Ein Militarist als "Friedenskandidat": General a. D. Wesley Clark will demokratischer Präsidentschaftskandidat werden

Am 18. September stieg US-General a. D. Wesley Clark, Oberbefehlshaber der NATO-Truppen während der Bombenangriffe auf Jugoslawien 1999, in das Rennen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur ein. Clark ist der zehnte Demokrat, der für die amerikanischen Präsidentschaftswahlen vom November 2004 kandidiert, und der erste Kandidat, der seit Anfang des Jahres neu hinzugekommen ist.

Obwohl Clark seine Kritik an Präsident Bushs Irak-Politik ins Zentrum seiner ersten Erklärungen stellte, ist seine Wahlkampagne alles andere als anti-militaristisch. Vielmehr drückt seine Kandidatur die Überlegungen einer Schicht führender Demokraten aus, die mit den bisher aufgestellten Kandidaten für die Präsidentschaftsnominierung der Partei nicht glücklich sind.

Seit vergangenem März gab es immer wieder Berichte, dass sich der General im Ruhestand auf eine Bewerbung um die Kandidatur vorbereite und systematisch seine Chancen in der demokratischen Führung auslote. Wie die New York Times berichtete, setzte sich der frühere Präsident Bill Clinton "schon im Frühsommer" bei Mitgliedern und Sponsoren der Demokratischen Partei für Clark ein.

Der Zeitpunkt, zu dem sich Clark hat aufstellen lassen, lässt vermuten, dass sich Kreise des demokratischen Establishments Sorgen über die wachsende Unterstützung für Howard Dean machen, den früheren Gouverneur von Vermont, der sowohl in bundesweiten Meinungsumfragen als auch bei den ersten Vorwahlen in den wegweisenden Staaten New Hampshire und Iowa an der Spitze steht, weil er Bush erst in der Irakfrage, später auch wegen anderer politischer Themen immer wieder attackierte.

Die Parteiführer, die Clark ermutigen - darunter Bill und Hillary Clinton, der ehemalige Vizepräsident Al Gore und viele ihrer engsten Verbündeten - befürchten nicht, Dean könne als Präsident gefährlich werden. Er galt in Vermont immer als konservativer Clinton-Anhänger und "neuer Demokrat", der Wert auf strikte Haushaltsdisziplin legte, in Umwelt- und gesetzgeberischen Fragen eine wirtschaftsfreundliche Position vertrat und die Todesstrafe befürwortete.

Sie fürchten sich vor den Erwartungen, die eine erfolgreiche Dean-Kampagne unter seinen Anhängern wecken könnte, besonders weil Dean immer stärker an die Antikriegsstimmung appelliert. So schrieb die britische Zeitschrift Economist am 26. Juni: "So oder so, Mister Dean hat sich entschieden, den Tiger der Linken zu reiten. Er kann nicht absteigen, ohne bei lebendigem Leib verspeist zu werden. Der Anblick von Mister Dean auf dem Rücken des Tigers verbreitet im Parteiestablishment Angst und Schrecken.... Das Problem, das die Demokraten haben, besteht nicht einfach in dem Mann aus Vermont, sondern im Zorn der Basis, die er verkörpert."

Die New York Times bezeichnete am 17. September Clarks Wahlkampf als "Gegengewicht des Establishments zu den Bemühungen Mr. Deans". Als man Clark danach fragte, bestätigte er, dass er bemüht sei, an eine Wählerschaft zu appellieren, die den Krieg ablehnt und diese politisch nach rechts zu orientieren. Er sagte: "Ich habe diese Meinung [dass ich der "Stoppt-Dean-Kandidat" sei] auch schon gehört. Aber ich habe auch gehört, dass viele sagen: ‚Sie überwinden die zwischenparteilichen Grenzen. Sie ziehen Unabhängige an. Sie ziehen Republikaner an’. Sie wollen nicht immer nur hören, der Krieg sei falsch gewesen."

Die Führung von Clarks Wahlkampfteam besteht zum großen Teil aus Mitgliedern des rechten Demokratischen Führungsrates (DLC) und der Clinton-Gore-Entourage. In seinem Wahlkampfstab finden sich zur Zeit neben anderen folgende Personen: Der Geschäftsmann und Chef des Clinton-Wahlkampfs von 1992, Eli Segal; der Clinton-Berater im Weißen Haus, Bruce Lindsey; der Präsident der Clinton Presidential Foundation, Skip Rutherford; außerdem Ron Klain, ehemaliger Stabschef von Gore; Mark Fabiani, Kommunikationsberater von Clinton/Gore; sowie Donald Fowler, ein früherer Vorsitzender des Demokratischen Nationalkomitees unter Clinton. Will Marshall, ein DLC-Gründungsmitglied, sagte über Clark: "Reiche Demokraten sind begeistert von ihm."

Mediengesteuerte Umfragen

Schon einige Tage, bevor Clark seine Kandidatur erklärte, hatte sich die Presseberichterstattung über Kandidaten der Demokraten weitgehend auf ihn konzentriert, und andere demokratische Kandidaten, unter ihnen auch Dean, gruppierten ihre Medientermine um Clark herum, um ebenfalls ins Rampenlicht zu rücken. Das Ergebnis dieses Medienspektakels, zu dem auch konkurrierende Titelstories von Time und Newsweek gehörten, zeigte sich bald an den Umfragen, bei denen der General, der zuvor weder dem allgemeinen Publikum noch den demokratischen Stammwählern ein besonderer Begriff gewesen war, zum Teil noch bessere Ergebnisse als George W. Bush erzielte.

Am 22. September zeigte eine gemeinsame Umfrage von CNN, USA Today und Gallup, dass die Umfragewerte für Bush auf 50 Prozent Zustimmung abgesunken waren, bei 47 Prozent Ablehnung, während sich zwei demokratische Kandidaten hinter ihm ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten. Den Umfrageergebnissen zufolge hätten bei einer Wahl zwischen Bush und Clark 49 Prozent für Clark und 46 Prozent für Bush gestimmt, und in einer Wahl zwischen Bush und Kerry wären es 48 Prozent für Senator John Kerry und 47 Prozent für Bush gewesen. Obwohl Clark kaum über politische Erfahrung und Bekanntheit verfügt (über 42 Prozent der demokratischen Wähler hatten am 1. September noch nie von ihm gehört), war er der bevorzugte Kandidat der demokratischen Wähler: 22 Prozent sagten, sie würden ihn wählen, während 13 Prozent ihre Stimme Dean geben würden, der auf den zweiten Platz kam.

Clark ist weder eine prominente Persönlichkeit noch ein Volksheld. Die bekannteste seiner militärischen Taten war der brutale, 79 Tage währende Bombenkrieg, der Jugoslawien in die Knie zwang. Der "Krieg" war so einseitig, dass die US-Armee nicht einen einzigen Soldaten im Kampf verlor. Die Art, wie Clark in die Spitzenposition gehievt wurde, zeigt in erster Linie, dass die Medien weitgehend die Umfragen bestimmen. Dies trifft besonders auf die Auseinandersetzung um die demokratische Nominierung zu, die kaum auf öffentliches Interesse stößt. Keiner der demokratischen Hoffnungsträger für die Präsidentschaftswahlen verfügt über eine nennenswerte Massenbasis - auch Dean nicht.

Dasselbe trifft auf Bush zu, dessen angeblich unangreifbares Ansehen in der Öffentlichkeit unter dem Sperrfeuer der Berichte über den wachsenden Widerstand gegen die US-Besatzung im Irak schwer gelitten hat. Die letzte Meinungsumfrage ist das logische Ergebnis früherer Erhebungen, denen zufolge Bush zwar alle namentlich genannten demokratischen Präsidentschaftskandidaten überrundete, aber den Kürzeren zog, wenn er einem ungenannten Demokraten gegenüberstand, oder wenn die Wähler gefragt wurden, ob Bush eine zweite Amtszeit verdient habe, ohne dass gesagt wurde, wer genau ihn ersetzen sollte. Clark tritt nun mit seinem banalen, telegenen und irreführenden Auftreten im Kielwasser einer Medienkampagne an die Stelle dieses "Demokraten schlechthin".

Clarks Verrenkungen bei der Kriegsabstimmung

Clark versucht, die Irakkrise auszunutzen, indem er Bushs Invasion des Landes milde kritisiert und dafür eintritt, sich um internationale Unterstützung zu bemühen. Er sagt, der Krieg sei "unter Vorspiegelung falscher Tatsachen" geführt worden, und verlangt, man müsse Bush "zur Verantwortung ziehen". Er hat auch erklärt, der Irakkrieg solle nicht im Zentrum des Kampfs gegen den Terrorismus stehen.

Die durch die Bush-Regentschaft radikalisierten Wähler im Auge, versucht Clark seiner Kandidatur einen fadenscheinigen populistischen oder wenigstens Bush-kritischen Anstrich zu geben. Neben seiner begrenzten Kritik am Krieg wählte Clark Florida für seine erste Wahlkampfrede. In einer vorsichtigen Anspielung auf Bushs Diebstahl der Wahl 2000 in Florida sagte Mark Fabiani: "Der General wollte damit sagen, dass er um jede Stimme kämpfen wird und für das Recht eines jeden Wählers, dass seine Stimme auch gezählt wird."

Der wachsende politische Abgrund zwischen den politischen Eliten und der feindseligen Stimmung in der Bevölkerung gegenüber Bushs Militarismus macht es Clark schwer, seine Haltung beizubehalten. In seiner Rede in Florida fragte Clark rhetorisch, warum die USA den Irak überfallen hätten. Ihm schlugen spontane Rufe wie "Öl" und "Halliburton" entgegen. (Halliburton ist der Lieferant von Ölförderanlagen, dessen Chef früher Vizepräsident Dick Cheney gewesen war und der prächtig an Aufträgen der US-Regierung für den Wiederaufbau der irakischen Ölindustrie verdient.) Um seiner Opposition gegen den Krieg keine übermäßige Schärfe zu geben und den kriminellen Charakter der Bush-Regierung nicht in der Öffentlichkeit zu thematisieren, reagierte Clark mit der lahmen Lüge: "Wir wissen es nicht. Und das ist die Wahrheit. Wir müssen die Frage stellen."

Clarks widersprüchliche Erklärungen zum Krieg sind ein Hinweis darauf, dass er weitgehend Theater spielt, um die Unterstützung radikalisierter demokratischer Wähler zu gewinnen. Entsprechend seiner begrenzten Kritik am Irakkrieg sagte Clark am 18. September: "Ich weiß nicht, ob ich für oder gegen die Resolution [im Kongress, die Bush freie Hand für die Invasion im Irak gab] gestimmt hätte. Ich kann mir beides vorstellen, denn wenn man in eine solche Lage kommst, muss man sich entscheiden. Alles in allem hätte ich wahrscheinlich dafür gestimmt."

Als deutlich wurde, dass diese Haltung seine politischen Gegner oder demokratischen Rivalen um die Präsidentschaftskandidatur wie Dean in die Lage versetzt, seine trügerische "Antikriegs"-Haltung zu entlarven, trat Clark hastig den Rückzug an. Am nächsten Tag teilte er Associated Press mit: "Ich will eins ganz klar stellen: Ich hätte niemals für diesen Krieg gestimmt."

Clarks Perspektive geht dahin, die amerikanische Besatzung des Irak mit europäischer und internationaler Unterstützung zu festigen. Am 8. September sagte er in Dick Gordons Sendung im National Public Radio : "Wir sollten die UNO ausnutzen, so gut es geht. Sie bietet Glaubwürdigkeit.... Wir können mithilfe der UN im Irak auch andere zum Sündenbock machen - soll man auch ein paar Franzosen und andere hassen, und nicht nur uns."

Zur Innenpolitik hat Clark erst wenige politische Erklärungen abgegeben. Er hat aber in einigen sozialen Fragen, wie in der Frage der Abtreibung, liberale Positionen eingenommen, und er tritt für eine teilweise Rücknahme von Bushs Steuersenkungen für diejenigen ein, die mehr als 200.000 Dollar im Jahr verdienen.

Hinter Clarks Bindung an die demokratische Partei steht ein deutliches Fragezeichen. Newsweek zufolge war Clark nach dem 11. September 2001 äußerst erbost darüber, dass Bushs politischer Berater Karl Rove es ablehnte, ihm ein offizielles Regierungsamt im "Krieg gegen den Terrorismus" anzubieten. Im Januar 2003 äußerte Clark gegenüber zwei prominenten Republikanern, dem Gouverneur von Colorado, Bill Owens, und dem Präsidenten der Universität von Denver, Marc Holtzman: "Ich wäre Republikaner, wenn Karl Rove mich berufen hätte." Newsweek fügte hinzu: "Bald darauf gab Clark seinen Job auf und begann ernsthaft, seinen Einstieg in das Kandidatenrennen um die Präsidentschaft zu planen - als Demokrat."

Das Establishment der demokratischen Partei ist nur allzu bereit, Clark seinen späten Einstieg zu verzeihen, und zwar nicht nur aus dem unmittelbaren Grund, Dean das Wasser abzugraben, sondern auch, weil er als Karriereoffizier der Armee, der einen siegreichen Krieg befehligt hat, anscheinend eher "wählbar" ist (d.h. weniger verwundbar für eine rechte Medienkampagne, die jede Kritik an Bush mit Hochverrat gleichsetzt).

Der Versuch, Clark als Gegner des Militarismus aufzubauen oder auch nur als Kandidat, dessen Militarismus-Version die internationalen Spannungen vermindern könnte, hält einer Überprüfung seiner Vergangenheit nicht stand. Ende der neunziger Jahre trat er als NATO-Oberbefehlshaber heftig für eine entschiedenere Intervention ein und wollte die massive Bombardierung Serbiens und des Kosovo durch einen Bodenkrieg ergänzen. Clark verlangte die Ermächtigung, noch mehr zivile Ziele zu bombardieren, und äußerte sich frustriert über "den ersten Luftkrieg der Geschichte, in dem Verliebte in der Dämmerung die Ufer entlang schlendern und von den Terrassen der Cafes das Feuerwerk beobachten".

Clark befahl dem britischen General Michael Jackson, den Flughafen von Pristina zu stürmen, um russische Truppen daran zu hindern, dort Stellung zu beziehen. Jackson weigerte sich mit den Worten: "Ich werde für Sie nicht den dritten Weltkrieg vom Zaun brechen." Newsweek berichtete: "Jackson und Clark versuchten beide, sich zu Hause von der politischen Führung Rückendeckung zu holen. Jackson bekam sie; Clark nicht. Praktisch wurden seine Befehle als Oberkommandierender überstimmt." Kurz darauf wurde Clark abgelöst. Er nutzte seine militärische Erfahrung für die Übernahme diverser Beraterpositionen; die prominentesten darunter waren die bei der Investmentbank Stephens in Little Rock, Arkansas, und als CNN-Kommentator im Irakkrieg.

Siehe auch:
Bushs Angriff auf demokratische Rechte und die Präsidentenwahl 2000
(24. November 2001)
Die amerikanischen Wahlen und der neue "unüberbrückbare" Konflikt
( 14. Dezember 2000)
(Dieser Artikel ist auch in der gleichheit - November/Dezember 2003 enthalten.)
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