Schäuble und Beckstein wollen Bundeswehreinsatz bei Fußball-WM

Führende Politiker von CDU und CSU wollen die diesjährige Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland nutzen, um die Bundeswehr im Innern einzusetzen und das Grundgesetz entsprechend zu ändern. Dieses legt die Innere Sicherheit bislang grundsätzlich als Aufgabe der Polizei fest.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), der sich seit vielen Jahren darum bemüht, den Einsatz der Armee im Innern zu legalisieren, hat die Fußball-Weltmeisterschaft zum Anlass für einen neuen Vorstoß in diese Richtung genommen. Bereits Mitte Dezember trat er dafür ein, die Polizei "unter außergewöhnlichen Umständen" durch den Einsatz der Bundeswehr zu entlasten.

Etwas später stieß sein bayrischer Amtskollege Günter Beckstein (CSU) nach. Beckstein verstieg sich sogar zu der Behauptung, die Durchführung der WM sei in Gefahr, wenn die Bundeswehr nicht im Inland eingesetzt werden könne. Zur Begründung führte er eine mögliche Verschärfung der "Terrorbedrohung" an, ohne dafür irgendwelche konkreten Belege anzuführen.

Zwar versicherten Schäuble wie Beckstein, keine Panzer in Sportstadien stellen zu wollen. Ansonsten dürfe es aber, wie CSU-Innenexperte Stephan Mayer betonte, "keine Denkverbote" geben. Soldaten, schlugen konservative Politiker vor, sollten Aufgaben des "Objektschutzes", beispielsweise die Sicherung von Flughäfen und der Außengrenzen Deutschlands übernehmen. Schäuble hatte sich ursprünglich auch für die Bewachung von Fußballstadien und Mannschaftsquartieren durch die Bundeswehr ausgesprochen.

Die Gewerkschaft der Polizei lehnte die Vorschläge ab. Soldaten seien für polizeiliche Aufgaben nicht ausgebildet. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) äußerte sich ähnlich. Gleichzeitig unterstützte er aber das eigentliche Ziel der Debatte: eine Grundgesetzänderung, die Bundeswehreinsätze im Innern grundsätzlich zulässt.

Man müsse das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Luftsicherheitsgesetz im Frühjahr abwarten und dann die Verfassung entsprechend ändern, sagte Jung. "Wir haben in den Koalitionsverhandlungen [mit der SPD] abgesprochen, dann zu sehen, wo gegebenenfalls gesetzliche Änderungen, auch vielleicht verfassungsrechtliche Klarstellungen notwendig sind." Einig sei man sich, die Bundeswehr bei Katastrophenlagen einzusetzen, was bei Naturkatastrophen jetzt schon möglich ist und auch praktiziert wird.

Der bayrische Innenminister Beckstein zeigte sich zuversichtlich, dass mit der SPD eine Grundgesetzänderung zu machen sei. Es gebe bereits jetzt eine "relativ große Einigkeit". Gegenüber der Stuttgarter Zeitung behauptete Beckstein, es gebe "augenzwinkernd eine Übereinstimmung" mit der SPD, dass künftig bei jeder "Störung mit Katastrophencharakter" die Bundeswehr eingesetzt werden müsse. Gesprächsbereit sei seinem Eindruck nach die SPD auch bei der Frage eines Armeeeinsatzes zur Abwehr einer "drohenden Sicherheitskatastrophe".

Einige SPD-Politiker äußerten sich entrüstet über die Vorstöße von Schäuble und Beckstein. Doch dabei handelt es sich nur um Theater, wie ein Interview des sozialdemokratischen Vorsitzenden des Innenausschusses, Sebastian Edathy, mit der Welt zeigt.

Edathy wirft der Union vor, sie strebe eine "Militarisierung der inneren Sicherheit" an und gibt sich gegenüber dem Einsatz der Bundeswehr im Innern kompromisslos. Am Ende tritt er dann aber doch für eine Neuformulierung des Grundgesetzes ein, damit Soldaten "auch zur Abwendung eines besonders schweren Unglücksfalles" Polizeiaufgaben übernehmen dürften.

Nicht anders begründen auch Schäuble und Beckstein ihren Ruf nach der Armee: Bei Großveranstaltungen oder besonders wichtigen Gebäuden sei die Gefahr von Katastrophen, die durch Terroranschläge hervorgerufenen werden, oder von schweren Unglücksfällen besonders hoch und nur durch den Aufmarsch der Streitkräfte abzuwenden.

Nachdem Schäubles Vorschläge auf erhebliche öffentliche Kritik gestoßen sind, soll nun der Einstieg mit dem Einsatz von Awacs-Aufklärungsflugzeugen (Awacs= Airborne Warning and Control System) gemacht werden. Das Radarsystem der 9 km hoch fliegenden Boeing überwacht alle Bewegungen am Boden und im Luftraum und sendet die gewonnenen Daten direkt zu den Einsatzzentralen am Boden.

Schäuble hat bereits formell beim Verteidigungsministerium die unter NATO-Kommando stehenden Maschinen angefordert. SPD und Grüne unterstützen ihren Einsatz bei der Fußball-WM. "Das ist eine Selbstverständlichkeit. Die Bundeswehr kann mit Awacs-Flugzeugen den Luftraum überwachen und logistische Hilfe geben," erklärte der innenpolitische Sprecher der SPD Dieter Wiefelspütz.

Schäuble hat offensichtlich aus den 1990er Jahren gelernt. Damals waren Auslandseinsätze der Bundeswehr ebenso umstritten wie heute Inlandseinsätze. Vor allem bei den Grünen und teilweise auch bei der SPD gab es Vorbehalte. Der Durchbruch wurde dann mit dem Einsatz von Bundeswehrsoldaten bei Awacs-Flügen über der Adria erzielt, die die UN-Blockade gegen Serbien und Montenegro überwachten. Es ging damals "nur" um den Einsatz einiger weniger Soldaten bei der Luftüberwachung. Doch nachdem SPD und Grüne ihr Einverständnis signalisiert und die erste Hürde gefallen war, ging es Schlag auf Schlag. Heute stehen Bundeswehrtruppen in Bosnien, im Kosovo, in Afghanistan und vielen anderen Teilen der Welt.

In ähnlicher Weise soll der Einsatz der Bundeswehr bei der Fußball-Weltmeisterschaft, auf die die herrschenden Kreise so versessen sind, die Bürger systematisch an den Anblick von Soldaten und die Soldaten an den Einsatz gegen die eigene Bevölkerung gewöhnen.

Siehe auch:
Innenminister Schäuble will "gefährliche Personen" einsperren
(17. Dezember 2005)
Luftsicherheitsgesetz senkt Hemmschwelle für staatliche Tötung und Bundeswehreinsatz im Innern
( 12. November 2005)
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