Der schöne Tag ist nach Geschwister(1996) und Dealer(1999) der letzte Teil einer Trilogie des Regisseurs, in dessen Zentrum in Deutschland aufgewachsene Menschen türkischer Abstammung stehen. In diesem Film ist es eine junge Frau, die entgegen sonst üblicher Handhabung, nicht als bemitleidenswertes Opfer, sondern als selbstbewusster Mensch auftritt. Auf die gewöhnlich mit dem Thema Migration verbundene Diskussion über das Lebensgefühl einer sogenannten kulturell zerrissenen Generation gibt der Film eine eigene Antwort.
Die Handlung spielt an einem Sommertag in Berlin. Die junge Schauspielerin Deniz, die sich mit Synchronsprechen über Wasser hält, macht Schluss mit ihrem Freund, weil die Beziehung zur Routine geworden ist. Sie fragt Jan, warum er mit ihr zusammen ist und bekommt keine Antwort. Sein Studium hat er inzwischen auch abgebrochen. Er ist immer schwankend, weiß nur immer, was er nicht will.
Auch Deniz ist noch unsicher. Liebe jedoch, da gibt es für sie keinen Zweifel, ist mit starken, aufrichtigen Gefühlen verbunden. Wo und wie ist so eine Liebe zu verwirklichen? Ist das überhaupt möglich?
Eine Dozentin für Geschichte des Alltagslebens, bei der Deniz im Café eine Zigarette schnorrt, denkt positiv über die Liebe. In früheren geschichtlichen Epochen, so erklärt sie, hätte man dafür wenig Sinn und Zeit gehabt. Alles sei über die Arbeitsbeziehungen geregelt worden denn damals galt es vor allem materiell zu überleben. Heute sei jedoch der nötige Spielraum vorhanden, um Gefühle wichtig nehmen zu können. Allerdings, schränkt sie dabei ein, sei es nötig einen Kompromiss zu schließen zwischen Liebe und Arbeit.
Das Ergebnis davon kennt Deniz zur Genüge. Bei vielen ihrer Bekannten sind die Beziehungen zerbrochen. Nur ihre ältere Schwester Leyla lebt glücklich mit ihrem Freund. Doch jetzt, wo sie beide ein Kind erwarten, ist sie niedergedrückt und ratlos. Ihr ist klar, dass sie mit Kind ihre Arbeit verliert, die ihr Spaß macht und gut bezahlt wird. Deniz' knapper Kommentar: "Wenn ihr euch liebt, werdet ihr alles schon irgendwie hinkriegen."
Die Kamera begleitet Deniz einen ganzen Tag lang durch die Straßen der Stadt, auf dem Weg zur U-Bahn, beim Besuch der Mutter, dem Treff mit der Schwester und in das nüchtern-freundliche Arbeitsklima des Studios.
Die wenig inspirierende Alltagsatmosphäre, der Deniz ständig ausgesetzt ist, hat auch bei ihr Spuren hinterlassen. Sie rotiert in dem gleichen, die Emotionen auf Dauer abstumpfenden Kreislauf, in dem alle Akteure des Films gefangen sind. Deniz' Sprache ist etwas schleppend und eintönig, ihr Gang wenig elastisch. Sie trifft sich mit einem jungen Mann, der ihr ein paar Mal beim Schlendern durch die Stadt an der U-Bahn aufgefallen ist. Als sie ihn fragt, ob er sich freue, dass seine Freundin morgen aus den USA wiederkommt, wo sie ein Jahr studiert hat, weiß er nicht so recht. Seine ganze unschlüssige Art erinnert an Jan. Als Deniz selbst, beim Vorsprechen für eine Filmhauptrolle erzählen soll, was sie als letztes gemacht oder welcher Film sie besonders beeindruckt hat, weiß sie lange nicht, was sie sagen soll und berichtet nach längerem Schweigen stockend von einem Film, den sie zufällig im Fernseher sah, wo es um Trennungen ging.
Dennoch ist Deniz keine passive Person, die vom Schicksal oder Zufall herumgeworfen wird, sondern jemand, der sein eigenes Leben in die Hand nehmen will. Sie hat eine innerliche Kraft, etwas leuchtet in ihrem verschlossenen Gesicht und will etwas anderes. Sie sucht weiter. Irgendwann fällt ihr hartnäckig forschender Blick wieder auf einen jungen Mann.
Dass sie türkischer, Jan deutscher Abstammung und ihre U-Bahn Bekanntschaft Diego ein junger Portugiese ist, dringt dem Zuschauer dabei kaum in das Bewusstsein. Vom Publikum kam niemand nach der Vorführung auf die Idee, die sonst üblichen multikulturell geprägten Identitätsfragen zu stellen. Zu offensichtlich war, dass Deniz' Schwierigkeiten nichts mit fehlenden Rechten für ethnische Minderheiten zu tun haben.
Gegenüber dem wsws erklärte Thomas Arslan, der selbst einen türkischen Vater hat, hierzu:
"Es gibt sehr viele elementare Fragen, die damit verbunden sind, wie man leben soll. Es hat mich in dem Fall tatsächlich nicht interessiert, diesen vermeintlichen Konflikt zwischen zwei Kulturen zu bedienen. Es ging mir in erster Linie nicht darum zu definieren, was fremd‘ an Deniz ist, was exotisch, sondern darum, sie als eine eigenständige Person zu behandeln. Vielen ihrer Generation wird dieses Problem, wo nun ihre Heimat ist, ob sie sich mehr türkisch oder deutsch fühlen, wie auch immer, angeklebt. (...) Aber auch die Hauptdarstellerin von Deniz Serpil Turhan gehört zu den Leuten, die schon wesentlich selbstverständlicher in diesem Umfeld leben, für die daher ganz andere Alltagsprobleme relevant sind, als sich ständig mit Problemen der Identität zu beschäftigen."
Der stille Film entfaltet seine Wirkung durch äußerste Sparsamkeit. Er stellt keine Gefühle zur Schau, die sich, wie leider so oft im Kino, verselbständigen und schließlich auf Leinwandgröße aufgeblasen, jeglichen Kontext zu ihrer Umgebung verlieren. Gerade das stark zurückgenommene Spiel der Schauspieler soll helfen, die dargestellten Figuren zu "entpsychologisieren", erklärte der Regisseur dem Publikum, was teilweise kritisierte, Deniz trete zu sehr als "Objekt" in Erscheinung, wobei ihre Subjektivität verschwinde. Tatsächlich tritt Deniz nie aus dem Spannungsfeld ihrer Umgebung heraus. Doch erst dadurch wird der bestehende Zusammenhang zwischen ihrer subjektiven, widersprüchlichen Persönlichkeit und der sie umgebenden objektiven Welt sichtbar. "Mich reizen eher Fiktionen, die dem Dokumentarischen noch einen Raum geben. Das zusammenzubringen, das interessiert mich."
Thomas Arslan hat in Der schöne Tag unspektakuläre menschliche Charaktere in den Mittelpunkt gestellt, sie dabei wirklich ernst genommen und ihnen Kraft und Würde verliehen. Das ist zur Zeit alles andere als eine Selbstverständlichkeit im deutschen Kino.