Die Beschäftigten des VW-Werks in Mexiko haben eine Tarifvereinbarung abgelehnt und setzen ihren Streik gegen den deutschen Autokonzern fort. In der Urabstimmung sprachen sich nahezu 97 Prozent der 11.460 Streikenden gegen ein Lohnangebot von 10,2 Prozent aus, dem die Gewerkschaft bereits zugestimmt hatte. Lediglich 281 Arbeiter stimmten dafür. Die Gewerkschaft hatte Anfang der Woche ihre ursprüngliche Forderung von 19 auf 10 Prozent gesenkt.
Der Streik in Puebla, hundert Kilometer östlich von Mexiko City, begann vor zwei Wochen, als die Arbeiter ein Angebot des Konzerns von sieben Prozent zurückwiesen. In dem Werk werden mehrere Modelle produziert, einschließlich des ursprünglichen Käfers. Gleichzeitig ist es das weltweit einzige Werk, in dem der populäre neue Käfer, auch für den Export nach Europa und in die USA, produziert wird.
Das Management von VW reagierte auf den Streik mit der Drohung, alle weiteren Investitionen in dem Land zu stoppen. "Ich glaube, die Voraussetzungen zur Beurteilung von Investitionsvorhaben in Mexiko werden sich verändern," sagte ein Vertreter von VW Mexiko, Francisco Bada, der Presse. "Unabhängig davon, wie der Streik ausgeht, sind jetzt alle Investitionspläne für Mexiko, für neue Projekte endgültig gestrichen worden," fügte er hinzu, ohne Einzelheiten über die angeblichen Investitionspläne zu nennen.
Offensichtlich geschockt durch die geschlossene Opposition der Basis, verkündete der Führer der Unabhängigen Gewerkschaft der VW-Arbeiter (SITIAVW), Jose Luis Rodriguez, er werde Präsident Vicente Fox zur Intervention auffordern. Rodriguez sagte auch, er werde die Verhandlungen mit dem Konzern weiterführen und "eine weitere Anstrengung zur Lösung der Konflikts unternehmen".
Um die Arbeiter zu beschwichtigen, kündigte die Gewerkschaft mehrere Protestveranstaltungen an, die am 5. September in einer Demonstration in Mexiko City gipfeln sollen. Sie kündigte auch einen Boykott von VW-Produkten an - was völlig wirkungslos ist, da die meisten Autos aus dem bestreikten Werk exportiert werden.
In seinen Kommentaren über das Scheitern der Urabstimmung äußerte Rodriguez auch die Sorge, dass der lange Streik der Autoindustrie schaden könnte, die bereits durch den wirtschaftlichen Einbruch im Lande betroffen ist. Er warnte auch davor, dass die staatliche Schlichtungsbehörde den Streik für illegal erklären könnte. Bereits im letzten Jahr, als die Gewerkschaft dasselbe Werk bestreikt hatte, war der Arbeitskampf wegen einer technischen Kleinigkeit für illegal erklärt worden. Trotzdem hatten die Arbeiter eine 18-prozentige Lohnerhöhung erkämpft, von der allerdings 5 Prozent an die Produktivität gebunden waren.
Mehrere Politiker, darunter Melquiades Morales, der Gouverneur von Puebla, haben die Gewerkschaft mit dem Hinweis auf die Auswirkungen des Streiks aufgefordert, diesen auszusetzen, bis eine Verhandlungslösung gefunden ist. Zehntausende von Arbeitern in der Zulieferindustrie befinden sich wegen dem Ausstand bei VW im "technischen Streik", ein mexikanischer Ausdruck für Feierschichten bei halbem Lohn.
Sowohl die Gewerkschaft SITIAVW als auch der Volkswagenkonzern umwerben die Fox-Regierung, deren antiinflationäre Politik teilweise für den konjunkturellen Rückgang verantwortlich ist, der seit Anfang des Jahres mehr als 600.000 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz gekostet hat. SITIAVW und andere Gewerkschaften platzieren regelmäßig Anzeigen in mexikanischen Zeitungen, in denen sie Präsident Fox ermahnen, "bei der Lösung des Konflikt zu helfen".
Rodriguez forderte auch den mexikanischen Arbeitsminister auf, er solle sich für eine Lösung des Konflikts durch die Regierung einsetzen. "Wir wollen eine zweistellige Lohnerhöhung als Belohnung für die gesteigerte Produktivität," sagte er. Andere Vergütungen sollten separat verhandelt werden. Er forderte das VW-Management auf, eine ernsthaften Vorschlag zu machen, und deutete an, dass die Gewerkschaft jetzt 16 Prozent fordern werde.
VW ist der drittgrößte Autokonzern der Welt, ein globales Unternehmen, das in diesem Jahr die Produktion von sechs Millionen Fahrzeuge anpeilt, davon 450.000 im Werk Puebla. Wegen der Auswirkungen des Wirtschaftsrückgangs musste der Konzern aber bereits im April und Mai dieses Jahres die Jetta-Produktion zurückfahren. Aufgrund des Einbruchs hat er seine Marketingstrategie von den USA und Europa auf aufstrebende Länder wie Brasilien verlagert, wo die Nachfrage weiterhin hoch ist. VW führt in seinen Werken auch weltweit aggressive Kostensenkungsmaßnahmen durch. In Brasilien haben sich die Arbeiter mit Warnstreiks gegen diese Maßnamen zur Wehr gesetzt.
In Deutschland hat die IG Metall vergangene Woche einen Vertrag mit VW unterzeichnet, der beispiellose Zugeständnisse macht. VW wird zur Produktion eines Minivans in Wolfsburg 3.500 "flexible" Arbeiter einstellen. Sie sind selbst für die Einhaltung der Produktionsziele verantwortlich und müssen unbezahlte Überstunden machen, wenn sie diese nicht erreichen. Ihre Vergütung liegt unter dem bisherigen Tarif.