Griechenland: Die Sozialangriffe der Regierung und die Rolle von KKE und SYRIZA

Die EU-Kommission diktiert der griechischen Regierung ein drastisches Sparprogramm und verlangt soziale Angriffe auf die Bevölkerung, wie sie seit der Militärdiktatur (1967 bis 1974) nicht mehr stattgefunden haben.

Unter der Bezeichnung "Haushaltskonsolidierung" hat EU-Währungskommissar Almunia drakonische Einsparungen in allen Sozialbereichen zusammengestellt. Alle drei Monate muss die Regierung in Athen zum Rapport in Brüssel antreten und über die Durchführung der Haushaltskonsolidierung berichten. In nur zwei Jahren solle die Regierung ihr Haushaltsdefizit von derzeit 12,7 Prozent auf unter drei Prozent drücken, um den EU-Stabilitätspakt wieder einzuhalten. Alleine in diesem Jahr muss nach den EU-Vorgaben die Verschuldung um vier Prozent, auf 8,7 Prozent reduziert werden.

Das von der Papandreou-Regierung vorgeschlagene Sparprogramm ging den EU-Finanzministern nicht weit genug. Sie verlangen verschärften Abbau der öffentlichen Verwaltung und eine grundlegende Reform des Renten- und Gesundheitssystems. Das griechische Sparprogramm enthalte zwar entsprechende Ankündigungen, diese seien aber teilweise zu vage und nicht ausreichend, kritisierte die EU-Kommission.

Die nun geplanten Sparmaßnamen richten sich gegen die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, Arbeiter in der Privatwirtschaft, Rentner und Studenten gleichermaßen. Vor allem die breiten Schichten von Geringverdienern werden von den geplanten Maßnahmen stark betroffen. Hier will die Regierung bislang bestehende Steuervergünstigungen abschaffen.

Stellenabbau und Lohnsenkungen vor allem für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst werden sofort angegangen. Die Gehälter sollen massiv gekürzt werden, teilweise um bis zu 20 Prozent. Nur jeder fünfte Beamte, der in den Ruhestand geht, soll in Zukunft ersetzt werden, Steuererhöhungen auf Konsumgüter wie Tabak und Alkohol und die für Mitte des Jahres angekündigte Mineralölsteuererhöhungen sind nur die ersten Schritte zu noch umfassenderen Angriffen im Gesundheits-, Renten- und Bildungssystem.

Bereits in den vergangenen Jahren hat sich die soziale Lage für einen Großteil der Bevölkerung deutlich verschlechtert. Die offizielle Arbeitslosenrate liegt gegenwärtig bei 18 Prozent. 20 Prozent der Griechen beziehen ein Einkommen unterhalb der Armutsgrenze - auch das ist die offizielle Zahl. Sozialverbände machen weit höhere Angaben. Von den bei der größten staatlichen Rentenanstalt versicherten Rentnern müssen 60 Prozent mit weniger als 600 Euro im Monat auskommen, die Durchschnittsgehälter im Öffentlichen Dienst liegen schon jetzt bei nur 1200 Euro.

Unternehmen und Reiche werden dagegen von der Regierung kaum angetastet. Der im EU-Vergleich recht niedrige Kapitalsteuersatz von 25 Prozent bleibt bestehen. Die einmalig zu entrichtende zehnprozentige Sondersteuer auf besonders hohe Gewinne wurde ohnehin unter Verweis auf die Wirtschaftskrise von kaum einem Großunternehmen entrichtet.

Der sozialdemokratische Premier George Papandreou sprach von Maßnahmen die "schwierig und schmerzhaft" seien und machte deutlich, dass er die Kosten der Wirtschaftskrise rücksichtslos auf die Bevölkerung abwälzen will.

Papandreous Partei, die Panhellenische-Sozialistische Bewegung (PASOK) bestimmt seit Jahrzehnten den politischen Kurs und ist verantwortlich für die prekäre Lage vieler Griechen. PASOK ist unter breiten Schichten der Bevölkerung vollkommen diskreditiert. Unter diesen Bedingungen spielen die so genannten linken Kräfte - Gewerkschaften, Kommunistische Partei (KKE) und Radikale Linke (SYRIZA) - eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der radikalen Sparpolitik.

Dessen ist sich auch Papandreou bewusst. Nachdem er seit Amtsantritt im Oktober in ständigen Gesprächen mit den großen Gewerkschafsverbänden ist, hatte er am Dienstag ein Treffen mit Vertretern aller Fraktionen im Parlament einberaumt um breite Unterstützt für seinen radikalen Sparkurs zu bekommen. Obwohl das Treffen als "Allparteienrunde" bezeichnet wurde, diente es vor allem der Einbindung der so genannten Linken. Die Zustimmung der rechts-konservativen Nea Dimokratia (ND) und der rechtsextreme LAOS war ohnehin klar.

In den Gesprächen, über die nur wenig nach Außen drang, ging es vor allem darum die stalinistische Partei KKE und das Linksbündnis SYRIZA für die von Brüssel diktierten Maßnahmen ins Boot zu holen. Angesichts wachsender Proteste stützt sich Papandreou sehr bewusst auf die Gewerkschaften und die ihnen nahe stehenden Organisationen.

Bereits am Donnerstag waren die Finanzbeamten in Streik getreten, um gegen die geplanten Kürzungen der Gehälter und Zulagen zu protestieren. Sie sind wie alle öffentlich Bediensteten besonders von den Maßnahmen betroffen. Ihre Löhne sollen teilweise um bis zu 500 Euro pro Monat fallen.

Seit nunmehr drei Wochen protestieren auch Bauern, die immer wieder die Hauptverkehrsroute zwischen Athen und Thessaloniki im Norden blockieren. Die Streichung staatlicher Subventionen bedrohen sie in ihrer Existenz. Die ländlichen Gebiete Griechenlands leiden seit langem an Unterfinanzierung. Die Produktivität und damit auch die Einnahmen der Bauern gehen jedes Jahr weiter zurück.

Zwei 24-stündige Streiks wurden vom Gewerkschaftsverband ADEDY, der die öffentlich Beschäftigten vertritt, für den 10. und 17 Februar angekündigt. Ihm wollen sich auch die Lehrergewerkschaft OLME und die Ärztegewerkschaft OENGE anschließen. Der Gewerkschaftsdachverband GSEE, der hauptsächlich in der Privatwirtschaft Beschäftigte vertritt, plant für den 24. Februar einen eintägigen Streik.

Die von den großen Gewerkschaften angekündigten Streiks sollen im Wesentlichen dazu dienen die Wut der Beschäftigten zu kanalisieren und in für die Regierung ungefährliche Bahnen lenken. Schon vor einigen Wochen haben GSEE und ADEDY ihre Zustimmung zu einem rabiaten Sparkurs signalisiert.

Am deutlichsten machte dies der ADEDY-Chef Spyros Papaspyrou. Die Financial Times erklärte hierzu richtig, dass Papaspyrou nichts gegen Einschnitte beim Einkommen der öffentlich Beschäftigten hat, solange sie mit "strukturellen" Reformen gegen die "Ineffizienz in der griechischen Verwaltung" einhergehen. Darüber hinaus fordert er die gleichen brutalen Angriffe auf alle Arbeiter. "Wenn die Maßnahmen angemessen sind und nicht nur den Öffentlichen Dienst betreffen, sondern die gesamte Gesellschaft treffen, werden wir alles tun, um unserem Land aus dieser Situation zu helfen", erklärte Papaspyrou in einem Gespräch mit der Financial Times.

Auch die Gewerkschaft der Finanzbeamten stimmte einer Lohnsenkung von rund acht Prozent für ihre Mitglieder zu.

Es ist bezeichnend, dass die Gewerkschaften die Streiks auf unterschiedliche Tage legen und auf 24 Stunden begrenzen. Dies ist typisch für die Salamitaktik, mit der sie den Widerstand zersplittern und in möglichst fruchtlose Bahnen lenken, während sie gleichzeitig aufs engste mit der Regierung zusammenarbeiten. Nicht zufällig wurde während der Demonstrationen im letzten Winter das Hauptquartier der GSSE von Studenten besetzt, die diese reaktionäre Politik anprangerten.

Die stalinistische KKE und die ihr nahe stehende Gewerkschaft PAME schlagen etwas radikalere Töne an und lehnen die Sparmaßnamen Papandreous nach außen hin ab. Doch dies hat nicht viel zu bedeuten und dient nur dazu die radikale Stimmung aufzufangen. Bisher hat die KKE noch bei jeder Gelegenheit mit der Regierung gegen die Bevölkerung packtiert.

Ende der Achtziger Jahre initiierte die Partei ein Bündnis der linken Parteien unter Einbeziehung der zuvor abgespaltenen Eurokommunisten, das unter dem Namen "Koalition der Linken und des Fortschritts 1989" 13 Prozent der Stimmen errang und eine Koalitionsregierung mit der konservativen ND bildete.

Es steht außer Zweifel, dass sich die KKE bei größeren Streiks, anhaltenden Demonstrationen und möglichen Besetzungsaktionen sich offen auf die Seite der Regierung schlagen wird. Sie hat auf die Studentenproteste im letzten Winter mit einem deutlichen Rechtsruck reagiert und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in den Mittelpunkt ihrer Politik gestellt.

Bei großen Demonstrationen ist es mittlerweile Gang und Gäbe, dass die KKE eine eigene Demonstration organisiert, um den Widerstand zu spalten und die Proteste zu schwächen. Auch den gegenwärtigen Protest der Bauern, unter denen die KKE neben der ND den größten Einfluss hat, versucht sie gezielt zu isolieren und von den anderen Protesten zu trennen.

Eine etwas andere Rolle spielt das Linksbündnis SYRIZA. Die scharfen Angriffe der PASOK-Regierung auf die Bevölkerung haben die seit langem bestehenden Konflikte in ihren Reihen stark angeheizt. Am vergangenen Wochenende beschloss das Zentralkomitee der Partei einen Parteitag einzuberufen, um die weitere politische Ausrichtung des Bündnisses festzugelegen. Beobachtern zufolge könnte es zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen den beiden Flügeln kommen, der auch in einer Spaltung enden kann. Der SYRIZA-Vorsitzende Alexis Tsipras hat bereits im Vorfeld mit seinem Rücktritt gedroht falls er unterliegt.

Seit längerem versucht der so genannte "Flügel der Erneuerer" um den früheren Vorsitzenden Alekos Alavanos die Partei näher an die PASOK zu führen.

Auf EU-Ebene plädiert dieser Flügel für ein "klareres Bekenntnis" der Partei zu Europa. Als der aus ihren Reihen stammende bisherige EU-Parlamentarier bei einer parteiinternen Abstimmung über die Kandidatenaufstellung von einem durch Tsipras vorgeschlagenen EU-Skeptiker verdrängt wurde, führte im letzten Jahr bereits zu heftigen Auseinandersetzungen.

Dieser Alavanos-Flügel von SYRIZA stimmt der Sparpolitik Papandreous nahezu vorbehaltlos zu. Er tritt für eine bedingungslose Unterwerfung unter die EU-Institutionen ein. Alekos Alavanos - einer der reichsten und einflussreichsten Männer des Landes - ist seit über 20 Jahren EU-Parlamentarier.

Mehrere Mitglieder haben bereits die "Vereinigte Linke" verlassen und sind zur PASOK gewechselt. Das prominenteste Beispiel ist die Fischereikommisarin Maria Damanaki. Sie ist seit Oktober vergangenen Jahres von Synaspismos, dem größten Bündnis in SYRIZA, das aus den ehemaligen Eurokommunisten entstanden ist, ausgetreten. In den Neunziger Jahren war sie sogar dessen Vorsitzende.

Alexis Tsipras, der Alavanos als Vorsitzenden abgelöst hat, versucht SYRIZA als linke Alternative darzustellen und lehnte die Sparpolitik der Regierung offiziell ab. Seine Befürchtung ist es, dass sich das Linksbündnis zu schnell verschleißt und es ihr bei sozialen Kämpfen nicht mehr gelingt die bürgerliche Ordnung zu retten.

Seine Kritik an den Sparmaßnahmen beschränkt sich auf Warnungen vor sozialen Konflikten und hat einen unüberhörbaren nationalistischen Unterton.

Tsipras bezeichnete die Regierungspolitik als "enttäuschend" und forderte keine Lohnsenkungen um die Kaufkraft nicht zu gefährden. Er beschuldigte die Regierung politische Rahmenbedingungen geschaffen zu haben, die "unserem Land die Hände binden" und beklagte sich in diesem Zusammenhang, dass sich Griechenland nicht direkt bei der Europäischen Zentralbank Geld leihen könne und das das Land ein "Versuchskaninchen" für die EU sei.

Siehe auch:
Streiks gegen Kürzungsprogramm in Griechenland
(5. Februar 2010)
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