In der Sonntagsausgabe der New York Times widmet der außenpolitische Chefkommentator der Zeitung, Thomas L. Friedman seine gesamte Kolumne einer grotesken Lobhudelei der Rolle des amerikanischen Militärs. Er stellt sie als humanitäre und befreiende Kraft dar - vor allem in Afghanistan und dem Irak.
Aus Anlass des an Barack Obama verliehenen Friedensnobelpreises schlägt er dem amerikanischen Präsidenten vor, im Dezember nach Oslo zu fahren, den Preis für sich selbst abzulehnen und zu erklären: "Ich werde ihn im Namen der wichtigsten Friedensmacht des vergangenen Jahrhunderts akzeptieren, der Männer und Frauen der amerikanischen Armee, Marine, Air Force und des Marine Corps."
Friedman zählt Einsätze des amerikanischen Militärs auf, zum Beispiel die Landung in der Normandie im Juni 1944, die Luftbrücke nach Berlin 1948, die Stationierung amerikanischer Truppen in Europa im Kalten Krieg, die Truppenpräsenz in Südkorea und die noch andauernden Operationen im Irak und in Afghanistan. Schon allein die Länge der Liste sollte dem Leser zu Denken geben: Kein zweites Land braucht eine ganze Zeitungsseite, um seine Militäreinsätze der letzten siebzig Jahre aufzuzählen.
Friedmans Darstellung des "vergangenen Jahrhunderts" ist außerdem recht selektiv. Er lässt mehr amerikanische Kriege aus, als er aufzählt. Auf der Liste fehlen der Erste Weltkrieg, der Koreakrieg, der Vietnamkrieg und der erste Golfkrieg. Er erwähnt nicht die Dutzenden militärischen Interventionen der USA in Mittelamerika und der Karibik: Invasionen und Besetzungen von Haiti, der Dominikanischen Republik, Grenadas, Nicaraguas, Panamas und Mexikos.
Auch erwähnt er nicht die Rolle des amerikanischen Militärs, paramilitärischer Kräfte und Geheimdienste beim Sturz von Regierungen, der Unterdrückung von Volksaufständen, der Errichtung von Diktaturen in aller Welt. Selbst eine bloß rudimentäre Liste müsste folgende Länder nennen: den Iran, Indonesien, Pakistan, Brasilien, Chile, Argentinien, Peru, Venezuela, Paraguay, Bolivien, Uruguay, Guatemala, El Salvador, Griechenland, die Türkei und viele afrikanische Länder.
Selbst bei den Kriegen, die Friedman erwähnt, ist seine Darstellung einseitig und falsch. Er schreibt über die Normandie und die Befreiung von Buchenwald, aber nicht über Hiroshima und Nagasaki, und auch nicht über die Bombenteppiche und Feuerstürme von Tokio, Dresden und Hamburg. Er bezeichnet die heutigen amerikanischen Kräfte im Irak und in Afghanistan "Friedenstruppen", ohne die Blutbäder zu erwähnen, die die Invasion und Eroberung dieser Länder begleiteten.
In einer besonders zynischen Passage fordert er Obama auf, ein Loblied auf "die amerikanischen Soldaten zu singen, die jetzt an den Außenposten der afghanischen Berge und Wüsten Wache stehen, um dem Land, und besonders seinen Frauen und Mädchen, ein anständiges Leben, frei vom religiösen Totalitarismus der Taliban, zu ermöglichen". Tausende afghanische Frauen und Kinder sind von amerikanischen Geschossen und Bomben verbrannt, zerrissen und verstümmelt worden, aber das wird wahrscheinlich für ihre "Befreiung" von religiöser Unterdrückung als geringer Preis betrachtet.
Außerdem weiß Friedman genau, dass das obskure Taliban-Regime selbst das direkte Produkt einer früheren amerikanischen Intervention ist. Damals wurden weltweit islamische Fundamentalisten, darunter Osama bin Laden, mithilfe der CIA mobilisiert, um gegen die sowjetische Armee in Afghanistan zu kämpfen. Außerdem bleibt die Unterdrückung der Frauen gänzlich unerwähnt, wenn es sich um Länder wie Saudi-Arabien handelt, die mit den USA verbündet sind.
Friedman versucht, den amerikanischen Imperialismus in "demokratische" und humanitäre" Gewänder zu kleiden. Dabei ist die Unterschlagung von Vietnam besonders entlarvend. Vietnam war der Krieg der Liberalen; er wurde von den Demokratischen Regierungen Kennedys und Johnsons begonnen und im Namen der Verteidigung der "Freien Welt" gegen "kommunistische Aggression" geführt. In Wirklichkeit löste Amerika Frankreich als imperialistische Kolonialmacht ab und versuchte, den Widerstand des vietnamesischen Volkes gegen nationale Unterdrückung und Semi-Kolonialismus zu brechen.
Die Gräueltaten des Vietnamkriegs - Bombenteppiche, Napalm und Agent Orange, "Feuer-frei-Zonen", regelrechte Massaker wie in My Lai, die Unterstützung einer rücksichtslosen und korrupten Diktatur in Südvietnam - diese Erfahrung diskreditierte die Politik des amerikanischen Liberalismus im Kalten Krieg und radikalisierten eine ganze Generation, nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auf der ganzen Welt.
Friedmans Kolumne ist nur der jüngste Versuch, das "Vietnam-Syndrom" zu überwinden und amerikanischen Militäraktionen erneut eine demokratische Fassade zu verpassen. Der außenpolitische Kolumnist der Times ist schon seit langem ein Fürsprecher des amerikanischen Militarismus.
Während sein jüngstes Werk die Rolle des amerikanischen Militärs als rein demokratisch, ja sogar altruistisch zu zeichnen versucht, verteidigte Friedman unter anderen Umständen offen die imperialistischen Ziele Washingtons. Im Januar 2003, als die Bush-Regierung sich auf ihre unprovozierte, illegale Invasion des Irak vorbereitete, schrieb er eine Kolumne in der Times unter der Überschrift "Ein Krieg für Öl?" Seine Antwort war ein begeistertes Ja.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
"Es ist nicht illegitim oder unmoralisch, wenn sich die USA darüber Sorgen machen, dass ein böser, größenwahnsinniger Diktator übermäßigen Einfluss auf den Rohstoff erlangt, der den Schmierstoff der Industriegesellschaft bildet", schrieb er. Wir schrieben damals, dass diese bemerkenswerte Doktrin stark an Hitlers Forderung nach Lebensraum für den deutschen Imperialismus erinnert. Sie gibt den Vereinigten Staaten freie Hand, militärisch in jedem Land zu intervenieren, das über wichtige Rohstoffe verfügt, unabhängig von nationaler Souveränität und internationalem Recht.
Friedmans Glaubensbekenntnis entspricht der Linie der Times, die unablässig für den Krieg in Afghanistan und seine Ausweitung trommelt. Es unterstreicht noch einmal den Marsch des liberalen amerikanischen Establishments nach Rechts.
Die New York Times spricht insbesondere für eine gesellschaftliche Schicht, eine Generation der oberen Mittelschicht, die sich in den letzten drei Jahrzehnten bereichert und ihre frühere Sympathie für Sozialreformen aufgegeben hat, ganz zu schweigen von der Opposition gegen den amerikanischen Militarismus. Ex-Radikale wie Ex-Liberale - sie alle sehen, dass es unmöglich ist, Vietnam als große humanitäre Anstrengung zu verkaufen. Also versuchen sie, wenn auch schuldbewusst, über diese prägende Erfahrung ihrer Jugend schweigend hinwegzugehen.
Aber Vietnam war keine Ausnahme. Es war das Muster für die aktuellen Kriege im Irak und in Afghanistan. Die historische Bilanz führt exakt zum Gegenteil der von Friedman präsentierten, demokratischen und humanitären Rolle des amerikanischen Militärs. Vietnam, Korea, Irak, Lateinamerika - die Opfer gehen in die Millionen. In dem halben Jahrhundert seit Hitler und Stalin hat keine Institution mehr Menschen durch Krieg und Barbarei umgebracht als die Regierung der Vereinigten Staaten und ihr Militär- und Geheimdienstapparat.