Während Menschen überall auf der Welt mit Empörung und Wut auf Israels völkermörderischen Angriff auf die wehrlosen Palästinenser im Gaza reagieren, ist es wichtig, die Faktoren zu betrachten, die einen solchen Blitzkrieg ermöglicht haben.
Zunächst einmal verfügt die israelische Regierung über die bedingungslose Unterstützung der Vereinigten Staaten, die Israel über Jahrzehnte hinweg die militärische, wirtschaftliche und diplomatische Unterstützung gewährt haben, die notwendig war, um die Rolle als Polizist der USA in dieser Region zu erfüllen und seine eigenen geopolitischen Ziele zu verfolgen.
Zweitens haben die europäischen Mächte einen entscheidenden Beitrag geleistet, indem sie Israels Kriegsverbrechen als legitime Selbstverteidigung rechtfertigen und daran arbeiten, einen Waffenstillstand auszuhandeln, der für Washington und Tel Aviv akzeptabel ist. Unter den Bedingungen dieses Waffenstillstands sollen der ägyptische Präsident Hosni Mubarak und die US-Marionetten-Regierung von Mahmoud Abbas’ Palästinensischer Autonomiebehörde (PA) Gaza kontrollieren.
Dies weist auf einen dritten entscheidenden Faktor hin, dessen politische Bedeutung bei der Katastrophe, die über die Palästinenser hereingebrochen ist, lange heruntergespielt wurde. Die Rolle der Bourgeoisie im Nahen Osten.
Die herrschenden Eliten haben es nicht nur unterlassen, den Palästinensern zu Hilfe zu kommen, sondern haben Israels Vorgehen unterstützt und alles getan, um die weit verbreitete Opposition in ihren eigenen Ländern zu demobilisieren.
1979 hat Ägypten, der bevölkerungsreichste und mächtigste arabische Staat, als erster offen die Palästinenser im Stich gelassen und Frieden mit Israel — und damit mit den USA — geschlossen. Während Ägypten von seinen Nachbarn anfänglich geächtet wurde, ist es heute das Land, das seine Beziehungen zu Tel Aviv und Washington lediglich am offensten pflegt.
Seit Israels militärischem Rückzug aus Gaza 2005 hat Präsident Hosni Mubarak eine Schlüsselrolle dabei gespielt, Gaza in ein Gefängnis unter freiem Himmel zu verwandeln. Er verpflichtete sich, die südliche Grenze bei Rafah zu überwachen, die Ein- und Ausreise von Menschen und Gütern einzuschränken und die Blockade durchzusetzen.
Im Juni vergangenen Jahres vermittelte Mubarak einen Waffenstillstand zwischen der Hamas und Israel, weigerte sich jedoch ebenso wie Israel, die Blockade des Gaza-Streifens aufzuheben, was der vorrangige Grund der Hamas war, dem Abkommen beizupflichten. Während die Beschränkungen geringfügig gelockert wurden, blieben die Einfuhren nach Gaza weit unter dem Notwendigen und Exporte gab es gar nicht.
Israel brach am 4. November den Waffenstillstand durch einen Überfall auf den Gaza-Streifen, bei dem sechs Mitglieder der Kassem-Brigaden, dem militanten Flügel der Hamas, getötet wurden. Damit sollten Vergeltungsmaßnahmen der Hamas provoziert werden, um so eine Rechtfertigung für die gegenwärtige blutige Offensive zu bekommen. Ägypten reagierte darauf, indem es Israel half, die Blockade noch weiter zu verschärfen. Die Grenzschließungen und die Schließung der Landebahnen und Häfen durch Israel haben Gaza vom Rest der Welt abgeschnitten und zu einer humanitären Katastrophe geführt.
Ägypten behauptet, es könne den Grenzübergang Rafah nicht ohne Vertreter der Autonomiebehörde und europäische Beobachter wieder öffnen, so wie es in dem von den USA unterstützten trilateralen Abkommen zwischen Israel, der Autonomiebehörde und der EU festgelegt wurde. Da Ägypten jedoch nicht einmal Mitunterzeichner des Abkommens ist, das vor einem Jahr abgelaufen ist und nicht erneuert wurde, ist das nur eine Ausrede, um Rafah weiterhin geschlossen zu halten und die Hamas zu isolieren, die enge Beziehungen zur Muslim-Bruderschaft, Ägyptens größter Oppositionspartei, unterhält.
Ägyptens Zusammenarbeit mit Israel geht jedoch weit über die Frage der Grenze hinaus. Es hat sich in keiner Weise bemüht, der verlogenen Propaganda Israels zu widersprechen, die Hamas habe das Waffenstillstandsabkommen gebrochen. Genauso wenig hat es die Ermordung von Hamas-Führern verurteilt.
Alle Zeichen deuten darauf hin, dass Israel und Ägypten seit Beginn der Operation Gegossenes Blei ihr Vorgehen abgesprochen haben. Die israelische Außenministerin Zipi Livni besuchte Kairo nur 48 Stunden vor dem Angriff auf Gaza und unterrichtete Mubarak und Außenminister Ahmed Aboul-Gheit über Israels Pläne, wobei sie eine stillschweigende Billigung für den Angriff erhielt.
Hamdi Hassan, Abgeordneter der Muslim-Bruderschaft, erklärte: "Israel hätte Gaza nicht ohne grünes Licht aus Ägypten derart angegriffen. Die ägyptische Regierung hat diesem Angriff auf Gaza in der Hoffnung zugestimmt, dass die Hamas erledigt wird."
Der Sprecher der Hamas, Fawzi Barhoum, erklärte, seine Organisation habe direkt nach den Gesprächen in Kairo von Ägypten falsche Zusicherungen erhalten, ein israelischer Angriff auf den Gaza-Streifen stehe nicht unmittelbar bevor.
Der ägyptische Sicherheitsdienst zog sich vor den Angriffen Israels aus Rafah zurück und bestätigte, er sei zuvor von Israel gewarnt worden. Die ägyptische Regierung machte die Grenze während der ersten zwei Tage des Kriegs dicht und untersagte sämtlichen Hilfstransporten den Zugang zum Gaza-Streifen. Erst am dritten und vierten Tag erlaubte es beschränkte Hilfslieferungen und das auch nur aufgrund wachsenden öffentlichen Drucks.
Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy führt gegenwärtig Gespräche mit Mubarak, um dessen Zustimmung für die Stationierung internationaler Streitkräfte an Gazas südlicher Grenze in Ägypten und von Marinestreitkräften an Gazas Küste zu erhalten. Ägypten und die von der Fatah kontrollierte Palästinensische Autonomiebehörde sollen die Aufgabe des Polizisten in Gaza übernehmen. Das würde Israel von seiner Verantwortung als Besatzungsmacht nach internationalem Recht befreien, die 1,5 Millionen Einwohner von Gaza zu ernähren, und die Möglichkeit bieten, Abbas Herrschaft über Gaza wiederherzustellen.
Mubarak zögert bislang noch. Allerdings hat er sich geweigert, den Grenzübergang Rafah, den einzigen Grenzübergang des Gaza, der nicht durch Israel führt, dauerhaft zu öffnen, solange die Palästinensische Autonomiebehörde unter Abbas nicht die Kontrolle über die Grenze übernommen hat. Er fürchtet, ein solches Abkommen werde die öffentliche Meinung in seinem Land noch weiter aufbringen, und davon werde die Muslim-Bruderschaft profitieren. Seine Abhängigkeit von finanzieller Hilfe aus Washington und Europa bedeutet jedoch, dass er nur bessere Bedingungen aushandeln will.
Die übrigen arabischen Regimes sind nicht weniger kooperationsbereit.
Jordanien fungiert schon lange als Stellvertreter der USA in der Region. Sein früherer König Hussein stand jahrelang auf der Gehaltsliste der CIA. Da palästinensische Flüchtlinge und deren Nachkommen die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen, war Hussein immer schon einer der führenden Gegner des palästinensischen Nationalismus, weil der seine eigene Herrschaft in Frage stellen würde. Nach eigenem Bekunden verbrachte er mehr als 1000 Stunden in geheimen Verhandlungen mit Israel.
Nach dem Osloer Friedensabkommen zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation unterzeichnete Jordanien 1994 eine Abmachung mit Israel, die Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern einleitete. Beim israelischen Angriff auf Gaza hat King Abdullah einfach zugeschaut und das Massaker geschehen lassen. Die Opposition gegen Israel im eigenen Land zwang ihn, sich zumindest in Worten gegen Israel auszusprechen, aber sein einziger praktischer Schritt war, persönlich Blut für die Opfer in Gaza zu spenden.
Die ölreichen Staaten wie Saudi-Arabien haben ihre Opposition gegen Israels Angriff auf Gaza ebenfalls auf rituelle Verurteilungen beschränkt. Die Saudis machen die Hamas für die Offensive verantwortlich, und erklären: "Es hätte kein Massaker gegeben, wenn das palästinensische Volk hinter einer Führung vereint wäre."
Die 22 Mitglieder umfassende Arabische Liga ist politisch so bankrott, dass sie sich geweigert hat, ein Gipfeltreffen einzuberufen, um sich nicht selbst bloßzustellen und ihre eigenen Bürger nicht weiter gegen sich aufzubringen, deren Demonstrationen sowohl gegen Israel als auch gegen die Komplizenschaft ihrer eigenen Regierungen gerichtet waren. Stattdessen forderte ihr Außenministertreffen in Kairo lediglich ein Ende der Angriffe, und kam überein, dass keine arabische Armee eingreifen werde.
Die so genannten radikalen Staaten wie Iran, Syrien und die Hisbollah im Libanon, die enge Beziehungen zu Hamas unterhält, haben sich nicht anders verhalten.
Iran, der wichtigste Geldgeber von Hamas, hat seinen Verbündeten im Interesse engerer Beziehungen zu Washington fallengelassen.
Trotz der häufig zitierten reaktionären Drohungen von Präsident Mahmoud Ahmadinedschad "Israel von der Landkarte zu wischen", hat Iran klar gemacht, dass es sich ebenfalls nicht an einer Konfrontation mit Israel beteiligen wird. Wenn überhaupt jemals etwas Konkretes an Irans Drohungen gegenüber Israel gewesen wäre, dann wäre der Angriff auf Gaza ein Kriegsgrund gewesen. Stattdessen erklärte der oberste Führer der Revolutionären Garden, Mohammad-Ali Jafari, die Einwohner Gazas bräuchten keine Hilfe und könnten sich auf ihre eigenen "selbst gemachten" Waffen und Raketen verlassen.
Der frühere Präsident Hashemi Rafsandschani rief die Moslems auf, der Bevölkerung von Gaza humanitäre und militärische Unterstützung zu geben. "Es gibt keinen Mangel an Kämpfern in Gaza. Die islamische Nation sollte der Bevölkerung im Gaza politische Unterstützung geben und Waffen liefern", erklärte Rafsandschani.
Ein iranischer Militärführer rief die muslimischen Ölproduzenten dazu auf, den Verkauf von Öl an die Helfer Israels einzustellen - ein hohler Appell angesichts niedriger und weiter sinkender Ölpreise.
An der diplomatischen Front bereiste Saeed Jalili, Führer des iranischen Nationalen Sicherheitsrats, Hauptunterhändler bei den Atomverhandlungen und enger Berater des Obersten Führers Ali Khamenei, Syrien und den Libanon, um eine gemeinsame Reaktion zu koordinieren und zu verhindern, dass der Konflikt im Gaza zu einem regionalen Krieg wird. In einer Rede im Fernsehsender der Hisbollah letzte Woche, erklärte er der Hamas im Wesentlichen, dass sie auf sich selbst angewiesen sei. Laut arabischen Quellen ging Jalili noch weiter und erklärte Teherans Bereitschaft, an einem Abkommen zur Beendigung der Kämpfe mitzuarbeiten.
Syrien, der einzige arabische Staat, der Mitglied der "Widerstandsfront" ist und den Hamas-Führer Khaled Mashaal in Damaskus beherbergt, hat kürzlich seine Beziehungen zu den europäischen Mächten wieder aufgenommen, und es gibt Hinweise auf einen erneuten Dialog mit den USA unter der Regierung Obamas. Folglich hat es nicht vor, sich an einem Krieg gegen Israel zu beteiligen. Sein einziger Beitrag bestand darin, die informellen Gespräche mit Israel auszusetzen, in denen es um einen Friedensvertrag und die Rückgabe der von Israel 1967 besetzten Golan-Höhen geht. Außerdem gab es ein Treffen mit Sarkozy während seines Besuchs im Nahen Osten, mit dem ein Ende der Feindseligkeiten erreicht werden sollte, zu Bedingungen, die für Israel und die USA akzeptabel sind.
Im Libanon, das von einem Marionetten-Regime der USA geführt wird, geht jede Opposition gegen den US-Imperialismus und Unterstützung für die Palästinenser nur von der Hisbollah aus, die vom Iran unterstützt wird. Die Hisbollah hat Hamas ebenfalls im Stich gelassen. Das ist ein deutlicher Unterschied zu 2006, als die Hisbollah zwölf Tage nach dem massiven Angriff auf Gaza an Israels nördlicher Grenze eine zweite Front eröffnete und Israel in Schach hielt.
Jetzt ist sie an der Regierung beteiligt und konzentriert sich auf die Wahlen im Juni, bei der sie vermutlich ihre Stimmenzahl erhöhen und stärkste Partei im Parlament werden kann. Ohne die Unterstützung des Irans für Feindseligkeiten gegen Israel, ist die Hisbollah nicht bereit, ihre innenpolitischen Ziele zu gefährden.
Der Führer der Hisbollah, Hassan Nasrallah, hat schon zuvor mehr oder weniger versprochen, sich nicht an einem weiteren Krieg gegen Israel zu beteiligen, und erklärt, dass er den Grenzüberfall, der dem Konflikt von 2006 vorausging, nicht angeordnet hätte, wenn er gewusst hätte, dass Israel mit einem 34-tägigen Krieg reagieren würde, der 1000 Menschen das Leben gekostet und einen Großteil des Landes in Schutt und Asche gelegt hat.
Auf einer Großkundgebung forderte Nasrallah die arabische und islamische Welt auf, sich zu erheben, um Gaza zu unterstützen. Er warnte Israel, dass eine Bodenoffensive im Gaza zu großen Verlusten für Israel führen werde. Aber während er erklärte, er werde Gaza nicht im Stich lassen, bot er keine konkrete Hilfe an. Stattdessen warnte er seine eigenen Kämpfer, wachsam zu sein, für den Fall, dass Israel den Libanon angreifen sollte, da Israel Tausende von Reservisten an die Nordfront beordert hat.
Als letzte Woche zwei Katjuscha-Raketen aus dem Süd-Libanon im Norden Israels einschlugen, was dazu führte, dass Israel fünf Granaten auf den Libanon abschoss, bestritt ein Hisbollah-Minister jegliche Beteiligung seiner Organisation. Die Volksfront für die Befreiung Palästinas-General Kommando hat danach die Verantwortung übernommen.
Ali Fayyad, ein ehemaliger offizieller Vertreter der Hisbollah und jetzige Direktor eines Forschungsinstituts, das der Hisbollah nahe steht, rechtfertigte die Tatsache, dass die Hamas nicht unterstützt wird, mit der Behauptung, die Hamas käme gut alleine zurecht. "Wir sind nicht pessimistisch, was die Zukunft der Kämpfe angeht", erklärte er. "Wir halten den Widerstand für stark genug und wir glauben, dass die Israelis denselben Fehler machen, wie im Krieg vom Juli 2006."
Die Haltung der Hisbollah ist so ausgeprägt, dass arabische Zeitungen zur Verteidigung ihrer eigenen despotischen Herrscher auf den offensichtlichen Widerspruch zwischen Nasrallahs Worten und Taten hinwiesen.
Das Vorgehen der herrschenden Eliten in der gesamten Region steht in starkem Kontrast zu den großen Demonstrationen, die zu Aktionen gegen Israel aufgerufen haben. Das beweist, dass die Erfüllung der grundlegenden demokratischen und nationalen Aufgaben der unterdrückten Nationen nur durch die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse auf der Grundlage einer sozialistischen und internationalistischen Perspektive erreicht werden kann.
Die Lösung der Palästina-Frage, die seit fast einem Jahrhundert im Mittelpunkt erbitterter Konflikte und politischer Tragödien steht, ist untrennbar mit dem Erfolg der sozialistischen Revolution im Nahen Osten und international verbunden. Die zentrale Aufgabe, die damit gestellt wird, ist die Vereinigung der arabischen und jüdischen Arbeiterklasse im Kampf, alle despotischen bürgerlichen Regimes der Region zu stürzen und eine sozialistische Föderation des Nahen Ostens aufzubauen.