Der fünfwöchige Streik von mehr als 3.600 Arbeitern des amerikanischen Autozulieferers American Axle & Manufacturing in Michigan und im Westen des Staates New York hat einen kritischen Punkt erreicht. Der militante Widerstand der Streikenden gegen die Forderung der Firma nach drastischen Lohnkürzungen trifft bei vielen Arbeitern im ganzen Land auf große Sympathie. Der Streik wirkt sich inzwischen auf die Produktion von General Motors, den größten Kunden von American Axle, aus und droht den Verkauf der wichtigster Modelle von GM zu beeinträchtigen.
Gerade weil der Streik Wirkung zu zeigen beginnt, müssen die Streikenden jetzt besonders auf der Hut vor einem Ausverkauf durch die Bürokratie der Autoarbeitergewerkschaft United Auto Workers (UAW) sein.
Wenn dieser Kampf nicht, wie so viele andere vorher, isoliert und verraten werden soll, müssen die Arbeiter die Organisierung des Streiks und die Verhandlungen der Gewerkschaft aus der Hand nehmen. Die Streikenden sollten Basiskomitees aus vertrauenswürdigen Arbeitern wählen, die in ihren Fabriken bekannt und respektiert sind, und die gegen jeden Vertrag den die UAW aushandelt und dabei Zugeständnisse macht, sofort Widerstand organisieren. Gleichzeitig muss der Streik auf die ganze Autoindustrie ausgedehnt werden.
In den letzten Tagen hat American Axle die Drohungen gegen streikende Arbeiter verschärft. Vorstandschef (CEO) Richard Dauch kündigte an, bestreikte Werke zu schließen und die Produktion ins Ausland zu verlagern, wenn die Arbeiter nicht wesentlich niedrigere Löhne und Sozialleistungen akzeptierten.
American Axle hat auch die ersten Schritte unternommen, um Streikbrecher zu rekrutieren, und Anzeigen in den Lokalzeitungen geschaltet. Am Montag wiesen Hunderte schon vor dem Streik freigesetzte oder arbeitsunfähige Arbeiter den Erpressungsversuch der Firma zurück, ihnen die Arbeitslosen- oder Arbeitsunfähigkeitszahlungen zu streichen, wenn sie nicht die Streikpostenkette durchbrächen und zur Arbeit erschienen. Stattdessen schlossen sie sich dem Streik an.
Die Vorbereitungen der Firma auf den Einsatz von Streikbrechern sollten die Autoarbeiter nicht auf die leichte Schulter nehmen. Der Arbeitsplatzabbau in der Autoindustrie und die Wirtschaftsrezession haben in Michigan und im ganzen Land eine hohe Zahl von Arbeitslosen geschaffen, die verzweifelt nach Arbeit suchen. Die Firma sagt, es habe auf ihre Anzeigen in den Detroiter Zeitungen eine überwältigende Reaktion gegeben.
Das letzte Mal wurden Streikbrecher von einem großen Autohersteller in Detroit 1940 eingesetzt, während der erbitterten Kämpfe, Ford gewerkschaftlich zu organisieren. Jeder Versuch, Streikbrecher einzusetzen sollte die Autoindustrie zum Stillstand bringen und mit einem Generalstreik in Detroit beantwortet werden.
Die größte Bedrohung für diesen Kampf kommt von Seiten der Gewerkschaft, die bewusst und systematisch daran arbeitet den Streik zu isolieren, und gleichzeitig versucht hinter dem Rücken der Mitgliedschaft einen Vertrag auszuhandeln, der die meisten Forderungen der Firma akzeptiert. Die UAW hat die Drohungen Dauchs nicht öffentlich verurteilt.
Am Dienstag informierte UAW Vizepräsident James Settles, der die Verhandlungsdelegation der Gewerkschaft bei American Axle leitet, darüber, dass die Firma der Gewerkschaft endlich die Finanzinformationen zur Verfügung gestellt habe, die sie benötige, um die Auswirkung des Gesundheits- und des Rentenplans auf die Lohnkosten der Firma zu überprüfen.
Die Gewerkschaft überprüfe die am 27. März und am 1. April erhaltenen Daten daraufhin, ob sie "unseren Anforderungen entsprechen", sagte Settles. Er fügte hinzu: "Wir hoffen, dass die Firma ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt, die für die Verhandlungen notwendigen Daten zu liefern und die Leistungen für die arbeitsunfähigen und freigesetzten Arbeiter wieder aufzunehmen, damit diese Auseinandersetzung so schnell wie möglich beendet werden kann, und unsere Mitglieder wieder an die Arbeit zurückkehren können."
Es sei daran erinnert, dass die UAW am Vorabend des Streiks gegenüber Dauch schon wesentliche Zugeständnisse bei den Löhnen und Sozialleistungen angeboten hat.
In einem Brief an die Detroit Free Press hatte Settles am Dienstag geschrieben: "Die UAW hat verantwortungsbewusste Vorschläge gemacht, die die heutige Wettbewerbssituation in Rechnung stellen. Aber die Firma hat abgelehnt, die notwendigen Daten zu liefern, um ihre Vorschläge beurteilen zu können, und ist nicht von ihren Maximalpositionen abgewichen. Ein Ende des Streiks", fuhr er fort, "erfordert, dass beide Seiten sich ernsthaft die Wünsche der anderen Seite anhören. Wir sind dazu mehr als bereit."
Mit anderen Worten, die UAW ist bereit, Dauchs Forderung nach wettbewerbsfähigen Löhnen zu akzeptieren, vergleichbar mit denen, die sie seinen wichtigsten Konkurrenten gewährt hat. Aber die UAW Bürokratie will eine Gegenleistung.
Für die Reduzierung der Kosten für Löhne und Sozialleistungen um zweidrittel bei Ford, GM und Chrysler erhielt die UAW die Kontrolle über einen Gesundheitsfond im Umfang von 54 Mrd. Dollar, eine so genannte Voluntary Employees’ Beneficiary Association (VEBA). Die Einlagen bestehen in erheblichem Maße aus GM und Ford Aktien.
Man muss fragen: Was erhofft sich die UAW im Gegenzug für den Ausverkauf der Arbeitsplätze und der Lebensgrundlage der Arbeiter bei American Axle? Wird ein weiterer VEBA Deal ausgearbeitet? Will die UAW eine minimale Anzahl von Arbeitsplätzen erhalten, die von der UAW vertreten werden, sodass sie weiterhin Beiträge von Arbeitern einsammeln können, die fast zu Hungerlöhnen arbeiten müssen?
Die Gewerkschaft weiß genau, dass es eine überwältigende Opposition gegen einen Ausverkauf geben wird, selbst wenn er trickreiche Abfindungsregelungen enthalten sollte, die tausenden Arbeitern, die noch weit vom Rentenalter oder Vorruhestandsregelungen entfernt sind, gar nichts bringen. Das Misstrauen in die Gewerkschaftsbürokratie ist so groß, dass in mehreren Ortsverbänden der Gewerkschaft die Arbeiter Resolutionen verabschiedet haben sollen, dass ihnen der genaue Vertragstext eine Woche vor der Abstimmung vorgelegt werden soll, und nicht nur "geschönte Zusammenfassungen", und dass sie Beobachter bei den Wahlurnen und bei der Auszählung der Stimmen haben wollen.
Genauso wie die Firma hofft auch die UAW, dass finanzieller Druck die Streikenden weich klopfen wird, damit sie die Forderungen des Managements akzeptieren. Die Gewerkschaft zahlt den Streikenden nur 200 Dollar Streikgeld in der Woche, obwohl sie auf einem Streikfonds in Höhe von schätzungsweise einer dreiviertel Milliarde Dollars sitzt.
Die UAW will diesen Fonds deshalb nicht angreifen, weil er zu einer riesigen Einkommensquelle für die Bürokraten im Solidarity House, der Zentrale der Gewerkschaft, geworden ist. Aus einer kürzlich bekannt gewordenen Aufstellung für das Arbeitsministerium ergibt sich, dass die Gewerkschaft 2007 aus den Zinsen für diesen Fond ein Einkommen von 75 Millionen Dollar zog, nach 59 Millionen Dollar 2006. Und das obwohl die UAW 2007 73.538 Mitglieder verloren hat - das sind 13,7 Prozent ihrer Mitgliedschaft -, und folglich das Beitragsaufkommen stark zurückgegangen ist.
Dieses Einkommen ermöglichte es der UAW neben der Finanzierung ihrer Funktionäre, regionalen und örtlichen Geschäftsstellen auch noch, ihre Gehälter zu erhöhen. Tatsächlich sind die Interessen der Gewerkschaftsbürokraten mit den Interessen der Arbeiter, die sie angeblich vertreten, völlig unvereinbar.
Die Arbeiter bei American Axle müssen ihren vollen Lohn ersetzt bekommen, solange der Streik dauert. Das wäre ein starkes Signal an Dauch und die Wall Street Investoren hinter ihm, dass es den Arbeitern mit der Verteidigung ihrer Arbeitsplätze und ihres Lebensstandards ernst ist und sie zu einem langen Kampf gerüstet sind.
Das Schicksal des Streiks hängt von der unabhängigen Initiative der Autoarbeiter selbst ab. Die Streikenden sollten Basiskomitees wählen, um den Kampf voranzubringen. Der Streik sollte auf die Großen Drei, auf Delphi, Dana und andere Zulieferfirmen ausgeweitet werden, um die Spirale von immer weiteren Lohnkürzungen anzuhalten und umzudrehen.
Das muss der erste Schritt für eine politische Mobilisierung der gesamten Arbeiterklasse gegen das kapitalistische Profitsystem und die beiden Parteien der Wirtschaft sein, die Demokraten und die Republikaner.
Vergangenes Jahr zahlte die UAW fast acht Millionen Dollar an Demokratische Politiker und sie plant dieses Jahr noch viel mehr aufzuwenden, um den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten zu unterstützen. Aber diese so genannten "Freunde der Arbeiter" haben sich über den Streik bei American Axle in Schweigen gehüllt, obwohl er es als längster Streik in der Autoindustrie seit zehn Jahren inzwischen sogar in die nationalen Nachrichten geschafft hat.
Der Grund ist, dass Hillary Clinton und Barack Obama - unbeschadet ihrer Bekenntnisse, die Interessen der Arbeiter zu vertreten - das kapitalistische System verteidigen und im Sold der amerikanischen Wirtschaft stehen. Das gleiche gilt für die Demokratischen Politiker auf Staats- und Kommunalebene in Detroit, die an der Verarmung der Arbeiterklasse mitgearbeitet haben und übe die Drohungen mit Streikbruch kein Wort verlieren.
Eine neue politische Bewegung der Arbeiterklasse muss aufgebaut werden, unabhängig von Demokraten und Republikanern. Sie muss dafür kämpfen das ökonomische und politische Leben entsprechend den Bedürfnissen der arbeitenden Bevölkerung umzustrukturieren. Dafür kämpft die Socialist Equality Party.