Seit den Terroranschlägen vom 11. September in New York und Washington haben sich in den Vereinigten Staaten die Regierungsstruktur, die Beziehungen zwischen Bevölkerung, Polizei und Streitkräften sowie der juristische und verfassungsrechtliche Rahmen radikal verändert.
Das Weiße Haus ist mit weitgehenden neuen Vollmachten für die Repression im Innern ausgestattet worden und hat durch einen einfachen Erlass der Regierung ein Amt für Innere Sicherheit eingerichtet, das nicht der Kontrolle des Parlaments unterliegt und dessen Personal von niemandem gewählt wird. Mittels eines "Terrorismusbekämpfungsgesetzes", das faktisch das FBI mit der CIA verbindet und die traditionelle Trennung zwischen dem ausländischen und inländischen Geheimdienst aufhebt, entsteht eine allumfassende politische Polizeibehörde.
Parallel zur Bombardierung Afghanistans, so die Bush-Regierung, gebe es eine zweite Front, den Krieg im Innern. Die Bundesregierung veröffentlicht vage, aus der Luft gegriffene "Terrorwarnungen", die Angst schüren ohne der Bevölkerung Schutzmaßnahmen anzubieten. Sprecher der Regierung fordern die Bevölkerung auf, sich an Maßnahmen wie willkürliche Polizeirazzien und Straßensperren als alltägliche Begleiterscheinungen zu gewöhnen. Die Nationalgarde patrouilliert ständig an Flughäfen, Häfen, Brücken, Tunnels und sogar vor dem Kapitol.
Grundlegende verfassungsmäßige Sicherheiten - wie das Recht des Habeas Corpus, das Recht des Angeklagten, die gegen ihn erhobene Anklage zu kennen, das Recht eines Verhafteten, mit einem Rechtsanwalt zu sprechen, sogar die Unschuldsvermutung - wurden für Millionen Einwanderer aus dem Nahen und Mittleren Osten außer Kraft gesetzt. Das Recht auf Privatsphäre ist für die gesamte Bevölkerung nahezu abgeschafft worden, und der Geheimdienst erhält grünes Licht, Wanzen und Abhöranlagen zu installieren, finanzielle Transaktionen zu kontrollieren und andere Formen der Spionage buchstäblich nach Belieben auszuführen.
Hätte man dem Durchschnittsamerikaner am 10. September ein Bild der Vereinigten Staaten gezeigt, wie sie heute sind, wäre die Antwort vermutlich gewesen: "Dies ist nicht das Amerika, das ich kenne. Das sieht eher wie ein Polizeistaat aus."
Die bittere Ironie besteht darin, dass eine derart durchgreifende Attacke auf demokratische Grundrechte ausgerechnet im Namen eines Kriegs zur Verteidigung von "Freiheit" und "Demokratie" gegen Terrorismus geführt wird. Aber weder die Bush-Regierung, noch ihre Pendants in der Demokratischen Partei, noch eine willfährige und komplizenhafte Presse bemüht sich, folgenden Widerspruch aufzulösen: Noch niemals im zwanzigsten Jahrhundert hat sich die Regierung der Vereinigten Staaten Vollmachten wie diese verschafft. Nicht im ersten oder zweiten Weltkrieg, und auch nicht im Kalten Krieg, als ihre Gegner machtvolle und schwerbewaffnete Staaten waren, wurde eine derart radikale Umstrukturierung der Regierung und des Gesetzesrahmens durchgesetzt. Warum geschieht dies heute, wo der angebliche Feind eine kleine Bande von Terroristen ist, die in Höhlen in einem der ärmsten Länder der Welt haust?
Das Anti-Terror-Gesetz
Ein Schlüsselelement beim Angriff auf die Bürgerrechte ist das neue Anti-Terror-Gesetz, das in nur fünf Wochen nach den Terroranschlägen durch den Kongress gepeitscht und in Kraft gesetzt wurde. Das Gesetz definiert Terrorismus auf eine Art und Weise, die auch politische Betätigung und Aussagen mit einschließt, die vorher durch die Bill of Rights der US-Verfassung geschützt waren. Es verschafft dem Polizeiapparat weitgehende Vollmachten, um geheime Hausdurchsuchungen durchzuführen, eine ausgedehnte elektronische Überwachung zu praktizieren und Terrorismusverdächtige unbegrenzt festzuhalten. Menschen ohne amerikanische Staatsbürgerschaft, darunter auch permanent Aufenthaltsberechtigte, können ihr Recht auf Wiedereinreise in die USA verlieren, weil sie bestimmte politische Anschauungen geäußert haben, oder können abgeschoben werden, weil sie selbst die zufälligste Verbindung mit Organisationen haben, die durch die Regierung als "terroristisch" eingestuft werden. Der Justizminister John Ashcroft erweiterte die Anzahl der so definierten Gruppen letzte Woche von 46 auf 74.
Besonders bedenklich ist an dem neuen Gesetz die Entfernung der "Brandmauer", die immer zwischen Auslands- und Inlandsgeheimdienst bestand. Die Central Intelligence Agency hat jetzt das Recht, ihre Informationen mit dem Federal Bureau of Investigation auszutauschen und demzufolge bei der Überwachung im Inland und der Vorbereitung von Strafprozessen eng mit dem FBI zusammenzuarbeiten. Das FBI ist seinerseits berechtigt, ohne gerichtliche Erlaubnis dem CIA Informationen zur Verfügung zu stellen, die es bei Voruntersuchungen erlangt hat, wodurch die US-Spionageagentur Zugriff auf das Material der Inlandsaufklärung erhält, das ihm in der Vergangenheit immer verweigert wurde.
Ein Artikel in der Washington Post vom 4. November trug die beunruhigende Überschrift: "Ein Geheimdienst-Riese entsteht: Anti-Terror-Gesetz führt zu Inlandsapparat von beispielloser Größe". Darin heißt es, dass das starke Augenmerk der Medien auf die elektronische Überwachungs- und Abhörmöglichkeiten des neuen Gesetzes die Aufmerksamkeit davon abgelenkt habe, dass das Gesetz in Wirklichkeit die gesamte Funktionsweise des US-Geheimdienst-Komplexes verändern wird. Laut der Post besteht einer der wichtigsten Aspekte des Gesetzes darin, dass es "die Regierung in die Lage versetzt, den vorrangigen Auftrag des FBI von der Verbrechensaufklärung auf die Inlandsspionage zu verlagern".
Das Gesetz macht Justizreformen rückgängig, die unter dem Foreign Intelligence Surveillance Act(Gesetz zur Überwachung der Auslandsspionage) von 1978 eingeführt worden waren. Damals war die Verbrechensaufklärung des FBI von seinen Überwachungsaufgaben gegenüber Auslandsspionen und internationalen Terroristen getrennt worden. Die Post kommentiert: "Das Gesetz reißt effektiv gesetzgeberische Brandmauern ein, die vor 25 Jahren während der Watergate-Ära errichtet worden waren, als die Nation über die Entdeckung erschüttert war, dass der Präsident die Erkenntnisse des Inlandsgeheimdienstes missbräuchlich gegen politische Aktivisten einsetzte."
Diese Veränderungen gehen weit über eine rein quantitative Ausdehnung gewisser Ermittlungsrechte hinaus. Sie bestehen in einer grundlegenden Umstrukturierung des Polizei- und Geheimdienstapparates, dessen Ziel und Reichweite enorm ausgedehnt werden.
In den letzten Tagen haben Bundespolitiker darauf gedrängt, juristische Beschränkungen der Befugnisse staatlicher und kommunaler Polizeikräfte aufzuheben. Der stellvertretende Justizminister Larry Thompson beschwerte sich darüber, dass Beamte des Justizministeriums "nicht über ausreichend Augen und Ohren verfügen", um des Terrorismus‘ Verdächtigte zu überwachen. Er sagte, es sei nötig, die Beschränkungen der kommunalen Polizeipräsidien zu überprüfen.
Viele lokale Polizeipräsidien sind bereits dabei, Gesetze über das Sammeln von Erkenntnissen zu missachten, die dem Schutz der im Ersten Verfassungszusatz festgeschriebenen Rechte dienen sollen. Die Kommission der Polizei von Los Angeles stimmte letzten Monat dafür, Beschränkungen bei den Untersuchungsmethoden zu lockern, die in den frühen achtziger Jahren erlassen worden waren, nachdem bekannt geworden war, dass die Polizei Kriegsgegner, liberale Politiker und andere politische Dissidenten überwacht hatte. In anderen Großstädten bewegen sich die Polizeiabteilungen bereits in die Richtung einer Neuauflage der Überwachungsmethoden, die in der Vergangenheit bei Operationen gegen Linke zur Anwendung kamen.
Terrorisierung der Öffentlichkeit
Am 29. Oktober veröffentlichte die Regierung ihre zweite allgemeine Terrorismuswarnung in weniger als drei Wochen. Justizminister Ashcroft erklärte, dass größere terroristische Angriffe gegen die USA oder US-Interessen in der ganzen Welt bevorstünden, doch blieb er außerordentlich vage was wahrscheinliche Ziele, Methoden oder Täter betraf. Er lieferte keinerlei Informationen, um die Behauptung einer unmittelbar drohenden Gefahr zu beweisen, Er gab auch keine Instruktionen, wie die Öffentlichkeit sich zu verhalten habe, um auf die angebliche Gefahr zu reagieren. Den 18.000 staatlichen und lokalen Polizeizentralen gab er jedoch den Ratschlag, "höchste Wachsamkeit beizubehalten und das FBI über alle ungewöhnlichen oder verdächtigen Vorkommnisse sofort zu benachrichtigen".
Indem er der Öffentlichkeit nahe legte, außerordentliche Maßnahmen zu akzeptieren, wie zum Beispiel willkürliches Anhalten oder Durchsuchungen der Polizei oder der Nationalgarde oder Verhöre durch FBI-Agenten, erklärte Ashcroft: "Wir bitten um die Geduld und Zusammenarbeit des amerikanischen Volkes, für den Fall dass zusätzliche Maßnahmen durch örtliche oder bundesstaatliche Exekutivbehörden ergriffen werden, oder durch andere, die mit der Wahrung der öffentlichen Sicherheit beauftragt sind."
Als unmittelbare Konsequenz des Alarms wurden Truppen der Nationalgarde an wichtigen Knotenpunkten, Wasserwerken und Atomkraftwerken in mehreren Staaten stationiert. Dies erfolgte zusätzlich zu den Truppen, die schon seit dem 11. September an den großen Flughäfen patrouillieren.
Zum Ende der Woche gab der Minderheitsführer des Repräsentantenhauses, Richard Gephardt, bekannt, dass der Kongress mit der Zustimmung beider Parteien die Stationierung bewaffneter Soldaten am Kapitol-Gebäude genehmigt habe. Anschließend kündigte das Oberste Gericht an, die Öffentlichkeit künftig von seinen Verhandlungen auszuschließen.
Die Regierung behauptet, dass die "Terrorwarnungen" veröffentlicht worden seien, um die Öffentlichkeit zu warnen und zu schützen. Aber ohne irgendwelche genaueren Informationen über die bevorstehende Gefahr - wann und wo die Terroristen zuschlagen könnten -, was genau wird von der Öffentlichkeit erwartet? Ihre Inhaltsleere beweist, dass diese Warnungen durch und durch betrügerisch sind. Ihr wirklicher Zweck besteht darin, die Bevölkerung an den Einbruch in ihre Privatsphäre, an die Abschaffung verfassungsmäßiger Rechte und eine allgemeine Militarisierung der Gesellschaft zu gewöhnen. Die Behörden wollen, dass die Menschen den Einsatz von bewaffneten Truppen an Flughäfen, öffentlichen Gebäuden, Brücken, Zollkontrollen und in den Straßen als alltägliche Erscheinung akzeptieren.
Die Bush-Regierung hat die Milzbrand-Angriffe als zusätzliches Mittel benutzt, um die Öffentlichkeit einzuschüchtern, damit sie die weitreichende Beeinträchtigung von Bürgerrechten akzeptiert. Obwohl die bisher zugänglichen Beweise nahe legen, dass rechtsextreme Elemente von der Sorte Timothy McVeighs die wahrscheinlichsten Tatverdächtigen sind, suggerieren das Weiße Haus und die Medien ständig, dass Osama bin Laden für die Milzbrand-Attacken verantwortlich sei und schildern sein Al Quaida-Netzwerk als allgegenwärtige und allmächtige Bedrohung.
Immer wiederkehrende Warnungen wie diejenige vom 11. Oktober und vom 29. Oktober zielen darauf ab, die Konsolidierung des neuen Apparates für innere Repression zu erleichtern. Am 29. Oktober, dem Tag, an dem der jüngste Alarm ausgegeben wurde, leitete Präsident Bush das erste Treffen des Rats für Innere Sicherheit. Diesem neuen Gremium ohne Vorbild gehören zusätzlich zum ehemaligen Gouverneur Tom Ridge, der zum Direktor des Büros für Innere Sicherheit ernannt wurde, folgende Mitglieder an: Der Vizepräsident, der Justizminister, die Minister für Verteidigung, Finanzen, Transport und Gesundheit und die Spitzen von CIA und FBI. Die Vollmachten dieses Rates wie auch diejenigen des Büros für Innere Sicherheit sind nebulös und nicht klar definiert, und deshalb buchstäblich grenzenlos.
Nach dieser Versammlung kündigte Bush die Einrichtung einer weiteren Agentur an, die mit nicht genau definierten Polizeirechten ausgestattet sein wird - die "Taskforce zur Verfolgung ausländischer Terroristen", geleitet von Ashcroft. Die Einrichtung dieser Sonderkommission ist Teil einer neuen Grenzpolitik, die die Regierung in die Lage versetzen wird, Immigranten, die terroristischer Verbindungen verdächtigt werden, die Einreise leichter zu verweigern, und einen allgemeinen Feldzug gegen diejenigen zu führen, die Studentenvisa entweder beantragen oder besitzen.
Massenverhaftungen unter Einwanderern
Diese weitreichenden Veränderungen finden unter Bedingungen statt, wo das nach dem 11. September eingerichtete Netz der nationalen Sicherheit ausgeweitet wird und die Zahl der verhafteten Menschen sich auf über 1.100 erhöht hat. Während Bundespolitiker nicht sagen wollen, wie viele dieser Gefangenen wieder freigelassen wurden, sagte ein Sprecher des Justizministeriums, "eine Mehrheit" von ihnen befinde sich noch in Haft. Die Verhaftung dieser Menschen wurde im Geheimen durchgeführt, und die Regierung lässt keinerlei Informationen über die Identität der Verhafteten durchdringen, wo sie festgehalten werden, warum sie verhaftet wurden und welche Anklagen, wenn überhaupt, gegen sie vorliegen.
Viele befinden sich in Einzelhaft. Die Familien einiger Verdächtigter wissen nicht, wo diese sich befinden, und andere haben entweder überhaupt keine rechtliche Vertretung oder keine Erlaubnis, Kontakt zu ihrem eigenen Rechtsanwalt aufzunehmen. Ein Großteil der Rechtsschritte, die gegen die Inhaftierten eingeleitet werden, findet in geheimen Prozessen statt, und die Gerichtsakten sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Dies alles wird gemacht, um die Operationen der Bundes-, Staats- und Polizeibehörden vor einer Überprüfung durch die Öffentlichkeit abzuschirmen.
Das Justizministerium hat Appelle von Bürgerrechtsgruppen und einigen Kongressabgeordneten zurückgewiesen, die Informationen über Verhaftungen verlangten, ohne dass irgendwelche Begründung für diese Geheimhaltug gegeben wurde. Kate Martin, Direktor des Zentrums für Nationale Sicherheitsstudien, bemerkte, dass das Verhalten der Regierung bei den Untersuchungen "beängstigend nahe an die lateinamerikanische Praxis heranreicht, Leute verschwinden‘ zu lassen".
Nach jeder der zwei nationalen Terrorismus-Warnungen nach dem 11. September erhöhte sich die Zahl der Verhafteten schlagartig, und in den letzten Wochen hat sie sich verdreifacht. Einer der wichtigsten Gründe für die Warnungen ist, der staatlichen und lokalen Polizei zu signalisieren, dass sie ihre Überwachungsaktivitäten verschärfen und mehr Verdächtige verhaften müssten.
Während der Massenmord im World Trade Center und im Pentagon den Vorwand für die Massenverhaftungen liefert, ist gegen keinen einzigen der Verhafteten Anklage wegen eines Vergehens erhoben worden, das mit den Angriffen vom 11. September in Verbindung steht. Selbst das Justizministerium behauptet, dass höchstens zehn oder zwölf der Inhaftierten verdächtigt würden, Verbindungen zu den Entführern zu haben, was jedoch nicht bewiesen sei. Die große Mehrheit der Festnahmen habt einen anderen Zweck, der nichts mit irgendwelchen Untersuchungen über den terroristischen Anschlag zu tun hat: die Immigrantenbevölkerung einzuschüchtern und die amerikanische Bevölkerung als ganze an Methoden zu gewöhnen, die man früher nur mit Polizei- und Militärdiktaturen in Verbindung brachte.
Ein "Zweifrontenkrieg"
Regierungssprecher haben betont, dass die in den letzten Wochen verabschiedeten Antiterror-Maßnahmen nicht als vorübergehend betrachtet werden sollten. In einer Pressekonferenz erklärte Ridge am 29. Oktober: "Wir wollen, dass Amerika auf höchster Wachsamkeitsstufe bleibt. Und von Zeit zu Zeit könnten wir den gleichen Alarm erneut ausgeben."
Verteidigungsminister Donald Rumsfeld erklärte in einer Kolumne in der Washington Post vom 1. November, dass die amerikanische Bevölkerung nicht nur einen endlosen Krieg gegen Terrorismus akzeptieren solle, sondern "sich jetzt auf den nächsten Krieg vorbereiten" müsse, "einen Krieg, der sehr verschieden nicht nur von denjenigen im vergangenen Jahrhundert sein könnte, sondern auch von dem neuen Krieg gegen Terrorismus, den wir heute führen." In andern Worten befindet sich Amerika ständig im Krieg, nicht für die Dauer des Konfliktes in Afghanistan, sondern auf unbegrenzte Zeit. Logischerweise müssen die politischen Maßnahmen im Inland, die die Regierung jetzt ergriffen hat, ebenfalls als permanenter Zustand akzeptiert werden.
Eine Schlüsselphrase taucht immer öfter in den Erklärungen der Sprecher der Bush-Regierung auf: Amerika kämpfe einen "Zweifrontenkrieg". Als Ashcroft letzte Woche seine Terrorismuswarnung bekannt gab, erklärte er: "Ich vertraue darauf, dass das amerikanische Volk fähig ist, den Konflikt in diesem Zusammenhang zu verstehen, dass es eine Front im Ausland und eine weitere Front hier in den Vereinigten Staaten gibt."
Ridge sagte am folgenden Tag: "Wir führen einen Zweifrontenkrieg gegen Terrorismus." In einer Rede am 31. Oktober, die eine Annahme seines Wirtschaftsankurbelungsprogramms begünstigen sollte, wiederholte Bush gebetsmühlenartig: "Zum erstenmal in der Geschichte unserer Nation findet ein Teil der Schlachten hier in der Heimat statt."
Es wird niemals erklärt, was genau mit diesem "Zweifrontenkrieg" gemeint ist. Doch im Lichte der außerordentlichen Sicherheitsmaßnahmen, die die Regierung seit dem 11. September ergriffen hat, erhalten die Hinweise auf einen Kampf an der "Heimatfront" eine Bedeutung, die einen schaudern macht. Mit ihrem Versuch, eine Atmosphäre der Angst und Hysterie vor drohenden terroristischen Gefahren zu erzeugen, wollen die Behörden alle Opfer ihrer Ermittlungen als den Feind identifizieren, unabhängig davon, ob es Beweise gegen sie gibt oder nicht. Die gleichen Methoden werden gegen diejenigen benutzt werden, die sich dem Krieg gegen Afghanistan entgegenstellen oder gegen andere politische Maßnahmen der Regierung im Inland oder Ausland auftreten.
Vor und nach dem 11. September
Das Vorgehen der Regierung seit dem 11. September ist der ernsteste und umfassendste Angriff auf demokratische Rechte in der Geschichte der USA. Niemand sollte glauben, dies sei bloß eine Reaktion auf die Angriffe auf das World Trade Center und das Pentagon. Solche Maßnahmen wurden seit langer Zeit von den rechtesten Teilen der herrschenden Kreise verlangt, die sich auf die tragischen Ereignisse des 11. September stürzten, um ihre politischen Vorhaben im Inland endlich zu realisieren, genauso wie sie sie benutzen, um eine Intervention der US-Armee im ölreichen Zentralasien durchzuführen.
Diese umfassenden Veränderungen sind der Höhepunkt von zwanzig Jahren politischer Reaktion und Angriffen auf demokratische Rechte, wobei die repressiven Kräfte des Staates systematisch aufgebaut wurden - zwei Millionen Amerikaner im Gefängnis, Tausende in der Todeszelle, juristische Behinderungen der Rechte von Angeklagten, erweiterte Vollmachten für polizeiliche Bespitzelung und elektronische Überwachung. Parallel dazu entstand eine Rechte mit faschistischer Gesinnung, ohne große öffentliche Unterstützung, aber mit enormem Einfluss in der Republikanischen Partei, im Kongress und nun auch im Weißen Haus.
Diejenigen, die behaupten, dass die jüngste Eskalation der Zerschlagung der Bürgerrechte einfach eine Reaktion auf den 11. September sei, ignorieren die wichtige Tatsache, dass die Bush-Regierung auf der Grundlage einer beispiellosen Verletzung des grundlegendsten demokratischen Rechts, des Wahlrechts, an die Macht gelangte. Die Bemühungen von Bush und der Republikanischen Partei, die Wahlen an sich zu reißen und die Macht zu ergreifen, obwohl sie bundesweit nicht die Stimmenmehrheit erhalten hatten, fand seinen Höhepunkt in der Entscheidung der rechten Mehrheit des Obersten Gerichtshofs, eine Neuauszählung der Stimmen im entscheidenden Staat Florida zu stoppen und Bush die Präsidentschaft auszuhändigen. Eine Regierung, die ihr Amt mit Methoden des Betrugs und der Verschwörung erlangt, wird zwangsläufig auch mit den gleichen Methoden herrschen.
Diese Regierung ist in ihrer Innen- und Außenpolitik den Interessen der reichsten und privilegiertesten Schichten der amerikanischen Gesellschaft verpflichtet. Es ist auch eine Regierung in tiefer Krise. Vor den Terrorangriffen zeigte die Bush-Regierung deutliche Anzeichen interner Unstimmigkeiten. Ihre schon schmale gesellschaftliche Basis bröckelte unter dem Druck einer amerikanischen und weltweiten Wirtschaftskrise.
Die Republikaner hatten die Mehrheit im Senat verloren und international geriet die Bush-Regierung zunehmend in Isolation, weil ihre nominellen Verbündeten wie auch ihre Feinde ihre aggressive und unilateralistische Haltung kritisierten. Die Ereignisse vom 11. September wurden von den Strategen der Bush-Regierung sofort als willkommene Gelegenheit ergriffen, die Regierung zu stabilisieren und die Unterstützung der Öffentlichkeit für einen militärischen Angriff auf die angeblichen Hintermänner zu mobilisieren. Gleichzeitig bereitete sie sich durch eine Ausweitung und Neustrukturierung der polizeilichen Vollmachten des Staates auf einen Aufschwung sozialer Kämpfe vor, ausgelöst durch die steigende Arbeitslosigkeit, eine sich vertiefende Krise und die unternehmensfreundliche Politik der Regierung.
Die "Antiterror"-Kampagne der Bush-Regierung im eigenen Land muss als eine scharfe Warnung dienen. Nach dem Debakel vom November und Dezember 2000 in Florida gab es abwiegelnde Kommentare in der Presse, die erklärten, dass der scharfe politische Kampf in den Vereinigten Staaten im Unterschied zu vielen anderen Ländern nicht mit auf den Straßen rollenden Panzern enden werde. Jetzt sind die Panzer auf der Straße, und Soldaten umstellen das Kapitol, sozusagen in einem Putsch im Zeitlupentempo.
Alle traditionellen Normen der bürgerlichen Demokratie stehen in Frage. Die Bush-Regierung drückt die Verachtung für die Demokratie aus, die mächtige Teile der Wirtschafts- und Finanzoligarchie der USA sowie ihre faschistischen Verbündeten bei der christlichen Rechten, der Waffenlobby und der Milizbewegung durchdringt. Sie sind entschlossen, bei der Errichtung eines autoritären Regimes so weit zu gehen, wie sie können. Konzepte wie die Gewaltenteilung zwischen den drei Zweigen des Staates mit seiner juristischen Kontrolle der Exekutive werden in dem Versuch beiseite geschoben, die Polizeivollmachten der Bundesregierung enorm zu erweitern.
Man sollte sich daran erinnern, dass auf dem Höhepunkt der Milzbrandpanik Mitte Oktober republikanische Kongressmitglieder dafür waren, den Kongress zu schließen und auf unbestimmte Zeit zu beurlauben, um Bush, dem FBI, der CIA und dem Militär im Ausland wie im Inland umso freiere Hand zu geben.
Der Krieg der Bush-Regierung gegen die demokratischen Rechte hat die Unfähigkeit der demokratischen Partei entlarvt, den extrem rechten Kräften, die die republikanische Partei dominieren, ernsthaften Widerstand entgegen zu setzen. Schon Stunden nach den Angriffen vom 11. September versprachen die Demokraten dem Weißen Haus von Bush bedingungslose Unterstützung und erklärten, dass politischer Streit nicht länger zulässig sei. Die demokratische Führung stimmte nicht nur dem Mandat für Bush zu, im Ausland Krieg zu führen, sie stellte auch die Verabschiedung des "Antiterror"-Gesetzes sicher, unterdrückte jede Untersuchung des nicht geklärten Versagens der Sicherheitsdienste, das die Angriffe vom 11. September möglich gemacht hatte, und billigte die Opferung der verfassungsmäßigen Rechte auf dem Altar der Polizei.
Der politische Zusammenbruch der demokratischen Partei ist der Höhepunkt eines langen Prozesses der Anpassung an die rechtesten Teile der herrschenden Elite. Schon in ihrer unterwürfigen Reaktion auf die Verschwörung der Republikaner zur Amtsenthebung Clintons und den Diebstahl der Wahl 2000 demonstrierten die Demokraten ihre Unfähigkeit und Unwilligkeit, demokratische Rechte zu verteidigen.
Auch wenn im Moment die große Mehrheit derer, die im Schleppnetz der Regierung gefangen werden, Einwanderer aus dem Nahen und Mittleren Osten und Zentralasien sind, ist es nur eine Frage der Zeit, bis diese antidemokratischen Methoden noch breiter angewandt werden. Der umfassende Angriff auf demokratische Rechte kann nur durch die unabhängige Organisierung der Arbeiterklasse aufgehalten werden, die alle Teile der arbeitenden Bevölkerung - Einwanderer und Einheimische - in einem politischen Kampf gegen die Finanzoligarchie und ihre politischen Vertreter vereint.