der politische Einfluss der Finanzinteressen, die in der City of London konzentriert sind, unter New Labour enorm zugenommen. In Deutschland hat die damalige rot-grüne Koalition die Gesetze verabschiedet, die den Banken den Handel auf den Derivatemärkten erleichtern. In Griechenland ernannte die sozialdemokratische PASOK-Regierung von Giorgos Papandreou kürzlich einen Manager von Goldman Sachs zum verantwortlichen Verwalter der Staatsschulden des Landes.

In Europa sind es die Sozialdemokraten, in den USA die Demokraten, die sich im Interesse ihrer Spießgesellen in den Banketagen jetzt an die Gewerkschaften wenden, damit diese den Widerstand unter Kontrolle halten, wenn die Arbeiterklasse jetzt aufgefordert wird, die Spielschulden der Banken zu begleichen.

Die spekulativen Praktiken der Banken destabilisieren dabei nicht nur ganze Währungen und Länder. Sie produzieren auch neue Finanzblasen und zukünftige Finanzkrisen, die den Zusammenbruch von 2008 leicht in den Schatten stellen könnten. Die objektive Logik des kapitalistischen Systems selbst führt zwangsläufig dazu, dass sich höchst spekulative Investitionen weiter ausbreiten.

Die Gefahr besteht, dass die Machenschaften internationalen Finanzmafia und ihrer Komplizen in den Regierungen zu einer neuen Katastrophe für die ganze Menschheit führen. Dies kann nur verhindert werden, wenn die Banken und alle großen Finanzinstitute enteignet und unter die Aufsicht und demokratische Kontrolle der breiten arbeitenden Bevölkerung gestellt werden.

Siehe auch:
EU diktiert griechisches Sparpaket
(18. Februar 2010)
Loading