Der Krieg im Kongo und der Kampf um Bodenschätze

Nachdem die Rivalitäten zwischen den Großmächten und ihren lokalen Vertretern in der an Bodenschätzen reichen kongolesischen Provinz Kivu eskaliert sind, befinden sich Schätzungen zufolge eine Viertelmillion Menschen auf der Flucht.

Friedensgespräche Anfang des Jahres in der Provinzhauptstadt Goma führten zwar zu einer Übereinkunft, die seit ihrer Unterzeichnung jedoch wiederholt gebrochen wurde. Dieser letzte Ausbruch von Kämpfen bedeutet eine ernsthafte Eskalation der Situation. Er nahm seinen Anfang, als General Laurent Nkunda, Führer des Nationalen Kongresses zur Verteidigung des Volkes (National Congress for the People’s Defence, CNDP), eine Offensive gegen Regierungstruppen begann, die sich auf die Außenbezirke von Goma zubewegten. Trotz Unterstützung der MONUC, der größten Militärstreitmacht, die jemals von den Vereinten Nationen mobilisiert wurde, wurden die Regierungstruppen in die Flucht geschlagen.

Auf ihrem Rückzug plünderten die Soldaten Städte und Dörfer, ermordeten Zivilisten und vergewaltigten Frauen. Die Zivilbevölkerung floh vor den Regierungstruppen. Viele der Flüchtlinge waren bereits heimatlos und lebten unter verzweifelten Bedingungen in Flüchtlingslagern. Die humanitäre Hilfe kam zum Erliegen, als die Hilfsorganisationen vor Ort gezwungen wurden, sich aus dem Gebiet zurückzuziehen.

Die Antwort der Regierungen Europas und der USA folgte prompt. Die Außenminister Frankreichs und Großbritanniens, Bernard Kouchner und David Miliband, und die stellvertretende amerikanische Außenministerin für Afrika, Jendayi Frazer, besuchten die Region. Kouchner forderte eine Verstärkung der UN Truppe. "Wir brauchen andere Waffengattungen, und andere Einsatzbestimmungen", erklärte er gegenüber Ministern der EU bei seiner Rückkehr. "Wir benötigen mehr Offensivkapazitäten."

Er beschwerte sich, dass die Einsatzbestimmungen der UN "sehr restriktiv" und "unzureichend" seien.

Miliband schloss die Entsendung britischer Truppen in den Kongo nicht mit Bestimmtheit aus. "Wir haben bis jetzt noch nichts ausgeschlossen", sagte er der BBC, "Es ist möglich. Wir sprechen über die Arbeit von 17.000 UN-Friedenswächtern, die sich dort im Moment aufhalten, und über die Rolle der Europäischen Union, die sie politisch und diplomatisch unterstützt. Niemand schließt eine militärische Beteiligung aus."

Miliband nahm Bezug auf den Völkermord im benachbarten Ruanda und sagte, "Die politischen Führer der Welt sind entschlossen, eine Wiederholung der mörderischen Ereignisse der 1990er Jahre nicht zuzulassen."

Premierminister Gordon Brown, der die Golfstaaten zu Gesprächen über die Finanzkrise besuchte, hob ebenso hervor. dass die internationale Gemeinschaft "nicht erlauben darf, dass sich im Kongo ein zweites Ruanda ereignet."

Während Kouchner und Miliband in den Kongo reisten, begab sich Jendayi Frazer nach Kigali, der Hauptstadt Ruandas, um dort Gespräche mit Präsident Paul Kagame zu führen. Der Inhalt dieser Gespräche ist nicht bekannt, da eine geplante Pressekonferenz abgesagt wurde. Allein dies ist jedoch ein Hinweis darauf, dass die Gespräche konfliktreich waren.

Frazer machte deutlich, dass sie Kagame für die Aktionen Nkundas verantwortlich macht. In der Vergangenheit hatte die Regierung Ruandas die Nkunda-Milizen gegen die Hutu-Milizen unterstützt, die sich nach dem von ihnen begangen Genozid in den Kongo abgesetzt hatten.

Kagame war in Ruanda mithilfe der USA an die Macht gelangt. Er spielte eine Schlüsselrolle bei der Zusammenführung der Nachbarstaaten zu einer Allianz, die den Diktator des damaligen Zaire, der heutigen Demokratischen Republik Kongo, stürzte. Präsident Mobutu hatte mit dem Ende des kalten Krieges für die USA seine Schuldigkeit getan. Die Beziehungen wurden jedoch zunehmend gespannter, als Kagame versuchte, die Interessen Ruandas im nordöstlichen Kongo auf Kosten des US-freundlichen Regimes von Joseph Kabila zu sichern.

Frasers Visite war ein Versuch, Kagame zurück auf Linie zu bringen, was jedoch bislang ohne Erfolg geblieben ist. Nkunda droht weiterhin, nach Goma zu marschieren und danach auf die Hauptstadt Kinshasa. Sein Wagemut spiegelt den Verlust des Einflusses der USA als Ergebnis der Katastrophe im Irak wieder. Wenn Nkunda weiter vorrückt, können auch die Nachbarländer in den Konflikt hineingezogen werden. Keine Regierung Afrikas würde tatenlos zusehen, wie Ruanda Hand an die gewaltigen Ressourcen des Kongos legt.

Die letzte Intervention der Nachbarn des Kongo hatte in einen Krieg gemündet, der von 1998 bis 2003 dauerte und als afrikanischer Weltkrieg bezeichnet wurde, da er den Tod von vier Millionen Menschen zur Folge hatte. Auch nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages in Sun City dauerten die Kämpfe in der nordöstlichen Provinz an. Im Januar wurde in Goma eine weitere Übereinkunft unterzeichnet, in der die Regierungen von Ruanda und des Kongos übereinkamen, ihre Unterstützung für die rivalisierenden Milizen einzustellen. Doch niemand handelte danach, und so sind die Gefechte bis zur gegenwärtigen Eskalation immer wieder aufgeflammt.

Mit dem Aufstieg Chinas hat sich die Situation im Kongo weiter kompliziert. Die wachsende Wirtschaft Chinas verbraucht große Mengen an Rohstoffen. Deshalb hat sich China mit Investitionen von acht Milliarden Dollar in die Infrastruktur des Kongo engagiert. Dieses Geschäft ermöglicht China den Zugang zu großen Mengen an Kupfer und Kobalt, die für die moderne Industrie essentiell wichtig sind.

Die chinesische Import-Export Bank hat Geld für den Bau von Straßen und Eisenbahnen im Kongo bereitgestellt. Berichte sagen aus, dass 5.000 Schiffscontainer mit Ausrüstung geschickt wurden, um Bergewerke in der Provinz Katanga zu modernisieren. Eine von China gebaute Eisenbahnlinie soll Katanga mit der Küste verbinden, und der Bau großer hydroelektrischer Kraftwerke ist in Angriff genommen worden.

Kabilas Regierung ergriff die Gelegenheit einer umfassenden Erneuerung der Bergbauverträge, um Verträge mit US-amerikanischen, europäischen und australischen Unternehmen zu kündigen und chinesischen Firmen den Vorzug zu geben. Nur wenige Firmen sind bereit, über ihren Status im Kongo Auskunft zu geben, aber zu denjenigen, deren Konzessionen zur Disposition stehen, gehören First Quantum Minerals, Freeport McRoRan, BHP Biliton und Anvil Mining. Der Abbau großer Bodenschätze könnte im Rahmen der Überprüfung der Verträge nun von chinesischen Firmen getätigt werden.

Nkundas Offensive ist teilweise der Versuch, die Ängste dieser Unternehmen und ihrer Regierungen für sich auszubeuten. Er präsentiert sich als vertrauenswürdigerer Partner als Kabila, der die Interessen westlicher Firmen gegen ihre chinesischen Konkurrenten schützt.

In diesem Licht müssen auch die Rufe nach einer ausländischen Intervention gesehen werden. Kouchner und Miliband bemänteln beide die Wirtschaftinteressen ihrer jeweiligen Länder als humanitäre Intervention, die angeblich den Vertriebenen helfen soll. Ihre wirklichen Interessen und Sorgen sind dagegen die wirtschaftlichen Interessen Europas. Das Entsprechende gilt für die USA.

Gegenwärtig scheint es unwahrscheinlich, dass Europa Truppen entsendet, da Kouchner die notwendige Zustimmung nicht bekam. In der Vergangenheit wurden aber schon europäische Truppen in den Kongo geschickt. Französische und deutsche Truppen wurden entsandt, um die Wahlen zu überwachen, die Kabila an die Macht brachten. Diese Übung wird vielleicht bald in größerem Maßstab wiederholt.

Sollte eine solche Mission unter UN Flagge stattfinden, würde sie trotzdem nicht den Interessen des kongolesischen Volkes dienen. Soldaten der UN wurden schon wiederholt der Korruption, des Verkaufs von Waffen an Milizen, der Vergewaltigung von Frauen und Kindern, sowie der Unterstützung der kongolesischen Soldaten bei ihren Angriffen auf Zivilisten bezichtigt.

Jegliche bewaffnete "humanitäre" Mission im Kongo wäre eine dünne Tarnung für eine blanke imperialistische Intervention, die darauf aus ist, die reichen Bodenschätze des Landes zu plündern. Anstatt mit einer humanitären Intervention betraut zu werden, müssen die westlichen Regierungen für ihre historische Rolle angeklagt werden, die die Ursache für das gegenwärtige Chaos ist. Sie waren es, die den Bürgerkrieg entfachten und die erste unabhängige Regierung von Präsident Patrice Lumumba stürzten. Sie waren es, die den blutrünstigen Diktator Mobutu als Bollwerk gegen den sowjetischen Einfluss in Afrika installierten, und sie waren es, die den Kongo in einen Krieg stürzten, der auch seine neun Nachbarländer in seinen Strudel riss.

Siehe auch:
Stichwahlen im Kongo: Kabila stützt sich auf ausländische Truppen
(24. August 2006)
Deutschland drängt nach Afrika: Bundeskabinett beschließt Militäreinsatz im Kongo
( 20. Mai 2006)
Das Kongo-Abenteuer: Europa auf dem Weg zur Militärmacht
( 24. Juni 2003)
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