Parlamentswahl in Großbritannien am 5. Mai

Premierminister Tony Blair hat die Parlamentswahl in Großbritannien für den 5. Mai festgesetzt. Am gleichen Tag werden in 34 Counties (Regionen) die Bezirksräte, in drei kreisfreien Städten die Verwaltungsorgane, in Nordirland die Stadträte und in vier Städten die Bürgermeister gewählt.

Der 5. Mai als Wahltermin war lange erwartet worden. Blairs Ankündigung wurde dann aber wegen des Todes von Papst Johannes Paul II. noch einmal um 24 Stunden verschoben.

Der Wahlkampf wird offiziell am Montag, den 11. April beginnen, wenn die Queen das Parlament aufgelöst hat. Der enge Zeitplan bedeutet, dass die Regierung versuchen muss, 28 noch nicht verabschiedete Gesetzentwürfe in großer Eile durchzudrücken. Fast die Hälfte von ihnen wird dabei wohl wegfallen, so auch die Pläne der Regierung, Personalausweise einzuführen.

Labour hofft allerdings, solche Rückschläge durch eine dritte Amtszeit wettmachen zu können und ihre Position als bevorzugte Partei der Wirtschaft zu stärken. Blair hat von seiner "Mission" gesprochen, eine dritte Amtszeit zu absolvieren, aber davor gewarnt, die Wahl als Referendum über seine bisherige achtjährige Amtszeit zu betrachten. Labours Wahlkampfparole "Forward, not back" [Vorwärts schauen, nicht zurück] soll zwar den Eindruck von Fortschrittlichkeit und Dynamik vermitteln, ist aber auch ein Zeichen der Besorgnis der Partei, ihre Bilanz könnte zu genau unter die Lupe genommen werden.

Blairs Wunsch, jeder Diskussion der Probleme der arbeitenden Bevölkerung aus dem Weg zu gehen, kommt nicht überraschend. Vor weniger als zwei Jahren hatte Labour Großbritannien gegen den Willen der Bevölkerung und unter Bruch des internationalen Rechts in einen präventiven Aggressionskrieg gegen den Irak hineingezogen. Indem er die USA dabei unterstützte, ihre unangefochtene Vorherrschaft im ölreichen Nahen- und Mittleren Osten durch den Einsatz militärischer Gewalt zu errichten, hoffte Blair, einen Anteil an der Beute für das britische Kapital zu ergattern und die Rückkehr zu einer imperialistischen Eroberungspolitik zu rechtfertigen.

Nachdem der Irak zerstört, eine verhasste Beatzungsmacht eingesetzt und dabei Zehntausende getötet worden waren, erwiesen sich alle Begründungen Labours für den Krieg als Lügen: Der Irak hatte weder Massenvernichtungswaffen besessen, noch eine unmittelbare Bedrohung für Großbritannien dargestellt.

Nach demokratischen Kriterien müsste Blair gemeinsam mit seinem Mitverschwörer, dem US-Präsidenten George W. Bush, als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt werden und dürfte nicht ein zweites Mal als Regierungschef kandidieren. Aber keine der offiziellen Oppositionsparteien wird eine solche Forderung erheben. Die Konservative Partei hat den Krieg unterstützt, während die Liberaldemokraten schnell auf Linie gebracht wurden.

Alle Parteien haben sich dem "Krieg gegen den Terror" angeschlossen, der benutzt wird, um traditionelle Bürgerrechte abzuschaffen. Unter dem Vorwand einer möglichen Verwicklung in terroristische Aktivitäten kann jeder britische Bürger jetzt ohne Anklage zeitlich unbeschränkt unter Hausarrest und Kontaktsperre gestellt werden, wenn der Innenminister oder ein Richter es anordnen.

Um von diesen fundamentalen Fragen abzulenken, konzentriert sich der Wahlkampf auf einen Wettbewerb, welche Parteie die rechtesten Positionen zu Recht und Ordnung, zur Einwanderung und zu Plänen vertritt, die schleichende Privatisierung des öffentlichen Dienstes zu beschleunigen.

Umfragen lassen zwar am 5. Mai einen Labour-Sieg erwarten, das kann aber nicht über die verbreitete Entfremdung breiter Schichten vom Wahlprozess hinwegtäuschen. Die Ankündigung der Wahl ist ebenso wie der "Scheinwahlkampf" der vergangenen Wochen in der Öffentlichkeit nur auf geringes Interesse gestoßen.

Die Wahlbeteiligung wird am 5. Mai voraussichtlich noch unter die 59-Prozent-Marke von 2001 fallen, die selbst schon ein Rekordtief darstellte. In einigen Innenstadtgebieten, die in der Vergangenheit massiv Labour gewählt hatten, haben sich kaum die Hälfte der Wahlberechtigten überhaupt für die Wahl registrieren lassen. Untersuchungen der Wahlkommission haben ergeben, dass nur drei Prozent der Wähler "fest davon ausgehen", dass sie Einfluss darauf haben, wie das Land regiert wird.

Keine der großen Parteien kann an dieser Lage etwas ändern, weil ihre Politik von den Interessen einer Finanzoligarchie bestimmt wird, die denen der arbeitenden Bevölkerung diametral entgegengesetzt sind. Deswegen wird sich der Wahlkampf auf eine ausgewählte Gruppe von sogenannten "Wechselwählern" in besonders hart umkämpften Wahlkreisen und auf die Redaktionen der großen Tageszeitungen konzentrieren.

Das Wahlergebnis wird in einem engen Bereich entschieden, so dass schon eine geringe Verschiebung der Stimmung bei einer dieser Gruppen unvorhersehbare Folgen haben kann. Am 5. April verkündete Rupert Murdochs Sun auf der Titelseite, sie habe sich noch nicht entschieden, ob sie bei dieser Wahl Labour oder Tories unterstützen werde. Beide Parteien reagieren darauf, indem sie weiter nach rechts rücken und erbittert darum rivalisieren, wer die Forderungen und Vorurteile des Besitzers des Boulevardblattes besser befriedigen kann.

Symptomatisch für das Auseinanderdriften der offiziellen Politik und der breiten Masse der Bevölkerung ist die starke Zunahme von Protestkandidaturen. Obwohl die vollständige Liste der Kandidaten noch nicht veröffentlicht wurde, hat die Wahlkommission verlauten lassen, es habe sich eine Rekordzahl neuer Parteien für die Teilnahme an der Wahl registrieren lassen.

Nach den neuen Regeln müssen sich Parteien bei der Wahlkommission registrieren lassen, weil ihre Kandidaten andernfalls nur als Unabhängige kandidieren können oder der für den Parteinamen vorgesehene Platz leer bleiben muss. Für die Registrierung müssen sie eine schriftliche Satzung, einen Rechenschaftsbericht und die Namen von zwei Verantwortlichen vorlegen und eine Gebühr von 150 Pfund zahlen.

Trotz dieser Hürden haben sich in Großbritannien im letzten Jahr 61 neue Parteien registrieren lassen und weitere 28 in diesem Jahr. Fast die Hälfte von ihnen sind Parteien, die sich auf ein einziges Thema konzentrieren und sich dabei auf lokale Bürgergruppen stützen.

Siehe auch:
Konflikt zwischen Blair und Brown erschüttert britische Regierung
(15. Februar 2005)
Blairs Außenpolitik: Von der "Brücke" zum "Brückenkopf"
( 26. November 2004)
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