China: Präsident Hu bereist amerikanischen Hinterhof

Der Besuch des chinesischen Präsidenten Hu Jintao in Costa Rica und Kuba und seine Teilnahme in Peru am Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) in der letzten Woche zeigten Pekings selbstbewusstes wirtschaftliches und diplomatisches Engagement in Lateinamerika.

2006 veröffentlichte die chinesische Regierung das erste Strategiepapier für Afrika in der Erwartung einer schnellen Ausweitung des Handels und der Investitionen auf dem Kontinent.

Am 5. November, pünktlich zu Hus Reise, gab China sein erstes Strategiepapier für Lateinamerika heraus. Begleitet von einer 600-köpfigen Delegation, einschließlich zwölf Ministern und vielen Geschäftsleuten, bemühte er sich, die wirtschaftlichen Verbindungen in dieser Region auszubauen.

Wie das rohstoffreiche Afrika ist Lateinamerika ein wichtiger Lieferant für Rohstoffe und ein wachsender Markt für Chinas Fertigwaren geworden. Aber Chinas stärkere Präsenz kann nur weitere Spannungen mit den USA erzeugen, die diese Region traditionell als ihren eigenen Hinterhof betrachten. Amerikas Vormachtstellung in Lateinamerika wird bereits von Europa und Russland eingeschränkt.

Die Französische Presseagentur (AFP) berichtete, dass Hu auf jeder Station "ein Heldenempfang" bereitet wurde. Das ist ein Zeichen für Chinas wachsende Wirtschaftskraft und sein politisches Durchsetzungsvermögen.

Da die USA, Japan und auch Europa entweder schon mitten in der Rezession stecken oder sich auf die Rezession zu bewegen, hoffen viele der lateinamerikanischen Rohstoffexporteure auf China, als einen der wenigen potentiell expandierenden Märkte. Laut dem Economist wird China im nächsten Jahr für die Hälfte des globalen Wachstums verantwortlich sein.

Auf seiner letzten Reise im Jahre 2004 versprach Hu den Handel Chinas mit Lateinamerika bis 2010 auf $100 Milliarden zu steigern - dieses Ziel wurde schon 2007 übertroffen.

China ist nach den USA ($560 Milliarden) und der EU ($250 Milliarden) erst der drittgrößte Handelspartner der Region. Aber das Handelsvolumen stieg annähernd um das Zehnfache. In diesem Jahr wird erwartet, dass der chinesisch-lateinamerikanische Handel $150 Milliarden erreicht.

Fünfzehn lateinamerikanische Staaten haben China den Status einer "Marktwirtschaft" gewährt, um den Grundstock für eine Reihe von Freihandelsabkommen zu legen. Chile war der erste Staat außerhalb des asiatischen Raumes, der 2005 ein Freihandelsabkommen mit China unterzeichnete, nachdem es die USA als Chiles größten Handelspartner abgelöst hatte.

Während seines fünften Besuches in Peking im Oktober stimmte der venezolanische Präsident Hugo Chavez einer Verdoppelung der Öllieferungen nach China auf 200.000 Barrel pro Tag zu. Als Gegenleistung baute und startete China am 30. Oktober Venezuelas ersten Satelliten.

Brasilien, die größte lateinamerikanische Wirtschaft, ist jetzt für China ein wichtiger Lieferant von Eisenerz.

Um sein Langzeitengagement zu demonstrieren investierte Peking im letzten Monat $350 Mio. in die Inter-American Development Bank. Jedoch sind die chinesischen Investitionen in dieser Region immer noch gering - 2007 betrugen sie nur $1,890 Mrd. und insgesamt $24,9 Mrd., die hauptsächlich in Infrastruktur-Projekte flossen.

Die Zahl ist winzig verglichen mit den Gesamtinvestitionen von US-amerikanischem und europäischem Kapital in dieser Region.

Pekings hat über das Wirtschaftliche hinausgehende Interessen. Die YaleGlobal Online wies kürzlich darauf hin, dass China im Stillen militärische Beziehungen zu Lateinamerika aufbaut. "Vier Mitglieder der wichtigen chinesischen Zentralen Militärkommission besuchten den Kontinent in den letzten zwei Jahren - das ist mehr als jede andere Region der Welt - während ein ständiger Strom von lateinamerikanischen Verteidigungsministern Peking besuchte.

Man behauptet, China bilde außerdem lateinamerikanische Offiziere an seinen Akademien aus und verkaufe den Ländern Waffen.

Jahrzehntelang haben China und Taiwan einen politischen Kampf um die diplomatische Anerkennung der kleineren zentralamerikanischen und karibischen Staaten geführt. Im vergangenen Jahr lockte Peking Costa Rica mit dem Kauf von Regierungsanleihen über 300 Millionen Dollar, damit es seine Beziehungen zu Taipeh abbreche. Von den weltweit 23 Staaten, die Taipeh immer noch als die rechtmäßige Regierung Chinas betrachten, und nicht Peking, liegen elf in Mittel- und Lateinamerika.

In Peru drängte Hu auf ein Freihandelsabkommen, um sich Zugang zu den Kupfer- und Eisenvorkommen des Landes zu sichern. China hat schon $2.2 Mrd. in ein peruanisches Projekt investiert, um sieben Millionen Tonnen Kupfer zu gewinnen.

Durch eine Senkung der Zölle auf chinesische Exporte nach Peru um 90 Prozent wird China wohl zum größten Handelspartner des Landes werden, wenn die Vereinbarung nächstes Jahr in Kraft tritt. Farid Kahatt, ein Politikexperte an der katholischen Universität von Peru sagte gegenüber AFP, dass China die USA in der Region niemals verdrängen könne. Aber er fügte hinzu: "Das Interesse der USA an der Region war noch nie so gering. Es ist eine günstiger Moment für China, die USA herauszufordern."

In Kuba schloss Hu mit Havanna ein Geschäft über den Export von Nickel und Zucker nach China ab, als Gegenleistung sollen Lebensmittel geliefert werden. China ist nun Kubas zweitgrößter Handelspartner.

Während der chinesisch-sowjetischen Streitigkeiten in den Sechziger und Siebziger Jahren, neigte Kuba Moskau zu. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 spielten Chinas Hilfen, Kredite und Handel aber eine wichtige Rolle bei der Stützung des Castro-Regimes. Während seiner letzten Reise stockte Hu eine zweite $70 Millionen Tranche eines $350 Millionen Kreditpakets für Kuba auf, mit dem die veralteten Krankenhäuser und die Infrastruktur modernisiert werden sollen. Ungefähr 1000 chinesische Studenten lernen in Kuba Spanisch.

Der Kubanische Führer Raul Castro sang bei einem Treffen mit Hu ein Loblied auf Mao und rezitierte "Der Osten ist Rot", das er 1953 gelernt hatte. Die chinesisch-kubanischen Beziehungen haben nichts mit Sozialismus zu tun.

Mao und Fidel Castro waren radikale kleinbürgerliche Nationalisten, die die revolutionäre Rolle der internationalen Arbeiterklasse zugunsten des bäuerlichen Guerrilla-Krieges ablehnten. Die Ergebnisse dieser Perspektive sind nun klar erkennbar.

Die chinesische Regierung ermutigt die Castro-Brüder, die kapitalistischen Marktreformen wie in China zu forcieren. Das Haupthindernis für Havanna ist Washingtons andauernde Feindschaft und die Wirtschaftsblockade gegen die Insel.

Das wachsende Eingreifen Chinas und anderer Staaten in Lateinamerika ruft in Washington Sorge hervor. Das Brookings-Institute gab am Montag einen Bericht heraus, in dem es die neue Obama-Administration mahnt, Lateinamerika "Aufmerksamkeit zu schenken", und eine Verständigung mit Kuba zu suchen.

Die Bush-Regierung wird zwar nicht offen kritisiert, aber der Report beklagt die daniederliegenden US-lateinamerikanischen Beziehungen, weil Washingtons Aufmerksamkeit von anderen Regionen gebunden war. Als Ergebnis fassten US-Rivalen wie China in einigen Ländern Fuß.

Die amerikanisch-chinesischen Differenzen wurden auf dem APEC-Treffen in Lima am letzten Wochenende deutlich. Mitten in der größten Finanzkrise seit den 1930er Jahren forderte US Präsident Bush erneut, die freie Marktwirtschaft nicht durch Regulierungen einzuschränken. Erwähnenswert ist, dass Bush die wachsende Rolle Asiens mit den Worten anerkannte: "Wir sind Zeugen eines dramatischen Umbruchs der Geschichte. Das weltwirtschaftliche Zentrum bewegt sich von West nach Ost, vom Atlantik zum Pazifik."

Hu reagierte mit der Forderung nach einer Neujustierung der globalen Regulierung und einer "neuen internationalen Finanzordnung" - das trifft sich mit der Meinung der europäischen Regierungen, die das "anglo-amerikanische Modell" ebenfalls anzweifeln.

Die Zeitung Australian, die häufig die australische Empfindsamkeit gegenüber den amerikanisch-chinesischen Spannungen reflektiert, warnte, dass die Kluft zwischen den USA und China die Aussicht auf eine gemeinsame globale Antwort auf die Finanzkrise versperrt.

Russland interveniert ebenfalls in Lateinamerika, zum Teil als Antwort auf die amerikanische Einmischung in Osteuropa, dem Kaukasus und Zentralasien. Präsident Dmitri Medwedew besuchte nach dem APEC Treffen zusammen mit einer Gruppe russischer Geschäftsleute Brasilien, Kuba und Venezuela. Eine russische Marineeinheit, einschließlich eines nuklearbetriebenen Kreuzers, führt nächste Woche gemeinsame Übungen mit der venezolanischen Marine durch.

Nach dem Konflikt in Georgien im August landeten zwei russische strategische Kampfflugzeuge vom Typ Tu-160 in Venezuela, um zu demonstrieren, dass Moskau in der Lage ist, in Washingtons Hinterhof zu intervenieren. Russland hat der venezolanischen Regierung seit 2005 Waffen im Wert von 4,4 Mrd. Dollar verkauft

Die Russia Profile vom 24. November zitierte Alexi Muchin, Generaldirektor des Zentrums für politische Information, mit den Worten: "Washington hat Südamerika gegen sich aufgebracht und es ist klar, dass sie diese Kluft so schnell nicht schließen können. Russland nutzt die Vorteile dieser Situation."

Russland hinkt zwar im Handel mit Lateinamerika China hinterher, berichtete das Magazin, "hat aber einen Vorteil gegenüber der EU, die sich scheut, Gespräche mit den generell anti-amerikanischen, sozialistisch daher redenden Staaten wie Venezuela, Kuba und Bolivien zu führen. Russland hat keine Bedenken mit diesen Staaten geschäftliche Beziehungen zu unterhalten.

Die verschiedenen lateinamerikanischen nationalistischen Regimes wie das von Hugo Chavez sind nicht sozialistisch oder "sozialistisch-orientiert", sondern sie repräsentieren Teile der Führungseliten, die versuchen, sich von der traditionellen Dominanz Washingtons zu befreien, indem sie China, Russland und die europäischen Mächte als Gegengewicht benutzen.

Washington ist jedoch nicht bereit, seine Position in der Region aufzugeben und wird seine immer noch beträchtlichen wirtschaftlichen, politischen und, falls nötig, militärischen Muskeln nutzen, um seine strategischen Interessen gegen seine Rivalen zu verteidigen.

Siehe auch:
Hu weist Vorwurf kolonialer Bestrebungen Chinas in Afrika zurück
(28. Februar 2007)
Chinas Öldiplomatie: Hugo Chavez besucht Peking
( 9. September 2006)
Krise in Amerikas "Hinterhof"
( 22. Mai 2007)
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