Ein führender Berater des republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain erklärte in einem Interview mit der Zeitschrift Fortune, dass ein neuer terroristischer Anschlag, wie der vom 11. September 2001, gut für die Wahlchancen seines Kandidaten wäre. Ein solches Ereignis "wäre sicherlich von großem Vorteil für ihn", erklärte Charles R. Black Jr. in einem Kommentar, den selbst das monatlich erscheinende Wirtschaftsmagazin als "alarmierend" bezeichnete.
Black fügte hinzu, die Ermordung der früheren pakistanischen Premierministerin Benazir Bhutto, die natürlich "zu beklagen" sei, habe McCain in den letzten Tagen vor der Vorwahl in New Hampshire Auftrieb gegeben, weil sie die öffentliche Aufmerksamkeit auf eine größere internationale Krise gelenkt habe. "Sein Wissen und seine Fähigkeit, darüber zu reden, haben erneut gezeigt, dass er der richtige Mann als Oberbefehlshaber ist. Und das hat uns geholfen", erklärte Black.
Binnen Stunden nach der Veröffentlichung seiner Äußerungen auf der Web-Seite der Zeitschrift widersprach McCain den Äußerungen Blacks. Black erschien dann am Montagabend auf einer Pressekonferenz, um die übliche rituelle "Entschuldigung" von sich zu geben, die immer als Signal dafür gilt, dass die, die sich entschuldigen, jede weitere öffentliche Diskussion unterbinden wollen.
McCain selbst hat sich jedoch schon ähnlich wie Black geäußert. Am Tag von Bhuttos Ermordung erklärte er gegenüber CNN, sie könne einen positiven Effekt auf seine zähe Bewerbung um die Kandidatur für die Republikaner haben. "Ich bin derjenige mit der Erfahrung, dem Wissen und dem Urteilsvermögen", erklärte er in einem Interview mit der Moderatorin von CNN, Dana Bash. "Deshalb trägt das vielleicht dazu bei, diese Fähigkeiten aufzuwerten."
Presseberichte vom Dienstag stellten fest, dass McCain 2004 eine ähnliche Bemerkung von sich gegeben hatte, als er ein Video, das Osama bin Laden am Vorabend der Präsidentschaftswahlen veröffentlicht hatte, als "sehr nützlich" für die Wiederwahl von Präsident Bush bezeichnete.
In demselben Fortune- Artikel, in dem Black zitiert wird, wurde McCain gebeten, die "größte Bedrohung für die amerikanische Wirtschaft" zu nennen. Er nannte nicht Arbeitslosigkeit, einen Finanzkollaps, explodierende Ölpreise oder das enorme Handelsbilanzdefizit, sondern einen weiteren Terroranschlag. "Ich glaube, die ernsteste Bedrohung überhaupt ist der Kampf, den wir gegen den radikal islamischen Extremismus führen [sic], der, wenn sie sich durchsetzen, unsere gesamte Existenz bedroht", erklärte er. "Ein weiterer erfolgreicher Anschlag auf die Vereinigten Staaten von Amerika könnte verheerende Folgen haben."
Abgesehen von der phantastisch anmutenden Idee, dass eine Handvoll islamistisch-fundamentalistischer Terroristen die "Existenz" der Vereinigten Staaten "bestimmen" oder bedrohen könnten, zeigt der Kommentar, dass McCain eine Kampagne mit nur einem Thema führt, bei der die Antwort auf jede Frage und jedes Problem der "Krieg gegen den Terror" ist. Da McCain jetzt bei den Umfragen erheblich zurückliegt - laut einer Umfrage von Bloomberg/ Los Angeles Times, die am Dienstag veröffentlicht wurde, liegt er 15 Prozent hinter Obama - sieht er seine einzige Chance darin, das amerikanische Volk buchstäblich so in Angst und Schrecken zu versetzen, dass es ihn zum Präsidenten wählt.
Der Sprecher Obamas, Bill Burton, nannte Blacks Äußerungen "eine Schande ohnegleichen". Aber er nutzte die Kontroverse gleichzeitig, um Obamas Fähigkeiten als Oberbefehlshaber im "Krieg gegen den Terror" herauszustreichen. Burton erklärte: "Barack Obama wird diese gescheiterte Politik und diese zynische und polarisierende Art hinter sich lassen, damit wir diese Nation um ein gemeinsames Ziel sammeln und den Kampf gegen Al-Quaida zu Ende bringen können."
Weder der Demokratische Kandidat noch die Medien bemühen sich, die wirkliche Bedeutung der Äußerung Blacks zu untersuchen. Das ist alles andere als ein "Ausrutscher", oder besser gesagt besteht der "Ausrutscher" darin, dass Black etwas ausgeplaudert hat, das im engeren Zirkel der McCain-Wahlkampagne, der Republikanischen Partei und des Weißen Hauses von Bush weithin diskutiert wird - und mit großer Wahrscheinlichkeit genauso in den höchsten Rängen des Pentagon und der CIA. Es soll aber nicht an die Öffentlichkeit kommen. Der Korrespondent von Fox News, Carl Cameron, bemerkte am Dienstag: "Black hat Ärger gekriegt, weil er etwas sagte, worüber alle sprechen".
Wer ist Charles Black?
Black ist ein langjähriger Funktionär der Republikanischen Partei, der außerdem in Washington als Lobbyist für die bekanntesten rechten Diktaturen und politischen Gangster gearbeitet hat.
Er trat in die nationale Politik als politischer Direktor der "Jungen Amerikaner für Freiheit" ein, eine weit rechts stehende Organisation, die gegen die Massenbewegung der Jugendlichen und Studenten gegen den Vietnam-Krieg auftrat; anschließend arbeitete er 1972 im ersten Wahlkampfteam des Ultrarechten Jesse Helms in North Carolina für die Wahl zum Senat. Black wurde Gründungsvorsitzender des Nationalen Konservativen Politischen Aktionskomitees und stieg zum politischen Direktor des Republikanischen Nationalkomitees auf, wo er der Mentor von Lee Atwater wurde, dem wichtigsten politischen Mann fürs Grobe von Präsident George H. W. Bush, und Karl Rove, der dieselbe Rolle für den jüngeren Präsidenten Bush spielt.
Black war 1980 einer der Spitzenberater im Präsidentschaftswahlkampf von Ronald Reagan, als die Republikanische Partei befürchtete, dass die Carter-Regierung eine "Oktober-Überraschung" vorbereite - wie z. B. die Freilassung der US-Botschafts-Geiseln, die im Iran festgehalten wurden -, was bei den Wahlen den Ausschlag hätte geben können. Es gibt schon seit langem Berichte, dass Vertreter von Reagan, angeführt von William Casey, dem späteren Chef der CIA, sich mit iranischen Vertretern in Paris getroffen haben, um sicherzustellen, dass eine solche Übereinkunft nicht zustande kam. Das iranische Regime hat die Geiseln bis zu den letzten Stunden der Carter-Regierung festgehalten und sie erst frei gelassen, als Reagan seinen Amtseid leistete.
Als die Republikaner an der Macht waren, versuchte Black finanziell Kasse zu machen und gründete die Lobby-Firma Black, Manafort and Stone, die in Washington rechte Diktatoren wie Zaires Mobutu Sese Seko, Ferdinand Marcos von den Philippinen, Mohamed Siad Barre aus Somalia und den nigerianischen General Ibrahim Babangida vertrat.
Blacks berühmtester internationaler Kunde war Jonas Savimbi, dessen antikommunistische UNITA-Bewegung, unterstützt von der Reagan-Regierung und dem Apartheid-Regime in Südafrika, einen brutalen Krieg gegen das von Kuba unterstützte nationalistische Regime in Angola führte.
Mitte der 1990er Jahre gewann Blacks Lobby-Firma einen weiteren berühmten "Dissidenten" als Kunden: Ahmed Chalabi, den im Exil lebenden irakischen Bankier und verurteilten Betrüger, dessen Irakischer Nationaler Kongress falsche Informationen über Bagdads angebliche "Massenvernichtungswaffen" lieferte und unaufhörlich für eine US-Invasion im Irak warb.
Bereitet die US-Regierung eine Oktober-Überraschung vor?
Blacks Umtriebe sind nicht nur mit Geldgier zu erklären. Seine Motivation war eine reaktionäre Politik und seine Ergebenheit gegenüber dem amerikanischen Staatsapparat. Vor kurzer Zeit erklärte er in einem Interview gegenüber der Washington Post, er habe niemals ausländische Regierungen und politische Bewegungen vertreten "ohne vorher mit dem Außenministerium und dem Weißen Haus zu sprechen, und mit ihnen zu klären, dass die Aktivitäten im Sinne der Interessen der US-Außenpolitik liegen".
Diese unbestrittenen Beziehungen zum US-Miliär- und Geheimdienst-Apparat, genauso wie Blacks lange Geschichte beim Aushecken von rechten politischen Provokationen, verleihen dem jüngsten Vorfall ein besonders unheilvolles Gepräge.
Es geht nicht darum, dass Black gegen den guten politischen Ton verstoßen hat, indem er eine öffentliche Einschätzung der möglichen Auswirkungen eines größeren terroristischen Anschlags gab. So versuchen es die beschränkte Medien-Berichterstattung über den Streit und Obamas Wahlkampfteam darzustellen, das diese "Politik der Angst" anprangert.
Weder die Medien, noch die Demokraten stellen die Frage: bereiten Teile des Staatsapparats und der Bush-Regierung aktiv ein solches Ereignis vor, indem sie es entweder nicht verhindern, oder indem sie selber aktiv eine solche Gräueltat aushecken, weil sie glauben, dass ein Terroranschlag dem Wahlkampf McCains nützen würde?
Eine solche Mutmaßung ist durchaus nicht weit her geholt. Im Gegenteil, viele von Blacks eigenen internationalen Kunden haben Ähnliches organisiert - haben Bomben gelegt, gefälschte "Terroranschläge" in Szene gesetzt, Vorwände konstruiert, um politische Gegner zu verhaften, oder Wahlen ausgesetzt. Der US-Geheimdienstapparat hat natürlich eine lange Erfahrung in solchen Methoden der Provokation und politischen Manipulation. Das trifft ebenso auf den israelischen Geheimdienst zu.
Insoweit in den Monaten vor der Wahl ein amerikanischer oder israelischer Luftangriff auf den Iran oder andere verantwortungslose militärische Abenteuer zu erwarten sind, stehen dahinter nicht irgendwelche ausländische Feinde - Al Qaida, Iran, Syrien etc. -, sondern die sich ständig vertiefende Krise des amerikanischen Kapitalismus selbst.
Die politischen Vertreter der amerikanischen herrschenden Elite - und dazu gehören die Demokratische Partei und Senator Obama genauso wie die Republikaner und McCain - verfügen über keine Politik, um die wachsende Arbeitslosigkeit und Inflation zu mindern, die Finanzkrise zu stoppen, deren Ausmaße von den Medien durchweg unterschätzt wird, oder um die brodelnde Unzufriedenheit unter Millionen arbeitender Menschen zu beschwichtigen, die mit einem immer schwierigeren Kampf ums Überleben konfrontiert sind.
In zunehmendem Maße greift die Finanzaristokratie zu Krieg und Provokationen, um die Öffentlichkeit abzulenken und zu desorientieren und um ein politisches Klima zu schaffen, in dem jeder Ausdruck von sozialer Unzufriedenheit dämonisiert und unterdrückt werden kann. Das ist die wirkliche Bedeutung der Äußerungen von Charles Black.