Amerikanisches Militär und Geheimdienste sehen Klimawechsel als Gefahr für "nationale Sicherheit"

Amerikanisches Militär und Geheimdienste führen derzeit Studien zu strategischen Folgen der Erderwärmung durch, berichtete die New York Times am Sonntag. Diese Studien sollen auch der Einleitung künftiger militärischer Maßnahmen dienen.

"Der globale Klimawandel wird in den kommenden Jahrzehnten zur großen Herausforderung für die Vereinigten Staaten und könnte militärische Interventionen in Folge heftiger Stürme, Dürren, Massenmigration und Pandemien notwendig machen, sagen Militär- und Geheimdienstexperten," erklärt die Times. Solche klimatisch bedingten Krisen könnten Regierungen zu Fall bringen, terroristische Bewegungen anstacheln und ganze Regionen destabilisieren, sagen Analysten, Pentagonexperten und Geheimdienste, die sich jetzt zum ersten Mal ernsthaft mit den sicherheitsrelevanten Implikationen des Klimawandels beschäftigen."

In dem Artikel heißt es, dass "die Regierung Obama die Folgen des Klimawandels nun zu einem zentralen Punkt ihrer Politik gemacht hat", nachdem die Problematik zuvor in den Führungszirkeln von Militär und Geheimdiensten diskutiert worden war. Die stellvertretende Verteidigungsministerin für strategische Fragen Amanda Dory arbeitet mit einer Projektgruppe im Pentagon an Vorschlägen zur Integration der Frage des Klimawandels in die nationale Sicherheitsstrategie. Wie sie der New York Times sagte, habe sich die Herangehensweise des Militärs an dieses Thema "von Grund auf verändert."

Wie berichtet wird, identifizieren militärische Planspiele und Geheimdienststudien verschiedene kritische Regionen - dazu gehören die Subsahara-Region in Afrika, der Nahe Osten, sowie der Süden und Südosten Asiens. Diese Regionen werden in den zwei bis drei kommenden Jahrzehnten von Nahrungsengpässen, Wassermangel und schweren Überflutungen betroffen sein, was "humanitäre Hilfe oder eine militärische Antwort Amerikas erfordern könnte."

Die Nationale Universität für Verteidigung, eine vom Verteidigungsministerium gegründete Einrichtung, führte im Dezember eine Simulation zu möglichen strategischen Folgen einer gewaltigen Überflutung Bangladeschs durch, die Hunderttausende Flüchtlinge nach Indien treiben, religiöse Konflikte auslösen, ansteckende Krankheiten verbreiten und Infrastruktureinrichtungen weitgehend beschädigen würde.

Inzwischen arbeitet das Verteidigungsministerium mit Klimamodellen, die auf hoch entwickelten Wetterprognosen der Navy und der Air Force, Forschungen von NASA und dem Nationalen Amt für Ozeane und Atmosphäre basieren, und bezieht diese Modelle in seine strategischen Kalkulationen mit ein.

Weiter erklärt die New York Times : "Schon seit Jahren untersuchen Pentagon und Verteidigungsministerium Probleme, die sich aus der Abhängigkeit von ausländischen Energievorräten ergeben könnten, aber erst jetzt werden bei langfristigen Planungen die Auswirkungen der globalen Erwärmung mit einbezogen. Das Pentagon wird in seinem nächsten Februar wieder fälligen Vierjahresbericht zur Verteidigung einen Abschnitt zum Klima aufnehmen. Das Außenministerium wird diese Thematik in seinem nächsten Vierjahresbericht zu Diplomatie und Entwicklungsfragen behandeln."

Einige der amtlichen Analysen haben neben den möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf Nahrungsmittel- und Wasserversorgung, Erkrankungen und Massenmigration auch auf unmittelbare militärische Implikationen hingewiesen.

Viele wichtige Einrichtungen sind nicht vor einem ansteigenden Meeresspiegel und zunehmend heftigeren Stürmen geschützt. Das Hauptquartier der Atlantischen Flotte in Norfolk in Virginia könnte schon bei einem Anstieg des Meeresspiegels um ca. 90 cm überschwemmt werden. Auch die amerikanische Airbase auf dem britischen Inselprotektorat Diego Garcia im Indischen Ozean liegt nur knapp über dem Meeresspiegel. Diego Garcia hatte große Bedeutung für die Bemühungen des US-Imperialismus um die Kontrolle der Öl- und Gasreserven des Nahen Ostens. Die Airbase diente 2001 als Ausgangspunkt für die Bombardierung Afghanistans, des Iraks 2003 und im Golfkrieg 1991.

In Anbetracht der Herausforderung durch rivalisierende Mächte in Asien, Europa und Lateinamerika besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Washingtons Interesse an den langfristigen Folgen des Klimawandels einerseits, und seiner schwindenden globalen Hegemonie und seiner abnehmenden Verfügungsgewalt über die wichtigsten Bodenschätze andererseits.

Die New York Times schrieb: "Auch das Schmelzen des arktischen Eises bringt für das Militär neue Problem mit sich. Das raschere Schrumpfen des Eispanzers eröffnet einen neuen Schifffahrtskanal. Wie die in den Fokus der internationalen Konkurrenz geratenen Bodenschätze unter dem Meer muss auch er verteidigt werden."

Letztes Jahr veröffentlichte der Nationale Geheimdienstrat (NIC) seine erste Untersuchung über die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die nationale Sicherheit. Der Vorsitzende des NIC und Direktor des Nationalen Analytischen Dienstes, Thomas Fingar, trat am 25. Juni 2008 bei einem gemeinsamen Treffen des Geheimdienstausschusses und des Ausschusses für Energieunabhängigkeit und Globale Erwärmung des Repräsentantenhauses auf. Er machte deutlich, dass die USA "Zugang zu den bedeutenden Rohstoffen, wie Öl und Gas" benötigen und warnte vor den Auswirkungen des Klimawandels auf die Versorgung, was "mit bedeutenden geopolitischen Konsequenzen" verbunden sei.

Unter besonderer Betonung Afrikas erörterte Fingar die strategischen Implikationen für verschiedene Weltregionen. "Die neue Region amerikanischer militärischer Verantwortung - das Afrikakommando (AfriCom) - wird voraussichtlich mit umfangreichen und neuartigen Einsatzszenarien konfrontiert sein", so seine Schlussfolgerung.

Während der jüngsten Sieben-Tage-Visite Außenministerin Hillary Clintons in Afrika wurde die globale Erwärmung auffallend betont. In Südafrika, berichtete die New York Times, "...sagte Clinton, sie befürworte eine größere Rolle des Landes nicht nur in Afrika, sondern auch auf der Weltbühne, um zum Beispiel seinen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel zu leisten."

Auch der demokratische Senator und 2004 unterlegene Präsidentschaftskandidat John Kerry unterstrich die Bedeutung Afrikas. Seine Äußerungen wurden in einem Artikel der Sonntagsausgabe der New York Times zitiert. Nach seiner Argumentation ist der anhaltende Konflikt im Südsudan das Resultat von Dürre und Ausdehnung der Wüsten. "Das wird sich noch oft und auf immer höherem Niveau wiederholen", sagte er.

Diese Äußerungen dienen der Schaffung eines humanitären und sogar umweltpolitischen Deckmantels für Militärinterventionen, die Washingtons strategischen und ökonomischen Interessen dienen sollen.

Kerry, heute Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses, lud im Juli zu einem Senatshearing ein, wo Analysten von Militär und Geheimdiensten ihre Einschätzungen der Folgen des Klimawandels für die globale Sicherheit abgaben. In seinem Beitrag zur Einleitung der Diskussion sagte Kerry: "Genauso wie uns der 11. September die schmerzhafte Lektion erteilte, dass uns die Meere kein Schutz vor dem Terror waren, wäre es Selbsttäuschung zu glauben, der Klimawandel mache an unseren Grenzen Halt...Wir laufen Gefahr, die Entstehung gescheiterter Staaten zu fördern und den übelsten Akteuren in unserem internationalen System grandiose Möglichkeiten zu eröffnen."

Der Senator aus Massachusetts erklärte der New York Times, er habe bei seinen Bemühungen, andere Senatoren für die Unterstützung des "cap and trade"-Gesetzes der Obama-Regierung (Emissionshandels-Gesetz zur Beschränkung des CO2-Ausstoßes) zu gewinnen, die Betonung auf die "nationale Sicherheit" gelegt.

Im Juli verabschiedete das Repräsentantenhaus den American Clean Energy and Security Act (Amerikanisches Gesetz zu Sauberer Energie und Sicherheit) mit knapper Mehrheit. Darin wird vorgeschrieben, den Ausstoß von Treibhausgas bis 2020 auf 4 Prozent unter den Wert von 1990 zu reduzieren. Das ist viel weniger als Klimaforscher und der Klimaausschuss der in den UN vertretenen Regierungen (IPCC) empfehlen - 2007 forderten sie von den Industrieländern für diesen Zeitraum eine Reduktion der Emissionen um 25 bis 40 Prozent.

Einige Klimaforscher haben seither dargelegt, dass die neuesten Klimadaten darauf hinweisen, dass die Empfehlungen der IPCC von 2007 den tatsächlichen Erfordernissen bei Weitem nicht entsprechen. Selbst wenn Obamas "cap and trade"-Gesetz umgesetzt wird, ist zu erwarten, dass ernste Umweltschäden und damit verbundene geostrategische Auswirkungen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht verhindert werden können.

Es muss sich allerdings noch herausstellen, ob der "cap and trade"- Gesetzentwurf dem Senat überhaupt, wie geplant, im Oktober vorgelegt wird. Und falls ja, ob genug Stimmen dafür zusammenkommen. Viele Demokraten sind eng mit Energiefördergesellschaften und der Treibstoffindustrie verfilzt und sträuben sich, irgendeiner Regelung zum Emissionshandel zuzustimmen, solange diese für die größten Umweltverschmutzer auch nur die geringsten Kosten bedeutet.

Die New York Times zitierte eine frühere Erklärung General Anthony Zinnis, ehemals Chef des Zentralkommandos: "Am Ende müssen wir auf jeden Fall dafür bezahlen. Entweder zahlen wir heute für die Reduktion der Treibhausgase, auch wenn wir dafür einen gewissen wirtschaftlichen Preis bezahlen müssen. Oder wir müssen den Preis später militärisch bezahlen. Und das kann dann auch Menschenleben kosten."

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