Bush reagiert auf politische Krise mit Lügen und neuen Kriegsdrohungen

Präsident George W. Bush hat am 6. Oktober eine Rede zum "Krieg gegen den Terror" gehalten. Sie bot ein anschauliches Bild der verzweifelten politischen Krise seiner Regierung und der drohenden Gefahr, dass sie sich durch eine weitere Steigerung des Militarismus aus dieser Krise zu befreien versucht.

Die Rede war eine Ansammlung von Lügen mit dem Ziel, die amerikanische Bevölkerung einzuschüchtern und Bushs rechtsradikale Basis bei der Stange zu halten. Bushs Bemerkungen grenzten teilweise an Schwachsinn. So, wenn er das Schreckgespenst eines terroristischen al-Qaida-Netzwerks beschwor, das drauf und dran sei, "ein radikal-islamistisches Reich zu errichten, das sich von Spanien bis nach Indonesien erstreckt".

Bush sprach vor der Stiftung "National Endowment for Democracy" (NED), die in den 1980er Jahren von der Reagan-Regierung ins Leben gerufen worden war, um politische Propaganda und subversive Aktionen im Ausland durchzuführen, wie dies früher die CIA verdeckt getan hatte.

Vor dem gleichen Auditorium hatte der Präsident vor fast zwei Jahren eine "Vorwärtsstrategie für Freiheit im Nahen Osten" verkündet. Damals versprach er, dass die erfolgreiche Einführung der "Demokratie" im Irak durch die USA eine "globale demokratische Revolution" auslösen und in der ganzen Region den Sturz von Regierungen zur Folge haben werde. Am 6. Oktober wiederholte er die gleiche Dominotheorie, aber im Rückwärtsgang: Falls das US-Militär sich nicht bedingungslos durchsetze, würden "Sarkawi und bin Laden den Irak kontrollieren" und radikal-islamistische Regime sich weltweit ausbreiteten.

Diese jüngste Theorie ist nicht glaubwürdiger als die aus dem Jahre 2003. Aber sie ist symptomatisch für die wachsende Verzweifelung der herrschenden Kreise in den USA über das Debakel im Irak und für die Entscheidung der Regierung, die amerikanische Bevölkerung durch das Schüren von Angst zur Akzeptanz ihrer Politik zu bewegen.

Wie auf Bestellung verkündeten die Behörden von New York City nur wenige Stunden nach Bushs Rede - gerade noch rechtzeitig für die Abendnachrichten im Fernsehen und für Furcht erregende Schlagzeilen in den Tageszeitungen des nächsten Tages - einen Terroralarm für das städtische U-Bahn-Netz. Kaum war der Alarm ausgerufen, da versicherten Geheimdienstquellen, die Bedrohung sei von "zweifelhafter Glaubwürdigkeit". Am Freitag wurde die Station Pennsylvania geschlossen, weil eine "verdächtige" Mineralwasserflasche entdeckt worden war.

Das Ziel solcher Alarmmeldungen, wie auch der Rede von Bush selbst, ist die Verbreitung von Angst und Schrecken, um die Öffentlichkeit zu beschäftigen und wachsende politische Opposition und soziale Unruhe zu unterdrücken. Erneut beschwört die Bush-Regierung dabei den Terrorismus, wie sie dies schon gebetsmühlenartig getan hatte, um die Invasion im Irak zu rechtfertigen. Damals hatte sie behauptet, Bagdad entwickle Massenvernichtungswaffen und bereite ihre Übergabe an al-Qaida-Terroristen vor.

Wie damals lügt sie auch heute, allerdings unter veränderten politischen Bedingungen. Die New York Times zitierte Beamten des Weißen Hauses mit den Worten, Bush habe seine Rede gehalten, "um die Amerikaner nach ‚einer Vielzahl von Ablenkungen’ in den letzten Monaten daran zu erinnern, dass das Land immer noch bedroht sei und keine Alternative habe, als im Irak zu bleiben..."

Was ist mit "Ablenkungen" gemeint? Noch nie war die Opposition gegen die Bush-Regierung größer. Die Umfragen geben ihr kaum noch 37 Prozent öffentliche Unterstützung. Die Mehrheit glaubt, dass der Krieg gegen den Irak ein Fehler war und dass die amerikanischen Soldaten zurückgezogen werden sollten.

Außerdem hat die durch den Hurrikan Katrina ausgelöste Katastrophe Millionen Menschen vor Augen geführt, dass die Vereinigten Staaten sozial tief gespalten sind und in einer gesellschaftlichen Krise stecken. Eine ausschließlich auf die Bereicherung der Finanzelite gerichtete Politik hat zum Kollaps aller sozialstaatlichen Einrichtungen geführt. Trotz der Terrorismus-Hysterie und dem Gerede über "Heimat-Schutz", die auf den 11. September folgten, zeigte die Reaktion der US-Regierung auf diese Naturkatastrophe, dass sie heute weniger auf ein solches Desaster vorbereitet ist als vor vier Jahren. Sie nahm ihre eigenen Terrorwarnungen nicht ernst und benutzte sie ausschließlich dazu, die amerikanische Bevölkerung politisch zu terrorisieren.

Unterdessen gibt es auch in der Armee wachsende Anzeichen von Unzufriedenheit und offenem Widerstand.

Am Tag von Bushs Rede wurden wieder sieben amerikanische Soldaten im Irak getötet. Damit steigt die Anzahl der gefallenen Soldaten auf über 1.950 an. Täglich erfolgen mehr als hundert bewaffnete Angriffe, und das Land ist nach wie vor wirtschaftlich und gesellschaftlich paralysiert. Viele Irak-Kenner warnen, dass das Land am Rande eines ethnisch-religiösen Bürgerkriegs steht, wenn er nicht schon begonnen hat. Wie sich zeigt, gießt das bevorstehende Referendum über einen Verfassungsentwurf - von Washington als weiterer Schritt zur Demokratie gepriesen - noch mehr Öl in dieses Feuer.

Bush bestritt in seiner Rede die offensichtliche Tatsache, dass die US-Besetzung des Irak den bewaffneten Widerstand und die Terrorakte in der ganzen Region erst richtig angefacht hat. Einige US-Kommandanten sind in dieser Frage weniger zuversichtlich und haben öffentlich vorgeschlagen, die US-Militärpräsenz zu reduzieren, weil sie den Irakern als Besatzungsmacht gelte. Bushs Beschwörung einer angeblich allgegenwärtigen terroristischen Bedrohung zielt darauf ab, solche innere Unstimmigkeiten zu unterdrücken und die Opposition in der Bevölkerung einzuschüchtern.

Der Ton seiner Rede erinnerte an die Hysterie über die "Rote Gefahr" aus der McCarthy-Zeit, wobei Bushs Argumente noch sinnloser waren als jene der fanatischen Antikommunisten vor fünfzig Jahren. Er setzte den "globalen Krieg gegen den Terror" mit dem Kalten Krieg gegen die Sowjetunion und dem Zweiten Weltkrieg gleich und reihte Osama bin Laden neben Joseph Stalin und Adolf Hitler ein.

Solche Behauptungen sind einfach absurd. Die Sowjetunion war eine mit Nuklearbomben bewaffnete Supermacht, die über ein Sechstel der Erdoberfläche verfügte. Al Qaida besteht dagegen höchstens aus ein paar Tausend Fanatikern. Osama bin Laden kontrolliert keinen Staat und seine Bewegung hat keine reale Chance, irgendwo auf der Welt an die Macht zu kommen - auch nicht im Irak. Durch den Sturz der irakischen Regierung und die Destabilisierung der irakischen Gesellschaft hat Washington al Qaida erst ein neues, bislang unzugängliches Operationsfeld verschafft und ihr unter den armen arabischen Massen, die sich über die US-Invasion und Besatzung empören, ein neues Rekrutierungsfeld aufgetan.

Um die Fortsetzung des "Kriegs gegen den Terror" und des "Kampfs für Freiheit" zu rechtfertigen, beschrieb Bush seine Feinde wie folgt: "Die Extremisten wollen in ganz Nahost Schluss mit dem amerikanischen und westlichen Einfluss machen.... Um dieses Ziel zu erreichen, wenden sie seit einem Vierteljahrhundert die gleiche Taktik an: Sie schlagen uns und erwarten, dass wir wegrennen."

Warum diese Beschränkung auf ein Vierteljahrhundert? Ging es nicht schon beim antikolonialen Kampf in der Region nach dem Zweiten Weltkrieg darum, mit dem "amerikanischen und westlichen Einfluss" Schluss zu machen? Waren das nicht die Ziele und Taktiken der nationalistischen Bewegungen, die die Franzosen aus Algerien und die Briten aus Ägypten vertrieben?

Der US-Krieg im Irak hat nichts mit Demokratie oder Terrorismus zu tun; er ist ein Versuch, die Region wieder zu kolonisieren, um ihre Ölressourcen zu kontrollieren und die strategische Hegemonie des US-Imperialismus zu errichten.

Bei seiner Begründung des Terror-Kriegs warf Bush mehrere völlig unterschiedliche Bewegungen in einen Topf und stellte sie alle als Teil einer globalen, "islamisch-radikalen" Bewegung dar, mit der die US-Armee im Irak angeblich konfrontiert sei. Er behauptete, die USA seien "von paramilitärischen Aufständischen und Separatistenbewegungen an Orten wie Somalia, und den Philippinen und Pakistan und Tschetschenien und Kaschmir und Algerien" bedroht.

Damit mischt er alles zusammen: Stammeskriege in Somalia, eine kleine, lokale Gruppe auf den Philippinen, den mehr als fünfzig Jahre alten Konflikt um Kaschmir und die islamistisch-politische Bewegung in Algerien, die um den Preis von 150.000 Menschenleben brutal unterdrückt wurde. Keine dieser Bewegungen - die sich nach sozialer Grundlage und politischen Zielen stark voneinander unterscheiden - steht in irgend einem Zusammenhang mit dem internationalen Terrorismus.

Was das Anwachsen des islamistischen Fundamentalismus betrifft, so geht er zum großen Teil auf das Konto der amerikanischen Regierungen, die Osama bin Laden und den mit ihm verbündeten Mudschaheddin Milliarden Dollar für Waffen und sonstige Hilfe zukommen ließen, damit sie in den achtziger Jahren die von der Sowjetunion unterstützte Regierung in Afghanistan besiegen konnten.

Washington hat auch islamistische Elemente in Indonesien nterstützt, wo sie antikommunistische Pogrome begingen, die 1965 eine Million Todesopfer forderten, wie auch in Tschetschenien und Bosnien, wo sie als Gegengewicht zum russischen und serbischen Einfluss gesehen wurden. Überall, wo solche Bewegungen als Instrumente zur Durchsetzung amerikanischer strategischer Ziele benutzt werden konnten, erhielten sie entweder versteckte oder offene US-Unterstützung.

Typisch für Bushs Rede war sein gewohnter messianischer Tonfall. Er nannte den "Krieg gegen den Terror" eine "Berufung" und erklärte: "Wir werden uns dieser für die ganze Menschheit tödlichen Gefahr stellen." Diese Art der Sprache richtet sich an die Basis der Regierung unter der christlich-evangelischen Rechten und ist Teil des Versuchs, den Irakkrieg als eine Art neuen Kreuzzug gegen den Islam hinzustellen.

Der überwiegende Teil der Menschheit sieht jedoch den US-Imperialismus selbst als die größte Gefahr. Nachdem über 100.000 Iraker sterben mussten, treffen die Worte, mit denen Bush die angeblichen Feinde der USA beschrieb, auf den amerikanischen Präsidenten selbst zu: "In der ganzen Geschichte haben Tyrannen und Möchte-gern-Tyrannen immer wieder behauptet, zur Erreichung ihrer großen Vision sei Mord gerechtfertigt. Und am Schluss haben sie die anständigen Leute auf der ganzen Welt gegen sich aufgebracht."

Zu den ominöseren und scheinbar irrationalen Passagen von Bushs Rede gehörte eine offene Drohung gegen Syrien und den Iran, die er als "Terrorismus-Verbündete aus Zweckmäßigkeit" bezeichnete. "Unterstützerstaaten wie Syrien und der Iran haben eine lange Geschichte der Kollaboration mit den Terroristen, und sie verdienen von Seiten der Terroropfer keine Nachsicht", erklärte Bush. "Die Vereinigten Staaten machen keinen Unterschied zwischen jenen, die Terrorakte begehen, und jenen, die sie unterstützen und ihnen Unterschlupf gewähren, weil diese gleichermaßen des Mordes schuldig sind."

Dies ist eine offene Rechtfertigung für Militärangriffe auf diese beiden Länder. Es ist der gleiche falsche Vorwand, der vor zweieinhalb Jahren für die Invasion im Irak benutzt wurde.

Das Regime in Damaskus ist säkular und hat die syrische islamistische Bewegung rücksichtslos unterdrückt. Nach dem 11. September hat es Washington mit seinem Geheimdienst beträchtliche Hilfe geleistet, und im Rahmen von Washingtons so genanntem außerordentlichen Überführungsprogramm haben amerikanische Agenten Verdächtige nach Syrien geschickt, um sie dort foltern zu lassen.

Was den Iran betrifft, so hat die dortige Regierung enge politische Verbindungen zur schiitischen Mehrheit, welche die von den USA unterstützte irakische Regierung kontrolliert. Teheran hat sowohl die Wahlen im Irak als auch den Verfassungsentwurf unterstützt und ist mit der Al-Qaida-Bewegung stark verfeindet, die sektiererische Terrorangriffe gegen die irakische Schiitenbevölkerung verübt hat.

Warum nun das Säbelrasseln gegen diese zwei Länder? Zuerst macht es klar, dass der US-Krieg im Irak nichts mit dem Kampf gegen den Terrorismus zu tun hat. Es ist ein Versuch, die neo-koloniale Kontrolle der USA zu festigen. Führende Elemente innerhalb der Regierung und des herrschenden Establishments haben aus dem immer schlimmeren Debakel im Irak den Schluss gezogen, dass das nur geht, wenn man den Krieg noch weiter ausdehnt. Die Steigerung des Militarismus ist letzten Endes das Ergebnis einer tiefen Krise der amerikanischen Gesellschaft, die von einer enormen sozialen Ungleichheit geprägt und von einer korrupten und parasitären kapitalistischen Oberschicht beherrscht wird.

Bushs Rede stellt eine Warnung dar, dass die herrschende Elite sich auf noch größere Verbrechen und noch größeres Blutvergießen vorbereitet. Seine Hetzrede wurde von der Demokratischen Partei oder den Medien kaum kritisch untersucht. Weder die eine noch die anderen bieten der wachsenden Opposition in der Bevölkerung gegen den Krieg und die Innenpolitik der Regierung irgend eine politische Ausdrucksmöglichkeit.

Siehe auch:
Gefangen im eigenen Lügennetz: 9/11-Kommission gibt zu dass sie Geheimdienstinformationen über den führenden Flugzeugentführer Atta ausgeschlossen hat
(16. August 2005)
USA lügen und morden im Irak: Die Ermordung von Generalmajor Mowhoush
( 13. August 2005)
Zwei "verdeckte" Operationen werfen zweifelhaftes Licht auf Terroralarm in den USA
( 12. August 2004)
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