Die historischen und internationalen Grundlagen der Socialist Equality Party

Teil 4

Die US-amerikanische Socialist Equality Party (SEP) hat vom 3. bis 9. August 2008 ihren Gründungskongress durchgeführt. Der Kongress diskutierte und verabschiedete ein Dokument über die "historischen und internationalen Grundlagen der Socialist Equality Party", das wir hier in deutscher Übersetzung in elf Teilen veröffentlichen. Bereits in deutscher Übersetzung erschienen sind ein Bericht über den Gründungskongress und die Grundsatzerklärung der SEP, die ebenfalls vom Gründungskongress verabschiedet wurde.

Die Folgen der Politik des "Sozialismus in einem Land"

72. Die Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Pakts im August 1939 und der nachfolgende Ausbruch des Zweiten Weltkriegs lösten eine politische Krise in der Socialist Workers Party in den Vereinigten Staaten aus.[47] Eine politische Fraktion unter Führung von Max Shachtman, James Burnham und Martin Abern argumentierte, man könne die Sowjetunion nicht länger als Arbeiterstaat bezeichnen. Aus dieser veränderten Einschätzung zur Klassennatur des Sowjetstaats – den Burnham nun als "bürokratischen Kollektivismus" charakterisierte – ergab sich ihre Haltung, die Vierte Internationale solle im Falle eines Krieges nicht zur Verteidigung der Sowjetunion aufrufen.

73. Trotzki antwortete, die Kennzeichnung des stalinistischen Regimes als "bürokratischer Kollektivismus" – eine neue, nie da gewesene Form einer ausbeuterischen Gesellschaft, die der Marxismus nicht vorhergesehen hat – beinhalte weitreichende politische und historische Implikationen. Letztlich stelle sie die historische Umsetzbarkeit des marxistischen Projekts selbst in Frage. Die Prämisse hinter Burnhams These (die etwas später auch von Shachtman übernommen wurde) lautete, die Arbeiterklasse habe ihr Potenzial als revolutionäre Kraft erschöpft. Die Entwicklung der modernen Gesellschaft führe demnach nicht in Richtung Sozialismus, der auf Grundlage einer internationalen Arbeiterrevolution errungen wird. Vielmehr entstünde eine Form des "bürokratischen Kollektivismus", in dem die Gesellschaft von einer Verwaltungselite kontrolliert und geführt werde. Hatte Burnham Recht, ergab sich daraus zwangsläufig der Schluss, dass der Marxismus die Entwicklung der modernen Geschichte falsch verstanden hatte, – besonders aber hatte er einen Fehler begangen, als er der Arbeiterklasse eine revolutionäre Rolle zuschrieb. Diese Perspektive war weniger Ausdruck einer materialistischen Analyse der ökonomischen Grundlagen und sozialen Dynamik der modernen kapitalistischen Gesellschaft, ganz zu schweigen von der Sowjetunion, als vielmehr ein Verzweiflungsschrei. Aus den Niederlagen der 1920er und 1930er Jahre schlossen Burnham und Shachtman die Unmöglichkeit der sozialistischen Revolution. Trotzki wies diese impressionistische und pessimistische Haltung zurück. Die Vierte Internationale, schrieb er, hielt die revolutionäre Perspektive des Marxismus aufrecht. Und er erklärte, dass die Niederlagen, die die Arbeiterklasse erlitten hatte, dem politischen Verrat der Arbeitermassenorganisationen entsprangen. Trotzki stellte fest:

"All die verschiedenen Arten enttäuschter und verängstigter Vertreter des Pseudomarxismus gehen im Gegensatz dazu davon aus, dass der Bankrott der Führung nur die Unfähigkeit des Proletariats 'widerspiegelt', seinen revolutionären Auftrag zu erfüllen. Nicht alle unsere Gegner drücken diesen Gedanken klar aus, aber allesamt – Ultralinke, Zentristen, Anarchisten, ganz zu schweigen von den Stalinisten und Sozialdemokraten – wälzen die Verantwortung für die Niederlagen von sich selbst auf die Schultern des Proletariats ab. Keiner von ihnen äußert sich dazu, was genau die Bedingungen sind, unter denen das Proletariat in der Lage sein wird, den sozialistischen Umsturz durchzuführen."[48]

74. Trotzki bestand darauf, dass der Konflikt innerhalb der SWP über programmatische Fragen zwei grundverschiedene und unversöhnliche Sichtweisen der gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklung widerspiegelte.

"Wenn wir annehmen, es wäre wahr, dass der Grund für die Niederlagen in den sozialen Eigenschaften des Proletariats selbst begründet liegt, dann müsste man die Lage der modernen Gesellschaft als hoffnungslos bezeichnen. …Allerdings stellt sich die Sache für denjenigen völlig anders dar, der sich klar geworden ist über den tiefen Antagonismus zwischen dem organischen, tiefgehenden und unüberwindlichen Drängen der Arbeitermassen, sich aus dem blutigen kapitalistischen Chaos zu befreien, und dem konservativen, patriotischen und durch und durch bürgerlichen Charakter der überlebten Arbeiterführung. Wir müssen uns für eine dieser beiden unvereinbaren Auffassungen entscheiden."[49]

75. Die Vierte Internationale war immer wieder und in verschiedenen Erscheinungsformen mit politischen und theoretischen Tendenzen konfrontiert, die von der Auffassung ausgingen, die Arbeiterklasse sei keine revolutionäre Kraft. Ob in der Form des Pablismus oder anderer demoralisierter radikaler Tendenzen, wie auch der "Neuen Linken", die von der Frankfurter Schule (Marcuse, Horkheimer, Adorno et al) beeinflusst waren, bildete die Ablehnung der revolutionären Rolle der Arbeiterklasse immer die Grundlage ihrer opportunistischen politischen Anschauungen. Und was Shachtman und Burnham betrifft, so bestätigte ihre nachfolgende politische Entwicklung Trotzkis Analyse. Im April 1940 verließen Burnham und Shachtman die SWP und gründeten die Workers Party. Innerhalb eines Monats trat Burnham auch aus seiner eigens neu geschaffenen Partei aus und erklärte, er sei kein Marxist oder Sozialist mehr. Dies war der Beginn einer schnellen und extremen Rechtsentwicklung. Er befürwortete einen atomaren Erstschlag gegen die Sowjetunion und wurde in den 1950er Jahren zum Hauptideologen der entstehenden neokonservativen Bewegung. 1982, einige Jahre vor seinem Tod, erhielt Burnham die Freiheitsmedaille aus den Händen von US-Präsident Ronald Reagan. Shachtman entwickelte sich zunächst etwas langsamer, jedoch ebenso unausweichlich nach rechts. Er wurde politischer Berater der Gewerkschaftsbürokratie im amerikanischen Dachverband der AFL-CIO und gehörte dem reaktionärsten Kalte-Krieger-Flügel in der Demokratischen Partei an. Vor seinem Tod im Jahre 1972 befürwortete Shachtman das Bombardement Nordvietnams durch die Vereinigten Staaten.

Trotzkis Verteidigung der materialistischen Dialektik

76. Die Auseinandersetzung von 1939/40 verdient noch in weiterer Hinsicht Beachtung, nämlich in ihrer theoretisch-philosophischen Dimension. Burnham, der Philosophieprofessor an der New York University war, erklärte sich selbst zum Gegner der materialistischen Dialektik. Wie viele andere, die den dialektischen Materialismus vom Standpunkt des philosophischen Idealismus (insbesondere in seiner Neokantianischen Form) ablehnten, tat Burnham den Materialismus von Marx und Engels ab, als handele es sich bloß um ein Produkt der überholten Wissenschaft des 19. Jahrhunderts und ihrer umfassenden Bewunderung für Darwins Evolutionslehre. Was die Dialektik anbetraf, so belächelte Burnham Hegel als den "seit hundert Jahren toten Erz-Verwirrer des menschlichen Denkens"[50]. In seiner Antwort auf Burnham charakterisierte Trotzki auf prägnante Weise sowohl die materialistische Dialektik als auch die theoretische Methode des Professors. Er erklärte die Beziehung zwischen Burnhams pragmatischen Anschauung und seinen politischen Schlussfolgerungen:

"Das gewöhnliche Denken arbeitet mit solchen Konzepten wie Kapitalismus, Moral, Freiheit, Arbeiterstaat usw. als unveränderlichen Abstraktionen, wobei davon ausgegangen wird, dass Kapitalismus gleich Kapitalismus, Moral gleich Moral ist usw. Das dialektische Denken untersucht alle Dinge und Erscheinungen in ihrer ununterbrochenen Veränderung und bestimmt in den materiellen Bedingungen dieser Veränderungen jene kritische Grenze, jenseits derer 'A' aufhört 'A' zu sein, ein Arbeiterstaat aufhört, ein Arbeiterstaat zu sein.

Der grundlegende Fehler des gewöhnlichen Denkens liegt darin, dass es sich mit bewegungslosen Eindrücken einer Wirklichkeit zufrieden geben will, die aus ewiger Bewegung besteht. Durch größere Annäherungen, Berichtigungen, Konkretisierungen gibt das dialektische Denken Konzepten einen inhaltlichen Reichtum und größere Flexibilität; ich würde sogar sagen eine Saftigkeit, die sie in gewisser Hinsicht den lebendigen Phänomenen näher bringt. Nicht der Kapitalismus im Allgemeinen, sondern ein bestimmter Kapitalismus auf einer bestimmten Entwicklungsstufe. Nicht ein Arbeiterstaat im Allgemeinen, sondern ein bestimmter Arbeiterstaat in einem rückständigen Land, in imperialistischer Umzingelung usw.

Dialektisches Denken steht zum gewöhnlichen Denken in demselben Verhältnis wie der Film zu einem Standfoto. Der Film macht Standfotos nicht wertlos, sondern verbindet eine Reihe von ihnen entsprechend den Gesetzen der Bewegung. Dialektik leugnet den Syllogismus nicht, sondern lehrt uns, Syllogismen derartig zu verbinden, dass wir unser Verständnis an die sich ewig verändernde Wirklichkeit annähern. Hegel stellte in seiner Logik eine Reihe von Gesetzen auf: das Umschlagen von Quantität in Qualität, die Entwicklung durch Widersprüche, der Widerstreit von Inhalt und Form, die Unterbrechung der Kontinuität, das Umschlagen von Möglichkeit in Unvermeidlichkeit usw.; diese Gesetze sind für das theoretische Denken ebenso wichtig wie der einfache Syllogismus für einfachere Aufgaben.

Hegel schrieb vor Darwin und vor Marx. Dank des machtvollen Anstoßes, den die Französische Revolution dem Denken gab, nahm Hegel die allgemeine Entwicklung der Wissenschaft vorweg. Aber weil es nur eine Vorwegnahme war, wenn auch die eines Genies, bekam sie von Hegel einen idealistischen Charakter. Hegel arbeitete mit ideologischen Schatten als endgültiger Wirklichkeit. Marx zeigte, dass die Bewegung dieser ideologischen Schatten nichts anderes als die Bewegung der materiellen Dinge widerspiegelte.

Wir nennen unsere Dialektik materialistisch, da ihre Wurzeln weder im Himmel noch in den Tiefen unseres 'freien Willens' liegen, sondern in der objektiven Wirklichkeit, in der Natur. Bewusstsein entwickelte sich aus dem Unbewussten, die Psychologie aus der Physiologie, die organische Welt aus der anorganischen, das Sonnensystem aus den Nebeln. Auf allen Sprossen dieser Leiter der Entwicklung wurden die quantitativen Veränderungen in qualitative verwandelt. Unser Denken, einschließlich des dialektischen Denkens, ist nur eine der Ausdrucksformen der sich ändernden Materie. Innerhalb dieses Systems ist weder Platz für Gott, noch für den Teufel, noch für die unsterbliche Seele, noch für ewigen Normen von Gesetz und Moral. Die Dialektik des Denkens ist, da sie aus der Dialektik der Natur erwachsen ist, folglich durch und durch materialistisch."[51]

77. Shachtman behauptete, niemand hätte bis dahin gezeigt, "dass Übereinstimmung oder Meinungsverschiedenheiten über die eher abstrakten Lehren des dialektischen Materialismus notwendigerweise die konkreten politischen Streitfragen von heute oder morgen berühren - und politische Parteien, Programme und Kämpfe beruhen auf solchen konkreten Streitfragen". Trotzki antwortete darauf:

"Was für Parteien? Welche Programme? Welche Kämpfe? Alle Parteien und Programme werden hier in einen Topf geworfen. Die Partei des Proletariats ist keine Partei wie alle anderen. Sie gründet sich durchaus nicht auf 'solche konkreten Fragen'. Schon in ihrem Fundament ist sie den Parteien der bürgerlichen Pferdehändler und der kleinbürgerlichen Flickschuster diametral entgegengesetzt. Ihre Aufgabe ist die Vorbereitung einer sozialen Revolution und die Erneuerung der Menschheit auf neuen materiellen und moralischen Grundlagen. Um nicht dem Druck der bürgerlichen öffentlichen Meinung oder der Polizeirepression nachzugeben, braucht der proletarische Revolutionär, umso mehr noch ein Führer, eine klare, vorausschauende, vollkommen durchdachte Weltanschauung. Nur auf der Grundlage eines einheitlichen marxistischen Konzepts ist es möglich, an 'konkrete' Fragen richtig heranzugehen."[52]

Die kleinbürgerliche Opposition und die Parteiorganisation

78. Schon zu Beginn des Fraktionskampfes in der SWP bezeichnete Trotzki die Minderheit um Shachtman, Burnham und Abern als "typisch kleinbürgerliche Tendenz". Dies war keine unbegründete Beleidigung. Trotzki, der über mehr als vierzig Jahre politischer Erfahrung verfügte und in dieser Zeit zwei Revolutionen (1905 und 1917) angeführt sowie die Rote Armee aufgebaut und befehligt hatte, entdeckte bei der Minderheit Züge, wie sie für "jede kleinbürgerliche Gruppe in der sozialistischen Bewegung" typisch seien. Dazu gehörten "eine verächtliche Haltung gegenüber der Theorie und eine Neigung zum Eklektizismus, Respektlosigkeit gegenüber der Tradition der eigenen Organisation, Besorgnis um die eigene 'Unabhängigkeit' statt Besorgnis um objektive Wahrheit, Nervosität anstelle von Festigkeit, Bereitschaft, von einer Position zur anderen zu springen, Mangel an Verständnis des revolutionären Zentralismus und Feindschaft ihm gegenüber und schließlich die Neigung, die Parteidisziplin durch Cliquenbildung und persönliche Beziehungen zu ersetzen".[53]

79. Die Minderheit griff unentwegt die organisatorische Praxis der SWP an, setzte Cannon praktisch mit Stalin gleich, als wäre er der Chef einer rücksichtslosen Parteibürokratie, die jeden Ausdruck von Individualität niedertrampelte. Cannon, der gerne Klartext redete, bemerkte dazu:

"Kleinbürgerliche Intellektuelle sind von Natur aus nach innen gekehrt. Sie halten ihre Gefühle, ihre Zweifel, ihre Ängste und ihre egoistische Sorge um ihr persönliches Schicksal fälschlicherweise für die Stimmungen und Entwicklungstendenzen der breiten Massen. Sie messen die Probleme der Welt an ihren eigenen belanglosen Schmerzen und Qualen."[54]

80. Cannon wies darauf hin, dass die Vorwürfe, die die kleinbürgerliche Minderheit der Partei bezüglich der organisatorischen Praxis machte, einem bekannten Muster folgten:

"Die Geschichte der revolutionären Arbeiterbewegung ist seit den Tagen der Ersten Internationale eine ununterbrochene Chronik der Versuche kleinbürgerlicher Gruppierungen und Tendenzen aller Art, sich für ihre theoretische und politische Schwäche durch wütende Angriffe gegen die 'organisatorischen Methoden' der Marxisten zu entschuldigen. In die Rubrik organisatorische Methoden schlossen sie alles ein: vom Konzept des revolutionären Zentralismus über organisatorische Routineangelegenheiten bis hin zu den persönlichen Verhaltensweisen und Methoden ihrer prinzipiellen Gegner, die sie stets als 'schlecht', 'barsch', 'tyrannisch' und – natürlich 'bürokratisch' beschreiben. Bis zum heutigen Tage wird einem jede kleine Anarchistengruppe darlegen, wie der 'autoritäre' Marx mit Bakunin umgesprungen ist.

Die elfjährige Geschichte der trotzkistischen Bewegung in den Vereinigten Staaten ist überaus reich an solchen Erfahrungen. Die internen Auseinandersetzungen und Fraktionskämpfe, in denen der Kaderkern unserer Bewegung gefestigt und erzogen wurde, richteten sich meist gegen Versuche, grundsätzliche Probleme mit organisatorischen Querelen zu überlagern. Die politisch schwachen Opponenten griffen jedesmal auf diese Ausflucht zurück."[55]

81. Trotzki schätzte Cannons Analyse der "Organisationsfragen" und seinen Kampf für eine "proletarische Ausrichtung" der SWP sehr. Er bemerkte dazu: "Jims Broschüre ist ausgezeichnet. Sie ist das Werk eines richtigen Arbeiterführers. Hätte die Diskussion nicht mehr hervorgebracht als dieses Dokument, wäre sie gerechtfertigt."[56]

Die Vierte Internationale und der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs

82. Der Zweite Weltkrieg begann im September 1939 mit dem Überfall Nazideutschlands auf Polen. Hitlers blutiger Angriff wurde durch die Unterzeichnung eines "Nichtsangriffspakts" zwischen Deutschland und dem stalinistischen Regime nur eine Woche zuvor erleichtert. Der politische und militärische Hauptimpuls für die Entfachung des Flächenbrands ging von den strategischen Zielen des Dritten Reiches aus. Doch grundlegender entsprang der Krieg den ökonomischen und geopolitischen Widersprüchen, die der Erste Weltkrieg geschaffen hatte, und darüber hinaus der historischen Überlebtheit des Nationalstaatensystems und dem generellen Zusammenbruch des Weltkapitalismus. Trotzki lehnte jeden Versuch ab, den Krieg als Konflikt zwischen Demokratie und Faschismus zu verstehen: "Der gegenwärtige Krieg, den die Beteiligten begannen, bevor sie den Versailler Vertrag unterzeichneten, erwuchs aus imperialistischen Widersprüchen. Er war so unvermeidlich wie der Zusammenstoß zweier Züge, die auf demselben Gleis aufeinander zufahren."[57] Im Manifest der Vierten Internationale, Der imperialistische Krieg und die proletarische Weltrevolution, vom Mai 1940 machte Trotzki die imperialistische Bourgeoisie aller großen kapitalistischen Länder für die globale Katastrophe verantwortlich. Die späten Vorwürfe Frankreichs, Großbritannien und der Vereinigten Staaten gegen Hitlers totalitäres Regime strotzten vor Zynismus. Trotzki schrieb:

"Die demokratischen Regierungen, die seinerzeit Hitler für seinen Kreuzzug gegen den Bolschewismus priesen, erkennen heute in ihm eine Art Satan, der unerwartet aus den Tiefen der Hölle hervorbrach und gegen geheiligte Abkommen, Grenzen, Regeln und Vorschriften verstößt. Ohne Hitler wäre die kapitalistische Welt ein blühender Garten. Welch erbärmliche Lüge! Dieser deutsche Epileptiker mit einer Rechenmaschine in seinem Schädel und unbegrenzter Macht in seinen Händen fiel nicht vom Himmel und kam nicht aus der Hölle; er ist nichts als die Verkörperung der Zerstörungskräfte des Imperialismus... So gibt Hitler, wenn er die alten Kolonialmächte in ihren Grundfesten erschüttert, dem imperialistischen Machtwillen nur einen vollendeteren Ausdruck. Mit Hitler hat der Weltkapitalismus, in eine Sackgasse verrannt und zur Verzweiflung getrieben, begonnen, sich den Dolch in die eigenen Eingeweide zu pressen.

Den Schlächtern des zweiten imperialistischen Krieges wird es nicht gelingen, Hitler zum Sündenbock für ihre eigenen Verbrechen zu machen.

Vor dem Richterstuhl des Proletariats werden sich alle, die jetzt herrschen, zu verantworten haben. Hitler wird es nur den ersten Platz auf der Anklagebank zuweisen."[58]

83. Das Manifest verwies auf die Rolle der Vereinigten Staaten. Zu dieser Zeit (1940) standen sie noch außerhalb des direkten Konflikts. Aber Trotzki sagte voraus, dass die amerikanische Bourgeoisie bald die durch den Krieg gebotene Gelegenheit nutzen werde, um den Vereinigten Staaten eine Hegemonialrolle in Fragen des Weltkapitalismus zu verschaffen. Das war keine Frage des Wollens, sondern es war von ökonomischer und politischer Notwendigkeit diktiert:

"Aber die industrielle, finanzielle und militärische Stärke der Vereinigten Staaten, der überlegenen kapitalistischen Macht der Welt, gewährleistet keineswegs eine Blüte der amerikanischen Wirtschaft, sondern verleiht der Krise ihres sozialen Systems nur einen besonders bösartigen und krampfhaften Charakter. Gold in Milliardenhöhe muss brachliegen, genau wie es für die Millionen Arbeitslose keine Verwendung gibt! Die Thesen der Vierten Internationale, 'Der Krieg und die Vierte Internationale', die vor sechs Jahren veröffentlicht wurden, sagten voraus:

'Der Kapitalismus der Vereinigten Staaten ist dicht an die Aufgaben herangerückt, welche Deutschland 1914 auf den Kriegspfad drängten. Die Welt ist schon verteilt? Soll man sie neu aufteilen! Für Deutschland galt es, Europa zu "organisieren". Für die Vereinigten Staaten gilt es, die Welt zu "organisieren". Die Geschichte treibt die Menschheit schnurstracks zum Vulkanausbruch des amerikanischen Imperialismus.'"[59]

84. Das Manifest analysierte die Triebkräfte des amerikanischen Imperialismus:

"Unter dem einen oder anderen Vorwand oder Schlagwort werden die Vereinigten Staaten in den ungeheuerlichen Zusammenprall eingreifen, um ihre Weltherrschaft aufrechtzuerhalten. Die Form und der Zeitpunkt des Kampfes zwischen dem amerikanischen Kapitalismus und seinen Feinden ist noch nicht bekannt – vielleicht nicht einmal in Washington. Ein Krieg mit Japan wäre ein Kampf um 'Lebensraum' im Pazifischen Ozean. Ein Kieg im Atlantischen Ozean wäre, selbst wenn er unmittelbar gegen Deutschland gerichtet wäre, ein Krieg um das Erbe Großbritanniens.

Die Möglichkeit eines deutschen Sieges liegt wie ein Albdruck auf Washington. Mit dem europäischen Kontinent und den Hilfsmitteln seiner Kolonien als Basis, all die europäischen Munitionsfabriken und Schiffswerften zu seiner Verfügung, würde Deutschland, besonders in Verbindung mit Japan im Osten, eine tödliche Gefahr für den amerikanischen Imperialismus darstellen. Die gegenwärtigen gigantischen Schlachten auf Europas Feldern sind in diesem Sinne vorbereitende Episoden im Kampf zwischen Amerika und Deutschland."[60]

85. Das Manifest der Vierten Internationale rief die Arbeiter in den Vereinigten Staaten auf, sich gegen den Krieg zu wenden, verurteilte aber gleichzeitig ausdrücklich den Pazifismus von Teilen des Kleinbürgertums.

"Unser Kampf gegen das Eingreifen der Vereinigten Staaten in den Krieg hat nichts mit Isolationismus oder Pazifismus zu tun. Wir sagen den Arbeitern offen, dass die imperialistische Regierung nicht umhin kann, dieses Land in den Krieg hineinzuziehen. Der Disput innerhalb der herrschenden Klasse geht nur darum, wann in den Krieg zu treten und gegen wen zuerst das Feuer zu eröffnen. Darauf zu zählen, dass man die Vereinigten Staaten durch Zeitungsartikel und pazifistische Resolutionen in der Neutralität halten könne, ähnelt dem Versuch, die Flut mit einem Besen zurückzuhalten. Ein wirklicher Kampf gegen den Krieg bedeutet Klassenkampf gegen den Imperialismus und erbarmungslose Entlarvung des kleinbürgerlichen Pazifismus. Nur die Revolution könnte die amerikanische Bourgeoisie vom Eintritt in den zweiten imperialistischen Krieg oder von der Eröffnung eines dritten zurückhalten. Alle anderen Methoden sind entweder Scharlatanerie oder Dummheit oder beides."[61]

86. Im Gegensatz zu kleinbürgerlichen Pazifisten, die zum individuellen passiven Widerstand gegen den Krieg rieten, forderte die Vierte Internationale eine militärische Ausbildung für Arbeiter, jedoch unter Kontrolle der Gewerkschaften und mit Offizieren aus den Reihen der Arbeiterklasse. In den Vereinigten Staaten und unter ihren Alliierten versuchte die herrschende Klasse den Krieg als "Krieg für die Demokratie" zu verkaufen und den Hass auszunutzen, den große Teile der Arbeiterklasse gegen das Naziregime hegten. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion 1941 wurde diese Parole von den Stalinisten als Teil ihrer Allianz mit den imperialistischen Mächten aufgegriffen. Die Vierte Internationale wies dies von Anfang an zurück.

"Keine geringere Lüge ist die Parole eines Kampfes für Demokratie gegen Faschismus. Als ob die Arbeiter vergessen hätten, dass die englische Regierung Hitler und seiner Henkersbande zur Macht verhalf! Die imperialistischen Demokraten sind in Wahrheit die größten Aristokratien der Geschichte. England, Frankreich, Holland, Belgien sind auf der Knechtschaft der Kolonialvölker aufgebaut. Die Demokratie der Vereinigten Staaten beruht auf der Besitzergreifung des unermesslichen Reichtums eines ganzen Kontinents. Alle Bemühungen dieser 'Demokratie' sind darauf gerichtet, ihre privilegierte Stellung aufrechtzuerhalten. Einen beträchtlichen Teil der Kriegslasten laden die imperialistischen Demokratien auf ihre Kolonien ab. Die Sklaven werden zur Lieferung von Blut und Gold herangezogen, damit ihre Herren Sklavenhalter bleiben können."[62]

87. Trotzki bestand darauf, dass die anfängliche Kriegsallianz des Stalinschen Regimes mit Deutschland sowie die brutale Besatzungspolitik in Finnland und Polen nichts am sozialen Charakter der Sowjetunion als degenerierter Arbeiterstaat änderten. Trotz aller Verbrechen und Verrätereien des Stalinismus rief die Vierte Internationale immer noch zur Verteidigung der UdSSR gegen den Imperialismus auf.

"Viele kleinbürgerliche Radikale, die gestern noch die Sowjetunion zur Achse machen wollten, um die sich die 'demokratischen Kräfte' gegen den Faschismus gruppieren sollten, haben nun, da ihre eigenen Vaterländer von Hitler bedroht sind, plötzlich gemerkt, dass Moskau, das ihnen nicht zu Hilfe kam, eine imperialistische Politik verfolgt, und dass kein Unterschied zwischen dem Sowjetstaat und den faschistischen Ländern besteht.

Lüge! Wird jeder klassenbewusste Arbeiter antworten – es gibt einen Unterschied. Die Bourgeoisie versteht diesen sozialen Unterschied besser und tiefer als die radikalen Windbeutel. Natürlich sichert die Verstaatlichung der Produktionsmittel in einem, überdies rückständigen Land noch nicht den Aufbau des Sozialismus. Aber die Grundvoraussetzung für den Sozialismus, nämlich die geplante Entwicklung der Produktivkräfte, kann sie durchaus fördern. Sich von der Verstaatlichung der Produktionsmittel aus dem Grunde abzuwenden, dass sie an und für sich noch nicht den Wohlstand der Massen schafft, wäre dasselbe, wie ein granitenes Fundament aus dem Grunde zu zerstören, dass man ohne Wände und Dach nicht leben kann."[63]

88. Die Verteidigung der Sowjetunion gegen den Imperialismus bedeutete jedoch nicht im Geringsten irgendein politisches Zugeständnis an die stalinistische Bürokratie.

"Die Vierte Internationale kann die Sowjetunion nur mit den Methoden des revolutionären Klassenkampfes verteidigen. Wenn man den Arbeitern das richtige Verständnis für den Klassencharakter des Staates - imperialistisch, kolonial, proletarisch – und die gegenseitigen Beziehungen zwischen ihnen sowie die inneren Gegensätze jedes einzelnen vermittelt, dann versetzt man sie in die Lage, in jeder gegebenen Situation die richtigen praktischen Schlussfolgerungen zu ziehen. Während sie einen unermüdlichen Kampf gegen die Moskauer Oligarchie führt, lehnt die Vierte Internationale entschieden jede Politik ab, die dem Imperialismus gegen die UdSSR helfen würde.

Die Verteidigung der Sowjetunion fällt im Prinzip mit der Vorbereitung der sozialistischen Weltrevolution zusammen. Wir verwerfen ausdrücklich die Theorie des Sozialismus in einem Lande, diese Ausgeburt des unwissenden und reaktionären Stalinismus. Nur die Weltrevolution kann die Sowjetunion für den Sozialismus retten. Aber die Weltrevolution bringt unvermeidlich die Austilgung der Kremloligarchie mit sich."[64]

89. Das Manifest schloss mit der Bekräftigung, dass die Vierte Internationale die Strategie der sozialistischen Weltrevolution verfolge.

"Im Unterschied zur Zweiten und zur Dritten Internationale basiert die Vierte Internationale ihre Politik nicht auf das Kriegsglück der kapitalistischen Staaten, sondern auf die Verwandlung des imperialistischen Krieges in einen Krieg der Arbeiter gegen die Kapitalisten, auf den Sturz der herrschenden Klasse in allen Ländern, auf die sozialistische Weltrevolution. Die Verschiebung der Schlachtlinien an der Front, die Zerstörung von Hauptstädten, die Besetzung von Territorien, der Untergang einzelner Staaten stellen von diesem Standpunkt aus nur tragische Episoden auf dem Weg zum Umbau der modernen Gesellschaft dar.

Wir erfüllen unabhängig vom Verlauf des Krieges unsere Grundaufgabe: Wir erklären den Arbeitern die Unversöhnlichkeit zwischen ihren Interessen und denen des blutrünstigen Kapitalismus; wir mobilisieren die Werktätigen gegen den Imperialismus; wir propagieren die Vereinigung der Arbeiter in allen Krieg führenden und neutralen Ländern; wir rufen die Arbeiter und Soldaten innerhalb jedes Landes und die Soldaten auf beiden Seiten der Schlachtlinie zur Verbrüderung auf; wir mobilisieren die Frauen und die Jugend gegen den Krieg; wir betreiben eine beständige, ausdauernde, unermüdliche Vorbereitung der Revolution – in den Fabriken, in den Betrieben, in den Dörfern, in den Baracken und bei der Flotte."[65]

Trotzkis Platz in der Geschichte

90. Der Kriegsausbruch gefährdete Trotzkis Leben mehr als je zuvor. Die revolutionären Folgen des Ersten Weltkriegs waren den imperialistischen Mächten und der Sowjetbürokratie frisch im Gedächtnis. Solange er lebte, blieb Trotzki der Führer der revolutionären Regierung im Exil. War es nicht möglich, sogar wahrscheinlich, fürchtete Stalin, dass die Kriegsunruhen eine revolutionäre Bewegung hervorriefen, die Trotzki wieder an die Macht brächte? Um die Führung der Russischen Revolution komplett zu vernichten und das Wachsen der Vierten Internationale zu verhindern, infiltrierten Stalins Agenten die trotzkistische Bewegung. Ihr zentrales Ziel war die Ermordung von Leo Trotzki. Zu den Agenten der GPU in der trotzkistischen Bewegung gehörten Mark Zborowski (der Sekretär von Trotzkis Sohn Leo Sedow), Sylvia Callen (die Sekretärin von James P. Cannon) und Joseph Hansen (Trotzkis Sekretär und Wache ab 1937 und spätere Führer der SWP). Zborowski, der in der trotzkistischen Bewegung dem Decknamen "Etienne" trug, half der GPU beim Mord an Erwin Wolf, einen von Trotzkis Sekretären (im Juli 1937), Ignatz Reiss, einem Abtrünnigen der GPU, der sich zum Trotzkismus bekannte (im September 1937), Leo Sedow (im Februar 1938) und Rudolf Klement, Sekretär der Vierten Internationale, (im Juli 1938, weniger als zwei Monate vor dem Gründungskongress der Vierten Internationale). Am 24. Mai 1940 entging Trotzki einem Mordanschlag, der von einem GPU-Agenten unter seinen Wachen begünstigt wurde (Robert Sheldon Harte). Am 20. August 1940 wurde Trotzki von dem GPU-Agenten Ramon Mercader in seinem Haus in Coyoacan bei Mexiko-Stadt niedergestreckt. Er starb am folgenden Tag.

91. Der Mord an Trotzki war ein vernichtender Schlag für den internationalen Sozialismus. Trotzki war nicht nur der zweite Führer der Oktoberrevolution, der unerschütterliche Gegner des Stalinismus und Gründer der Vierten Internationale. Er war der letzte und größte Vertreter der politischen, intellektuellen, kulturellen und moralischen Tradition des klassischen Marxismus, der die revolutionäre Arbeitermassenbewegung inspiriert hatte, die im letzten Jahrzehnt des neunzehnten und den ersten Dekaden des zwanzigsten Jahrhunderts entstand. Er entwickelte ein Verständnis der revolutionären Theorie, das sich philosophisch auf den Materialismus stützte, nach außen auf die Wahrnehmung der objektiven Realität gerichtet war, sich an der Ausbildung und politischen Mobilisierung der Arbeiterklasse orientierte und sich strategisch vorrangig mit dem revolutionären Kampf gegen den Kapitalismus beschäftigte.

Auf die historischen Aufgaben der neuen revolutionären Epoche konzentriert, verachtete er jene, die ihrer politischen Verantwortung unter dem Vorwand der Verteidigung der persönlichen Freiheit zu entgehen versuchten. "Sollen die Philister im leeren Raum ihrer eigenen Individualität nachjagen", erklärte Trotzki. Er gab auch jenen nicht im Geringsten nach, die behaupteten, die Niederlagen der Arbeiterklasse bewiesen das "Scheitern" des Marxismus an sich. Für Trotzki beruhten solche Argumente auf politischer Demoralisierung, nicht theoretischer Einsicht. Gerade die redeten am lautesten über die "Krise des Marxismus", die intellektuell vor der politischen Reaktion kapituliert hatten. Sie übertrugen ihre persönlichen Ängste, so Trotzki, "in die Sprache der immateriellen und universellen Kritik". Die unzähligen linken Kritiker des Marxismus hatten der Arbeiterklasse nur demoralisierte Resignation zu bieten. Die Gegner des Marxismus, stellte Trotzki fest, "entwaffnen sich selbst im Angesicht der Reaktion, verzichten auf wissenschaftliches Denken, sobald es die Gesellschaft betrifft, geben nicht nur materielle, sondern auch moralische Positionen preis und berauben sich jedes Anspruchs auf revolutionäre Rache in der Zukunft."[66]

Die Vereinigten Staaten treten in den Krieg ein

92. Von Kriegsbeginn an waren die USA tief in den globalen Konflikt verwickelt – politisch, wirtschaftlich und sogar militärisch. Die US-Regierung unter Roosevelt nutzte die verzweifelte Lage des britischen Premierministers Winston Churchill aus, um den britischen Imperialismus zu politischen und finanziellen Zugeständnissen zu zwingen. Letztendlich konnten die Vereinigten Staaten jedoch weder die deutsche Vorherrschaft über Europa noch die japanische Überlegenheit im asiatisch-pazifischen Raum dulden. Seit der amerikanischen Eroberung der Philippinen um die Jahrhundertwende betrachteten die Vereinigten Staaten den Pazifik als ihre Einflusssphäre und seit der Niederschlagung des Boxeraufstands China als ihr Protektorat. Japans Angriff auf Pearl Harbor bot Roosevelt die Gelegenheit zum "Rendezvous mit dem Schicksal", das er bereits ein paar Jahre zuvor beschworen hatte. Dass es dem amerikanischen Imperialismus dabei nicht um Demokratie ging, wie zur Rechtfertigung des Kriegseintritts angeführt wurde, zeigt sich schon allein an der Tatsache, dass Millionen Afroamerikaner in dieser Zeit von den Grundrechten ausgeschlossen waren und während des Krieges antidemokratische Maßnahmen getroffen wurden – unter anderem die Internierung von zehntausenden Japanern und Amerikanern japanischer Abstammung, die in den Vereinigten Staaten lebten. Der Rahmen des "nationalen Sicherheitsstaats" wurde größtenteils während der Kriegsjahre geschaffen. Als Nazideutschland im Juni 1941 die Sowjetunion angriff, wurden die stalinistischen Parteien zu begeisterten Anhängern der "demokratischen" imperialistischen Mächte, und unterstützten in den Vereinigten Staaten zum Beispiel schamlos eine Antistreikvereinbarung.

93. Nach dem Mord an Trotzki hielt die Socialist Workers Party die Perspektive des proletarischen Internationalismus aufrecht und wehrte sich gegen die Unterordnung der Arbeiterklasse unter die imperialistischen Kriegsziele der Regierung Roosevelt. Daher war die SWP die einzige Tendenz in der Arbeiterbewegung in den Vereinigten Staaten, deren Führer während des Krieges inhaftiert und als erste nach dem (später für verfassungswidrig erklärten) Smith Act aus dem Jahre 1940 verurteilt wurden. 1941 wurden achtzehn Mitglieder und Führer der SWP vor Gericht der Aufwiegelung für schuldig befunden. Ganz auf der Linie ihrer kriegsbedingten Allianz mit dem amerikanischen Imperialismus und ihrer rücksichtslosen Gegnerschaft zum Trotzkismus unterstützte die Kommunistische Partei die Verurteilungen. Als nach dem Krieg auch KP-Mitglieder nach dem Smith Act verfolgt wurden, nahm die SWP einen prinzipiellen Standpunkt ein und verteidigte sie gegen die Angriffe des bürgerlichen Staates.

94. Die schrecklichen Ereignisse des Zweiten Weltkriegs bestätigten Luxemburgs Warnung, dass der Arbeiterklasse nur zwei Möglichkeiten blieben: Sozialismus oder Barbarei. Die im Zuge des Krieges begangenen Verbrechen offenbarten einer ganzen Generation das wahre Gesicht des Kapitalismus. Sechs Millionen Juden starben im Holocaust, ebenso fünf Millionen Roma, sowjetische Kriegsgefangene, Polen und andere Opfer des faschistischen Regimes. Die Regierung der Vereinigten Staaten stand dem Massenvernichtungsprogramm der Nazis gleichgültig gegenüber, weigerte sich die Eisenbahnlinien in die Vernichtungslager zu bombardieren, und stellte ihr eigenes barbarisches Potenzial zur Schau, als sie zwei Atombomben auf kriegsunwichtige japanische Städte warf und dabei 200.000 bis 350.000 Zivilisten tötete. Der Hauptzweck dieses Verbrechens bestand darin, der Welt und insbesondere der Sowjetunion das tödliche Potenzial der neuen amerikanischen Massenvernichtungswaffe zu demonstrieren. Insgesamt ließen etwa 100 Millionen Menschen in dem sechsjährigen Konflikt ihr Leben. Dies war der bittere Preis, den die Arbeiterklasse für den Verrat ihrer Führer und das Scheitern der sozialistischen Revolution bezahlte. Der spätere Nachkriegsboom entstand auf diesem Berg menschlicher Leichen.

Wird fortgesetzt

 

Anmerkungen
47 Die SWP wurde im Januar 1938 gegründet, fast zehn Jahre nachdem Cannon den Kampf für den Trotzkismus in den Vereinigten Staaten aufgenommen hatte. In diesen zehn Jahren verschafften sich die amerikanischen Trotzkisten beachtliche Geltung in der Arbeiterklasse. Ihre Führung des Generalstreiks von Minneapolis 1934 erregte nationale und internationale Aufmerksamkeit.
48 Leo Trotzki, Verteidigung des Marxismus, Arbeiterpresse Verlag, Essen 2006, S. 14
49 Ebenda, S. 15
50 "the century dead arch-muddler of human thought" (In Defense of Marxism, London, New Park 1971, p. 236)
51 Leo Trotzki, Verteidigung des Marxismus, Arbeiterpresse Verlag, Essen 2006, S. 60-62
52 Ebenda, S. 135
53 Ebenda, S. 52
54 James P. Cannon, Der Kampf für eine proletarische Partei, isp-Verlag 1982, S. 18
55 Ebenda, S. 24
56 Leo Trotzki, Verteidigung des Marxismus, Arbeiterpresse Verlag, Essen 2006, S. 194
57 "Manifest der Vierten Internationale (1940). Der imperialistische Krieg und die proletarische Weltrevolution", in: Leo Trotzki, Das Übergangsprogramm, Arbeiterpresse Verlag 1997
58 Ebenda, S. 224-25
59 Ebenda, S. 217
60 Ebenda, S. 218
61 Ebenda, S. 219-20
62 Ebenda, S. 222
63 Ebenda, S. 230-231
64 Ebenda, S. 230-31
65 Ebenda, S. 259
66 Writings of Leon Trotsky 1938-39, "Once Again on the 'Crisis of Marxism'", New York, Pathfinder 2002, pp. 238-39 (aus dem Englischen)

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