Während sich die Bush-Regierung auf eine Art Kolonialkrieg gegen den Irak vorbereitet, verwandeln sich die amerikanischen Medien zunehmend in halboffizielle Propagandaorgane des Weißen Hauses und des Pentagons.
Im Fernsehen spekulieren die Nachrichtensprecher darüber, wann und wie die USA Saddam Hussein "außer Gefecht setzen" werden. Die Kommentarseiten der großen amerikanischen Tageszeitungen plappern in beinahe vollständiger Einmütigkeit die Linie der Regierung nach und geben freundliche Ratschläge, wie eine Invasion des Irak am besten vorzubereiten sei.
Die Kommentatoren von New York Times, Washington Post und Wall Street Journal, von den übrigen großen Tageszeitungen ganz zu schweigen, akzeptieren genauso wie Funk und Fernsehen unbesehen die Rechtfertigung der Regierung für einen Krieg gegen den Irak. Sie wiederholen die Beschwörungsformel von "Massenvernichtungswaffen" und ergehen sich in ausgeklügelten Spitzfindigkeiten, um durchsichtige Vorwände für eine militärische Aggression zu rechtfertigen. Charakteristisch sind die Kommentare, die am 18. September in den drei Zeitungen erschienen, nachdem Bush vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen gesprochen und der Irak angekündigt hatte, er werde wieder Waffeninspektoren ins Land lassen.
Der Kommentar der Times wischt als Erstes die Zustimmung des Irak, wieder Waffeninspektoren ins Land zu lassen, als "zweideutig" beiseite. Es folgt ein für die Zeitung inzwischen übliches Ritual: schleimendes Lob für die - man glaubt es kaum - politischen Fähigkeiten und das rednerische Können des Mannes im Weißen Haus. Das Organ des einst "liberalen" Establishments hat es sich zum besonderen Anliegen gemacht, einer Regierung, die durch Wahlbetrug und Gerichtsentscheid ins Amt gekommen ist, eine Aura von Legitimität zu verschaffen und die Fiktion aufrecht zu erhalten, dass ihre Politik nicht von den globalen Gelüsten der kriminellsten und reaktionärsten Elemente unter den Herrschenden bestimmt sei.
"Die Liste der Fakten, die Präsident Bush letzte Woche vorstellte, war umfangreich und überzeugend," schreibt die Times als Antwort auf Bushs UNO-Rede und ignoriert die Tatsache, dass der Präsident keine Beweise für seine Behauptung vorgelegt hat, der Irak stelle für das amerikanische Volk und für die Welt eine unmittelbare Bedrohung dar, weil er große Mengen konventioneller Waffen besitze und kurz davor stehe, Atomraketen in Stellung zu bringen.
Aufmerksamere - oder besser gesagt, ehrlichere - Beobachter verglichen Bushs Haltung mit der von Adlai Stevenson im Oktober 1962, als der damalige US-Botschafter bei den Vereinten Nationen Spionagephotos und andere konkrete Indizien vorlegte, um zu beweisen, dass die Sowjetunion Raketenabschussbasen auf Kuba installierte. Bush legte keinerlei Beweise vor, was die Schlussfolgerung nahe legt, dass er gar keine überzeugenden Beweise besitzt, die seine Anschuldigungen stützen würden. Seine Rede lief auf ein Ultimatum hinaus: Entweder gibt die UNO den USA freie Hand für einen Krieg, um in Bagdad ein Marionettenregime einzusetzen, oder sie wird zur "Bedeutungslosigkeit" verurteilt und Washington wird ohne ihre Zustimmung vorgehen.
Zu Bushs Aufzählung der 16 Resolutionen des UN-Sicherheitsrats, die der Irak angeblich verletzt haben soll, schrieb die Times : "...wenn sie das einzige Problem wären, dann würde Washington die UN vermutlich nicht zu einem Showdown mit dem Hussein-Regime drängen. Was bezüglich des Irak so große Sorgen macht,... ist Mister Husseins Weigerung, den Anordnungen des Sicherheitsrats Folge zu leisten, Bagdads Atomprogramm abzuwickeln und alle seine biologischen und chemischen Waffen und die Stoffe, die für ihre Herstellung gebraucht werden, zu vernichten."
Die Zeitung nimmt also Bushs unbewiesene Behauptungen über Atomwaffen als Fakt. Sie lügt bewusst, wenn sie behauptet, die Bush-Regierung "dränge" nur deshalb auf einen Krieg, weil Bagdad angeblich "Massenvernichtungswaffen" und nukleare Fähigkeiten entwickle. Die einflussreichsten Figuren der Bush-Regierung - Vizepräsident Dick Cheney, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz - drängen schon seit dem Ende des ersten Golfkriegs vor mehr als zehn Jahren auf einen "Showdown mit dem Hussein-Regime".
Nach dem 11. September versuchten sie den Schock und den Zorn über die Terroranschläge auszunutzen, um einen Angriff auf Bagdad zu rechtfertigen, indem sie fälschlicherweise eine Verbindung zwischen den Attentätern und dem irakischen Geheimdienst konstruierten. Auch als diese Lüge schon widerlegt war, setzten sie weiterhin unbewiesene Behauptungen über Verbindungen zwischen Bagdad und Al-Qaida in die Welt. Auf ähnliche Weise versuchten sie, die Milzbrandanschläge vom vergangenen Jahr mit dem Irak in Verbindung zu bringen, bis bewiesen wurde, dass die mörderischen Briefe aus dem amerikanischen Militär- und Geheimdienstapparat selber kamen.
Es bleiben ihnen die "Massenvernichtungswaffen" als Rechtfertigung für einen Krieg. Die Regierung hat keinerlei Beweise vorgelegt, die die Einschätzung des ehemaligen US-Marinesoldaten Scott Ritter widerlegen, der sieben Jahre lang die UN-Waffeninspektoren im Irak geleitet hat. Laut Ritter "ist der Irak seit 1998 im Wesentlichen entwaffnet". Die Regierung kann keine ernsthafte Begründung dafür liefern, dass ein ehemaliges Kolonialland, das 1991 von der amerikanischen Militärmaschine verwüstet wurde und seitdem unter einem zerstörerischen Sanktionsregime leidet, eine bedrohliche und unmittelbare Gefahr für die Welt darstelle.
"Wie die meisten Amerikaner hätten wir am liebsten eine friedliche Lösung dieser Krise", erklärt die Times scheinheilig. Es ist aber offensichtlich, dass die Bush-Regierung - ganz gleich was "die meisten Amerikaner" wollen - nicht bereit ist, etwas anderes zu akzeptieren als Krieg, und zwar unabhängig davon zu welchen Konzessionen Bagdad bereit ist.
Die Zyniker von der Times erklären dann selbst, dass sie keine Illusionen in die Möglichkeit einer "friedlichen Lösung" hätten. Dennoch argumentieren sie, ein Krieg lasse sich am besten vorbereiten, indem die Fiktion aufrecht erhalten werde, dass die USA ernsthaft an einer friedlichen Lösung interessiert seien. Wie ein Echo auf das Weiße Haus fordert die Zeitung, dass der UN-Sicherheitsrat "einer harten, neuen Resolution zustimmt, die seine Abrüstungsforderungen bekräftigt und an ein realistisches zeitliches Ultimatum knüpft." Die Resolution solle "eine klare Warnung beinhalten, dass ein widerspenstiges Verhalten des Irak ziemlich sicher mit militärischer Gewalt beantwortet wird."
Der Kommentar erteilt Bushs Kriegsclique Ratschläge und bringt dabei eine geringfügige taktische Meinungsverschiedenheit zur Sprache. Er drängt das Weiße Haus, nicht darüber zu streiten, ob der Sicherheitsrat eine oder zwei Resolutionen verabschieden solle - eine erste, die wegen der Inspektionen mit Krieg droht, und eine zweite, die einen Krieg autorisiert. Washington "kann nicht erwarten, dass sich die UN jeden Schritt diktieren lassen", lautet ihr Ratschlag.
Die Washington Post unterscheidet sich von der NYT höchstens darin, dass sie noch stärker mit dem Säbel rasselt. Die Überschrift ihres Kommentars lautet: "Die Inspektoren-Falle". Die Zeitung ist voller Lob für Bush. Er "hatte recht, seine Sache vor die Vereinten Nationen zu bringen", deren Unterstützung "eine breite Koalition schmieden könnte, um Bagdads Massenvernichtungswaffen zu zerstören und Saddam Hussein durch eine stabile und progressive Regierung zu ersetzen" - d.h. ein Marionettenregime der USA.
Der Kommentar warnt, dass sogar dann, wenn der Irak vollständig kooperieren würde, "eine offizielle Entscheidung darüber, ob und wie der Irak Massenvernichtungswaffen hortet, bis zu einem Jahr dauern könnte". Die USA sollten nicht auf eine solche Entscheidung warten, rät die Post, sondern stattdessen einen "beschleunigten" Inspektionsplan mit einem "besonderen Auslösemechanismus" ausarbeiten. Dieser würde es ermöglichen, schon beim ersten Anzeichen einer Nichtzusammenarbeit des Irak Zwang anzuwenden. Außerdem drängt sie auf "systematische Vorbereitungen auf einen möglichen Militärschlag,... so dass Verzögerungstaktiken Konsequenzen nach sich ziehen, die über zahnlose Erklärungen des Sicherheitsrates hinausgehen."
Die Post unterstützt eine Idee, die von außenpolitischen Kreisen der USA in Umlauf gebracht wurde. Danach soll jedes neue Waffeninspektionsprogramm von militärischen Einheiten begleitet werden, die es erzwingen können. Eine derartige Forderung erfüllt lediglich den Zweck, dass sie vom Irak abgelehnt wird. Sie nötigt dem Land den völligen Verzicht auf seine nationale Souveränität auf und verlangt, dass es der Stationierung ausländischer Truppen, einschließlich amerikanischer, auf seinem Boden zustimmt. Das erinnert an die Ultimaten, die bei den "Friedensgesprächen" von Rambouillet 1999 an Belgrad gerichtet wurden und die dann den Vorwand für einen Krieg lieferten, der schon beschlossene Sache war.
Der Kommentar wischt Iraks Angebot, die Inspektoren wieder ins Land zu lassen, als Saddam Husseins "neuesten Winkelzug" beiseite. Er macht damit deutlich, dass die Forderung nach Inspektionen nicht dazu dient, herauszufinden, ob der Irak tatsächlich die von Washington behaupteten Waffen entwickelt, sondern einen Vorwand für eine amerikanische Invasion zu schaffen.
Am 22. September schob die Post einen weiteren Kommentar mit dem Titel "Die Irak-Entscheidung" nach. Er unterstützt den Bush-Plan ausdrücklich und erklärt, dass "der Schock vom 11. September dieses Land gelehrt hat, dass in einer Ära, in der scheinbar schwache Gegner enormen Schaden anrichten können, eine Bedrohung, wie sie vom Irak ausgeht, nicht nur unter Kontrolle gehalten, sondern aggressiv bekämpft werden muss." Das ist eine Rechtfertigung für Militäraktionen gegen jedes schwache Land, das vom amerikanischen Imperialismus als ein Hindernis für seine globalen Interessen betrachtet wird.
Das Wall Street Journal, das am direktesten das Denken der extrem rechten Elemente widerspiegelt, die die amerikanische Außenpolitik beherrschen, macht aus seiner Missachtung der UNO noch weniger Hehl als die Times oder die Post. Es warnt in seinem Kommentar vom 18. September davor, dass die Bemühungen um eine Zustimmung des Sicherheitsrats "die beste Zeit für eine Invasion - den Winter - verstreichen lassen könnten."
Das Journal macht keinen Versuch, die Kriegslüsternheit zu verbergen, die die Bush-Regierung kennzeichnet. Es erklärt: "Die einzigen Inspektionen, die Saddam wirklich entwaffnen können, sind die des 82. Luftlanderegiments mit Unterstützung von Panzertruppen und Luftwaffe."
Typisch für die Vorliebe des Journal, seine politischen Ziele unter Anwendung der unwahrscheinlichsten Lügen und Verleumdungen zu verfolgen, ist die Andeutung, Saddam Hussein stecke hinter dem Ausbruch des West-Nile-Fiebers in den USA.
Schon zwei Tage zuvor rührte das Journal in der gleichen schamlosen Weise die Kriegstrommeln und enthüllte in einem Kommentar die wirklichen Motive für einen Krieg gegen den Irak: "Die beste Art und Weise, die Ölpreise niedrig zu halten, ist ein kurzer, erfolgreichen Krieg gegen den Irak, der besser heute als morgen beginnen sollte", schrieb es.
Dass dies das wirkliche Ziel des heraufziehenden Kriegs ist, wissen auch die Redakteure der New York Times und der Washington Post sehr wohl. Unter dem Vorwand der "Massenvernichtungswaffen" und der "Durchsetzung" von Waffeninspektionen ist das eigentliche Ziel eines Kriegs gegen den Irak die Eroberung seiner Ölfelder, denn diese bergen nach Saudi-Arabien die zweitgrößten nachgewiesenen Reserven der Welt, sowie die Konsolidierung der ungefährdeten amerikanischen Kontrolle über die gesamte Golfregion.
Bei der Art und Weise, wie das Thema der amerikanischen Kriegsvorbereitungen in der Presse behandelt wird, spielt noch ein zweiter, damit verbundener Aspekt eine Rolle: Die Kommentare sind in einem zunehmend giftigen Ton und Inhalt gehalten, wenn sie auf Deutschland und Russland zu sprechen kommen, weil diese sich weigern, eine unilaterale Invasion der USA zu unterstützen. Die Washington Post zum Beispiel hielt den beiden Ländern "Beschwichtigungspolitik gegenüber Saddam Hussein" vor.
In einem weiteren Kommentar beschuldigte die Post die Regierung von Wladimir Putin, eine militärische Intervention in Georgien mit dem Kampf gegen den Terrorismus zu rechtfertigen, und charakterisierte das als einen "dreisten Versuch, Mister Bushs neue Doktrin der Vorbeugung als Deckmantel für eine ganz gewöhnliche Drohung mit Militärgewalt nutzen zu wollen." Scheinbar glauben die Kommentatoren, die USA besäßen das exklusive Nutzungsrecht für diesen "Deckmantel".
Das Wall Street Journal hat zahllose Kommentare veröffentlicht, in denen der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder für seine Ablehnung eines US-Kriegs gegen den Irak verurteilt wird. Am Vorabend der deutschen Bundestagswahl öffnete es dem christdemokratischen Schattenaußen- und -verteidigungsminister Wolfgang Schäuble sogar seine Kommentarspalten.
Es wird kein Versuch unternommen, die widersprüchlichen Interessen des deutschen und des amerikanischen Imperialismus und der russischen Regierung objektiv zu untersuchen. Hier, wie in allen Fragen, die einen heraufziehenden Krieg betreffen, wird die elementare Verpflichtung des Journalismus, offiziellen Erklärungen gegenüber skeptisch zu bleiben, zu untersuchen, aufzuklären und die Öffentlichkeit zu informieren, sträflich vernachlässigt. Ob die USA das "Recht" haben, viel schwächere Nationen unprovoziert mit Krieg zu überziehen und Regierungen nach ihrem Geschmack einzusetzen - diese Frage wird nicht einmal gestellt. Stattdessen plappern diese Zeitungen die Verleumdungen der Bush-Regierung gegen jede rivalisierende Macht nach, die sich den US-Interessen in den Weg zu stellen wagt.
Der Konsens zwischen den Medien und der amerikanischen Außenpolitik ist nicht neu. Pressezaren wie William Randolph Hearst und der "gelbe Journalismus", der Ende des 19. Jahrhunderts berüchtigt war, als der amerikanische Imperialismus seine Messer wetzte, sind die unverkennbaren Vorläufer jener Rolle, die die Presse heute spielt.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde auf der Grundlage des Antikommunismus ein neuer Konsens zwischen der angeblich "freien Presse" und der Regierung gefunden, und die Publizisten stellten die amerikanischen Aktivitäten im Weltmaßstab als Verteidigung der "Freiheit" gegen die "Tyrannei" dar.
Trotzdem gab es immer noch ein gewisses Maß an Kritik und sogar Opposition der etablierten Presse gegen den amerikanischen Militarismus und die unverhülltesten imperialistischen Raubzüge der herrschenden Elite. Es ist interessant, sich daran zu erinnern, dass die New York Times sich der Nixon-Regierung widersetzte und 1971 die "Pentagon Papers" veröffentlichte, und dass die Washington Post ein Jahr später begann, die Watergate-Enthüllungen von Bob Woodward und Carl Bernstein zu veröffentlichen.
Heute ist wenig von den alten - verlogenen - Ansprüchen geblieben, ein höheres Ziel, eine globale demokratisierende Mission zu verfolgen. Und dennoch verbannen die Medien jeden Hinweis auf Meinungen, die von der Regierungslinie abweichen, aus ihren Spalten. Stattdessen versuchen sie, das amerikanische Volk zu einzuschüchtern, damit es sich mit einem Krieg abfindet, der notwendig sei, um eine Wiederholung des 11. September zu verhindern.
Die solide Unterstützungsfront der New York Times, der Washington Post und des Wall Street Journal für einen neokolonialen Eroberungskrieg zeigt zwei politische Tatsachen. Erstens, dass das gesamte Spektrum der bürgerlichen Politik in den USA einen Krieg unterstützt. Zweitens dass der amerikanische Liberalismus durch und durch morsch ist und vor den reaktionärsten und militaristischsten Kräften der herrschenden Elite in die Knie geht.
Diese beiden politischen Erscheinungen können nur im Zusammenhang mit der gründlichen Zerrüttung der amerikanischen Demokratie verstanden werden. Die Lügen und das Kriegsgeschrei der Presse sind Ausdruck eines allgemeineren Zusammenbruchs der demokratischen Einrichtungen und der Tatsache, dass in der herrschenden Klasse niemand mehr bereit ist, sie zu verteidigen. Das ist der innenpolitische Aspekt des Ausbruchs des amerikanischen Imperialismus auf internationaler Ebene.