Am 30. November bestätigte der Landeswahlausschuss im Wiesbadener Innenministerium offiziell die Kandidatur der Partei für Soziale Gleichheit (PSG) für die hessische Landtagswahl vom 27. Januar 2008. Die PSG hatte fristgerecht ihre Landesliste und über tausend Unterstützungsunterschriften eingereicht.
Die PSG ist die deutsche Sektion der Vierten Internationale. Sie tritt für den Aufbau einer neuen Arbeiterpartei auf der Grundlage eines internationalen und sozialistischen Programms ein.
Die Partei für Soziale Gleichheit ist in diesem Wahlkampf die einzige Partei, die dem rechten Kurs der hessischen CDU unter Ministerpräsident Roland Koch ernsthaft entgegen tritt und für eine wirklich sozialistische und internationale Alternative zum so genannten "oppositionellen" Lager von SPD, Grünen und der Linken eintritt.
Insgesamt wurden auf der Sitzung des Wahlausschusses 17 Parteien und Wahllisten zugelassen. Neben den bisher schon im Landtag vertretenen Parteien CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sind darunter eine ganze Reihe eindeutig rechtsextremer und rechter Parteien, außerdem Parteien und Gruppen, die sich auf ein einzelnes Sachthema beziehen. Links von der SPD kandidiert außer der PSG als einzige die neu gegründete Linke.
Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) kandidiert erstmals nicht mehr. Ein Teil dieser Partei hat sich der Linken angeschlossen, der Rest zog die Konsequenz aus der demoralisierten Feststellung ihres Parteitags von vor fünf Jahren: "Der Sozialismus steht nicht auf der Tagesordnung", und verzichtete auf eine Kandidatur. Auch die maoistische MLPD tritt nicht zur Hessenwahl an.
Unter den rechtsextremen oder klar rechten Parteien sind die Republikaner, in diesem Jahr auch die NPD, das Bündnis für Deutschland (Volksabstimmung) und die Bürgerbewegung Solidarität (BüSo) zu nennen, letztere ein deutscher Ableger der US-Sekte von Lyndon LaRouche. Zwei weitere Parteien, die Freien Wähler Hessen und die Unabhängige Bürgerpolitik, geben jeweils vor, den "Bürger" direkt gegen die Allmacht der Parteien zu vertreten.
Um die Kandidatur der Freien Wähler Hessen hatte es in den vergangenen zwei Jahren einen Skandal gegeben, als ruchbar wurde, dass CDU-Ministerpräsident Koch versucht hatte, sie mit finanziellen Zugeständnissen zum Verzicht auf die Kandidatur bei der Landtagswahl zu bewegen. Normalerweise kandidieren freie Wählergruppen nur auf kommunaler Ebene. Ihre Wähler stammen in der Regel aus dem konservativen bürgerlichen Lager und stehen in erster Linie in Konkurrenz zur CDU.
Ferner kandidieren Parteien und Gruppierungen, die sich auf ein einzelnes Thema konzentrieren. Dazu gehören die Tierschützerpartei, die Familienpartei, die Grauen Panther sowie die Piraten, die sich für ein neues Urheberrecht und mehr Informationsfreiheit einsetzen. Hinzu kommt die abstruse Gruppe der Violetten, die "ein politisches Handeln aufgrund spiritueller Erkenntnis" fordern. Die Anarchistische Pogo-Partei (APPD) wurde nicht zugelassen, da sie die erforderlichen tausend Unterstützungsunterschriften nicht vorlegen konnte.
Soziale Polarisierung
Die Hessenwahl findet in einer Situation statt, in der die Klassengegensätze immer deutlicher zutage treten und soziale und politische Konflikte auf Schritt und Tritt aufbrechen. Das Land Hessen, eines der reichsten Bundesländer mit einer starken Konzentration namhafter globaler Banken- und Konzernzentralen im Rhein-Main-Gebiet, hat mittlerweile eine Viertelmillion Hartz-IV- oder Sozialgeldempfänger. In der Bankenstadt Frankfurt ist jedes vierte Kind von Armut betroffen, und das benachbarte Offenbach gilt als die am zweithöchsten verschuldete Kommune Deutschlands.
Der amtierende Ministerpräsident Roland Koch steht am rechten Rand der CDU. Er vertritt eine Politik des starken Staats, des Neoliberalismus, des Chauvinismus und eine aggressive imperialistische Außenpolitik. Seit Amtsantritt hat Koch eine Milliarde Euro an Zuschüssen für soziale Projekte im Land gekürzt, gleichzeitig verfolgt er unter dem Schlagwort public-private partnership die vollständige oder teilweise Privatisierung zahlreicher staatlicher Einrichtungen.
So wird beispielsweise die Goethe-Uni in Frankfurt in eine Stiftungsuniversität umgewandelt, die dann zwar immer weitgehend durch öffentliche Gelder finanziert wird, aber nicht mehr dem Land untersteht. Mit dem Kampf um privates Stiftungskapital nehmen zwangsläufig private Profitinteressen immer direkter Einfluss auf die Inhalte von Forschung und Lehre.
Koch war 1999 mithilfe einer ausländerfeindlichen Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft an die Macht gelangt. Heute macht er Jagd auf Menschen ohne gültige Papiere und lässt sie gnadenlos aus Hessen abschieben. Am 12. Oktober 2005 hat die Landesregierung einen Erlass verabschiedet, demzufolge auch Schulleiter und Ärzte verpflichtet sind, "illegale" Ausländer, selbst Schulkinder, zu denunzieren. Allein in der Stadt Frankfurt leben schätzungsweise 5.000 Kinder und Jugendliche ohne Papiere, die nicht zur Schule gehen, sondern in ständiger Angst vor Entdeckung in Dönerbuden und Lebensmittelgeschäften arbeiten.
All dies ist in der Öffentlichkeit bekannt und sorgt in breiten Bevölkerungsschichten für großen Unmut und häufige Proteste, Streiks und Demonstrationen. Dennoch werden Koch und der CDU in Wahlumfragen Chancen eingeräumt, auch die nächste Regierung zu bilden, wenn auch mit geringerer Mehrheit und nicht mehr als Alleinregierung.
Desolater Zustand der SPD
Der Grund ist der völlig desolate Zustand der hessischen SPD. Diese Partei, die Ende der 1960er Jahre in Hessen mit über fünfzig Prozent der Stimmen regierte, ist derart bankrott, dass sie bei der Oberbürgermeisterwahl in der Landeshauptstadt Wiesbaden nicht einmal eine eigene Kandidatur zustande brachte. Die SPD hatte schlicht versäumt, ihren Kandidaten rechtzeitig anzumelden.
Die tiefere Ursache der Misere der SPD liegt allerdings in der tiefen Abneigung breiter Bevölkerungsschichten, vor allem ehemaliger SPD-Wähler. Niemand glaubt wirklich, dass sich unter einer SPD-Regierung etwas zum Positiven ändern könnte. Und dieses Misstrauen ist völlig gerechtfertigt: Eine SPD-geführte Regierung würde sich in keiner wesentlichen Frage von der Koch-Regierung unterscheiden. Schließlich sitzt sie in der Bundesregierung mit der CDU an einem Tisch.
Daran ändert auch die Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti nichts, die dem "linken" SPD-Parteiflügel zugerechnete wird. Die meisten Wähler lassen sich dadurch nicht täuschen, denn das linke Mäntelchen, das sich Ypsilanti umzuhängen versucht, ist allzu durchsichtig. Bei kosmetischer Kritik im Einzelnen verteidigt auch Ypsilanti den Kern der brutalen Sozial-"Reformen", die schon von der rot-grünen Koalition unter Schröder begonnen wurden.
Der traditionelle Koalitionspartner der SPD, die Grünen, ist heute dabei, die FDP rechts zu überholen. Hessen war 1982 das erste Bundesland, in dem die Grünen mit Joschka Fischer in die Regierung einzogen. Mittlerweile haben sie bundesweit ihre staatstragende Funktion und völlige Unterordnung unter die Konzerne und Banken unter Beweis gestellt und die SPD oft genug von rechts kritisiert. In Frankfurt, der größten hessischen Stadt, sind sie zurzeit im Magistrat in einer Koalition mit der CDU dabei, eine neoliberale Privatisierungspolitik durchzusetzen.
Die Linke - ein neuer Ordnungsfaktor
Die Linke, die in Hessen zum ersten Mal bei einer Landtagswahl antritt, ist der Zusammenschluss der SED-Nachfolgepartei PDS und der WASG, einem Sammelbecken enttäuschter Sozial- und Gewerkschaftsbürokraten. In der Öffentlichkeit und in den Medien wird sie als linke Alternative zur SPD propagiert. Die Wirklichkeit ist eine völlig andere: Das Ziel der Linken besteht darin zu verhindern, dass sich breite Schichten enttäuschter Arbeiter nicht nur von der SPD, sondern vom Reformismus insgesamt ab- und einer sozialistischen Perspektive zuwenden.
Die Linke bekennt sich explizit zur Marktwirtschaft und zur Verteidigung des bürgerlichen Eigentums. Ihre linke Rhetorik dient nicht dazu, der wachsenden gesellschaftlichen Opposition eine sozialistische Orientierung zu geben. Umgekehrt, sie soll diese Opposition auffangen und verhindern, dass sie sich zu einer Bedrohung der bestehenden Ordnung auswächst.
Die Linke ist ein neuer Ordnungsfaktor: Anstatt den Arbeitern die Augen über den Niedergang der SPD zu öffnen, versucht sie der SPD einen Rettungsanker zuzuwerfen. Unter dem Schlagwort "Koch muss weg" bereitet sie sich darauf vor, der SPD als Koalitionspartner zur Seite zu springen und ihr zur Regierungsmehrheit zu verhelfen.
Das wurde nach dem Gründungsparteitag der hessischen Linken im August klar. Die Delegierten ließen den langenjährigen Gewerkschafts- und SPD-Funktionär Dieter Hooge, den die Parteiführung als Spitzenkandidat für die Hessenwahl auserkoren hatte, durchfallen und wählte statt seiner das Ex-DKP-Mitglied Pit Metz, weil er sich deutlich gegen eine Koalition mit der SPD ausgesprochen hatte. Aber Gysi und Lafontaine wollten sich den Weg zu einer potentiellen rot-roten Regierung nicht verbauen lassen: Es dauerte keine Woche, bis Metz auf starken Druck der Parteispitze in Berlin seinen Rücktritt als Spitzenkandidat erklärte und durch den parteilosen langjährigen Ostermarschierer Willi van Ooyen ersetzt wurde.
Die wirkliche Rolle der Linken wird auch an ihrer Haltung gegenüber dem Lokführerstreik deutlich. Die Linkspartei hat sich auf die Seite der Streikbrecher in der Transnet-Führung gestellt und die Argumente von DGB, SPD, Bahnvorstand und Regierung aufgegriffen. Sie fallen den Lokführern in den Rücken, weil sie jeden selbstständigen Kampf von Arbeitern außerhalb der Kontrolle der DGB-Bürokatie verhindern wollen.
Diese Rolle der Linken als neuer Ordnungsfaktor zeigt deutlich, wie dringend sich die Aufgabe stellt, unabhängig von den alten Bürokratien eine neue Arbeiterpartei aufzubauen. Diesem Ziel dient die Wahlteilnahme der Partei für Soziale Gleichheit. Sie lehnt das hoffnungslose Unterfangen ab, die SPD und Grünen nach links zu drücken. Ihr Ziel ist der Aufbau einer breiten, internationalen Bewegung der arbeitenden Bevölkerung, die die Geschicke der Gesellschaft selbst in die Hand nimmt.