Aufruf der Partei für Soziale Gleichheit zur Europawahl

Für Vereinigte Sozialistische Staaten von Europa

1. Die Ziele der PSG

Die Partei für Soziale Gleichheit tritt am 13. Juni mit einem internationalen sozialistischen Programm zur Europawahl an.

Das Ziel unserer Wahlteilnahme besteht darin, das Fundament für eine neue Partei zu legen, die die Interessen der arbeitenden Bevölkerung, einschließlich der Rentner, Arbeitslosen und Jugendlichen vertritt.

Millionen Menschen sind über die politische Lage tief beunruhigt und suchen nach einem Ausweg. Der Irakkrieg hat deutlich gemacht, dass alle ungelösten Probleme des vergangenen Jahrhunderts wieder aufbrechen. Steigende Arbeitslosigkeit und Massenelend gehen erneut mit dem Abbau von demokratischen Rechten und wachsendem Militarismus einher, als hätte es die Erfahrung von 1914 bis 1945 nicht gegeben.

Die sozialdemokratischen Parteien haben alle Hemmungen fallen gelassen und sich zum Büttel einer kleinen Elite gemacht, die sich rücksichtslos bereichert und die Gesellschaft ausplündert. Ihre Politik unterscheidet sich nicht mehr von den rechten bürgerlichen Parteien. Wir stellen dem politischen Bankrott der Sozialdemokratie ein grundlegend anderes Prinzip entgegen. Die Bedürfnisse der Bevölkerung stehen für uns an erster Stelle. Wir streben eine Gesellschaft an, die auf dem Grundsatz der sozialen Gleichheit und Gerechtigkeit beruht. Wir verteidigen alle sozialen Errungenschaften - Renten, Gesundheitsversorgung, Bildung, Arbeitsplätze und sichere Einkommen - die durch Sozialabbau bedroht sind. Wir wehren uns gegen die Angriffe auf demokratische Grundrechte und lehnen Krieg und Militarismus ab.

Die Umsetzung dieser Ziele erfordert ein politisches Programm, das sich grundlegend von dem der Sozialdemokratie unterscheidet.

· Sie können nicht im nationalen Rahmen verwirklicht werden, sondern erfordern eine weltweite Bewegung gegen den Imperialismus.

Die Integration und Verflechtung der Weltwirtschaft hat dem Nationalstaat den Boden entzogen, der den Rahmen für die sozialdemokratische Reformpolitik bildete. Gegenüber den transnationalen Konzernen und internationalen Finanzinstitutionen, die das moderne Wirtschaftsleben beherrschen, erweist sich die Orientierung der alten Arbeiterorganisationen - Schutz der nationalen Industrie und des nationalen Arbeitsmarktes - als machtlos. Das erklärt ihre allgemeine Rechtswendung. Während sie früher Druck auf die Unternehmer und die Regierung ausübten, um Zugeständnisse für die Arbeiter zu erlangen, setzen sie heute die Arbeiter unter Druck, um Zugeständnisse für die Unternehmer herauszuholen und somit Kapital anzulocken.

Das Bemühen der US-Regierung, die Welt gewaltsam ihrer Vorherrschaft zu unterwerfen, ist der schärfste Ausdruck der Unvereinbarkeit von Weltwirtschaft und Nationalstaat. Die globale Wirtschaft verträgt sich nicht mit nationaler Souveränität. Die Eroberung des Irak war der erste Versuch, die Welt im Interesse des US-Imperialismus neu aufzuteilen und eine neue Weltordnung zu errichten, die auf den brutalsten Formen von kapitalistischer Plünderung und Ausbeutung beruht.

Nationale Abschottung und die Verteidigung nationaler Interessen sind keine Antwort auf Globalisierung und Kriegsgefahr. Sie sind ebenso unausführbar wie reaktionär. Sie vergiften das Klima zwischen den Völkern, schüren nationale und ethnische Spannungen und führen zu Handelskrieg und Krieg.

Die PSG tritt für eine andere Lösung ein: für eine weltweite Bewegung der arbeitenden Bevölkerung, die den Kampf gegen Imperialismus und Krieg mit der Lösung der sozialen Frage verbindet. Sie widersetzt sich jeder Spaltung der Bevölkerung nach nationalen, ethnischen oder religiösen Gesichtspunkten. Der Europäischen Union - dem Europa der Banken und Konzerne - setzen wir die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa entgegen. Auch wenn wir nur in Deutschland zur Wahl antreten, richtet sich unsere Wahlkampagne an die arbeitende Bevölkerung ganz Europas.

Als deutsche Sektion einer Weltpartei, des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, arbeitet die PSG eng mit ihren Schwesterorganisationen in Großbritannien und den USA zusammen. Die amerikanische Socialist Equality Party tritt bei den diesjährigen Präsidentschaftswahlen Republikanern und Demokraten mit einem eigenen, sozialistischen Kandidaten entgegen.

· Die Verteidigung von sozialen Errungenschaften und demokratischen Rechten erfordert eine Reorganisation des Wirtschaftslebens nach sozialistischen Grundsätzen.

Ein gutes Jahrzehnt nach dem Ende der DDR und der Sowjetunion ist offensichtlich, dass der freie Markt keine Antwort auf die drängenden Probleme der Menschheit bietet. Die Unterordnung jedes Aspekts des gesellschaftlichen Lebens unter die Gesetze von Markt und Profit hat überall verheerende Folgen.

In Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion selbst hat die Einführung kapitalistischer Verhältnisse einen kulturellen und sozialen Niedergang nach sich gezogen, der in Friedenszeiten ohne Beispiel ist. Während die soziale Infrastruktur zerfällt und Millionen Menschen am Rande des Existenzminimums vegetieren, kontrolliert eine Handvoll Oligarchen sagenhafte Reichtümer. In Afrika und Asien versinken ganze Länder in Armut und Chaos. In den führenden kapitalistischen Ländern sind die sozialen Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte pausenlosen Angriffen ausgesetzt. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer tiefer.

Die Sozialdemokratie hat ihre Verteidigung des Kapitalismus stets mit der Behauptung begründet, dieser könne im Interesse der Arbeiter reformiert und sozial gestaltet werden. Davon ist nichts übrig geblieben. Heute stehen die SPD und die anderen sozialdemokratischen Parteien Europas an der Spitze der Angriffe auf soziale Errungenschaften und demokratische Rechte und unterscheiden sich nicht mehr von ihren konservativen Widersachern.

Die PSG tritt für eine sozialistische Umgestaltung des wirtschaftlichen Lebens ein. Es muss sich an den Bedürfnissen der Gesellschaft orientieren, und nicht am Profitinteresse einer reichen, besitzenden Minderheit. Die enormen Fortschritte der modernen Technologie haben alle Voraussetzungen geschaffen, um grundlegende Probleme - wie Armut, Rückständigkeit und Umweltzerstörung - zu lösen. Das setzt aber voraus, dass sie bewusst im gesellschaftlichen Gesamtinteresse eingesetzt werden und nicht dem chaotischen Prinzip der Profitmaximierung überlassen bleiben. Zu diesem Zweck müssen die Schalthebel der modernen Wirtschaft - die Banken und großen Konzerne - in gesellschaftliches Eigentum überführt und unter demokratische Kontrolle gestellt werden.

Die PSG stützt sich auf die Lehren aus dem Scheitern der Sowjetunion. Versagt hat dort nicht das Planungsprinzip, sondern der Versuch einer privilegierten Bürokratie, mit despotischen Methoden eine angeblich sozialistische Gesellschaft im nationalen Rahmen zu errichten. Arbeiterdemokratie und der Zugang zu den Ressourcen der Weltwirtschaft sind unabdingbare Voraussetzungen für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft. Diesen Standpunkt vertritt die PSG nicht erst seit dem Ende der Sowjetunion. Sie steht in der Tradition der Linken Opposition, die unter der Führung Leo Trotzkis seit 1923 gegen die stalinistische Bürokratie und ihre nationalistischen Anschauungen kämpfte.

· Die Verwirklichung eines sozialistischen Programms erfordert eine politisch bewusste Bewegung breiter Schichten der arbeitenden Bevölkerung.

Sozialismus ist unvereinbar mit bürokratischer Bevormundung. Wirklicher gesellschaftlicher Fortschritt ist nur möglich, wenn sich die breite Masse der Bevölkerung aktiv an der Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse beteiligt und diese demokratisch kontrolliert. Nicht nur der Stalinismus, sondern auch die Sozialdemokratie stehen dagegen für eine Tradition, in der die kreative und geschichtlich prägende Kraft der Arbeiterbewegung von bürokratischen Apparaten erstickt wurde. Selbst zu Zeiten der Sozialreformen haben die sozialdemokratischen Parteien ihre eigene Basis in politischer Hinsicht entmündigt. Heute bestehen sie nur noch aus selbstherrlichen Funktionärsapparaten, die sich jeglicher demokratischen Rechenschaftspflicht enthoben fühlen.

Das Ziel der PSG besteht darin, diese lähmende Wirkung der Sozialdemokratie auf die Arbeiterbewegung zu überwinden. Wir lehnen Konzepte ab, die davon ausgehen, die reformistischen Parteien unter Druck zu setzen, sie zu reformieren oder angeblich fortschrittliche Teile aus ihnen herauszubrechen. Eine solche Zielsetzung würde ihnen ein linkes Feigenblatt verschaffen und ihren demoralisierenden Einfluss künstlich verlängern.

Millionen Menschen in Europa spüren, dass die Politik der etablierten Parteien in eine Sackgasse geführt hat, aus der diese keinen Ausweg wissen. Sie haben ihrer Empörung in zahlreichen Protesten, Streiks und Demonstrationen Luft gemacht. Aber nur eine klare politische Perspektive kann diese breite Opposition zu einer wirksamen politischen Bewegung zusammenschweißen. Das setzt ein Verständnis der Ursachen und Triebkräfte der gegenwärtigen Krise und der politischen Lehren aus dem 20. Jahrhundert voraus.

Unserer Wahlkampagne hat zum Ziel, eine breite Diskussion über diese Fragen in Gang zu setzen. Wir appellieren an alle, die mit unseren Zielen übereinstimmen, den Wahlkampf der PSG zu unterstützen. Verbreitet unseren Wahlaufruf, organisiert Versammlungen, um mit den Kandidaten der PSG zu diskutieren, trägt finanziell zum Gelingen des Wahlkampfs bei!

2. Lehren aus dem Irakkrieg

Der Irakkrieg hat zwei Dinge schlagartig ins öffentliche Bewusstsein gerückt: Die USA haben sich aus einem Faktor der internationalen Stabilität zum wichtigsten Faktor der Instabilität verwandelt; und die europäischen Regierungen sind völlig unfähig, dem amerikanischen Imperialismus ernsthaft entgegenzutreten.

Die internationalen Institutionen und völkerrechtlichen Normen der Nachkriegszeit gingen weitgehend auf die Initiative der USA zurück. Diese handelten dabei nicht uneigennützig. Die Befriedung der westlichen Welt diente der Expansion des amerikanischen Kapitals und der Stärkung des westlichen Lagers im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion. Dennoch sorgte sie für eine gewisse Stabilität und Berechenbarkeit der internationalen Beziehungen

Mit dem Krieg gegen den Irak haben die USA unmissverständlich deutlich gemacht, dass sie diese Institutionen und Normen nicht mehr respektieren und sich bei der Verfolgung ihrer Interessen ausschließlich auf die eigene militärische Stärke verlassen. Gleichzeitig haben sie keine Zweifel daran gelassen, dass die Unterwerfung des Irak nur ein erster Schritt ist. Endziel ist die Neuordnung der gesamten Region und die Errichtung einer neuen Weltordnung nach den Bedürfnissen des amerikanischen Kapitals. Das ist der wesentliche Inhalt der neuen amerikanischen Präventivkriegs-Doktrin.

Europa reagiert darauf, indem es seinerseits aufrüstet. Unabhängig von ihrer Haltung zum Irakkrieg sind sich die europäischen Regierungen einig, dass sie eine unabhängige Rüstungsindustrie und eigene militärische Kapazitäten brauchen, die es ihnen erlauben, weltweit zu intervenieren und Präventivkriege in eigener Regie zu führen.

Der Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts gleicht damit immer mehr dem des zwanzigsten, als zwei Weltkriege Europa und große Teile der Welt verwüsteten. Die Ursache der beiden Weltkriege war die Unvereinbarkeit des nationalen Staates mit einem Wirtschaftssystem, das die ganze Welt umfasst. Die führenden Marxisten jener Zeit verstanden dies sehr gut. So schrieb Leo Trotzki zu Beginn des Ersten Weltkriegs: "Der objektive Sinn des Krieges besteht in der Zertrümmerung der gegenwärtigen national-wirtschaftlichen Zentren im Namen der Weltwirtschaft. Doch nicht auf der Grundlage einer verständig organisierten Mitarbeit der gesamten produzierenden Menschheit trachtet man diese Aufgabe des Imperialismus zu lösen, sondern auf der Grundlage der Ausbeutung der Weltwirtschaft durch die kapitalistische Klasse des siegreichen Landes, das durch diesen Krieg aus einer Großmacht zu einer Weltmacht werden soll."

Es gibt in der Tat nur zwei Möglichkeiten, den Widerspruch zwischen Weltwirtschaft und Nationalstaat zu lösen: Die kapitalistische - die gewaltsame Neuordnung der Welt unter der Vorherrschaft der stärksten imperialistischen Macht - und die sozialistische - die Überwindung des Nationalstaats durch die planmäßige Zusammenarbeit aller Völker auf sozialistischer Grundlage.

1914 hatte Deutschland als dynamischste Wirtschaftsmacht des Kontinents versucht, Europa neu zu organisieren und den Kontinent in ein Blutbad gestürzt. Die andere Möglichkeit zeigte die russische Oktoberrevolution. Die siegreichen Bolschewiki zogen sich sofort aus dem Krieg zurück und gewannen unter den Arbeitern ganz Europas enorme Popularität. Doch die Sowjetunion wurde isoliert und entartete unter der Herrschaft Stalins. Dies und die Niederlagen der deutschen Arbeiterbewegung versetzten Deutschland in die Lage, 1939 einen zweiten Anlauf zur Unterwerfung Europas zu wagen - mit noch katastrophaleren Folgen.

Auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs entstand dann, unter der Regie der Siegermacht USA, eine neue, relative stabile Weltordnung. Aber der grundlegende Widerspruch zwischen Weltwirtschaft und Nationalstaat war damit nicht überwunden. Der Kalte Krieg mit der Sowjetunion dämpfte zwar lange die Konflikte zwischen den imperialistischen Mächten, doch nach ihrer Auflösung brechen sie mit wachsender Heftigkeit wieder auf. Der Irakkrieg kennzeichnet in dieser Hinsicht einen Wendepunkt.

Die Krise des amerikanischen Kapitalismus

Die unmittelbare Verantwortung für den Irakkrieg trägt die rechte Clique um Präsident Bush, doch seine sozialen und ökonomischen Wurzeln reichen weit tiefer. Die herrschende Elite reagiert damit auf eine grundlegende Krise des amerikanischen und des internationalen Kapitalismus. Deshalb würde auch ein Machtwechsel im Weißen Haus die Zielrichtung der amerikanischen Politik nicht grundlegend ändern - wie die nahezu einhellige Unterstützung des Kriegs durch die Demokraten gezeigt hat. Hinter dem Krieg steckt der Versuch des amerikanischen Kapitals, seinen ökonomischen Niedergang durch den Einsatz militärischer Gewalt zu überwinden.

Die USA sind als einzige militärische Supermacht aus dem Kalten Krieg hervorgegangen. Sie bestreiten mittlerweile fast 40 Prozent der weltweiten Militärausgaben. Ihr relatives Gewicht in der Weltwirtschaft nimmt dagegen seit langem ab. Produzierten sie nach dem Zweiten Weltkrieg noch ein bis zwei Drittel der wichtigsten Industriegüter, sind ihnen mittlerweile mit der Europäischen Union, Japan, Ostasien und China ernsthafte Konkurrenten erwachsen. Gleichzeitig sind sie mehr denn je auf die Ressourcen der Weltwirtschaft angewiesen. Ein jährliches Handelsdefizit von 400 Mrd. Dollar, eine Außenverschuldung von nahezu 3 Billionen Dollar und ein Haushaltsdefizit von 500 Mrd. Dollar zeugen vom zunehmend parasitären Charakter des amerikanischen Kapitalismus. Reißt der Zufluss frischen Kapitals ab, droht ihm der Infarkt.

Die Bush-Administration verfolgte mit dem Irakkrieg drei Ziele: Die Kontrolle über das Land mit den zweitgrößten Ölreserven der Welt; die Errichtung neuer Militärbasen im Mittleren Osten, was ihr entscheidende strategische Vorteile gegenüber den europäischen und asiatischen Rivalen einbringt; und die Ablenkung von den wachsenden Spannungen im Innern der USA.

Diese Spannungen haben eine ungeheure Intensität erreicht. In kaum einem anderen Land der Welt ist die Kluft zwischen Arm und Reich so tief wie in den USA. Die Oberschicht hat im Börsenboom der 90er Jahre gigantische Reichtümer angehäuft, während sich am unteren Ende der Gesellschaft Armut, Hunger und Obdachlosigkeit ausbreiten, das öffentliche Schulsystem zusammenbricht und 44 Millionen keine Gesundheitsversicherung haben. Ein Angehöriger des reichsten Prozents der Gesellschaft verdient heute 75 Mal so viel wie ein Angehöriger des ärmsten Fünftels. Sein Netto-Einkommen ist in den letzten zwanzig Jahren um das Zweieinhalbfache gestiegen, das der Ärmsten um 7 Prozent gesunken.

Die amerikanische Arbeiterklasse gleicht einem gefesselten Riesen, der zum ernsthaftesten Gegner des US-Imperialismus heranwächst, wenn er zum politischem Leben erwacht. Sie lässt sich immer schwerer durch zwei Parteien kontrollieren, die beide - Republikaner wie Demokraten - vom großen Geld dominiert werden. Daher die ständige Ablenkung der öffentlichen Aufmerksamkeit durch außenpolitische Abenteuer sowie die systematische Unterdrückung demokratischer Rechte. Aus diesen beiden Elementen besteht der sogenannte "Krieg gegen den Terrorismus".

Das europäische Dilemma

Das aggressive Auftreten des amerikanischen Imperialismus stellt die europäischen Regierungen vor ein unlösbares Dilemma. Folgen sie den USA, bleibt ihnen nur die Rolle eines amerikanischen Vasallen. Stellen sie sich den USA entgegen, riskieren sie die Spaltung Europas und langfristig eine wahrscheinlich katastrophale militärische Konfrontation. In beiden Fällen verschärfen sich die sozialen und politischen Spannungen im Innern.

Dieses Dilemma sowie die Rivalitäten zwischen den europäischen Mächten hat Europa zu Beginn des Irakkrieges zerrissen. Großbritannien, das seine "besondere Beziehung" zu Washington seit langem als Gegengewicht zur deutsch-französischen Dominanz in Europa betrachtet, warf sich den USA zu Füssen. Dasselbe taten Spanien, Italien und die Beitrittsländer in Osteuropa. Die extrem rechten und unpopulären Regierungen dieser Länder betrachten die USA als Schutzmacht - nicht zuletzt gegen die eigene Bevölkerung.

Frankreich und Deutschland widersetzten sich anfangs den Kriegsplänen, weil sie um ihre eigenen Interessen im Nahen Osten fürchteten. Diese Ablehnung war von Anfang an halbherzig. So erwog die deutsche Regierung nie, den deutschen Luftraum und die amerikanischen Basen im Land zu sperren. Kaum war Bagdad gefallen, gaben Berlin und Paris ihre Ablehnung auf. Während Millionen gegen den völkerrechtswidrigen Krieg demonstrierten, sanktionierten sie die Besatzung des Irak in der UNO. Mittlerweile werden die Differenzen über den Krieg als "Meinungsverschiedenheiten unter Freunden" abgetan, obwohl ständig neue Details über das Ausmaß an krimineller Energie bekannt werden, mit der Washington und London die Vorbereitung des Kriegs betrieben - von den dreisten Lügen über Massenvernichtungswaffen bis hin zur Bespitzelung des UN-Generalsekretärs. Selbst die Entsendung von Nato-Truppen in den Irak gilt inzwischen als möglich.

Diese feige Kapitulation hat mehrere Gründe. Zum einen mussten Berlin und Paris feststellen, dass sie nicht auf eine Konfrontation mit Washington vorbereitet sind. Die USA haben ihren politischen Einfluss auf dem alten Kontinent rücksichtslos benutzt, um Europa zu spalten und die Kriegsgegner zu isolieren. Zum anderen wollten sie sich nicht zu eng mit der mächtigen Antikriegsbewegung identifizieren, die sich in ganz Europa entwickelte und am 15. und 16. Februar 2003 in die größte weltweite Demonstration der Geschichte mündete. Auch wenn es auf diesen Demonstrationen Illusionen über die Politik der deutschen und französischen Regierung gab, bargen sie das Potential, zu einer Massenbewegung gegen die unsoziale Politik der europäischen Regierungen zu werden. Unter diesem Druck zogen es Berlin und Paris vor, ihre Meinungsverschiedenheiten mit Washington erst einmal beizulegen.

Diese Erfahrung verdeutlicht, dass man die Opposition gegen Krieg nicht den europäischen Regierungen überlassen kann, die ihre eigenen imperialistischen Ziele verfolgen. Die Kriegsfrage ist untrennbar mit der sozialen Frage verbunden. Nur eine Bewegung, die sich gegen die Wurzeln des Kriegs wendet - die kapitalistische Gesellschaftsordnung - kann die Kriegsgefahr erfolgreich bekämpfen.

Die gegenwärtige Entspannung zwischen Washington, Paris und Berlin bedeutet zudem nicht, dass die Ursachen der vergangenen Konflikte überwunden sind. Der Kampf um Märkte, Investitionen, Rohstoffe und billige Arbeitskräfte gestaltet sich zunehmend härter. Die Handelskonflikte zwischen Europa und den USA nehmen zu. Sie müssen zwangsläufig zu neuen, heftigeren Konfrontationen führen.

3. Die Europäsche Union - ein Werkzeug der mächtigsten Wirtschaftsgruppen

So wie die USA, hat sich auch Europa seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion grundlegend verändert.

Der europäische Einigungsprozess nach dem Zweiten Weltkrieg beruhte auf zwei Voraussetzungen: Dem transatlantischen Bündnis und dem Kalten Krieg. Die USA unterstützten die Bemühungen zur wirtschaftlichen und politischen Einigung Westeuropas, um so ein stabiles Bollwerk für den Kalten Krieg schaffen. Durch wirtschaftlichen Wiederaufbau und die Überwindung der innereuropäischen Rivalitäten sollten revolutionäre Erschütterungen verhindern werden, wie sie nach dem Ersten Weltkrieg stattgefunden hatten. Obwohl der Einigungsprozess vorwiegend von Wirtschaftsinteressen bestimmt wurde, war er lange Zeit auch mit einem Ausgleich der schärfsten sozialen und regionalen Gegensätze verbunden. Agrarfonds, Regionalfonds und andere Brüsseler Töpfe dienten dazu, die krassesten sozialen Verwerfungen zu glätten.

Das Ende der Sowjetunion und des Warschauer Pakts hat diese Voraussetzungen beseitigt. Seiher verschärfen sich die Spannungen mit den USA und innerhalb Europas. Die Rolle der europäischen Institutionen hat sich stark gewandelt. Die Brüsseler Kommission ist zum Synonym für Deregulierung, Liberalisierung und den Abbau von Arbeitnehmerrechten geworden. Anstatt die sozialen und regionalen Gegensätze auszugleichen, verschärft sie diese. Der bürokratische Koloss mit 40.000 Mitarbeitern, der keiner demokratischen Kontrolle, dafür aber den Einflüsterungen zahlreicher Wirtschaftslobbyisten unterworfen ist, tritt immer unverblümter als Werkzeug der europäischen Großmächte und einflussreichsten Wirtschaftsgruppen in Erscheinung.

Der Entwurf für eine europäische Verfassung soll diesen Zustand festschreiben. Er ordnet sämtliche Aspekte der ökonomischen und sozialen Politik den Interessen der Wirtschaft unter, verbindet die Begriffe "Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit" mit der Verpflichtung, "einen Binnenmarkt mit freier und unverzerrter Konkurrenz" zu wahren, und führt als "grundlegende Freiheit" den freien Verkehr von "Gütern, Dienstleistungen und Kapital" auf. Die EU soll "die ausschließliche Kompetenz" über die Geldpolitik in der Eurozone erhalten und die Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik koordinieren. Dies ist ein Freibrief für umfassende Angriffe auf Sozialleistungen, um so Steuersenkungen und andere Wirtschafsanreize finanzieren zu können. Auch die Rolle des militärischen und polizeilichen Unterdrückungsapparats "für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung und die Wahrung der inneren Sicherheit" wird in dem Verfassungsentwurf hervorgehoben. Erst danach erfolgt die Aufzählung einiger bescheidener Bürgerrechte.

Bisher ist dieser Entwurf an den gegensätzlichen Machtinteressen der Mitgliedsstaaten gescheitert. Vor allem die Regierungen, die im Irakkrieg an der Seite der USA standen, fürchten, von Deutschland und Frankreich dominiert zu werden. Über die wirtschafts- und sozialpolitische Zielrichtung der Verfassung herrscht dagegen Übereinstimmung. Trotz des Verfassungsstreits schreitet die soziale Polarisierung Europas voran. Schon jetzt ist vom vielgepriesenen europäischen Wohlfahrtsmodell kaum mehr etwas übrig.

Das Anwachsen der sozialen Ungleichheit

Über 20 Millionen Männer und Frauen sind in der Europäischen Union arbeitslos. Die Arbeitslosigkeit ist höchst ungleich verteilt. Die vom statistischen Amt der EU angegebene Quote schwankt zwischen 3,7 Prozent in Luxemburg und 11,4 Prozent in Spanien. Unter den Beitrittsländern verzeichnet Polen mit 19,2 Prozent oder 3,3 Millionen Arbeitslosen den Spitzenwert. Besonders stark betroffen sind Jugendliche unter 25 Jahren. In der gesamten EU haben offiziell 15 Prozent aller Jugendlichen keine Arbeit, in Spanien, dem Spitzenreiter unter den alten Mitgliedern, sind es 23 Prozent, in Polen 41 Prozent.

Mit der Arbeitslosigkeit steigt die Armut. Laut dem letzten vorliegenden Sozialbericht der Europäischen Kommission entfielen 1998 auf das ärmste Fünftel der EU-Bevölkerung 8 Prozent des Gesamteinkommens, auf das reichste Fünftel dagegen 36 Prozent. Etwa 68 Millionen Menschen waren 1998 von Armut betroffen, insbesondere Kinder sowie ältere, aber auch junge Frauen. In diesen Zahlen sind die Auswirkungen der "Reformen" der letzten sechs Jahre noch nicht enthalten. Tariflöhne, geregelte Arbeitszeiten und Sozialleistungen wurden seither stark abgebaut. Auch öffentliche Investitionsprogramme, Umschulungs-, Fortbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen und andere Formen der staatlichen Arbeitsbeschaffung sind weitgehend dem Rotstift und Steuersenkungen zum Opfer gefallen.

Die Krise der Renten- und Gesundheitskassen ist nicht auf die demografische Entwicklung, sondern auf diese gewollte Politik zurückzuführen. Die offiziell geförderte Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse - Niedriglohnarbeit, Teilzeitarbeit und Scheinselbständigkeit -, sinkende Löhne und wachsende Arbeitslosigkeit entziehen der umlagefinanzierten Sozialversicherung die Beitragszahler. Hohe Einkommen sowie Einkommen aus Besitz und Vermögen werden nicht zur Finanzierung herangezogen, die wachsende Zahl der Niedrigverdiener, Scheinselbständigen und Arbeitslosen kann nicht dazu beitragen. Die Politik schafft so selbst die Voraussetzungen, die ihr den Vorwand für den Angriff auf Renten und Gesundheitsversorgung liefert - ein Teufelskreis.

Der Angriff auf demokratische Rechte

Parallel zum Angriff auf soziale Errungenschaften werden demokratische Rechte abgebaut. Die Anschläge vom 11. September 2001 in den USA lieferten auch den europäischen Regierungen den Vorwand für einen Frontalangriff auf Bürgerrechte. Allein in Deutschland wurden in zwei eilig durchs Parlament gepeitschten Anti-Terror-Paketen über hundert Gesetze novelliert.

Während der Kampf gegen den Terror als offizielle Begründung dient, richten sich die meisten dieser Gesetzesänderungen gegen die Bevölkerung als ganze. Sie können auch zur Unterdrückung von sozialem Protest und politisch missliebigen Meinungen eingesetzt werden. Die Befugnisse der Sicherheitsorgane - Geheimdienste, Polizei, Bundesgrenzschutz - werden ausgeweitet, die finanziellen Mittel, die ihnen zur Verfügung stehen, aufgestockt. Durch Rasterfahndung und Einschränkung des Datenschutzes werden große Teile der Bevölkerung routinemäßig überwacht.

Eine Vorreiterfunktion bei den Angriffen auf demokratische Rechte spielt die unmenschliche Behandlung von Flüchtlingen und Immigranten. Hunderte sterben jährlich beim Versuch, die europäischen Grenzen zu überqueren. Abschiebehaft ohne Gerichtsurteil, Internierung in Konzentrationslagern, das Auseinanderreißen von Familien und politische und soziale Rechtlosigkeit gehören zum europäischen Alltag.

Die Folgen der EU-Osterweiterung

Die Erweiterung der EU von 15 auf 25 Mitgliedsstaaten am 1. Mai 2004 verschärft die soziale Krise. Das Gefälle zwischen den reichsten und ärmsten Ländern wächst, ohne dass nennenswerte Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen sind, wie dies bei früheren Erweiterungsrunden der Fall war. Und die extrem niedrigen Löhne in Osteuropa werden als Hebel eingesetzt, um auch in den reicheren Ländern die sozialen Standards weiter nach unten zu treiben.

Durch die Erweiterung erhöht sich die Bevölkerungszahl der EU um knapp 20 Prozent auf 451 Millionen. Die Fläche des Binnenmarktes erweitert sich um 23 Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt steigt dagegen nur um knapp 5 Prozent. Zusammen genommen entspricht das BIP der Beitrittsländer ungefähr dem Hollands, obwohl die Bevölkerungszahl fünfmal größer ist. Das BIP pro Kopf erreicht noch nicht einmal die Hälfte des Werts der alten Mitglieder.

Während die Brüsseler Propagandabroschüren den wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung im Osten ankündigen, sprechen die Zahlen eine ganz andere Sprache. In den kommenden zwei Jahren will die EU die neuen Mitglieder mit jährlich 20 Milliarden Euro fördern. Angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Krise ist dies nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Das zeigt ein Vergleich mit den Kosten der deutschen Wiedervereinigung. Seit 1991 flossen aus der Bundeskasse Jahr für Jahr 50 Milliarden Euro in den deutschen Osten, dessen Einwohnerzahl mit 17 Millionen wesentlich geringer ist als die 75 Millionen der osteuropäischen Beitrittsländer. Trotzdem ist die Arbeitslosigkeit im Osten Deutschlands doppelt so hoch wie im Westen.

Die Osterweiterung geht außerdem zu Lasten der ärmeren Regionen Westeuropas, die entsprechend weniger Fördergelder aus dem Regionalfonds erhalten.

Die EU-Kommission hat bereits im Vorfeld der Erweiterung für die Vertiefung der sozialen Gegensätze in den Beitrittsländern gesorgt. Durch eine Unzahl von Kriterien, Bedingungen und Vorschriften stellt sie sicher, dass in den ehemaligen Ostblockstaaten ein "wettbewerbsfreundliches" Klima entsteht. Konkret bedeutet dies massive Einschnitte bei den staatlichen Sozialabgaben, die Privatisierung staatlicher Unternehmen und die Stillegung großer Bereiche von Industrie und Landwirtschaft, die als unrentabel gelten. Für die Masse der Bevölkerung hat dies verheerende Folgen. Während in einigen Städten aufgrund von ausländischen Investitionen und EU-Subventionen kleine, prosperierende Zentren entstehen, die einer schmalen Oberschicht ein verhältnismäßig gutes Einkommen sichern, versinken die restlichen Gebiete in Elend und Hoffnungslosigkeit.

Besonders deutlich ist dies in Polen, das mit 39 Millionen mehr Einwohner zählt als die übrigen neun Beitrittsländer zusammen. Dort hatte schon Ende der achtziger Jahre eine sogenannte "Schocktherapie" große Teile der Schwerindustrie (Stahl und Werften) sowie des Bergbau- und Energiesektors in den Bankrott getrieben. Von 1988 bis 1992 ging die Industrieproduktion des Landes um fast die Hälfte zurück. Ein Lohnstopp für die Beschäftigten staatlicher Betriebe führte im selben Zeitraum zu einem Reallohnverlust von 25 Prozent. Die EU-Kommission drängt nun auf eine Beschleunigung der Privatisierung und fordert, dass weitere unrentabel Betriebe stillgelegt werden.

Nicht minder explosiv ist der soziale Sprengstoff auf dem Lande. Fast 20 Prozent der polnischen Erwerbstätigen sind in der Landwirtschaft beschäftigt, deren Produktivität aber äußert gering ist. Nach Berechnungen der EU werden von den gegenwärtig zwei Millionen polnischen Bauernhöfen lediglich hunderttausend die EU-Mitgliedschaft überleben. Polnischen Bauern stehen nach dem Beitritt nur 40 Prozent der Agrarhilfen zu, welche die EU an westliche Bauern zahlt. Diese fließen in der Regel an reichere Bauern oder an die Agrarkonzerne, die schon an der Grenze bereit stehen, um polnisches Land mit industriellen Methoden zu bearbeiten. Hinzu kommt die Konkurrenz billiger westlicher Lebensmittelimporte, wenn die Grenzen einmal geöffnet sind. Ein massenhaftes Bauernsterben ist daher vorprogrammiert.

Vor allem die deutsche Wirtschaft hat großes Interesse an der Osterweiterung. Schon bisher nutzte sie Osteuropa als Absatzmarkt und Reservoir billiger, aber gut qualifizierter Arbeitskräfte. Der Anteil der osteuropäischen Beitrittskandidaten am deutschen Außenhandel ist mittlerweile fast so hoch wie der Anteil der USA - knapp zehn Prozent. Deutschland wiederum wickelt rund 40 Prozent des gesamten EU-Handels mit diesen Staaten ab. Deutsche Konzerne haben massiv in Osteuropa investiert. In Polen, Tschechien und Ungarn sind 350.000 Beschäftigte in deutschen Unternehmen tätig. Allein der Siemens-Konzern verfügt über 95 Tochtergesellschaften mit 25.000 Beschäftigten. Volkswagen hat 1991 den tschechischen Autohersteller Skoda übernommen.

Die Arbeitskosten eines Facharbeiters betragen in den Beitrittsländern nur etwa ein Achtel der entsprechenden Kosten in Deutschland. Mit einer Angleichung der Löhne ist nicht so schnell zu rechnen. Dafür sorgt neben der hohen Arbeitslosigkeit eine Regelung, wonach für Arbeiter aus Osteuropa die Freizügigkeit erst sieben Jahre nach dem Beitritt in Kraft tritt.

4. Die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa

Die PSG lehnt die Europäische Union, ihre Institutionen und geplante Verfassung sowie den Erweiterungsprozess unter EU-Regie entschieden ab. Aber unsere Ablehnung hat nichts gemein mit der Haltung, die die europäischen Grenzen nach Osten abschotten will oder Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ablehnt, weil ihre Aufnahme "zu teuer" sei.

Die Überwindung der europäischen Grenzen und die gemeinsame Nutzung der enormen technischen und kulturellen Ressourcen und materiellen Reichtümer des Kontinents würde die Voraussetzungen schaffen, um die Probleme von Armut und Rückständigkeit in kurzer Zeit zu überwinden und das allgemeine Lebensniveau in ganz Europa anzuheben. Das ist allerdings nicht möglich, solange der Einigungsprozess von den Profitinteressen der Wirtschaft bestimmt wird. In seiner jetzigen Form garantiert er dem Kapital volle Bewegungsfreiheit, während die Bevölkerung durch gravierende Unterschiede der Löhne und des Lebensstandards, die Diskriminierung von Immigranten sowie die Unterdrückung demokratischer Rechte gespalten wird.

Eine fortschrittliche Einigung Europas ist nur in Form Vereinigter Sozialistischer Staaten möglich. Sie setzt voraus, dass sich die europäische Arbeiterklasse politisch zusammenschließt. Die arbeitende Bevölkerung Osteuropas und der Türkei sind wichtige Verbündete im Kampf gegen die Kapitalinteressen, die den Kurs der EU bestimmen.

Die PSG lehnt jede Form von Nationalismus und Regionalismus ab. Die Forderung nach nationaler Souveränität oder regionaler Autonomie - sei es in Schottland, Katalonien oder "Padanien" - ist keine Antwort auf das Diktat Brüssels. Sie läuft auf die Ersetzung eines großen Gefängnisses durch lauter kleine Käfige hinaus. Sie spaltet die Bevölkerung nach nationalen, ethnischen und religiösen Kriterien und erleichtert ihre Unterdrückung. Sie würde unweigerlich eine Balkanisierung des Kontinents nach sich ziehen und all jene schrecklichen Erscheinungen hervorrufen, die schon bei der Aufspaltung Jugoslawiens zu beobachten waren - mörderischen Nationalismus, Vertreibung unliebsamer Volksgruppen und wirtschaftlichen Niedergang. Die PSG lehnt alle Maßnahmen ab, die darauf hinauslaufen, neue Schranken und Grenzen zu errichten, seien sie ökonomischer oder politischer Natur.

Zur sozialistischen Umgestaltung Europas schlagen wir folgendes Programm vor:

· Für soziale Gleichheit und Gerechtigkeit

Arbeit, Renten, Krankenvorsorgung und Bildung sind soziale Grundrechte. Sie müssen Vorrang vor den Profitinteressen der Unternehmen haben. Zur Überwindung der Arbeitslosigkeit ist ein umfassendes staatliches Arbeitsbeschaffungsprogramm erforderlich, das Millionen von Arbeitsplätzen in gesellschaftlich wichtigen Bereichen wie Bildung, Kranken- und Alterspflege, Kultur und dem Ausbau der Infrastruktur insbesondere in Osteuropa schafft. Eine staatlich garantierte Rente, die jedem ein sorgenfreies Auskommen im Alter ermöglicht, eine Krankenversicherung, die eine umfassende gesundheitliche Versorgung und Vorsorge abdeckt, sowie kostenlose Bildung und Bildungschancen bis zum Universitätsabschluss müssen für alle garantiert sein.

Das Standardargument lautet, die öffentlichen Kassen seien leer und es gebe dafür kein Geld. Doch die Mittel sind vorhanden, sie sind nur höchst ungleich verteilt. Ein umfassendes Sozialprogramm setzt voraus, dass die Wirtschaft im Interesse der Gesellschaft rational organisiert und nicht den Profitinteressen der mächtigsten Kapitalistengruppen unterworfen wird. Die größten Konzerne und Finanzinstitute müssen in gesellschaftliches Eigentum überführt und demokratisch kontrolliert werden. Kleinen und mittelständischen Unternehmen, die ums Überleben kämpfen, muss Zugang zu kostengünstigen Krediten gewährt werden, die eine reguläre Bezahlung der Beschäftigten ermöglichen. Hohe Einkommen, Einkommen aus Kapitalbesitz und Vermögen müssen stark besteuert und zur Finanzierung der sozialen Ausgaben herangezogen werden.

· Für Demokratie und die Rechte von Immigranten

Die Verteidigung demokratischer Rechte und das Eintreten für die politische Gleichheit aller Menschen sind zentrale Bestandteile des Kampfs für ein sozialistisches Europa. Die Einschränkung demokratischer Rechte im Namen des "Kampfs gegen Terrorismus" muss abgelehnt, die Allmacht von Sicherheitsapparat und Geheimdiensten beschnitten werden.

Der Kampf für demokratische Rechte beschränkt sich nicht auf die Abwehr von Angriffen. Solange der gesellschaftliche Reichtum in wenigen Händen konzentriert bleibt, das Arbeitsleben von demokratischer Mitsprache ausgeklammert wird, Presse und Medien in der Verfügungsgewalt von großen Konzernen und Bildung und Kultur das Privileg einer kleinen Elite sind, kann von wirklicher Demokratie keine Rede sein. Gerade die Kürzungen im Bereich von Kultur und künstlerischen Ausbildung fügen der Gesellschaft einen unermesslichen Schaden zu. Es besteht ein unbestreitbarer Zusammenhang zwischen der Verherrlichung von Militarismus, Brutalität und Egoismus und der Ablehnung des künstlerischen und kulturellen Erbes früherer Zeiten.

Ohne die Verantwortung für die Millionen Flüchtlinge und Immigranten zu übernehmen, die auf dem Kontinent leben, kann die europäische Arbeiterklasse ihre eigenen demokratischen Rechte nicht verteidigen. Die Hetze gegen Immigranten dient ebenso wie die Spaltung der Arbeiterklasse nach Religion, Hautfarbe, Herkunft dazu, die arbeitende Bevölkerung in Schach zu halten und zu unterdrücken. Flüchtlinge und Immigranten bilden einen bedeutenden Teil der Arbeiterklasse und werden in ihren kommenden Kämpfen eine wichtige Rolle spielen.

· Gegen Krieg und Militarismus

Die arbeitende Bevölkerung muss ihre eigene, unabhängig Antwort auf die Gefahr geben, die vom amerikanischen Imperialismus ausgeht. Sie darf sich nicht durch die Versöhnungsgesten der europäischen Regierungen gegenüber Washington einlullen lassen. Die Explosion des US-Imperialismus droht die ganze Menschheit in den Abgrund zu reißen. Er stellt zur Zeit die weltweit größte Gefahr für den Frieden dar.

Wir sind für die sofortige Auflösung der Nato und die Schließung der amerikanischen Basen auf europäischem Boden.

Während sich die europäischen Regierungen um die Versöhnung mit Washington bemühen, verfolgen sie intensiv ihre eigenen imperialistischen Projekte. Diesem Zweck dient der Aufbau europäischer Streitkräfte und einer unabhängigen europäischen Rüstungsindustrie. Wir lehnen dies ab und fordern den sofortigen Rückzug der europäischen Truppen aus dem Balkan, Afghanistan und Afrika.

Der Kampf für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa und der Widerstand gegen Imperialismus und Krieg sind untrennbar miteinander verbunden und fallen in die Verantwortung der Arbeiterklasse. Ein sozialistisches Europa wäre ein mächtiges Gegengewicht zum amerikanischen Imperialismus. Es würde die Kämpfe der unterdrückten Massen gegen Imperialismus und Unterdrückung weltweit unterstützen und auf diese Weise auch dem Einfluss rückwärts gewandter Ideologien, wie des Islamismus, untergraben. Vor allem würde es zu einem mächtigen Anziehungspunkt für die amerikanische Arbeiterklasse werden und diese dabei unterstützen, die Zwangsjacke des Zwei-Parteinsystems abzustreifen und dem US-Imperialismus als selbständige politische Kraft entgegen zu treten.

5. Der Bankrott der alten Arbeiterorganisationen

Die Sozialdemokratie und die Bürokratie der reformistischen Gewerkschaften haben auf die internationale Krise des Kapitalismus reagiert, indem sie vollständig ins bürgerliche Lager geschwenkt sind. Betrachtete es die Sozialdemokratie in der Nachkriegsperiode noch als ihre Aufgabe, die weitverbreiteten antikapitalistischen Stimmungen in der Arbeiterklasse aufzufangen und diese durch soziale Reformen mit dem Kapitalismus zu versöhnen, verteidigt sie heute den Kapitalismus auf Kosten aller vergangenen Reformen.

1998 stellte die Sozialdemokratie in 11 von 15 europäischen Ländern die Regierung. Ihre Wahlerfolge waren größtenteils Reaktionen auf die arbeiterfeindliche Politik der konservativen Vorgänger. Doch ihre Politik unterschied sich von diesen höchstens dadurch, dass sie noch weiter nach rechts gingen. Tony Blairs "New Labour" übernahm das Programm von Margaret Thatcher. Die SPD Gerhard Schröders leitete mit der "Agenda 2010" den umfassendsten Angriff auf den Sozialstaat ein, seit die Sozialversicherung unter Bismarck eingeführt wurde.

Unterstützt wurde sie dabei von den Grünen. Die Rechtswendung dieser Partei ist noch atemberaubender als die der SPD. Hervorgegangen aus den Überresten der 68er Protestbewegung, schrieb sie anfangs den Schutz der Umwelt, die Basisdemokratie, den Pazifismus und - in beschränktem Maße - auch die soziale Gerechtigkeit auf ihre Fahne, lehnte aber eine Identifikation mit den Interessen der Arbeiterklasse strikt ab. Heute steht sie für jenen kleinen Teil der Mittelklasse, dem der soziale Aufstieg geglückt ist. Sie begegnet sozialen Forderungen von unten mit wachsender Feindschaft. Die "Reform" der Sozialsysteme kann ihr nicht schnell und weit genug gehen. Aus den Pazifisten sind Befürworter einer Berufsarmee und weltweiter Militäreinsätze geworden.

Die Politik der Sozialdemokratie und der Grünen an der Regierung hat den Rechten den Weg zurück an die Macht gebahnt. In Italien bedurfte es der Enttäuschung über fünf Jahre Mitte-Links-Regierung, damit Silvio Berlusconi, der 1994 an Massendemonstrationen gegen Rentenkürzungen gescheitert war, ein zweites Mal die Regierung übernehmen konnte. In Frankreich erfüllte die Regierung der Mehrheitslinken unter Lionel Jospin dieselbe Aufgabe für Chirac.

Die extrem rechten Kräfte, die mittlerweile in vielen europäischen Ländern direkt oder indirekt an der Regierung beteiligt sind - Neofaschisten und Lega Nord in Italien, Freiheitliche in Österreich, Dänische Volkspartei in Dänemark - verfügen über keine Massenbasis, sondern verdanken ihren Aufstieg ebenso skrupellosen wie finanzkräftigen Cliquen in der herrschenden Elite und dem Einfluss der Medien. Berlusconi, der Milliardär und Medienzar mit Beziehungen zur Unterwelt, ist in dieser Hinsicht nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Sie können sich nur deshalb an der Macht halten, weil jede ernsthafte Herausforderung von links fehlt.

Wer nach diesen Erfahrungen noch behauptet, die alten, bankrotten Arbeiterorganisationen seien ein "kleineres Übel", man könne sie durch den Druck der Straße zu einer Politik im Interesse der Arbeiter zwingen oder in ihren Reihen fortschrittliche Tendenzen entwickeln, führt die Arbeiterklasse in die Irre. Sämtliche Erfahrungen der vergangenen Jahre beweisen, dass solche Vorstellungen illusorisch sind und nur dazu dienen, die Arbeiterklasse an die bürgerliche Ordnung zu fesseln. Die Aufgabe besteht heute nicht darin, sogenannte "linke Kräfte" in und am Rande dieser Organisationen zu sammeln, sondern der Masse der arbeitenden Bevölkerung, die seit langem politisch entmündigt ist, eine politische Stimme zu geben. Das erfordert den Aufbau einer neuen Partei, die es der Arbeiterklasse ermöglicht, als unabhängige Kraft ins politische Geschehen einzugreifen.

6. Die PSG und die radikale "Linke"

Durch diese Zielsetzung unterscheidet sich die PSG grundlegend von anderen linken Organisationen. Obwohl sich viele von ihnen als Sozialisten bezeichnen, beschränkt sich ihr Ziel darauf, die bürokratischen Apparate der Gewerkschaften und reformistischen Parteien zu beeinflussen. Wir dagegen betrachteten den Bruch von diesen Apparaten als Grundvoraussetzung für die Entwicklung einer breiten, sozialistischen Bewegung.

Diese Organisationen verherrlichen in der Regel gewerkschaftliche Kämpfe, ohne die Politik ihrer Führer einer Kritik zu unterziehen. Sie schüren die Illusion, man könne die Reformpolitik der sechziger und siebziger Jahre wieder beleben und bejubeln jeden sozialdemokratischen Politiker, der eine abweichende Meinung äußert. Sie bilden ein Hindernis auf dem Weg zu einer sozialistischen Perspektive, das haben zahlreiche Erfahrungen der jüngsten Zeit gezeigt.

So bemühte sich die Partei Rifondazione Comunista in Italien fünf Jahre lang darum, die Kluft zwischen der militanten Stimmung der Arbeiterklasse und der Mitte-Links-Regierung zu überbrücken. Während sie sich an außerparlamentarischen Bewegungen beteiligte und die Regierung wortradikal kritisierte, sicherte sie ihr im Parlament gleichzeitig die nötige Mehrheit, um ein drastisches Sparprogramm durchzuführen und die Maastricht-Kriterien für die Teilnahme an der europäischen Währungsunion zu erfüllen. Das hat viele radikale Organisationen nicht daran gehindert, sich Rifondazione anzuschließen und sie in ganz Europa als Vorbild für eine linke Alternative darzustellen. Inzwischen hat Rifondazione bekannt gegeben, sie werde sich bei den nächsten Parlamentswahlen dem Mitte-Links-Bündnis anschließen und gegebenenfalls auch eigene Minister stellen.

In Deutschland haben zahlreiche linke Organisationen dieselbe Haltung gegenüber der PDS eingenommen. Ungeachtet der stalinistischen Wurzeln der ehemaligen Staatspartei der DDR bezeichneten sie die PDS als "Partei, die eine Politik an der Seite von allen im Kapitalismus Unterdrückten, Ausgebeuteten und Benachteiligten verfolgt". Mittlerweile hat die PDS diese Einschätzung anschaulich wiederlegt - im Berliner Senat setzt sie im Bündnis mit der SPD ein radikales Sparprogramm durch.

In England haben sich soeben mehrere linke Organisationen zu einer neuen Gruppierung namens Respect hinter dem langjährigen Labour-Abgeordneten George Galloway zusammengeschlossen. Galloway war aus der Labour Party ausgeschlossen worden, weil er aufgrund seiner engen Beziehungen zu arabischen Regimes den Irakkrieg ablehnte. Er ist ein notorischer Opportunist, der selbst die Bezeichnung "sozialistisch" ablehnt.

In Frankreich vertreten die beiden Organisationen Lutte Ouvrière und Ligue Communiste Révolutionnaire, die sich fälschlicherweise auf den Trotzkismus berufen, eine ähnliche Haltung. Aufgrund der Enttäuschung über die Sozialistische und die Kommunistische Partei konnten sie in jüngster Zeit einen erheblichen Wählerzuwachs verzeichnen. Bei der ersten Runde der Präsidentenwahl 2002 erreichten sie zusammen einen Stimmenanteil von zehn Prozent, doch keine der beiden war bereit, die Verantwortung für eine unabhängige Perspektive zu übernehmen. Während Millionen gegen den Neofaschisten Le Pen demonstrierten, der in der zweiten Wahlrunde dem Gaullisten Chirac gegenüber stand, rief die LCR zur Stimmabgabe für Chirac auf, während sich LO völlig passiv verhielt. Beide lehnten einen Boykott der Wahl ab, der dem Ergebnis jegliche Legitimität abgesprochen und die Arbeiterklasse auf zukünftige Auseinandersetzungen vorbereitet hätte.

Die PSG stützt sich auf eine lange marxistische Tradition, in deren Mittelpunkt die politische und kulturelle Emanzipation der Arbeiterklasse steht - auf die frühen Jahre der Sozialdemokratie, die mehrere Generationen von Arbeitern im Geist von Marx und Engels erzog; auf Lenin, Rosa Luxemburg, und Karl Liebknecht, die dem Opportunismus der Sozialdemokratie und ihrer Kapitulation vor dem Ersten Weltkrieg entgegentraten; sowie auf die Linke Opposition und Leo Trotzki, die gegen die Verbrechen des Stalinismus kämpften und 1938 mit der Gründung der Vierten Internationale die Grundlage für die Wiedergeburt der internationalen Arbeiterbewegung legten.

Solange die Sozialdemokratie und die stalinistischen Kommunistischen Parteien die Arbeiterbewegung dominierten, war es möglich, diese marxistische Tradition zu isolieren. Doch ihr politischer Bankrott eröffnet eine neue historische Epoche, in der die Vierte Internationale wachsende Resonanz findet. Mit der World Socialist Web Site verfügt sie heute über ein Organ, dass sich rund um die Welt einer rasch wachsenden Leserschaft erfreut und zunehmend als authentische Stimme des Marxismus anerkannt wird.

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