Eine chaotische Atmosphäre umgibt die Bush-Regierung, die versucht, mit der Katastrophe im Irak zu Rande zu kommen. Amerikanische Soldaten sind täglich mit mörderischen Anschlägen konfrontiert, und das Pentagon hat zugegeben, dass die Urheber meistens einfache Iraker sind, die auf diese Weise versuchen, ihr Land von der fremden Militärbesatzung zu befreien. Die Kosten dieses Abenteuers laufen aus dem Ruder und Bushs Forderung nach weiteren 87 Milliarden Dollar zur Finanzierung der US-Militäraktionen stößt in der Öffentlichkeit auf breite Ablehnung.
Inzwischen bröckelt allmählich der Putz von den Lügen, die zur Begründung dieses illegalen Krieges herhalten mussten - eine angebliche Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen und eine angebliche Verbindung zwischen Saddam Husseins Regime und Al-Qaida. Von den enormen Mengen chemischer und biologischer Waffen, die laut US-Behauptung im Irak existiert haben sollen, findet sich auch nicht die leiseste Spur.
Wie Bush diese Woche zugab, hatte die Regierung "keinen Beweis, dass Saddam Hussein etwas mit dem 11. September zu tun hatte"; und dies, obwohl Bush vor dem Krieg die amerikanische Bevölkerung in einer unermüdlichen Propaganda von ebendiesem zu überzeugen versucht hatte, und trotz den Erklärungen des Vizepräsidenten Cheney noch vor wenigen Tagen, dass eine solche Verbindung existiere.
Alle Voraussagen der US-Regierung - die US-Soldaten würden als Befreier begrüßt werden, das irakische Öl würde den Wiederaufbau finanzieren und eine Goldgrube für US-Unternehmen öffnen, und der Rest der Welt würde sich vom Erfolg der USA überzeugen lassen und sich mit Washington solidarisieren - haben sich samt und sonders als falsch erwiesen.
Es ist klar, dass die Besatzung des Irak in eine militärische, wirtschaftliche und politische Katastrophe geführt hat, die erst ein Ende findet, wenn sämtliche US-Streitkräfte bedingungslos abgezogen werden.
Die journalistischen Speichellecker der Regierung, die so sicher waren, dass die militärische Macht der USA ausreichen werde, um dem Nahen Osten den Willen Washingtons aufzuzwingen, hat die Krise im Irak in tiefe Frustration und Kriegswut gestürzt.
Dies trifft in besonderem Maße auf Thomas Friedman zu, den führenden außenpolitischen Kolumnisten der New York Times. Wer seine Texte kennt, wird kaum überrascht sein, dass sein jüngstes Werk aus selbstgefälligen Lügen im Dienst einer kriegslüsternen US-Außenpolitik besteht. Das ist seine Spezialität. Der Titel seiner Kolumne "Unser Krieg mit Frankreich" verdient jedoch besondere Beachtung.
Friedman ist ein Laptop-Täter. Er hat seine Kolumne schon benutzt, um die "Pulverisierung" Belgrads und die Zerschlagung des Irak zu fordern, und stolz den Slogan "Give War a Chance" lanciert. Jetzt, so scheint es, ruft er dazu auf, Paris niederzumachen. Nach seiner Unterstützung für einen Krieg gegen den ziemlich wehrlosen Irak lässt sich Friedman jetzt in der Sprache der Aggression über eine europäische Großmacht und einen bisherigen Verbündeten der USA aus.
An dem Debakel im Irak sind laut Friedman die Franzosen schuld, weil die französische Regierung, die ja gegen den US-Krieg war, sich erkühnt hat, ihre Warnungen, dass er in eine Katastrophe münden werde, voll bestätigt zu sehen.
Nicht nur das; Paris hat sich den amerikanischen Forderungen an Frankreich und andere Länder widersetzt, Dutzende Milliarden Dollar und Zehntausende Soldaten bereitzustellen, und kritiklos die neokolonialistische Politik der USA zu unterstützten.
"Wenn man sieht, wie sich Frankreich heute aufführt... dann kann man daraus nur eine Schlussfolgerung ziehen: Frankreich will, dass Amerika im Irak scheitert", schreibt Friedman. "Frankreich will, dass Amerika dort in einem Sumpf versinkt, und macht sich die verrückte Hoffnung, dass geschwächte Vereinigte Staaten es Frankreich ermöglichen werden, seinen rechtmäßigen’ Platz als Amerikas Ebenbürtiger einzunehmen..."
In Wirklichkeit hatte Washington niemandes Hilfe nötig, um im Irak in einem selbstverschuldeten Morast zu versinken. Frankreich hat von Anfang an versucht, die USA zurückzuhalten, und hat vor den Konsequenzen eines unprovozierten Aggressionskrieg im Nahen Osten gewarnt. Es hat den Part einer älteren und weiseren imperialistischen Macht gespielt, durch schmerzhafte Erfahrungen klug geworden, wie zum Beispiel beim vergeblichen Versuch, vor einigen Jahrzehnten die algerische Unabhängigkeitsbewegung zu unterdrücken.
Kein Zweifel, die französische Regierung hatte bei ihrem Vorgehen ihre nicht unbeträchtlichen finanziellen Interessen im Irak und in der ganzen Region im Auge. Deshalb sah sie sich gezwungen, Washington von dem Versuch abzuhalten, seine uneingeschränkte Kontrolle über das Öl zu errichten, von dem Frankreich und der Rest Europas abhängig sind.
Friedman gibt Frankreich nicht nur die Schuld am Scheitern der US-Besatzung, sondern auch am Krieg überhaupt. Er behauptet, Paris habe starrsinnig "ein echtes Ultimatum an Saddam Hussein im Sicherheitsrat, das einen Krieg verhindert hätte, unmöglich gemacht".
Es ist eine Sache, zu lügen; eine ganz andere ist es, zu glauben, niemand werde sich der Lügen erinnern, die man früher geäußert hat. Die Bush-Regierung hatte nie die Absicht, einen Krieg mit dem Irak zu vermeiden. Im Gegenteil war alles, was sie tat - von den gefälschten Beweisen für Massenvernichtungswaffen, über die falschen Behauptungen über den 11. September, bis hin zu den Manövern in der UNO selbst - darauf gerichtet, einen Kriegsplan durchzusetzen, der schon geschmiedet war, ehe Bush ins Weiße Haus einzog.
Und was ist mit Friedman? Nach seiner jüngsten Kolumne könnte man fast meinen, er habe die Monate vor der US-Invasion damit zugebracht, eine friedliche Lösung der Irak-Frage herbeizusehnen, und sei entsetzt darüber gewesen, dass die Franzosen Washington in einen Krieg treiben wollten.
Es lohnt sich jedoch, einige seiner pazifistischen Essays für die New York Times vor der US-Invasion noch einmal zu lesen. Am 1. Dezember letzten Jahres schrieb er eine Kolumne, in der er dem Pentagon den Rat gab: Der beste Weg um einen Krieg gegen Irak vom Zaun zu brechen, bestehe darin, irakische Wissenschaftler zu entführen und sie zu der Aussage zu zwingen, Saddam Hussein verfüge über chemische und biologische Waffen.
Am 5. Januar überschrieb er seine Kolumne provozierend: "Ein Krieg für Öl?" Und als Antwort auf seine eigene Frage schrieb er: "Meine kurze Antwort lautet: Ja. Jeder Krieg, den wir im Irak beginnen, wird sicherlich - zum Teil - ums Öl gehen. Das zu bestreiten, wäre lächerlich."
Am 4. Juni spielte er die immer stärkeren Hinweise herunter, dass Bush in der Frage der Massenvernichtungswaffen gelogen hatte. "Der wirkliche Grund für diesen Krieg", schrieb Friedman, "der nie offen ausgesprochen wurde, war, dass nach dem 11. September Amerika einen Schlag gegen ein Land der arabisch-muslimischen Welt führen musste. Afghanistan war nicht genug." Er fuhr fort: "Auch Saudi-Arabien oder Syrien anzugreifen, wäre o.k. gewesen. Aber aus einem einfachen Grund griffen wir Saddam an: weil wir es konnten."
Diese letzte Erklärung fasst treffend die Gangstermentalität zusammen, die in Bushs Weißem Haus herrscht. Die rückwirkende Behauptung, wenn nur die Franzosen eine unbefristete Resolution zur Legitimierung einer US-Invasion unterstützt hätten, hätte der Krieg verhindert werden können, ist absurd.
Um wenigstens einen Anschein von Objektivität zu wahren, richtet Friedman auch ein Wort der Kritik an die Adresse der Bush-Regierung. Er beschuldigt Bush und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, nach der Einnahme des Irak durch die USA "ganz von sich erfüllt" gewesen zu sein und dadurch eine Gelegenheit verpasst zu haben, "Paris großmütig die Hand zu reichen, um es am Wiederaufbau teilhaben zu lassen". Er fügt jedoch schnell hinzu: "Das hätte die französische Haltung vielleicht gemildert. Aber selbst daran habe ich meine Zweifel."
Wen will er auf den Arm nehmen? Alles andere als großmütig sprach - und spricht - die Bush-Regierung ganz offen davon, Frankreich zu "bestrafen", weil es gewagt hat, im UN-Sicherheitsrat den Vereinigten Staaten zu trotzen. Sie ist entschlossen, die Franzosen aus dem Wiederaufbau herauszuhalten, um jeder Konkurrenz um die Kontrolle über Iraks Ölfelder vorzubeugen.
Was Washington - und Friedman - an Frankreichs gegenwärtiger Haltung so ärgert, ist dessen Forderung, die USA müssten wichtige politische Machtbefugnisse an die UNO und eine gewählte irakische Regierung abtreten. Die Bush-Regierung hat nicht die Absicht, auch nur eins von beidem zu tun, denn sie hat ihre Ziele noch nicht erreicht: die Sicherung der Kontrolle über den Ölreichtum des Landes und den Aufbau eines Marionettenregimes zur Sicherung der US-Militärbasen und übergreifenden Kontrolle.
Es ist eine weitere Spezialität Friedmans, diese räuberischen Pläne als Demokratisierungsprozess zu beschönigen. Darin enttäuscht er auch in seiner jüngsten Kolumne nicht, und dieses Mal beschuldigt er die Franzosen, ihnen würden die edlen Bestrebungen abgehen, die angeblich Washington beseelen.
"Frankreich war niemals daran interessiert, in der modernen arabischen Welt Demokratie zu fördern", schreibt Friedman. Natürlich im Gegensatz zu den USA, deren engster arabischer Verbündeter die absolute Monarchie in Saudi-Arabien ist, und die den israelischen Staat unterstützen und finanzieren, der gewaltsame Repression und Mordanschläge begeht und in den besetzten Gebieten die demokratischen Grundrechte von etwa 3,5 Millionen Palästinensern mit Füßen tritt. Der jüngste Schlag, den Washington für demokratische Prinzipien im Nahen Osten geführt hat, war das Veto gegen eine UN-Resolution, die Israel aufforderte, Jassir Arafat, den gewählten Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, nicht zu ermorden.
Friedman fährt fort: "Es erstaunt mich, dass die EU, von Frankreich in die Irre geführt, sich selbst aus dem wichtigsten politischen Entwicklungsprojekt der modernen Geschichte des Nahen Ostens ausgeschlossen hat."
Das wichtigste "politische Entwicklungsprojekt", wie er hätte hinzufügen können, seit dem Sykes-Picot-Abkommen von 1916, das die arabische Welt in französische und britische Kolonialsphären aufgeteilt hatte. Aber dieses Mal müssen die Amerikaner die Kontrolle erst noch befestigen, und den Franzosen wird nichts angeboten. Dennoch verlangt man von ihnen, junge europäische Soldaten zur Verfügung zu stellen, um sich in die Schusslinie der Kugeln und Bomben zu stellen, die für junge Amerikaner bestimmt sind. Und dazu mehrere Dutzend Milliarden Dollar.
Schließlich beschuldigt Friedman die Franzosen, sie seien nicht in der Lage, ihre eignen Interessen zu erkennen, und warnt, ein Sieg des irakischen Widerstands werde radikale islamistische Kräfte in Frankreich bestärken, was zum Ergebnis hätte, dass "seine eigene soziale Struktur betroffen" wäre.
Zweifellos ist die französische Regierung tatsächlich besorgt, ihre eigene zahlreiche arabische und muslimische Bevölkerung vor den Kopf zu stoßen. Aus ihrer blutigen kolonialen Vergangenheit weiß sie nur zu gut, dass mehr Truppen zur Niederwerfung von Guerillakämpfen nur zu mehr Widerstand und einer Spirale der Gewalt führen, die die Stabilität in der ganzen Region und in Europa selbst bedroht. Sie weiß auch, dass der US-Krieg im Irak nicht nur im Nahen Osten, sondern weltweit eine beispiellose Welle des Hasses auf Washington provoziert hat.
Friedman spricht für die zynischsten und reaktionärsten Elemente in der Regierung und der herrschenden amerikanischen Elite. Seine Lügen und sein journalistisches Gangstertum mögen einen gewissen Nutzen gebracht haben, als es darum ging, das Klima für einen Krieg gegen den Irak zu schaffen. Aber sie taugen viel weniger, die verzweifelte Krise zu überdecken, die der Krieg hinterlassen hat.
Am Anfang seiner Kolumne beschuldigt er Frankreich, "das Scheitern Amerikas im Irak" zu wünschen. Das ist zumindest in einer Hinsicht richtig. Die französischen Interessen stehen im Gegensatz zu der angestrebten Hegemonie der USA am Persischen Golf. Ob es möglich sein wird, kurzfristig ein Übereinkommen zu erzielen, ist eine offene Frage.
Jeder Versuch, dem kriminellen Unterfangen der Bush-Regierung mit von der UNO sanktioniertem Geld oder mit Truppen Luft zu verschaffen und es zu verlängern, muss entschieden bekämpft werden. Denn "das Scheitern Amerikas im Irak" - d. h. die Beendigung einer illegalen Besatzung, die weiter das Leben junger Iraker und Amerikaner gleichermaßen fordert, und der bedingungslose Rückzug aller amerikanischer Truppen - entspricht dem eigenen Interesse der großen Mehrheit der Amerikaner.
Bushs Politik des "Präventivkriegs" - die amerikanische Militärmacht einzusetzen, um Rohstoffe zu erobern, Regierungen zu stürzen und Völker zu unterwerfen - muss scheitern und in den Augen der amerikanischen Bevölkerung und der Welt vollkommen diskreditiert werden. Ein "Erfolg" dieser räuberischen Politik würde nur die Bedingungen für weitere Kriege schaffen - auch Kriege gegen Frankreich, Russland, China und andere Mächte. Noch brutalere Angriffe auf demokratische Rechte und soziale Errungenschaften in den USA selbst wären die Folge.
Es ist dringend notwendig, Untersuchungen, Strafverfahren und Amtsenthebungsverfahren einzuleiten, damit die Verantwortlichen für den Irak-Krieg und für Zehntausende irakischer und Hunderte amerikanischer Toter zur Rechenschaft gezogen werden. Dies betrifft auch hochdotierte Mietlinge wie Friedman, die die amerikanische Bevölkerung bewusst belügen, um diesen Krieg zu ermöglichen.