20 Jahre seit dem Mauerfall

Der Bund Sozialistischer Arbeiter und das Ende der DDR

Heute vor 20 Jahren, am 4. November 1989, fand in Ost-Berlin die größte Demonstration in der Geschichte der DDR statt. Rund eine Million Menschen kamen zusammen, um gegen die herrschende stalinistische Bürokratie zu protestieren.

Die Berliner Demonstration bildete den Höhepunkt einer Protestwelle, die zwei Monate zuvor in Leipzig begonnen hatte und von Woche zu Woche angewachsen war. Das SED-Regime hatte zu diesem Zeitpunkt bereits den Rückzug angetreten. Am 18. Oktober hatte das Politbüro den langjährigen Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker durch Egon Krenz ersetzt. Kurz danach waren auch andere verhasste SED-Funktionäre - wie Stasi-Chef Erich Mielke und Propagandachef Kurt Hager - zurückgetreten.

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Fünf Tage nach der Berliner Demonstration, am 9. November, öffnete die SED die Mauer und begann einen Prozess der Annäherung an die Bundesrepublik, der über die Zwischenstufen einer Vertragsgemeinschaft und Währungsunion schließlich zur Auflösung der DDR und zur deutschen Vereinigung führte.

Auf der Demonstration vom 4. November war davon allerdings noch keine Rede. Sie stand ganz im Zeichen der sozialen und politischen Opposition gegen das stalinistische Regime. Die zentralen Losungen lauteten: Freie Wahlen! Rücktritt der Regierung! Abschaffung des Machtmonopols der SED! Abschaffung der Privilegien der Partei- und Staatsfunktionäre! Auflösung der Staatssicherheit!

Als Redner traten kleinbürgerliche Vertreter der Opposition auf - vorwiegend Künstler, Pfarrer und Rechtsanwälte -, die sich bemühten, der Wut und Empörung die Spitze zu brechen, und für einen "Dialog" mit den Herrschenden warben. Sie hatten auch SED-Mitglieder wie Gregor Gysi, das Politbüromitglied Günter Schabowski und den langjährigen stellvertretenden Stasi-Chef Markus Wolf als Sprecher eingeladen.

Der Bund Sozialistischer Arbeiter (BSA), die Vorgängerin der Partei für Soziale Gleichheit, verbreitete auf der Demonstration einen Aufruf, den sie als Broschüre gedruckt und in Tausenden von Exemplaren über die Grenze geschmuggelt hatte. Als trotzkistische Partei, die das stalinistische Regime von links bekämpfte, hatte sie zuvor nicht in der DDR arbeiten können. Die SED unterdrückte jede Opposition von unten vehement, während sie spätestens seit den 1970er Jahren enge Beziehungen zur Bundesrepublik und ihren führenden Vertretern Willy Brandt, Helmut Schmidt, Helmut Kohl und Franz Josef Strauß aufbaute.

Der BSA vertrat als einzige politische Strömung ein Programm, das die Opposition gegen den Stalinismus mit einer internationalen sozialistischen Perspektive verband. Seine Warnung, dass die Einführung des Kapitalismus in der DDR, Osteuropa und der Sowjetunion in eine soziale Katastrophe führen und eine neue Periode imperialistischer Kriege nach sich ziehen werde, ist seither voll bestätigt worden.

Der Aufruf des BSA begrüßte die Opposition gegen das SED-Regime. Er stellte die Krise in der DDR in direkten Zusammenhang mit der Krise des Weltkapitalismus, dessen "wichtigste konterrevolutionäre Stütze" der Stalinismus seit nunmehr sechs Jahrzehnten bildete. Die Bundesgenossen im Kampf gegen die SED seien daher "weder Gorbatschow, der Führer der Moskauer stalinistischen Zentrale, noch westliche kapitalistische Politiker oder SPD- und Gewerkschaftsbürokraten, sondern einzig und allein die internationale Arbeiterklasse".

Dieser Aufruf ist dem Band "Das Ende der DDR" entnommen, der weitere Stellungsnahmen und Analysen des BSA enthält und über den Mehring Verlag bestellt werden kann.

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Stürzt die SED-Bürokratie!
Baut Arbeiterräte auf!

Aufruf des Bunds Sozialistischer Arbeiter vom 18. Oktober 1989

Der Bund Sozialistischer Arbeiter (BSA) begrüßt aus vollem Herzen die Massendemonstrationen und den Kampf von Arbeitern und Jugendlichen in der DDR gegen die dort herrschende stalinistische Bürokratie! Wir rufen alle Arbeiter, alle Gewerkschafter und Jugendlichen in Ost- und Westdeutschland dazu auf, diesen Kampf zu unterstützen! Verteidigt alle, die an Demonstrationen oder Streiks teilnehmen, gegen die Unterdrückung und Verfolgung der SED-Bürokratie!

Erst vor wenigen Wochen, im Leitartikel der "Neuen Arbeiterpresse" vom 25. August 1989, haben wir vorausgesagt, dass es sich bei der anhaltenden Massenflucht aus der DDR in Wirklichkeit um Vorboten von Arbeiteraufständen gegen das SED-Regime handelt. Schon jetzt zeigt sich, wie richtig diese Einschätzung war: Aus der Massenausreise aus der DDR hat sich inzwischen eine Massenbewegung in der DDR entwickelt, die bereits zum Sturz des bisherigen Staats- und Parteichefs Erich Honecker geführt hat.

Trotz brutaler Polizeieinsätze ganz in der blutigen Tradition des Stalinismus haben die Demonstrationen von Hunderttausenden von Jugendlichen und Arbeitern in Ost-Berlin, Leipzig, Dresden, Magdeburg und anderen Städten die Herrschaft der arroganten und scheinbar allgewaltigen Bürokratie bereits so sehr in ihren Grundfesten erschüttert, dass sie panikartig Hunderte von Funktionären in alle größeren Werke schickte, um die Belegschaften in "Diskussionen vor Ort" zu beschwichtigen und auf einen "inneren Dialog über alle Probleme" zu vertrösten. Völlig zu Recht fürchtet sie, dass den Demonstrationen auf der Straße schon morgen Massenstreiks in den Betrieben folgen könnten.

Ungeachtet der Tatsache, dass ihre Wortführer in der Öffentlichkeit und deren politische Forderungen vorläufig noch aus überwiegend kleinbürgerlichen Mittelschichten stammen, hat diese Bewegung ihre eigentliche Ursache und ihren mächtigen Antrieb in dem tiefen und unversöhnlichen Hass der Arbeiterklasse auf die herrschende Schicht von Schmarotzern und Bürokraten.

Angeführt wurde und wird diese Bürokratie von altgedienten Bluthenkern des Stalinismus wie Erich Honecker, dem Architekten der Berliner Mauer und Organisator der Todesfallen an der DDR-Grenze, und dessen Zögling und Nachfolger Egon Krenz. Der Wechsel von Honecker zu Krenz in der Staats- und Parteiführung ist Bestandteil der Vorbereitungen der SED-Bürokratie auf die kommenden gewaltsamen Konfrontationen mit der Arbeiterklasse.

Krenz, bisher im ZK der DDR zuständig für den gesamten Sicherheitsapparat der Bürokratie, hatte ausdrücklich das blutige Gemetzel der Pekinger Stalinisten an Tausenden von Arbeitern und Studenten unterstützt und als "Sieg über die Konterrevolution" gefeiert. Er organisierte in der DDR nicht nur regelmäßig die Fälschung aller Wahlergebnisse wie jüngst bei den Kommunalwahlen, sondern auch alle Polizeieinsätze gegen Demonstrationen. Mit ihm hat praktisch der oberste Gefängniswärter und Polizeichef der DDR den Auftrag zur Regierungsumbildung und "Lösung aller Probleme" erhalten. Ebenso wie Honecker steht ihm weiterhin Kurt Hager zur Seite, der seit seiner Tätigkeit als Chefpropagandist der stalinistischen Geheimpolizei im spanischen Bürgerkrieg die Aufgabe hat, für jedes Verbrechen des Stalinismus neue zynische Rechtfertigungen zu finden. Doch auch all die anderen SED-Bürokraten, die vielleicht jünger sind und sich "gemäßigter" und "reformfreudiger" geben, verdanken ihre Positionen und Privilegien einzig und allein diesem Unterdrückungsapparat des Stalinismus.

Erhebung gegen Stalinismus und Kapitalismus

Mit den Massendemonstrationen hat die Arbeiterklasse und Jugend in der DDR sich der chinesischen und sowjetischen Arbeiterklasse im Kampf gegen die stalinistische Bürokratie angeschlossen und die internationale Krise des Stalinismus gewaltig verschärft. Damit stärkt sie gleichzeitig die Arbeiterklasse in Westdeutschland, Westeuropa, Asien und Amerika in ihrem Kampf gegen den Kapitalismus; denn seit nunmehr sechs Jahrzehnten bildet der Stalinismus die wichtigste konterrevolutionäre Stütze des Weltimperialismus innerhalb der internationalen Arbeiterklasse. Der Stalinismus ist dafür verantwortlich, dass die 1917 unter Führung Lenins, Trotzkis und der Bolschewiki begonnene sozialistische Weltrevolution seitdem verzögert und die Arbeiterklasse in tiefe Niederlagen wie 1933 in Deutschland oder 1936 in Spanien geführt worden ist. Durch den Stalinismus sind die Kapitalisten in die Lage versetzt worden, durch grausame Diktaturen und Faschismus an der Macht zu bleiben und ihr Ausbeutungssystem sogar nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs aufrechtzuerhalten.

In zahllosen Verträgen und geheimen Abmachungen ist diese konterrevolutionäre Kollaboration zwischen Imperialismus und Stalinismus geregelt worden: im Hitler-Stalin-Pakt, mit der Zustimmung Moskaus zum Abwurf der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki, mit den Abkommen von Jalta und Potsdam, den Vereinbarungen zur Teilung Vietnams und des indischen Kontinents, zur Errichtung des rassistischen Staates Israel usw. bis hin zu den jüngsten Abmachungen Gorbatschows mit der US-Regierung, die sich gegen die nationalen Befreiungskämpfe und unterdrückten Völker in den "Krisenregionen der Welt" richten, d.h. gegen Nicaragua und Angola, gegen die Palästinenser und Tamilen.

Historische Krise des Kapitalismus

Der Zusammenbruch des Stalinismus heute fällt daher zusammen mit der tiefsten Krise des Imperialismus. Auch die engste Zusammenarbeit zwischen den Imperialisten und Stalinisten konnte nicht verhindern, dass die von Karl Marx entdeckten objektiven Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Produktionsweise heute erneut die unlösbare, historische Krise des Weltkapitalismus zum Ausdruck bringen und revolutionäre Kämpfe der Arbeiterklasse auf die Tagesordnung setzen. Mehr als 20 Millionen offiziell registrierte, mehr als 30 Millionen tatsächliche Arbeitslose in Westeuropa, die immer größere Zerstörung aller nach dem Zweiten Weltkrieg erkämpften Sozialreformen und Rechte wie im Gesundheitswesen und bei den Renten selbst in der Bundesrepublik Deutschland, die Verarmung der Arbeiterklasse in den USA um mehr als 30% gegenüber ihrem Lebensstandard vor zehn Jahren, galoppierende Inflationsraten nicht nur in Lateinamerika, sondern auch in Europa, in Portugal, Griechenland, der Türkei, selbst in entwickelten Industrieländern wie Großbritannien und Italien - das ist die Lage der Arbeiterklasse heute im Kapitalismus, einem Gesellschaftssystem, das in diesem Jahrhundert mit zwei Weltkriegen, Faschismus, zahllosen mörderischen Diktaturen seinen geschichtlichen Bankrott mehr als zur Genüge bewiesen hat.

Erst in diesen Tagen demonstrieren die Unruhen an den Devisenmärkten und der Kurseinbruch an den Börsen der Welt, der an den internationalen Börsenkrach vom Oktober 1987 erinnert, wie brüchig das gesamte internationale Banken- und Finanzsystem ist, dass sein Zusammenbruch jeden Tag erwartet werden und über Nacht zu beispielloser Massenarbeitslosigkeit, Krieg und Bürgerkrieg führen kann. Die Vorbereitungen auf den Europäischen Binnenmarkt, eine Handelskriegsmaßnahme gegen die amerikanischen und japanischen Rivalen am Weltmarkt, bedeuten Klassenkrieg der Kapitalisten in jedem Land zur Zerschlagung der Rechte, Arbeitsplätze und Löhne der Arbeiterklasse im Stil der 30er Jahre; sie bedeuten vor allem auch Vorbereitungen auf neue imperialistische Kriege.

Unweigerlich verlieren unter diesen Bedingungen die reformistischen Betrüger der Sozialdemokratie und des Stalinismus, die der Arbeiterklasse einen auf Jahrhunderte stabilen und reformfähigen Kapitalismus und die Aussichtslosigkeit revolutionärer Perspektiven weismachen wollten, an Einfluss. Während alle reformistischen Bürokraten offen den jeweiligen Nationalstaat der Kapitalisten stärken und im Namen der "nationalen (Profit-)Interessen" die Angriffe auf die Arbeiterklasse durchzusetzen versuchen, indem sie den Nationalismus propagieren, Handelskriege organisieren und den Staatsapparat für den Bürgerkrieg aufrüsten, geht die Arbeiterklasse der ganzen Welt in die entgegengesetzte Richtung: Mehr als jemals zuvor international zusammengeschweißt infolge der Globalisierung der Produktion und des Handels, strebt sie danach, die Ketten des Nationalismus und des bürgerlichen Nationalstaates zu sprengen, mit denen sie von den sozialdemokratischen und stalinistischen Bürokratien gespalten und an die Interessen des Kapitals gefesselt werden soll.

Beginn einer neuen Periode revolutionärer Kämpfe

Die Erhebung der Arbeiterklasse in Osteuropa, in China und der Sowjetunion gegen den Stalinismus muss in diesem Zusammenhang verstanden werden; sie ist Bestandteil einer international sich entwickelnden Rebellion der Arbeiterklasse gegen die sozialdemokratischen und stalinistischen Bürokratien, welche während der vergangenen Jahrzehnte die Arbeiterbewegung politisch zu kontrollieren und dem Imperialismus unterzuordnen in der Lage waren. Damit zerbrechen all die Mechanismen, mit denen der Imperialismus in der Nachkriegszeit herrschte - eine neue Periode revolutionärer Klassenkämpfe hat begonnen! Dies ist in Wirklichkeit die historische Bedeutung der Mobilisierung der Arbeiterklasse in der DDR gegen das Ost-Berliner Regime. Deshalb äußerten sich die kapitalistischen Regierungen und ihre politischen Strategen auch alles andere als erfreut über die Entwicklung in der DDR. Immer wieder betonten Vertreter der Kohl-Regierung wie auch der SPD, dass sie "keinerlei Interesse an einer Destabilisierung der DDR" hätten, da diese "auch schlecht für den Westen" sei.

Der Bund Sozialistischer Arbeiter weist daher warnend auf die Erfahrungen hin, welche die Arbeiterklasse schon 1953 in der DDR und 1956 in Ungarn gemacht hatte: die Bundesgenossen in ihrem Kampf sind weder Gorbatschow, der Führer der Moskauer stalinistischen Zentrale, noch westliche kapitalistische Politiker oder SPD- und Gewerkschaftsbürokraten, sondern einzig und allein die internationale Arbeiterklasse.

Reform oder Revolution?

Mit den jüngsten Massendemonstrationen hat die Arbeiterklasse in der DDR den Kampf wieder aufgenommen, den sie mit dem Arbeiteraufstand 1953 begonnen hat. Gleichzeitig knüpft sie aber auch an die revolutionären Kämpfe gegen die stalinistische Bürokratie in Polen und Ungarn 1956, in der Tschechoslowakei 1968 und wiederum in Polen 1980/81 an. Nun stellt sich für die Arbeiterklasse die Frage, mit welchem Programm dieser Kampf siegreich zu Ende geführt werden kann!

· "Demonstrations- und Organisationsfreiheit!"

· "Redefreiheit! Pressefreiheit!"

· "Zulassung aller Arbeiterparteien zu freien Wahlen!"

· "Abschaffung aller Privilegien für Funktionäre der Staats-, Partei- und Gewerkschaftsbürokratie!"

Erneut sind dies die unmittelbaren Forderungen, die auf den Demonstrationen erhoben oder in den Betrieben diskutiert werden. Der Bund Sozialistischer Arbeiter unterstützt diese Forderungen nachdrücklich! Doch sie durchzusetzen ist nicht möglich im "Dialog" mit der Bürokratie oder durch eine "Reform", wie dies die Gründer des "Neuen Forums" und der Sozialdemokratischen Partei (SDP) in der DDR vertreten!

Die Bürokratie ist ein Krebsgeschwür, eine korrupte Schmarotzerschicht im Arbeiterstaat. Die Forderung des "Neuen Forums" nach einem "Dialog" oder "gleichberechtigten, demokratischen Nebeneinander" zwischen der herrschenden Bürokratie und der restlichen Gesellschaft läuft daher auf die Forderung nach Gleichberechtigung zwischen dem Parasiten und dem von ihm befallenen Organismus hinaus.

Alle Positionen und Privilegien der Bürokratie, ihre ganze Existenz gründet sich gerade auf die Unterdrückung jeglicher demokratischer Rechte der Arbeiterklasse, auf die Unterdrückung der Versammlungs-, Organisations-, Presse-, Rede- und Reisefreiheit mit Hilfe ihrer fanatischen Polizeimaschinerie und ihres Machtmonopols im gesamten Staatsapparat und öffentlichen Leben.

Daher erklärt der Bund Sozialistischer Arbeiter kategorisch: politische Freiheit, demokratische Rechte können nur durch eine politische Revolution erreicht werden, d.h. indem die Arbeiterklasse die herrschende Bürokratie stürzt, aus allen ihren Ämtern und Stellungen vertreibt und ihre eigenen unabhängigen Organe proletarischer Macht und Demokratie errichtet: Arbeiterräte, die von den Arbeitern in den Fabriken und Wohnvierteln gewählt, ihnen verantwortlich sind und sich allein auf deren Stärke und Mobilisierung stützen.

Die Arbeiterklasse muss daher voller Verachtung die Appelle der Bischöfe und Pfaffen zurückweisen, die "vor weiteren Demonstrationen warnen", weil "die Regierung unter dem Druck der Straße nicht zum Dialog zu bewegen" sei. Wie die katholische Kirche in Polen erweist sich die protestantische Kirche in Preußen in dem Moment als offene Stütze der herrschenden Bürokratie, wenn eine offene revolutionäre Erhebung droht. Sie öffnet ihre Kirchen der Oppositionsbewegung nicht, um ihr den Sturz der Herrschenden zu erleichtern, sondern um sie unter Kontrolle zu halten und dem Bündnis von "Thron und Altar" unterordnen zu können. In der Tat wurden die Aufrufe von Bischof Krusche ignoriert bzw. mit der Demonstration von 70.000, eine Woche später 120.000 Arbeitern und Jugendlichen in Leipzig beantwortet.

Nicht weniger Verachtung verdienen die Aufrufe des Präsidiums des Schriftstellerverbandes der DDR zu "revolutionären Reformen". Diese speichelleckenden Hofdichter der Bürokratie wie Hermann Kant oder Stephan Hermlin zeichnen sich dadurch aus, dass sie den Zwang der Gefängnisse, der Geheimpolizei und Gewehre durch die Vergewaltigung des menschlichen Geistes unterstützen, dass sie, den Tagesbedürfnissen der Herrschenden gehorchend, die größten Ideen der Menschheit zu verfälschen und zur Rechtfertigung des Stalinismus und seiner Verbrechen zu missbrauchen suchen. Sie, die gestern noch auf Befehl Ulbrichts oder Honeckers mit Begeisterung Treibjagden auf oppositionelle Schriftsteller und Künstler bis zu deren geistiger und physischer Vernichtung organisiert hatten, schmücken heute ihren Aufruf zu "revolutionären Reformen", d.h. zur Unterordnung unter eine "reformierte" Bürokratie zynisch mit dem Zitat, dass im Sozialismus "die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist". Dieses Zitat stammt aus dem Kommunistischen Manifest, einem Aufruf also, der von Marx und Engels als Programm für die Befreiung der Arbeiterklasse von aller Unterdrückung verfasst worden ist. Während es die vornehmste Aufgabe des Künstlers in der Gesellschaft ist, bei den Unterdrückten und Ausgebeuteten das Streben nach einer besseren Welt wachzuhalten und zu fördern, das Gefühl für menschliche Würde und Größe zu stärken, das jedem Polizeiterror zu trotzen vermag, arbeiten diese "intellektuellen" Prostituierten der Bürokratie daran, dieses Streben und Gefühl zu vernichten und nichts als Zynismus gegenüber den Prinzipien des revolutionären Marxismus zu verbreiten.

Demokratie - bürgerliche oder proletarische?

Die Arbeiterklasse muss jedoch auch das Programm des "Neuen Forums" zurückweisen und mit allen Illusionen in die Politik Gorbatschows, des Führers der Moskauer stalinistischen Bürokratie brechen. Das "Neue Forum" ruft zwar dazu auf, auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren, doch lehnt es die Mobilisierung der Arbeiterklasse zum Sturz der Bürokratie ab und fordert stattdessen "Dialog" und "Reformen".

Die Forderung nach "Demokratie" und "Pluralismus", losgelöst vom oder entgegengesetzt dem Kampf um die Errichtung von Organen der Arbeitermacht, führt nicht zur Befreiung der Arbeiterklasse. Es gibt keine über und unabhängig von den beiden Hauptklassen Proletariat und Bourgeoisie bestehende Regierungsform. Bereits Lenin hat diese Erkenntnis des Marxismus gegen Kautsky verteidigt, der im Namen der "Demokratie" die Oktoberrevolution 1917, d.h. die Machteroberung der Arbeiterklasse in Russland ablehnte und die Niederschlagung der Revolution in Deutschland 1918/19 begrüßte:

",Reine Demokratie’, das ist die verlogene Phrase eines Liberalen, der die Arbeiter zum Narren hält. Die Geschichte kennt die bürgerliche Demokratie, die den Feudalismus ablöst, und die proletarische Demokratie, die die bürgerliche ablöst... Die bürgerliche Demokratie, die im Vergleich zum Mittelalter ein gewaltiger historischer Fortschritt ist, bleibt stets - und im Kapitalismus kann es gar nicht anders sein - eng, beschränkt, falsch und verlogen, ein Paradies für die Reichen, eine Falle und Betrug für die Ausgebeuteten, die Armen." (Lenin, "Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky", Werke Bd. 28, S. 241)

Die von Vertretern der kleinbürgerlichen Mittelschichten in der Protestbewegung gegen das SED-Regime erhobene abstrakte Forderung nach "Demokratie" bzw. ihre teilweise offene Verherrlichung der bürgerlichen Demokratie ist daher in Wirklichkeit ein Deckmantel für die Einführung von bürgerlicher Demokratie, d.h. von der Diktatur des Kapitals über die Arbeiterklasse. Sie entspricht nicht den Interessen der Arbeiterklasse, sondern den Bedürfnissen kleinbürgerlicher Schichten, die auf eine Versöhnung mit der Herrschaft der Bürokratie, auf eine Besserung ihrer eigenen Lage auf dem Rücken der Arbeiterklasse abzielen.

Die Rolle, welche die Propaganda für "Demokratie" und "Öffnung" in der Sowjetunion unter Gorbatschow, in Polen unter General Jaruzelski und in Ungarn unter Pozsgay spielt, muss für die Arbeiterklasse in der DDR eine ernste Warnung sein: sie ist ein Deckmantel für die Zerstörung der letzten noch verbliebenen Errungenschaften der Oktoberrevolution, der verstaatlichten Industrie und Planwirtschaft, für die Einführung von Privateigentum an Produktionsmitteln und Ausbeutung der Arbeiterklasse für Profit im Rahmen von Perestroika.

In Polen haben kleinbürgerlich-radikale Führer mit einem ähnlichen Programm, wie es das "Neue Forum" vertritt, in der Solidarnosc-Bewegung 1980/81 eine entscheidende Rolle gespielt. Sie traten teilweise als "linke" Alternative zu Walesa auf, lehnten jedoch die Mobilisierung der Arbeiterklasse zum Sturz der Bürokratie ab, entwaffneten auf diese Weise die Arbeiterklasse politisch und ebneten dem Kriegsrecht den Weg. Heute sitzen sie in der Mazowiecki-Regierung und führen das durch, wozu sich die stalinistische Bürokratie allein nicht in der Lage gesehen hat: Ein massives, vom Internationalen Währungsfonds diktiertes Programm von Verelendung der Massen durch Preiserhöhungen und gleichzeitigen Lohnstopp, von Werksschließungen und Privatisierungen staatlicher Industrien.

Ein ähnliches Programm zur Wiederherstellung einer "sozialen Marktwirtschaft" und "pluralistischen Demokratie", d.h. kapitalistischer Ausbeutung, wie die Solidarnosc-Führung und Mazowiecki-Regierung in Polen vertritt die neu gegründete "Sozialdemokratische Partei" (SDP) in der DDR, welche ebenso wie das "Neue Forum" ihre Hoffnungen auf Gorbatschow und seine Politik der Perestroika zur "Demokratisierung von Staat und Gesellschaft" setzt.

Der arbeiterfeindliche Charakter dieser Art von "Demokratie" zeigt sich kristallklar am jüngsten sowjetischen Bergarbeiterstreik und den Reaktionen der Moskauer Bürokratie unter Gorbatschow darauf: Der Streik richtete sich nicht nur gegen die schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen, sondern vor allem gegen Inhalt und Folgen der Perestroika-Politik, gegen die Einführung kapitalistischer Privatwirtschaft durch Kooperativen. Er forderte stattdessen Arbeiterkontrolle über die Produktion und Verteilung der Produktionserlöse. Gorbatschow reagierte darauf mit einem Anti-Streik-Gesetz, nach dem Streiks wie der Bergarbeiterstreik für illegal erklärt und wenn überhaupt, dann nur in einigen Industrien unter strikter Kontrolle der Bürokratie organisiert werden und nicht gegen sie gerichtet sein dürfen.

Wie in Polen bleiben auch unter Gorbatschow Presse, Polizei, der gesamte Staatsapparat in den Händen der Bürokratie, die ihre Reihen lediglich um etliche Neureiche und Emporkömmlinge aus den Mittelschichten aufgefrischt hat, um ihre Mauserung zu einer neuen herrschenden kapitalistischen Klasse leichter bewerkstelligen und gegen die Arbeiterklasse durchsetzen zu können.

Das blutige Massaker in Peking und die Truppeneinsätze in der Ukraine und in Georgien gegen Demonstranten beweisen, dass diese sogenannten "Reformen", diese bürgerliche Demokratie, d.h. die Wiedereinführung des Kapitalismus nur mit brutaler Gewalt, durch Armee- und Polizeiterror gegen die Arbeiterklasse durchgesetzt werden kann. Sie zeigen eindringlich den betrügerischen Charakter aller Reden von "Dialog-" und "Reformfähigkeit" der stalinistischen Bürokratie, und zwar aller ihrer Flügel, ob sie von Honecker, Krenz er Modrow, dem Bezirksekretär von Leipzig, in der DDR oder von Ligatschow oder Gorbatschow in der UdSSR angeführt werden. Sowohl die Moskauer Regierung als auch das Ost-Berliner Regime haben die militärische Niederschlagung der Demonstrationen in Peking begrüßt.

Zwischen Gorbatschow und Modrow auf der einen Seite und Ligatschow und Honecker auf der anderen bestehen keine prinzipiellen, sondern nur taktische Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Geschwindigkeit und Methoden bei der Durchsetzung ihrer arbeiterfeindlichen Politik. Der Grund, weshalb die Honecker-Krenz-Clique bisher gezögert hat, dem Kurs Gorbatschows und Jaruzelskis zu folgen, liegt nicht darin, dass sie irgendwelchen "Prinzipien des Sozialismus" anhängt. Sie ist sich vielmehr genau bewusst darüber, dass dieser Kurs ebenso wie in der UdSSR, in China und Polen Massenstreiks und Aufstände der Arbeiterklasse auslösen wird, Entwicklungen, die über das Ausmaß des Aufstands vom 17. Juni 1953 weit hinausgehen werden und denen sie sich nicht gewachsen fühlt.

Wirkliche Arbeiterdemokratie bedeutet die Kontrolle der Arbeiterklasse mittels demokratisch gewählter und jederzeit abberufbarer Arbeiterräte über Produktion, Außenhandel, Güterverteilung und alle sozialen Bereiche wie das Gesundheits- und Ausbildungswesen, das Pressewesen, Arbeitermilizen und alle staatlichen Institutionen. Eine solche proletarische Demokratie ist daher nicht durch die Unterstützung des einen oder anderen Flügels innerhalb der Bürokratie, sondern nur durch die revolutionäre Mobilisierung zum Sturz der gesamten Bürokratie möglich!

Reform, bürgerliche Demokratie bzw. Diktatur des Kapitals auf der einen Seite oder Revolution, Arbeiterdemokratie und Sozialismus auf der anderen - aus dem Klassencharakter des in der DDR herrschenden Regimes ergibt sich zwangsläufig, dass es auch für die Arbeiterklasse in Ostdeutschland ebenso wie in Westdeutschland keinen Weg außerhalb dieser Alternative gibt.

Die Regierungsmacht, der die Arbeiterklasse in der DDR, in ganz Osteuropa und der Sowjetunion gegenübersteht, ist keine "sozialistische Regierung", keine "Arbeiterregierung", die Fehler, Irrtümer oder Schwächen zeigt und die man deshalb durch Druck von unten arbeiterfreundlicher oder demokratischer gestalten könnte. Es handelt sich vielmehr, wie ihre ganze Geschichte zeigt, um ein durch und durch konterrevolutionäres Regime, das seine Privilegien und Willkürherrschaft mit den Polizeistaatsmethoden, der Arroganz und dem Perfektionismus des alten Preußenstaates gegen die Arbeiterklasse verteidigt. Die Existenz und Macht dieser Bürokratie ist mit den Interessen und Bestrebungen der Arbeiterklasse unvereinbar - sie ist in Wirklichkeit der einzige Grund für die Massenflucht aus der DDR und die wachsende Versorgungskrise - und diesen Grund wird die SED-Regierung trotz aller nun verkündeten "Ursachenforschung" und "Dialoge" natürlich niemals nennen, geschweige denn beseitigen. Heuchlerisch tritt sie stattdessen nach wie vor im Namen des "Sozialismus" auf, doch in Wahrheit besteht ihre geschichtliche Rolle darin, die Arbeiterklasse im Dienste der Kremlbürokratie und des Imperialismus von der sozialistischen Revolution abzuhalten.

Die konterrevolutionäre Rolle des Stalinismus

Die Arbeiterklasse in der DDR wie in der Sowjetunion und ganz Osteuropa ist nicht mit dem Versagen des Marxismus oder Scheitern des Sozialismus konfrontiert, sondern mit dem geschichtlichen Bankrott des Stalinismus! Dieser hat seinen Ursprung im Aufstieg der Bürokratie, einer arbeiterfeindlichen, parasitären Schicht im Staats- und dann auch Parteiapparat des ersten Arbeiterstaates während der zwanziger und dreißiger Jahre. Infolge der Niederlagen der Weltrevolution und der daraus folgenden Isolation und Schwächung des sowjetischen Proletariats konnte diese Schicht unter Stalin als ihrem politischen Sprachrohr und Interessenvertreter ihr Schmarotzerdasein in der Sowjetunion ausbauen, die Partei Lenins zerstören, die Arbeiterklasse politisch entrechten und knebeln.

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Mehr und mehr war die eigene Politik der stalinistischen Bürokratie auf internationaler Ebene von ihrem Interesse daran bestimmt, diese Bedingungen aufrechtzuerhalten, d.h. weitere Siege der internationalen Arbeiterklasse, eine Ausdehnung der sozialistischen Revolution auf andere Länder zu verhindern. Das Programm der sozialistischen Weltrevolution wurde unterdrückt und durch das reaktionäre, nationalistische Programm vom "Aufbau des Sozialismus in einem Land" ersetzt. Die revolutionären Marxisten der Linken Opposition um Leo Trotzki wurden verfolgt und ermordet, sämtliche Führer der Oktoberrevolution im Laufe der Moskauer Prozesse hingerichtet.

Die Kommunistische Internationale (Komintern) wurde von einem Instrument der Arbeiterklasse für die Eroberung der Arbeitermacht in ein willfähriges Werkzeug der Kremlbürokratie und deren außenpolitischen Interessen verwandelt. Ihre Führer wurden durch ergebene Lakaien und Henker Stalins ersetzt, Mitglieder, die den revolutionären Traditionen des Marxismus ergeben waren oder auch nur in der geringsten Opposition zur Politik Stalins standen, wurden ausgeschlossen, an die Nazis ausgeliefert, im spanischen Bürgerkrieg von der Geheimpolizei Stalins liquidiert oder, sofern sie vor den Nazis in die Sowjetunion geflohen waren, dort umgebracht oder in die sibirischen Lager verfrachtet.

Nur die von Leo Trotzki geführte Internationale Linke Opposition und die von ihr 1938 gegründete Vierte Internationale haben seitdem das Programm der sozialistischen Weltrevolution in der internationalen Arbeiterbewegung verteidigt.

Die stalinistische Bürokratie hingegen war zur wichtigsten konterrevolutionären Stütze des Imperialismus innerhalb der internationalen Arbeiterbewegung geworden. Dies bewiesen der historische Verrat der KPD- und Kominternführung von 1933, der die kampflose Machtübernahme der Faschisten in Deutschland ermöglicht hatte, und die anschließend von Stalin eingeschlagene Volksfrontpolitik zur Verteidigung der kapitalistischen "Demokratie", des bürgerlichen Staates, gegen die Arbeiterklasse wie im spanischen Bürgerkrieg und in Frankreich.

Ursprung und Klassencharakter des DDR-Staats

Die DDR-Bürokratie steht direkt in dieser konterrevolutionären Tradition der Kremlbürokratie, als deren Werkzeug sie eingesetzt worden ist. Sie ist das Produkt der Abmachungen, die Stalin mit den Imperialisten in Jalta und Potsdam getroffen hatte. Sowohl auf Seiten der Imperialisten als auch auf Seiten der Kremlbürokratie waren diese Abmachungen völlig bestimmt von der Furcht vor revolutionären Entwicklungen in der Arbeiterklasse. Moskau verpflichtete sich, jede revolutionäre Bewegung mit Hilfe der ihm ergebenen Parteiapparate in den jeweiligen Ländern niederzuschlagen und so die Herrschaft der Imperialisten in "ihren Einflusszonen" zu garantieren. Die Moskauer Bürokratie handelte sich so die Zustimmung der amerikanischen, französischen und britischen Imperialisten zu einer eigenen "Einflusszone" in Osteuropa aus, wo sie zum Schutz der Sowjetunion vor erneuten Überfällen und Kriegen sogenannte "Pufferstaaten" errichten wollte. Durch dieses Abkommen, dem die Revolutionen in Griechenland, Italien, Frankreich, in Persien, Vietnam, Japan und vielen anderen Ländern zum Opfer fielen, hoffte die stalinistische Bürokratie, eine friedliche Koexistenz mit dem Imperialismus auf Kosten der internationalen Arbeiterklasse erreichen zu können.

Kernstück dieser Verschwörung war die Teilung und militärische Kontrolle der deutschen Arbeiterklasse, vor deren Wiedererstarken und revolutionärem Potential die Kremlbürokratie nicht weniger Angst hatte als die Imperialisten selbst; denn eine revolutionäre Erhebung in Deutschland würde unmittelbar die Arbeiterklasse in der UdSSR mobilisieren und in ihrem Kampf zum Sturz der Bürokratie in der Sowjetunion stärken.

Die Teilung Deutschlands ist daher keine nationale Frage, sondern eine Klassenfrage! Sie war die Voraussetzung dafür, dass in den Besatzungszonen unter der Kontrolle der westlichen Alliierten der Staatsapparat, Polizei, Justiz und Geheimdienste von den Nazis im wesentlichen unverändert übernommen, Konzernherren wie Krupp, Thyssen, Siemens, Nazi-Bankiers wie H. J. Abs bald alle wieder in ihre alten Stellungen gebracht werden konnten. Auch die stalinistische Bürokratie hatte nicht die Zerschlagung und Enteignung des Kapitals in Deutschland, das schon zwei Weltkriege angezettelt hatte, sondern die Zerstückelung und Schwächung der Arbeiterklasse zum Ziel. In der von der Sowjetarmee besetzten Ostzone dachten Stalin und seine Vertreter nicht im entferntesten daran, die Arbeiterklasse für die sozialistische Revolution zu mobilisieren - im Gegenteil: Die KPD erklärte in ihrem Gründungsaufruf 1945, das Ziel sei vielmehr eine "antimonopolistische Demokratie", ein "demokratischer Kapitalismus", in dem das Recht auf Privateigentum an Produktionsmitteln garantiert, die "freie Unternehmerinitiative" geschützt und die Arbeiterklasse dazu verurteilt war, erst einmal "bürgerliche Demokratie zu lernen".

Um dieses reaktionäre Programm zu verwirklichen, wurde aus Moskau die Gruppe Ulbricht eingeflogen, deren Mitglieder wie Ulbricht ausgewählte und absolut zuverlässige Kreaturen Stalins waren oder sich im spanischen Bürgerkrieg wie Wilhelm Zaisser und Franz Dahlem als Henker der stalinistischen Geheimpolizei bewährt hatten. Ihre Verbündeten fand die Gruppe bei sozialdemokratischen Bürokraten wie Otto Grotewohl, die sich mit den Stalinisten in der Feindschaft gegen eine sozialistische Revolution und im Ziel eines "demokratischen Kapitalismus" einig waren.

Ihr Gegner war die Arbeiterklasse, die in einer starken spontanen Bewegung mit dem Kapitalismus, der Ursache von Krieg und Faschismus, Schluss machen wollte, alte Kapitalisten und ihre Direktoren aus den Betrieben warf, Betriebsräte aufbaute, um die Produktion unter ihre Kontrolle und wieder in Schwung zu bringen. Gestützt auf den stalinistischen Geheimdienst und die sowjetische Militärmacht gingen die Stalinisten um Ulbricht daran, einen Polizeistaatsapparat aufzubauen, um diese Bewegung der Arbeiterklasse unter Kontrolle zu bringen.

Erst angesichts der neuerlichen wirtschaftlichen und militärischen Offensive gegen die Sowjetunion, welche die Imperialisten 1947/48 mit dem Marshallplan begonnen hatten, sah sich die stalinistische Bürokratie in Moskau angesichts einer scharfen Klassenpolarisierung in Osteuropa gezwungen, ihre Pläne zum Aufbau "demokratisch-kapitalistischer" Regimes als Pufferstaaten aufzugeben und durch das nicht weniger reaktionäre Programm vom "Aufbau des Sozialismus in einem" bzw. einem halben Land zu ersetzen. Unter dem Druck der Arbeiterklasse führte sie umfangreiche Verstaatlichungen durch, begann sie den Aufbau einer zentralen Planwirtschaft. Doch die Bürokratie führte diese Maßnahmen - aus Furcht vor der Arbeiterklasse, die dadurch gestärkt wurde und mobilisiert zu werden drohte - mit den ihr eigenen bürokratischen Methoden durch, um alle unabhängigen Aktivitäten und politischen Regungen der Arbeiterklasse zu knebeln und im Keim zu ersticken.

Die Errungenschaften der Oktoberrevolution von 1917 wurden zwar auf Osteuropa ausgedehnt, jedoch nicht durch die bewussten, revolutionären Aktionen der Arbeiterklasse und ihrer unabhängigen Machtorgane, sondern durch eine allmächtige Bürokratie, die damit ihre Kontrolle über die Arbeiterklasse aufrechtzuerhalten suchte und danach trachtete, ein solches sozialistisches Bewusstsein und solche revolutionäre Aktionen der Arbeiterklasse gerade zu verhindern. Der Arbeiterklasse wurde ihr "Heil" von oben verordnet, und es wurde mit dem Polizeistiefel durchgesetzt.

Die trotzkistische Bewegung hat daher stets den völlig deformierten Charakter dieser Arbeiterstaaten in Osteuropa wie der DDR betont, die den konterrevolutionären Manövern der stalinistischen Bürokratie und nicht einer sozialistischen Revolution der Arbeiterklasse entsprungen sind. Der ökonomisch an und für sich fortschrittliche Inhalt der Einführung der staatlichen Planwirtschaft hat, geschichtlich gesehen, ein weit geringeres Gewicht als der unermessliche Schaden, den die stalinistische Bürokratie im Bewusstsein des Weltproletariats angerichtet hat, indem sie die Perspektiven des Sozialismus völlig in Verruf gebracht und die sozialistische Weltrevolution damit um Jahrzehnte zurückgeworfen hat.

Offen zutage getreten ist der durch und durch arbeiterfeindliche Charakter des Ulbricht/Honecker-Regimes kurz nach der Verkündung des "Aufbaus des Sozialismus in der DDR", als im Juni 1953 der Aufstand von Hunderttausenden von Arbeitern von sowjetischen Panzern niedergewalzt, mehr als 200 Arbeiter erschossen und Tausende ins Gefängnis geworfen wurden. Endgültig jeden Rest an politischer Glaubwürdigkeit hatte damit nicht nur die Ost-Berliner Bürokratie, sondern auch die Kremlbürokratie verloren, die angesichts des Siegs der Roten Armee über den Hitlerfaschismus und angesichts der unverhohlenen Restauration und Wiederbewaffnung des deutschen Imperialismus in Westdeutschland bis dahin bei der Arbeiterklasse immer noch über einige Anerkennung verfügt hatte.

Was immer die stalinistische Bürokratie in der Folgezeit an materiellen Zugeständnissen an die Arbeiterklasse in Fragen des Lebensstandards machen musste und gemacht hat, um ihre eigene Herrschaft zu stabilisieren, so bedeuteten sie niemals eine politische Reform im Sinne einer Beteiligung der Arbeitermassen an der Gestaltung und Organisation der Gesellschaft durch unabhängige Organe einer Arbeiterdemokratie. Die herrschende Kaste missbrauchte die zentrale Planwirtschaft und ihre Positionen darin nicht nur für ihre persönliche Bereicherung; sie versuchte mit ihrer Hilfe auch systematisch, sich eine breitere soziale Basis gegenüber der Arbeiterklasse zu verschaffen, indem sie einer wachsenden Schar von Elementen aus dem Kleinbürgertum, aus der Intelligenz und aus den oberen Arbeiterschichten privilegierte Stellungen in Staat, Wirtschaft und Verwaltung oder als "Hofsänger", "Hofdichter" und "Staatssportler" im "Kulturleben" der Bürokratie verschaffte.

Ganz gleich, mit welchen Phrasen und Behauptungen die SED-Führung antrat, sei es, dass "der Sozialismus bereits verwirklicht", "voll entwickelt" sei oder "real existieren" würde, stets dienten sie dazu, die Wirklichkeit zu verschleiern: nämlich, dass die Arbeiterklasse unterdrückt, dass selbst die Ende der vierziger Jahre unter dem Druck der Arbeiterklasse eingeführten, jedoch sehr begrenzten und nur mit bürokratischen Methoden organisierten Reformen, die Verstaatlichungen und Elemente einer staatlichen Planwirtschaft mehr und mehr unterhöhlt wurden, und schließlich, dass die stalinistische Bürokratie auch in Ost-Berlin vor allem als Stütze und Agentur des Imperialismus gegenüber der internationalen Arbeiterklasse arbeitete.

Nichts demonstrierte drastischer diese konterrevolutionäre Rolle der stalinistischen DDR-Bürokratie als der Bau der Berliner Mauer, mit dem die Grenzen der DDR völlig dicht gemacht und den Arbeitern alle Möglichkeiten, der bürokratischen Unterdrückung auszuweichen, versperrt wurden. Der Mauerbau war nichts anderes als eine Maßnahme, um die Vereinbarungen und Strategien von Potsdam und Jalta gegenüber einer seit dem Krieg erstarkten und selbstbewusst gewordenen Arbeiterklasse aufrechtzuerhalten; er bewirkte nicht nur eine Konsolidierung der Macht der Bürokratie innerhalb der DDR, sondern auch des westdeutschen Kapitalismus. In den Jahren, in denen die Adenauer-Erhard-Regierung durch zunehmende Kämpfe der Gewerkschaften, durch die Spiegel-Affäre und die erste große Wirtschaftsrezession in die größte politische Krise der Nachkriegszeit gestürzt wurde, lieferte die Ost-Berliner Bürokratie stets genügend Material für die antikommunistische Ideologie, mit der die sozialdemokratische Bürokratie die westdeutsche Arbeiterklasse der Adenauer- bzw. Erhard-Regierung, später einer Großen Koalition und der kapitalistischen SPD/FDP-Regierung unterzuordnen vermochte.

Entgegen der stalinistischen Propaganda vom "antifaschistischen Schutzwall gegen den Imperialismus" ermöglichte die Kasernierung der Arbeiterklasse in der DDR durch den Mauerbau der Ulbricht-Bürokratie in Wirklichkeit, in der Wirtschaft die ersten Schritte in Richtung auf eine kapitalistische Restauration durchzusetzen. Was in der Sowjetunion am Widerstand der Arbeiterklasse scheiterte und schließlich infolge wachsender Streiks und Kämpfe der Arbeiter in den Industriezentren zum Sturz Chruschtschows führte - nämlich der Versuch, in umfassendem Maße kapitalistische Methoden zur Erhöhung der Arbeitsproduktivität in den Betrieben, die sogenannten "Libermanschen Reformen" durchzusetzen - wurde von Ulbricht im Namen des "Neuen ökonomischen Systems" organisiert: die allgemeine Wiedereinführung des Leistungslohnes, der 1945 von der Arbeiterklasse und ihren Betriebsräten in den meisten Industriebetrieben abgeschafft worden war, die Profitorientierung des einzelnen Betriebs, und sogar die Abhängigkeit des Lohns von dem im jeweiligen Betrieb erwirtschafteten Gewinn.

Doch bereits Ende der sechziger Jahre sah sich die DDR-Bürokratie gezwungen, die Dezentralisierung und begonnene Auflösung der Planwirtschaft wieder rückgängig zu machen. Sie war zutiefst erschrocken über die Kämpfe der Arbeiterklasse in der CSSR (1968) und Polen (1970/71) gegen die dortigen herrschenden Bürokratien und über die gleichzeitige gewaltige Mobilisierung der westeuropäischen und gesamten internationalen Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus, die im französischen Generalstreik vom Mai/Juni 1968 einen Höhepunkt gefunden, zum Sturz zahlreicher Diktaturen wie in Griechenland und Portugal und in Westdeutschland zur ersten SPD-geführten Bundesregierung geführt hatte. Die SED-Führung trat die Flucht nach vorn an, löste Ulbricht durch Honecker ab und suchte ihre Herrschaft durch umfassende Zugeständnisse an die Arbeiterklasse, wie die Subventionierung der Lebensmittelpreise und Wohnungsmieten etc., und gleichzeitig durch eine engere Zusammenarbeit mit den westdeutschen Kapitalisten im Rahmen der "neuen Ostpolitik" zu stabilisieren.

Ursache und Ausweg der gegenwärtigen Krise in der DDR

Die Wirtschaftskrise heute in der DDR wie in ganz Osteuropa und der Sowjetunion ist das direkte Ergebnis der stalinistischen Politik vom "Aufbau des Sozialismus in einem Land": die Wirtschaft dieser entarteten und deformierten Arbeiterstaaten wurde von der Entwicklung der Produktivkräfte, von der internationalen Arbeitsteilung und den Ressourcen der Weltwirtschaft isoliert und in die ökonomisch und geschichtlich völlig bankrotten Zwangsjacken des Nationalstaates gezwängt, die zu immer schärferen wirtschaftlichen Ungleichgewichten, Versorgungsschwierigkeiten und sozialen Spannungen führten.

Seit Anfang der achtziger Jahre haben die Auswirkungen der kapitalistischen Weltwirtschaftskrise auf die Staaten des COMECON (RGW) - fallende Erdölpreise und verschlechterte Absatzmöglichkeiten am kapitalistischen Weltmarkt, damit drastisch fallende Deviseneinnahmen - dazu geführt, dass in einem Land nach dem anderen der Spielraum der Bürokratie für Zugeständnisse an die Arbeiterklasse völlig beseitigt wurde. Die revolutionären Konsequenzen davon bzw. die tödliche Gefahr für die stalinistische Bürokratie wurden sofort deutlich mit der Massenbewegung der Arbeiterklasse in Polen 1980/81.

Es gibt nur zwei Arten, die in der Isolation von den Ressourcen der Weltwirtschaft begründete Wirtschaftskrise der Sowjetunion und der osteuropäischen Länder zu überwinden:

- entweder die kapitalistische Art, d.h. die Reintegration dieser Staaten in den kapitalistischen Weltmarkt durch die Wiederherstellung kapitalistischer Eigentums- und Ausbeutungsverhältnisse, wobei die stalinistische Bürokratie sich, gestützt auf die imperialistischen Banken und Konzerne des Westens und auf die oberen Schichten des Kleinbürgertums im eigenen Land, in eine neue herrschende kapitalistische Klasse verwandelt

- oder die sozialistische Art, d.h. durch die Verteidigung der staatlichen Planwirtschaft und ihre Reinigung von allen bürokratischen Entartungen durch den Sturz der stalinistischen Bürokratie und die Ausdehnung der sozialistischen Eigentumsverhältnisse auf die restliche, kapitalistische Welt durch die Vollendung der sozialistischen Weltrevolution.

Die Gefahr der kapitalistischen Restauration

Der erste Weg, der Weg der konterrevolutionären Restauration des Kapitalismus, wird von der Kremlbürokratie unter Gorbatschow, gefolgt von Jaruzelski in Polen und den Stalinisten in Ungarn eingeschlagen. Gorbatschow zieht damit die Schlussfolgerungen aus den Ereignissen in Polen 1980/81. Die Oppositionsbewegung in der DDR, insbesondere aber der Bergarbeiterstreik in der Sowjetunion und die Kämpfe der chinesischen Arbeiterklasse drücken aus, dass die Arbeiterklasse auch in diesen Ländern begonnen hat, die Zwangsjacken der Unterdrückung und nationalen Isolation zu sprengen und sich gegen die Bürokratie zu erheben.

Die bewusstesten und rechtesten Teile der Bürokratie, angeführt von Gorbatschow, versuchen dem zuvorzukommen und die Herrschaft der Bürokratie zu retten, indem sie die bürgerliche Reaktion, die mit dem Aufstieg der stalinistischen Bürokratie in den zwanziger und dreißiger Jahren bereits begonnen hatte, aber bis heute die Oktobererrungenschaften nicht zerstören konnte, zu Ende führen: durch die Wiederherstellung kapitalistischer Eigentums- und Ausbeutungsverhältnisse, durch die Integration der Arbeiterstaaten in den kapitalistischen Weltmarkt.

Auch in der DDR hat nun die SED-Führung mit der Ablösung Erich Honeckers und des für die Wirtschaft zuständigen Regierungsmitglieds Günter Mittag zu erkennen gegeben, dass sie auf Gorbatschows Kurs einschwenkt. Gestützt auf ihre schon lange bestehenden engen Verbindungen zu westlichen Konzernen und Banken wird die neue Führung ebenfalls versuchen, selbst die sehr begrenzten Reformen und wirtschaftlichen Zugeständnisse an die Arbeiterklasse, die mit den staatlichen Eigentumsverhältnissen und der Planwirtschaft verbunden waren, zu beseitigen, den Kapitalismus wieder herzustellen und die Bürokratie dabei in eine neue Klasse von Kapitalisten zu verwandeln.

Schon jetzt nutzen die Bürokraten in Ost-Berlin, Leipzig und Dresden den Ruf nach "Reformen" dazu, um "mehr Leistung" und "leistungsgerechtere Entlohnung" in den Betrieben zu fordern. Damit meinen sie jedoch nicht die Abschaffung der Privilegien und Posten für die Bürokraten, die keinerlei Leistung erbringen, sondern die Spaltung der Belegschaften durch Prämien und hohe Lohndifferenzierung mit dem Ziel, die Arbeitsproduktivität durch verschärfte Arbeitshetze zu erhöhen und so die Integration in den kapitalistischen Weltmarkt voranzutreiben. Dass sie sich über die revolutionären Konsequenzen dieses Kurses und damit über die Gefahren für ihre Herrschaft sehr bewusst sind, beweist nur die Tatsache, dass sie den obersten Leiter des Polizei- und Sicherheitsapparates, Egon Krenz, zu ihrem neuen Führer erkoren haben.

Es ist die Stellung der DDR-Wirtschaft in der Weltwirtschaft, welche die SED-Bürokratie unerbittlich in diese Richtung treibt. Ungeachtet der reaktionären stalinistischen Fiktion vom "Aufbau des Sozialismus in einem" bzw. in einem halben Land ist die Wirtschaft der DDR ähnlich wie in der BRD in hohem Maße vom Export abhängig. Mehr als die Hälfte des Nationaleinkommens wird durch den Export auf dem Weltmarkt aufgebracht (Weltdurchschnitt: 17%). Bisher gehen mehr als zwei Drittel dieser Exporte in die RGW-Staaten. Doch die UdSSR, mit der allein 40% des Außenhandels der DDR abgewickelt werden, ist gerade dabei, ebenso wie Polen den Außenhandel auf den kapitalistischen Westen zu orientieren und auch innerhalb Osteuropas eine kapitalistische Marktwirtschaft durchzusetzen. An die Stelle von staatlichen sowjetischen Behörden, mit denen feste Planzahlen als Grundlage für die Entwicklung der DDR-Wirtschaft als Ganzes vereinbart werden konnten, treten nun einzelne Unternehmen, die niedrigere Preise und höhere Qualität entsprechend dem Weltmarktniveau fordern, an keine staatlichen Verträge gebunden sind und daher mit dem Abbruch der Handelsbeziehungen drohen können.

In der Vergangenheit war gerade der Außenhandel mit den RGW-Ländern die Grundlage dafür, dass die stalinistische Bürokratie der Arbeiterklasse in der DDR, was den Lebensstandard betrifft, bisher Zugeständnisse machen konnte. Infolge des kapitalistischen Restaurationskurses bei den osteuropäischen Handelspartnern versiegt diese Einnahmequelle und die Unvereinbarkeit der Interessen der herrschenden Schmarotzerschicht mit den Bestrebungen der Arbeiterklasse tritt offen zutage.

Die hoffnungslose Überalterung der Industrie im Vergleich zum Weltstandard konnte nur so lange verschleiert werden, als die DDR im Vergleich zu ihren osteuropäischen Partnern immer noch einen relativen Produktivitätsvorsprung aufweisen konnte und so ein Abnehmerkreis gesichert war. Jetzt aber bricht der COMECON auseinander, und jedes nationale Regime will moderne Technologien und Maschinen aus dem Westen importieren und aus der DDR höchstens noch Konsumgüter, an denen es dort selbst an allen Ecken und Enden mangelt.

Was die innere Innovationskraft der DDR-Industrie betrifft, so kann die von Honecker in einer lächerlichen Fernsehshow gefeierte "selbständige Entwicklung eines Mega-Chips" (der frühestens in drei Jahren industriell gefertigt werden kann) nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie infolge der Isolation von der internationalen Entwicklung der Technologie drastisch gesunken ist. Die Existenz des bürokratischen Apparats von Parasiten, welche die Arbeiterklasse unterdrücken, erweist sich als das größte Hindernis für die Entwicklung der Produktivkräfte und für eine harmonische Entfaltung der Wirtschaft.

Die Geschwindigkeit, mit der gerade in den osteuropäischen Staaten einschließlich der DDR die stalinistischen Bürokratien auf den Kurs von Gorbatschow zur kapitalistischen Restauration einschwenken, zeigt, dass die von der Bürokratie Ende der vierziger Jahre durchgeführten Verstaatlichungen und Maßnahmen zum Aufbau einer Planwirtschaft keinerlei endgültige Lösung der Probleme der Arbeiterklasse darstellten, sondern, geschichtlich gesehen, einen höchst flüchtigen Charakter aufweisen. Das weitere Schicksal dieser Arbeiterstaaten hängt einzig und allein von der Arbeiterklasse ab und von ihrer Fähigkeit, die stalinistische Bürokratie durch eine politische Revolution zu stürzen, ihre eigenen Machtorgane aufzubauen und sich so mit der Arbeiterklasse im kapitalistischen Westen im Kampf gegen den Imperialismus und seine bürokratischen Agenturen zu verbünden.

Das trotzkistische Programm der politischen Revolution

Für diesen zweiten, den sozialistischen Weg aus der Krise der DDR und aller anderen stalinistisch deformierten und entarteten Arbeiterstaaten kämpft die Vierte Internationale unter Führung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale und ihre deutsche Sektion, der Bund Sozialistischer Arbeiter.

Das Programm der politischen Revolution ist von Leo Trotzki in den dreißiger Jahren im Kampf gegen den Stalinismus entwickelt worden. Es gilt uneingeschränkt auch für die nach dem Zweiten Weltkrieg von der Kremlbürokratie errichteten deformierten Arbeiterstaaten Osteuropas und gründet sich auf die Tatsache, dass die stalinistische Bürokratie selbst die größte Gefahr für die noch vorhandenen Oktobererrungenschaften in der Sowjetunion und für die verstaatlichten Eigentumsverhältnisse in Osteuropa, dass sie ferner das größte Hindernis für die Vollendung der sozialistischen Weltrevolution darstellt.

Die politische Revolution, der Sturz der konterrevolutionären Bürokratie durch die Arbeiterklasse in der Sowjetunion und in anderen von ihr beherrschten Ländern ist daher ein untrennbarer Bestandteil des Programms der sozialistischen Weltrevolution. Nur durch die politische Revolution können die Oktobererrungenschaften, insbesondere die staatliche Planwirtschaft verteidigt und von allen bürokratischen Entartungen gereinigt, kann die sowjetische und osteuropäische Arbeiterklasse mit ihren Klassenbrüdern im kapitalistischen Westen zur Vollendung der sozialistischen Weltrevolution und zum Aufbau des Sozialismus vereinigt werden.

Dies ist auch das einzige Programm, mit dem die Arbeiterklasse in der DDR sich nicht nur gegen eine kapitalistische Restauration von innen verteidigen kann, sondern auch gegen eine, die von außen durch eine militärische Aggression der Imperialisten droht. Die Notwendigkeit und das Streben der kapitalistischen Mächte im Westen, die seit der Oktoberrevolution verloren gegangenen Gebiete in der Sowjetunion, Osteuropa und China unter allen Umständen zurückzuerobern, ist für die deutsche Bourgeoisie um so dringender, als sie nach zwei verlorenen Weltkriegen zwar erneut über eine hochproduktive, auf den Export am Weltmarkt ausgerichtete Industriemacht, jedoch nur noch über die Hälfte ihres früheren Territoriums als Binnenmarkt und Ausgangsbasis für wirtschaftliche oder militärische Eroberungsfeldzüge verfügt.

Diese Kriegsgefahr, die den objektiven Widersprüchen der kapitalistischen Produktionsweise, ihrer weltweiten unlösbaren Krise und den objektiven Notwendigkeiten der kapitalistischen Klasse entspringt, kann nicht durch Abrüstungsverhandlungen, sondern nur durch den Sturz des Kapitalismus gebannt werden. Ohne im mindesten Gorbatschows jüngste weitgehende Angebote, die Sowjetunion zu entwaffnen, zum Anlass zu nehmen, ihre Kriegsvorbereitungen einzuschränken oder gar einzustellen, setzen die Imperialisten vorläufig doch noch auf die Karte der Restauration von innen, d.h. darauf, dass ihnen die stalinistische Bürokratie in der Sowjetunion und Osteuropa durch die Zerschlagung der verstaatlichten Eigentumsverhältnisse und der Planwirtschaft die Eroberung des "Lebensraums im Osten" und die "Wiedervereinigung Deutschlands" auf kapitalistischer Grundlage organisiert.

Deshalb verkünden ihre politischen Strategen gegenwärtig immer wieder, dass es jetzt darauf ankomme, die "Reformbewegung" in der DDR zu unterstützen und dieser nicht durch einen allzu lauten und voreiligen Ruf nach "Wiedervereinigung" zu schaden; sie fürchten zu Recht, dass sonst der Widerstand der Arbeiterklasse in der DDR gegen die kapitalistische Restaurationspolitik nur noch mehr mobilisiert würde.

Die konterrevolutionäre Rolle der Sozialdemokratie

Die Hauptbemühungen der westdeutschen Bourgeoisie angesichts der Massenbewegung in der DDR sind wie schon 1953 darauf ausgerichtet, die Herrschaft ihrer Agentur in der DDR, der SED-Bürokratie, zu stabilisieren und eine revolutionäre Erhebung der Arbeiterklasse zu verhindern. Sie stützt sich dabei vor allem auf die sozialdemokratische Bürokratie.

Bereits Anfang der siebziger Jahre ist die SPD/FDP-Regierung unter Brandt im Rahmen der "neuen Ostpolitik" der krisengeschüttelten Bürokratie in Polen und der DDR zu Hilfe geeilt und hat gleichzeitig mit Milliardenkrediten und Osthandel das Eindringen der westdeutschen Banken und Konzerne in die Wege geleitet. Nach der Verhängung des Kriegsrechts in Polen war die SPD/FDP-Regierung unter Helmut Schmidt die erste westliche Regierung, welche dem Jaruzelski-Regime umfangreiche Unterstützung zusagte, allein schon um die Eintreibung der Zinsen für die westdeutschen Banken mit Hilfe der Militärdiktatur zu sichern.

Heute ist die SPD, sobald die ersten Massenausreisen und -demonstrationen in der DDR Arbeiteraufstände und damit höchste Gefahr für die Stabilität der SED-Bürokratie ankündigten, sofort auf den Kurs eingeschwenkt, unter dem Deckmantel der Kampagne für "Reformen" und "Demokratie" den Flügel der Bürokratie zu unterstützen, der offen nach einer kapitalistischen Restauration ruft. Im Auftrag der westdeutschen Bourgeoisie reiste der SPD-Vorsitzende Vogel als Bauchhändler des Kapitalismus in Polen und Ungarn herum und pries die Vorzüge der "freien Marktwirtschaft". Seine Forderung nach einem "Marshallplan für Osteuropa" ist nicht von der Sorge um die Millionen von Arbeitern getragen, die in Polen und Ungarn gerade die "Vorzüge der Marktwirtschaft" in Form einer 1000%igen Inflation, steigenden Massenarbeitslosigkeit und Hungersnot genießen dürfen, sondern von der Sorge um die Festigung der kapitalistischen Restauration gegen den Widerstand der Arbeiterklasse.

Der Bund Sozialistischer Arbeiter warnt daher die Arbeiter in der DDR vor den Schalmaienklängen der SPD über "demokratischen Sozialismus" und "Hilfe für die Menschen im Osten". Dieselben sozialdemokratischen Bürokraten der SPD- und Gewerkschaftsführung organisieren in Westdeutschland zur "Erhaltung des Industriestandortes Bundesrepublik", d.h. zur Erhöhung der Profite der nationalen Konzerne die Stilllegungen in der Stahlindustrie, im Bergbau, die Verschärfung der Ausbeutung in allen Betrieben durch Arbeitshetze, Rationalisierungen und Wochenendarbeit, oder helfen der Kohl-Regierung bei den Angriffen auf die Renten und das Gesundheitswesen. Der Bund Sozialistischer Arbeiter ruft daher die Arbeiter in Westdeutschland dazu auf, die sozialdemokratischen Handlanger des Kapitals aus der Arbeiterbewegung zu vertreiben und sich mit den Arbeitern in der DDR im Kampf gegen Stalinismus und Kapitalismus zusammenzuschließen.

Im kapitalistischen Westen der Kampf für eine Arbeiterregierung, die sich auf Arbeiterräte stützt und die Konzerne und Banken entschädigungslos enteignet und unter Arbeiterkontrolle stellt, im Osten der Kampf für die politische Revolution zum Sturz der stalinistischen Agenturen des Kapitals - das ist der Weg, die Sowjetunion, ganz Osteuropa und Westeuropa und damit auch Deutschland auf sozialistischer, revolutionärer Grundlage zu vereinen und Vereinigte Sozialistische Staaten von Europa als ersten Schritt zu einer Sozialistischen Weltrepublik zu bilden.

Warnung vor dem Pablismus

Diesem proletarischen, internationalistischen Programm direkt entgegengesetzt sind all die anderen Programme, welche die revolutionären Aufgaben und Fähigkeiten der internationalen Arbeiterklasse abstreiten, von der Lebensfähigkeit und Stabilität des Kapitalismus noch für eine Reihe von Generationen ausgehen und der stalinistischen Bürokratie oder einem angeblich "linken" Flügel in ihr die Fähigkeit zu "Reformen" und "Selbstreformen" in Richtung Sozialismus zuschreiben und daher die Unterstützung dieses angeblich "fortschrittlichen" Teils der Bürokratie predigen. Diese Programme kleinbürgerlicher Tendenzen in der Arbeiterbewegung haben sich in der Geschichte bereits wiederholt als durch und durch arbeiterfeindlich, als Rettungsprogramme der stalinistischen Bürokratie erwiesen.

Der Bund Sozialistischer Arbeiter warnt die Arbeiterklasse in diesem Zusammenhang insbesondere vor dem Pablismus, einer opportunistischen Tendenz, die sich auf der Grundlage dieser Anschauungen Anfang der fünfziger Jahre unter Führung von Michel Pablo und Ernest Mandel innerhalb der Vierten Internationale entwickelt und mit dem Trotzkismus gebrochen hatte.

In Deutschland hatten die Anhänger Pablos und Mandels um Georg Jungclas die trotzkistische Partei bereits 1953 vollständig liquidiert. Beim Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 lehnten sie die Perspektive der politischen Revolution ab, indem sie der stalinistischen Bürokratie eine fortschrittliche Rolle zuschrieben und sich daher weigerten, die Forderung nach sofortigem Rückzug der sowjetischen Truppen aufzustellen. Sie tragen dadurch direkt mit die Verantwortung an der Niederschlagung des Aufstands und dem Tod zahlreicher Arbeiter.

Bei den revolutionären Erhebungen 1956 in Polen und Ungarn, die sogar bis zur Errichtung unabhängiger Arbeiterräte führten, oder 1968 in der CSSR riefen die Pablisten die Arbeiterklasse dazu auf, Gomulka, Nagy bzw. Dubcek als Vertreter eines angeblich "arbeiterfreundlichen", "reformfreudigen" und "antistalinistischen" Flügels der Bürokratie zu unterstützen. In Wirklichkeit haben diese jedoch in keiner Weise mit dem Programm des Stalinismus, mit dem nationalistischen Programm des "Sozialismus in einem Land" gebrochen, sich in keiner Weise an die internationale Arbeiterklasse gewandt, um für den Sturz der Bürokratie und das Programm der sozialistischen Weltrevolution zu mobilisieren. Unweigerlich ebneten sie daher einer erneuten Stabilisierung der stalinistischen Bürokratie mit oder ohne Hilfe sowjetischer Panzer den Weg.

Heute unterstützen die Pablisten die Politik der kapitalistischen Restauration. In seinem jüngsten Buch "Das Gorbatschow-Experiment" schreibt Ernest Mandel, "aus der Sicht der sowjetischen Werktätigen und des Weltproletariats" sei "Gorbatschow heute die beste Lösung für die UdSSR". In der Bundesrepublik haben sich die Pablisten mit den übelsten Jubelgarden des Stalinismus aus der Studentenbewegung, der maoistischen KPD/ML, zur VSP zusammengeschlossen und treten wie alle kleinbürgerlichen Radikalen und Reformisten (wie z.B. auch die maoistische MLPD in der BRD oder die SDP in der DDR) für die "Verteidigung der Nachkriegsgrenzen" ein. Sie behaupten, diese Grenzen seien ein Ergebnis der Niederlage des Faschismus und trügen deshalb einen fortschrittlichen Charakter. In Wahrheit verteidigen sie jedoch damit die Verschwörung der Imperialisten und Stalinisten von Jalta und Potsdam gegen die Arbeiterklasse. Diese Opportunisten behaupten, es gebe nur die Alternative "Imperialismus oder Stalinismus", und versuchen so, ihrer Unterordnung unter die stalinistische Bürokratie das "fortschrittliche Mäntelchen" einer "Alternative zum Imperialismus" umzuhängen.

Die Vierte Internationale verteidigt keine nationalen Grenzen, sondern kämpft für die Überwindung dieser Grenzen durch die Vereinigung der internationalen Arbeiterklasse auf der Grundlage eines gemeinsamen Programms, des Programms der sozialistischen Weltrevolution.

Der Bund Sozialistischer Arbeiter ruft alle Arbeiter in Deutschland auf, sich diesem Programm anzuschließen:

· Vorwärts zur politischen Revolution, zum Sturz der stalinistischen Bürokratie in der DDR!

· Errichtet Arbeiterräte und unterstellt Staat, Wirtschaft und Gesellschaft ihrer Kontrolle!

· Werft die Bürokraten aus allen ihren Positionen! Beseitigt alle ihre Privilegien und Vorrechte!

· Verteidigt die Enteignungen und die Planwirtschaft gegen eine kapitalistische Restauration! Säubert sie von allen bürokratischen Elementen und stellt sie unter Arbeiterkontrolle!

· Vereint Euch zur politischen Revolution mit der Arbeiterklasse in der Sowjetunion, in China und ganz Osteuropa!

· Vereint die politische Revolution in Osteuropa mit der sozialistischen Revolution in Westeuropa!

· Vertreibt die sozialdemokratischen Bürokraten aus der Arbeiterbewegung und kämpft für eine Arbeiterregierung, welche die kapitalistischen Konzerne und Banken entschädigungslos enteignet und unter Arbeiterkontrolle stellt!

· Vorwärts zu den Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!

· Baut den Bund Sozialistischer Arbeiter, die deutsche Sektion der Vierten Internationale, auch in der DDR auf!

Zentralkomitee des BSA, 18. Oktober 1989

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