Die Regierungen des Irans und Pakistans werden im nächsten Monat abschließende Gespräche über den Preis des Erdgases führen, das durch eine Pipeline von den iranischen Süd-Pars-Gasfeldern nach den pakistanischen Städten Karatschi und Multan geleitet werden soll. Dass das Abkommen trotz massiver amerikanischer Einwände gegen Gasgeschäfte mit dem Iran zustande gekommen ist, zeigt, dass sich der Kampf um Energiequellen und strategischen Einfluss in Zentralasien ständig verschärft.
Nach der offiziellen Nachrichtenagentur der Islamischen Republik Iran wurde der Modus für die Festlegung der Preise im Oktober 2007 ausgearbeitet. Am 10. März schrieb die liberale pakistanische Tageszeitung Dawn, Pakistan habe um ein Treffen mit iranischen Beamten gebeten, um das ausgehandelte Preisabkommen zu ratifizieren. Bloomberg News berichtete am 11. März, dass Pakistan Erdgas erhalten kann, sobald eine 400 km lange Verbindung von der iranischen Stadt Iranschahr zur pakistanischen Grenze hergestellt ist, was wahrscheinlich 2011 der Fall sein wird.
Sollte diese Pipeline tatsächlich gebaut werden, wäre sie nur ein Teilstück einer ursprünglich geplanten längeren Pipeline - der Iran-Pakistan-Indien (IPI) Pipeline. Als die Pipeline 1995 geplant wurde, um iranischen Erdgases zu vermarkten und Pakistan und Indien mit dringend benötigter Energie zu versorgen, wurde ins Auge gefasst, sie durch Pakistan bis nach Delhi in Indien zu führen.
Weil das Projekt nur mit der Zusammenarbeit der langjährigen militärischen Rivalen Indien und Pakistan realisierbar gewesen wäre, wurde die IPI-Pipeline auch als "Friedens-Pipeline" bezeichnet. Trotz der öffentlich bekundeten amerikanischen Unterstützung für den indisch-pakistanischen Friedensprozess haben die USA das Projekt bis heute mit Erfolg verhindert, indem sie sich allem widersetzten, was die iranische Position im globalen Energiehandel stärken könnte.
Die USA sind auch nicht davor zurückgeschreckt, direkten Druck auf die Beziehungen Indiens zum Iran auszuüben. Unerwartet stimmte Indien bei den Konferenzen der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) im September 2005 und Februar 2006 mit den USA für Sanktionen. Der ehemalige Beamte der Bush-Regierung Stephen Rademaker brüstete sich im Februar 2007 sogar öffentlich damit, dass in dieser Angelegenheit "Druck auf Indien ausgeübt" worden sei. Der vom US-Kongress 2006 verabschiedete "Hyde Act" legt sogar fest, dass Indien, um amerikanische Unterstützung zu bekommen, "den Iran zurückdrängen und isolieren, falls nötig sanktionieren und im Zaum halten muss. Es muss seine Bemühungen unterlaufen, sich Massenvernichtungswaffen zu verschaffen, einschließlich seines Nuklearwaffenpotentials und der Möglichkeit zur Urananreicherung oder der Produktion nuklearer Brennstoffe und dem Bau von Massenvernichtungswaffen."
Pakistan hat den Iran offenbar dazu gebracht, dem Handel zuzustimmen, auch wenn Indien nicht daran teilnehmen würde. Dawn schrieb: "Die (pakistanische) Regierung hat wegen des erhöhten Gasbedarfs in Pakistan den Iran gebeten, das Projekt einer Gaspipeline mit oder ohne Indien im April abzuschließen. Aus Quellen im Ministerium für Öl und Bodenschätze erfuhr Dawn am Montag, dass der Iran mit Indien abschließende Gespräche führen wird, um Indien dazu zu bewegen, sich am 5,4 Milliarden Dollar Projekt der Iran-Pakistan-Indien (IPI) Gaspipeline zu beteiligen."
Indiens Rückzug aus dem IPI-Pipeline-Projekt zieht für den Iran eine beträchtliche Überkapazität und ein wichtiges strategisches Problem nach sich: An wen soll das überschüssige Gas geliefert werden? Wahid Zeydifard, ein hoher Beamter der Nationalen Iranischen Gasgesellschaft, sagte Bloomberg News, die Transportkapazität der Pipeline werde bei annähernd 110 Millionen Kubikmetern täglich liegen, und fügte hinzu: "Pakistan braucht 50 Millionen Kubikmeter Gas täglich, und falls das gewünscht wird, können wir den Rest nach Indien liefern."
Pakistans Nachbar China hat wiederholt wissen lassen, dass er, falls Indien von der Pipeline Abstand nimmt, sämtliches Gas abnehmen würde, das bei den Käufen Pakistans übrig bliebe. Am 11. März schrieb die India Times: "Wie aus Quellen des (pakistanischen) Ölministeriums zu hören ist, wird der Iran China zur Teilnahme an dem Projekt einladen, falls Indien auf Grund des amerikanischen Drucks weiter zögert. China hat versprochen, finanzielle Mittel für das Projekt bereit zu stellen, und hat Pakistan in dieser Frage kontaktiert."
Trotz des amerikanischen Drucks möchte die indische Regierung das Projekt weiter vorantreiben. Ein Beamter des indischen Ölministeriums nannte die Ankündigung in der Asian Times einen Versuch, Indien "unter Druck zu setzen". "Indien würde sich politisch ungeschickt verhalten, wenn es, wie in Myanmar passiert, China das überschüssige Gas überließe." Indische Beamte wiesen auch darauf hin, dass Indien einen höheren Preis als China für das Gas bezahlen würde. Dennoch will Indien zumindest solange einer Beteiligung an der IPI-Pipeline nicht zustimmen und sich solange nicht offen gegen die US-Regierung stellen, bis das indisch-amerikanische Nuklearabkommen von der US-Regierung ratifiziert ist.
Das erfolgreiche Betreiben einer iranisch-pakistanischen, ganz zu schweigen von einer iranisch-pakistanisch-chinesischen Pipeline, wäre ein schwerer Schlag für die Politik des amerikanischen Imperialismus im Nahen Osten. In ihrem Streben nach globaler Hegemonie verfolgt die amerikanische Bourgeoisie zwei zusammenhängende Ziele: Erstens die totale Isolation jedes energieproduzierenden Staates, der als politisch unzuverlässig gilt, wie des Iran und Saddam Husseins Irak; und zweitens die Stationierung überwältigender amerikanischer Militärkräfte, wie z.B. der US-Navy im Indischen Ozean, und der Unterhaltung amerikanischer Militärstützpunkte auf dem Balkan, entlang der Energie-Transportwege aus dem Nahen Osten zu den europäischen Rivalen der USA. Beide Ziele werden vom US-Imperialismus in zunehmendem Maße verfehlt.
Irans Verbindung nach Asien
Besonders plump stellte der inzwischen verstorbene amerikanische Kongressabgeordnete Tom Lantos die amerikanische Iranstrategie dar, als er im März 2007 den Iran Counter Proliferation Act im Kongress einbrachte. Das Gesetz wurde vom Kongress mit Unterstützung beider Parteien verabschiedet und wird jetzt im Senat verhandelt. Lantos sagte: "Unser Ziel muss es sein, in den Energiesektor des Iran eine Null-Auslandsinvestition - ich wiederhole: eine Null-Auslandsinvestition - zu tätigen."
Obwohl der Iran die zweitgrößten Gasreserven weltweit besitzt (27,5 Billionen Kubikmeter oder 16 Prozent der gesamten weltweiten Vorkommen, nach Russland, das 48,1 Billionen Kubikmeter besitzt) sind die Reserven des Landes infolge seiner politischen und wirtschaftlichen Isolation unterentwickelt: Nach einer Untersuchung des amerikanischen Kongresses sind 62 Prozent derzeit nicht erschlossen.
Die gemeinsamen amerikanisch-europäischen Sanktionen gegen das angebliche Nuklearwaffenprogramm des Iran haben Teheran außer Abkommen in Asien nur wenige Optionen gelassen. 2004 unterzeichnete die chinesische Sinopec Gruppe ein Öl- und Gasabkommen über 70 Milliarden Dollar mit dem Iran; dementsprechend wird in den nächsten 30 Jahren 250 Millionen Tonnen verflüssigtes Erdgas (LNG) liefern. Dieses Abkommen wird dazu beitragen, das Yadavaran Ölfeld im Iran zu entwickeln, das 18,3 Milliarden Barrel Öl und 345 Milliarden Kubikmeter Gas birgt. Im Dezember 2007 erklärte sich Sinopec bereit, weitere zwei Milliarden Dollar in das Yadavaran-Ölfeld zu investieren.
Ebenfalls im Dezember 2007 unterzeichnete die iranische Öl- und Gasgesellschaft Pars ein Abkommen über sechs Milliarden Dollar mit der malaysischen SKS-Gruppe zur Entwicklung der iranischen Gasfelder von Golschan und Ferdows. Der iranische Ölminister Gholamhossein Nozari sagte dazu: "Wir richten uns auf asiatische Länder aus, auf sie richtet sich wegen ihrer zukünftigen riesigen Energiemärkte unser Interesse." Die USA reagierten darauf, indem sie Gespräche über ein Freihandelsabkommen mit Malaysia verschoben.
Iranische Beamte haben sogar öffentlich über die derzeit unwahrscheinliche Möglichkeit einer Verlängerung der IPI-Pipeline über Indien hinaus bis nach Südostasien spekuliert. Am 18. Januar berichtete die Bangkok Post über Äußerungen des iranischen Finanzministers Davoud Jafari: "Wir haben eine sehr positive Haltung zur IPI-Pipeline, weil wir fest daran glauben, dass sie einen großen Einfluss in der Region ausüben wird. Wir gehen davon aus, dass wir die Pipeline bis nach Südostasien, in Länder wie Thailand, Malaysia und Singapur, weiterführen können."
Gleichzeitig hat die iranische Regierung ein ambitioniertes Privatisierungsprogramm verfolgt, weil sie in allen Wirtschaftsbereichen ausländische, insbesondere asiatische Investitionen fördern möchte. Ayatollah Ali Khamenei hat die Privatisierung zur "effektivsten Möglichkeit" erklärt, dem "Wirtschaftskrieg" und den Finanzsanktionen Europas und der USA zu begegnen.
Im Februar 2008 erklärte Hojatollah Ghanimi-Fard, Auslandsdirektor der Nationalen Iranischen Ölgesellschaft (NIÖG), gegenüber dem Middle East Economic Digest, dass der Iran 47 Energiefirmen, einschließlich der NIÖG-Tochtergesellschaften Petropars und Petroiran Development Company mit einem geschätzten Wert von 90 Milliarden Dollar, privatisieren werde. Der stellvertretende iranische Finanzminister Heidari Kord Zanganeh sagte zur Financial Times : "Wenn ich noch zwei Jahre im Amt bin, werde ich garantiert 80 bis 90 Prozent des staatlichen Vermögens verkaufen."
Die Financial Times merkte an, dies umfasse die staatliche Stahlindustrie, Kupferindustrie, das Bankenwesen, Schifffahrt, Fluglinien und Telekommunikationsfirmen. Sie fügte an, dass die iranische Regierung Börsen in Hongkong, Jakarta und Kuala Lumpur für erste Verkäufe von Aktien dieser Unternehmen ins Auge gefasst habe.
Chinesisch-amerikanische Rivalität in Südasien
Wer das Projekt einer durch Pakistan führenden Pipeline zwischen Iran und China im Kontext der US-Strategie in der Region betrachtet, kann seine politische Sprengkraft verstehen. Um Indien zu veranlassen, die IPI-Pipeline aufzugeben, drohten die USA dem Land, die geplante indisch-amerikanische Atom-Kooperation und die "globale strategische" Partnerschaft platzen zu lassen. Die USA hoffen, Indien als Gegengewicht zu China, der stärksten aufsteigenden Macht in Asien, aufzubauen. Die indische Bourgeoisie ist sich zwar keineswegs sicher, ob sie diese Rolle spielen will, im Moment versucht sie aber den maximalen Vorteil aus dieser Beziehung zu ziehen.
Wenn die USA schon gegen eine Pipeline waren, die den Iran mit Indien verbindet, einem Land, das sie als Verbündeten hofieren, wie sehr werden sie dann gegen eine Pipeline sein, die den Iran mit China, ihrem wichtigsten geopolitischen Konkurrenten nicht nur in Asien, verbindet. Auch wenn China den Einfluss der USA in Pakistan noch nicht offen herausfordert, kann man doch sagen, dass der US-Imperialismus China in Pakistan nicht einfach übergehen kann.
China verfügt in Pakistan seit langem über politischen Einfluss, der auf die Zeit des kalten Krieges zurückgeht, als Pakistan und China Kriege gegen Indien führten und das Land als gemeinsamen Feind betrachteten. Die USA entzogen Pakistan mehrfach an wichtigen politischen Wendepunkten in der Region ihre finanzielle und politische Unterstützung. Das bekannteste Beispiel ist vielleicht die Situation nach dem Zusammenbruch des von der Sowjetunion unterstützten Regimes in Afghanistan. Deshalb bezeichnen pakistanische Politiker China den "All-Wetter-Freund" Pakistans, im Unterschied zu den USA als dem "Gut-Wetter-Freund".
China verfügt auch über zunehmenden kommerziellen Einfluss. 2006 schloss es ein Freihandelsabkommen mit Pakistan. Chinesische Firmen betreiben Gold- und Kupferbergwerke bei Saindak, Blei- und Zinkbergwerke im Distrikt Lasbela (beides in Belutschistan). Zudem unterhalten sie nahe Kala Shah Kako im Pandschab eine pakistanisch-chinesische Industriezone. Beide Länder können ihren Handel direkt auf dem Landweg über den befestigten Karakoram Highway abwickeln. Diese Route verbindet Kashgar in der chinesischen Autonomen Provinz Xinjiang mit Islamabad und Rawalpindi und durchquert das pakistanische Kaschmir.
An der pakistanischen Küste der Arabischen See betreibt China den Tiefseehafen Gwadar, nur 400 Kilometer östlich der strategischen Straße von Hormuz. China beteiligt sich am Bau einer Eisenbahnlinie zwischen Gwadar und Dalbandin, um Gwadar mit dem Karakoram Highway zu verbinden. Es gibt Spekulationen, dass China Öl und Rohstoffe aus dem Nahen Osten und aus Afrika über den Hafen von Gwadar transportieren möchte, um die Lieferungen so kurz wie möglich über die von den USA kontrollierten Schifffahrtswege im Indischen und Pazifischen Ozean zu führen.
Strategen der US-Bourgeoisie betrachten diese Entwicklung mit steigendem Misstrauen. Tariq Niazi schrieb im Februar 2005 für den Think Tank Jamestown Foundation, dass China versuche, "Pakistan in die chinesische Wirtschaft zu integrieren", "Pakistan in eine riesige Werkbank für China zu verwandeln" und "Zugang zu den zentralasiatischen Märkten zu bekommen, um von dort Energie zu importieren und seine Waren dorthin zu transportieren. Dazu dient der Bau von Straßen und Eisenbahnen durch Afghanistan und Pakistan." Amerikanische Militäranalysten behaupten auch, Chinesen spionierten in Gwadar regelmäßig Bewegungen der US-Marine in die Golfregion aus.
Peking hofft seit langem, den Seetransport völlig zu vermeiden. Dafür versucht es ein Netz von Pipelines zu bauen, das China mit den zentralasiatischen und iranischen Feldern verbindet. Pläne einer so genannten "Pan-asiatischen Energiebrücke" oder "Neuen Energie-Seidenstraße" wurden nach der US-Invasion in Afghanistan 2001 erst einmal weitgehend auf Eis gelegt, weil in mehreren Länder der Region US-Truppen stationiert wurden. Die aktuellen Pläne für eine iranisch-pakistanische Pipeline scheinen die Möglichkeit wieder aufleben zu lassen, China direkt auf dem Landweg mit den nahöstlichen Energievorkommen zu verbinden.
Die vorgesehene Pipelineroute erhöht die politische Instabilität. Sie soll durch den iranischen und den pakistanischen Teil von Belutschistan führen. In beiden Ländern wird die Region von der jeweiligen Zentralregierung nur bedingt kontrolliert. Nationalisten in Belutschistan und die Gruppe Jundallah haben schon iranische und chinesische Staatsbürger in der Region angegriffen. Gestützt auf Berichte von ABC News Report berichteten iranische Sprecher im April 2007 über Gespräche des amerikanischen Vizepräsidenten Dick Cheney mit dem pakistanischen Diktator Pervez Musharraf über solche Angriffe. Sie beschuldigten die US-Regierung, die Gruppe Jundallah "inoffiziell" zu unterstüzen.